Chaussee/Poststraße - Anforderungen

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  • Da Capo
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    Adjudant
    • 23.10.2006
    • 827

    Chaussee/Poststraße - Anforderungen

    Bei dem Versuch, die Marschlängen der preußischen Divisionen bei ihrem Marsch am 14.10. von Auerstedt nach Hassenhausen zu ermitteln, bin ich auf ein Problem bezüglich der Breite der dasigen Wegeverbindung gestoßen.
    Allgemein wird der Weg zwischen Auerstedt und Kösen als Chaussee bezeichnet. Ledebur vom Kürassier-Regiment 7 („Erinnerungen aus den Kriegsjahren 1806 und 1807“) gibt an, dass die Chaussee so breit gewesen sei, dass man mit Zügen traben konnte (1 Zug = 12 Rotten; bei ca. 1,5m/Reiter = 18m).
    Griesheim („Vorlesungen über die Taktik“) behauptet, dass es zwischen Weimar und Kösen überhaupt keine Chaussee gegen hätte und gibt für den Weg schweren, fetten Boden. Dieser hätte dazu geführt, dass am 13.10. die Armee für 3 Meilen 14 Stunden gebraucht hätte. Bei einer Chaussee hätte die Armee nur 7 Stunden benötigt.

    Wenn aber selbst für die Verbindung Auerstedt – Kösen nur eine Poststraße unterstellt wird, so muss diese mindestens 24 Fuß (18m) breit gewesen sein (z.B. Erneuertes Wegereglement für das Herzogtum Cleve, Berlin d. 2.Febr. 1768). Eine Chaussee dürfte in der Breite nicht darunter gelegen haben. Allerdings hatten Chausseebrücken die gleiche Breite wie die Chaussee zu haben, was für Poststraßen nicht galt (diese hatten an engeren Stellen mind. 12 Fuß (9m) breit zu sein, eine Regelung bzgl. der Brücken habe ich nicht gefunden).

    Insofern wirklich eine Chaussee – auf der die Kavallerie in Zügen traben konnte – vorhanden war, ist es nicht verständlich, warum die Infanterie in Sektionen abmarschierte und nicht in Zügen (1Zug = 20 Rotten; bei ca. 0,75m/Infanterist = rund 15m), was die Marschlänge halbiert hätte.
    Allerdings merkt Griesheim an, dass die Kavallerie nicht gern auf Chausseen marschiere, weil die Hufe aufgrund des Steinbelages zu sehr angegriffen würden.

    Mein bisheriges Verständnis einer Chaussee ging auch bisher dahin, dass sich in der Mitte eine Pflasterung und rechts und links davon ein so genannter Sommerweg befand.

    Kann mich jemand zum Thema Chausseen in der Zeit um 1806 etwas erhellen oder gar Informationen zum Zustand der Wegeverbindung Weimar – Kösen liefern. Hierfür sei schon jetzt gedankt.
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  • Blesson
    Erfahrener Benutzer
    Adjudant
    • 03.10.2006
    • 778

    #2
    Speziell zu der Region kann ich nichts sagen, aber doch zum allgemeinen Stand des Straßenbaus:

    1) Eine Chaussee war üblicherweise 1-2 Wagen breit, also ca. 10-12 Schritt. Ein Reglement der pr. Wegeinspektion (und anderer) sagt ja nur, was gefordert wurde, aber nicht unbedingt, was wirklich gebaut wurde. Was für die westlichen Provinzen wie Cleve galt, mußt noch lange nicht für die Kernprovinzen gelten.
    2) Neben der Chaussee verlief bei flachem Terrain auf einer oder beiden Seiten in aller Regel der nicht befestigte Sommerweg, etwa von der 1-2 fachen Breite der Chaussee, der wie der Name sagt, nur in der trockenen Jahreszeit nutzbar war. Vom Herbst bis zum Frühjahr pflegten sich die Sommerwege in einen Sumpfpfuhl zu verwandeln, waren also mehr oder weniger unbenutzbar, außer bei starkem Frost. In Zügen marschierende Infanterie ist dann also durchaus vorstellbar.
    3) Chaussee und Sommerweg waren in der Regel durch Pappeln und andere schnellwüchsige Bäume begrenzt, weswegen auf den zeitgen. Karten die entsprechende Signatur üblich ist.
    4) Eine durchgängige Pflasterung, selbst nur ein Unterbau und Entwässerungsgräben, würden mich bei einer Nebenroute (pardon, meine liebe Thüringer) doch sehr ins Erstaunen setzen, diese wäre üblicherweise nur bei den großen Heeresstraßen zu erwarten gewesen, sagen wir Leipzig-Dresden.
    5) Wir haben allerdings ein deutliches Gefälle beim Ausbau der Chausseen von Frankreich/Österr. Niederlanden bis Ostpreußen/Polen. Gut ausgebaut waren die sächs. Chausseen, was man von preuß. wahrlich nicht sagen kann.
    6) Bei den Märschen bewegten sich, wenn der Raum es zuließ, Train, Artillerie und Equipage auf den Chausseen, Infanterie und Kavallerie auf den Feldern parallel dazu, wie noch vom siebenjährigen Kriege bekannt.

    Im konkreten Fall helfen wohl nur zeitgen. Akten oder Karten des Herzogtums Weimar weiter...

    Zum Nachlesen empfehle ich den Krünitz, Stichwort Straßenbau.

    LB
    Zuletzt geändert von Blesson; 01.02.2010, 21:30.
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    • Blesson
      Erfahrener Benutzer
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      • 03.10.2006
      • 778

      #3
      Anbei zwei Abbildungen, nämlich eine Chaussee im Querschnitt nach den Spezifikationen der pr. Oberbaudeputation um 1820 und dann die Wirklichkeit, gezeichnet ca. 1770 von Daniel Chodowiecki auf seiner Reise nach Danzig, immerhin auf der Chaussee von Berlin nach Danzig, bei Langfuhr. Dort ist keine Spur von Unterbau zu erkennen.
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      • joerg.scheibe
        Erfahrener Benutzer
        Capitaine
        • 02.10.2006
        • 592

        #4
        Mein lieber Blesson,

        hinsichtlich des Chodowiecki gestatten Sie mir den Hinweis, daß C. mitnichten eine Chaussee darstellen konnte, da es eine solche zu der Zeit in Preußen nicht gab.
        Der Allergroßmächtigste Könich war nämlich ein Feind des Straßenausbaus und so kam es, daß erst nach Allerhöchstdesselben Ableben mit dem Baue von Preußens erster Staats-Chaussee (nu ratense mal wo - zwischen Magdeburg und Halberstadt) im Jahre 1787 begonnen wurde. Zwischen den Residenzien B.+P. baute man eine solche im Jahre 1790.

        Interessant in dem Zusammenhang die von Ihnen angegebene Breite des Sommerweges:
        Eigene Erinnerung meint, diese Sommerwege entlang der Landstraßen (die es bis zum Beginn der 90er Jahre des verwichenen Jahrhunderts noch gab) als höchstens so breit wie die Hauptfahrbahn, keinesfalls aber breiter zu beschreiben.
        Diese Annahme wird gestützt durch die "Anweisung über die Anlegung .... von Kunststraßen" von 1814, wo einer gepflasterten Fahrbahn von 20 Fuß Breite ein Sommerweg von 12 Fuß Breite angegliedert ist.

        Was insgesamt nichts zur Ausgangsfrage beiträgt, schon klar.....

        Submissest
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        • Da Capo
          Erfahrener Benutzer
          Adjudant
          • 23.10.2006
          • 827

          #5
          Ob nun Chaussee oder nicht, der Herr mit dem polnischen Namen zeigt jedenfalls ist eine breite Straße mit Straßengräben, was einen gewissen Bau- und Unterhaltungsaufwand unterstellt.

          Ich muss noch die in der Anfrage zugrunde gelegten Maße dahin korrigieren, dass der preußische (=Rheinische) Fuß nicht 0,75m sondern 0,3138m hatte und somit die Mindestanforderung von 24 Fuß Breite nicht 18m sondern 7,5m sind. Ich bitte um Nachsicht.
          Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

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          • Blesson
            Erfahrener Benutzer
            Adjudant
            • 03.10.2006
            • 778

            #6
            Mei gutster,

            ganz recht, selbst der eingefleischte Borussophile wird nicht viel Gutes über Preußens Straßenbau zu Zeiten unseres großen Königs zu berichten haben. Daher meine zartfühlende Andeutung, um hier keine empfindsame Seelen zu verletzen.

            Über die Radierung von Chodowiecki von 1773 könnten wir uns trefflich streiten; jedenfalls ist es keine gepflasterte Chaussee und hat auch nicht das geforderte gewölbte Profil. Mit etwas Wohlwollen könnte man in der Tat die im Vordergrund angedeuteten Gräben als Entwässerungsgräben sehen. Ich erlaube mir anzumerken, daß es sich wohl kaum ein preußisches Werk handeln kann, da Danzig erst 1793 zu Preußen kam.

            Mit der Breite der Sommerwege war so gemeint: Wenn je einer rechts und links der Chaussee verläuft, dann machen beide zusammen die doppelte Breite des befestigten Teils.
            Zuletzt geändert von Blesson; 01.03.2010, 18:20.
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            • Blesson
              Erfahrener Benutzer
              Adjudant
              • 03.10.2006
              • 778

              #7
              Noch ein Kommentar zu Chaussee des Herzogtums Weimar an Hand zeitgenössischer Karten, hier die General-Karte von den preussischen Staaten von 1799:

              Hier dargestellt sind die Postrouten mit den Posten (Relaisstationen, dargestellt als kleine Striche senkrecht zur Postroute).

              Wie man sieht, gab es nur nur zwei Postrouten, die in Ost-West-Richtung durch das Herzogtum führten.
              1. Erfurt - Naumburg - Leipzig (lief auch durch Auerstedt)
              2. ERfurt - Weimar - Jena
              Topograph. Karten: Auf dem sogen. Separatpiece des Grafen Schmettau müßten allerdings alle Chaussen schon vor 1790 worden aufgenommen sein. Der Verbleib dieses Kartenwerk ist mir nicht bekannt, dürfte aber in der Berliner Plankammer aufbewahrt worden sein, und könnte somit in den Bestand der SpKB übergegangen sein.

              Evtl. gibt es in den Weimeraner Archiven noch Bestände (Katasterkarten oder Wegekarten) des "Mathematischen oder Vermessungsbüreaus", welches ja 1807-1813 von Müffling geleitet wurde.

              Erst nach 1850 gab es dann eine wirklich gedruckte topographische Karte des Großerherzogtums. ...

              Das Buch von

              Falk Zimmanyi: Von Flurzügen, Felgeschworenen und vergrabenen Kanonenrohren - Ein Beitrag zur Vermessungsgeschichte des Weimaraner Landes, Erfurt, 2003

              gibt in dieser Richtung nichts her.

              LB
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              Zuletzt geändert von Blesson; 24.02.2010, 00:06.
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              • joerg.scheibe
                Erfahrener Benutzer
                Capitaine
                • 02.10.2006
                • 592

                #8
                Der guten Ordnung halber

                noch ein Zitat:

                "§ 8 Die Chaussee soll mit Inbegriff der Seiten=Gräben, Vier Rheinländische Ruthen breit seyn."

                Circulaire, die Chaussee= Fähr= und Brückengelder von Fürstenguth betreffend. De Dato Berlin, den 29.März 1792

                Gruß
                Jörg
                The light at the end of the tunnel
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                • Blesson
                  Erfahrener Benutzer
                  Adjudant
                  • 03.10.2006
                  • 778

                  #9
                  Zitat von joerg.scheibe Beitrag anzeigen
                  noch ein Zitat:

                  "§ 8 Die Chaussee soll mit Inbegriff der Seiten=Gräben, Vier Rheinländische Ruthen breit seyn."

                  Circulaire, die Chaussee= Fähr= und Brückengelder von Fürstenguth betreffend. De Dato Berlin, den 29.März 1792

                  Gruß
                  Jörg
                  Das ist stattlich: ca. 15m. Das wird dann auch noch für mindestens einen Sommerwege gereicht haben?
                  Do, ut des

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                  • joerg.scheibe
                    Erfahrener Benutzer
                    Capitaine
                    • 02.10.2006
                    • 592

                    #10
                    Hypothetische Rückrechnung,

                    da ich die geneuen Maße aus den historischen Anweisungen nicht parat habe:

                    15,00 m Gesamtbreite
                    % 6,30 m befestigte Fahrbahn
                    % 1,50 m Bankett
                    %2x 2,00 m Graben

                    3,20 m Sommerweg

                    Das ist ein wenig mehr, als in der Vorschrift von 1814 angegeben.

                    (Grabenbreite und Bankett nach heutigen Vorgaben; dabei Grabenbreite variierend.)

                    Gruß
                    Jörg

                    P.S. Wer Rundungsfehler in der zweiten Nachkommastelle netdeckt, darf sie gern behalten.
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