Napoleon in Ägypten

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  • Mephisto
    Erfahrener Benutzer
    Capitaine
    • 01.10.2006
    • 625

    Napoleon in Ägypten



    Zitat von Mephisto
    Zumindest soll Talleyrand den Egypten-Ausflug aktiv unterstützt haben. Sein späteres Leugnen lässt sich heute nicht mehr vertreten.
    Warum er dann aber abgesprungen ist - indem er den letzten entscheidenden Schritt nicht getan hat, ist mir schleierhaft.
    Er ist entgegen den Absprachen 1798 nicht in diplomatischer Mission nach Konstantinople gereist.
    Da kann evtl. excideuil weiterhelfen - im Ägypten-Thread?.
    Gruß
    Mephisto

    "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
    nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:
  • excideuil
    Erfahrener Benutzer
    Sergent-Major
    • 24.09.2009
    • 207

    #2
    Talleyrand hat in der Tradition der franz. Außenpolitik des ancien régime nach seinem amerikanischen Exil im franz. Nationalinstitut zwei Denkschriften vorgelegt/-gelesen. In einer - "Versuch über die Anlegung neuer Colonieen" lesen wir:

    "Nehmen wir den Fall an, dass unsere amerikanischen Inseln erschöpft oder uns entzogen würden, so würden wir der Küste Afrikas, oder vielmehr auf deren Inseln in deren Nähe, leichte und passende Ansiedlungspunkte finden." [1]

    Talleyrand befürchtete den möglichen Verlust weit entfernter Kolonien und plädierte für den Erwerb von Kolonien, die näher am Mutterland Frankreich liegen.

    Kurze Zeit später wurde Talleyrand Außenminister.
    Wir können davon ausgehen, dass diese Denkschrift eher Aufsehen für Talleyrand erregte, als dass sie Grundlage eines politischen Konzeptes sein konnte, welches sich tatsächlich zu der Zeit verwirklichen ließe.

    Betrachten wir die Umstände seiner Ernennung, war seine Position ständig umstritten, daher ist es kaum glaubhaft, dass von einer regelmäßigen Außenpolitik gesprochen werden kann, eher vom Gehorchen auf den Augenblick, auch unter dem Aspekt eines schwachen Direktoriums.

    Die Idee der Eroberung Ägyptens geht im zeitlichen Kontext auf Bonaparte zurück. Er befand sich in Paris, war zum Obergeneral der Englandarmee ernannt und fürchtete, dass der Ruhm seiner Siege mit der Zeit verblasste. Dies umsomehr, da es ihm nicht glückte, sich ins Direktorium wählen zu lassen.

    Mir stehen nur die Memoiren N. herausgegen von Wencker-Wilberg, die Memoiren von Barras und Talleyrand selbst zur Verfügung. In keinem Werk wird Talleyrand als die treibende Kraft geschildert. Erstaunlich, dass er bei Wencker Wildberg nur in einer Anmerkung stattfindet:

    "Napoleon hatte schon vor seiner Abreise nach Ägypten verlangt, das Direktorium solle Talleyrand als Botschafter nach Konstantinopel schicken, um den Sultan von dem Bündnis mit Rußland und England abzubringen und für die Interessen Frankreichs zu gewinnen. Das Direktorium schob indes die Abreise Talleyrands beständig hinaus, da es erst abwarten wollte, was N. in Ägypten ausrichten würde. Der Pariser Regierung lag es fern, Bonapartes Pläne zu fördern, denn man hoffte im Stillen, der ehrgeizige General werde im Orient seinen Untergang finden." [2]

    Nach Talleyrands Memoiren war eine Ernennung Talleyrands als Gesandter in Konstantinopel angedacht - die aber nie erfolgte.

    Nach Barras spielte Talleyrand bei der Vorbereitung des Feldzuges keine Rolle. Barras resümiert, dass Talleyrand mit der Abreise Napoleon ein Verbündeter verlorengegangen ist, der seine Stellung noch schwieriger machte:
    "Talleyrand ist unruhiger seiner Stellung, das heißt seines Verbleibens im Ministeriums wegen, seitdem ihm die Unterstützung des in See gegangenen Bonaparte fehlt, Da er wusste, welche Verachtung Rewbell gegen ihn hegte, suchte er ihn unaufhörlich durch alles günstig zu stimmen, von dem er glaubte, dass es "mit seinen Ansichten im Einklang stehe"." [3]

    Ich lasse an dieser Stelle die Biografen T. außen vor.

    Meiner Ansicht nach hatte Talleyrand nie die Absicht, nach Konstantinopel zu gehen. Für ihn galt nur Paris als Zentrum seines politischen Wirkens. Im zeitlichen Kontext betrachtet hätte eine Mission nach Konstantinopel auch das jähe Ende seiner Karriere in einem Kerker zur Folge gehabt; eine solche Fehlleistung können wir ihm nicht unterstellen wollen. Dieser zeitliche Kontext bedeutet aber auch, dass Talleyrand die Zeit nicht reif für eine solche Unternehmung halten konnte.

    Was bleibt also?
    Das Abenteuer Ägypten wäre ohne oder mit Talleyrands diplomatischem Geschick - wenn aus einem Kerker heraus überhaupt zu verhandeln gewesen wäre - nicht anders geendet.

    Die aus der Nichtreise nach Konstantinopel später oft erhobenen Vorwürfe des Verrates an Napoleon entbehren daher jeder Grundlage. Nicht nur, weil es keine Argumente dafür gibt, sondern vor allem deshalb, dass die Nichtreise weder beim 18. Brumaire, noch in den folgenden Jahren, sondern erst auf St. Helena überhaupt erst Thema wurde.

    Grüße
    excideuil

    [1] Bulwer, Sir Henry Lytton: Geschichtliche Charaktere, Band 1: Talleyrand, Winter’sche Verlagsbuchhandlung; Leipzig und Heidelberg, 1871, Seite 302
    [2] Wencker-Wildberg, Friedrich: „Napoleon – Die Memoiren seines Lebens“, Gutenberg-Verlag Christensen & Co., Wien, Hamburg, Zürich, o. J, Bd. 2, Seite 425
    [3] Barras: „Memoiren von Paul Barras Mitglied des Direktoriums“, herausgegeben von George Duruy, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien, 1895-1896, Bd. 3, Seite 224

    Kommentar

    • Mephisto
      Erfahrener Benutzer
      Capitaine
      • 01.10.2006
      • 625

      #3
      Hallo Excideuil,

      Schön, das Du den Faden aufgenommen hast.


      Talleyrand sollte nach Konstantinopel reisen, um die Pforte von den für die Türken friedlichen Absichten der Invasion zu überzeugen.
      Die Niederwerfung der Mamelucken sei das (gemeinsame) Ziel.
      Napoleon war der festen Überzeugung, dass Talleyrand zeitig in Konstantinopel eintreffen würde.
      Ein Mann seines Formats mit ausreichenden Vollmachten war notwendig, um die Türken ruhig zu halten.

      Das dies zur Zeit der Expedition kein Thema gewesen sei, oder sich nicht beweisen ließe, ist nicht ganz richtig.

      Schon in Malta wurde ein Schiff nach Toulon gesendet, die „La Sensible“, die T aufnehmen und nach Konstantinopel bringen sollte.
      Das Schiff ist jedoch von den Engländern gekapert worden und hat Toulon nicht erreicht.
      Ein Indiz, das zumindest N fest von einer solchen Reise ausging.

      Auch wurden nach der Landung in Ägypten Flugblätter verteilt, die die Franzosen als Freunde der Türken auswiesen,
      die nur die Mamelucken verjagen wollten. Man wollte die Türken nicht gegen sich haben.
      Selbst nach der Seeschlacht von Aboukir hätte man sich so noch sicher fühlen können, wenn die Pforte still hielte.
      Das zu erreichen war die Aufgabe Talleyrands.

      Am 19.08. schreibt N an das Direktorium „Ist Talleyrand in Konstantinopel?.
      Fragt man das, wenn das kein Thema war?

      T soll Ruffin, den geschäftsführenden Botschafter, am 11 Mai von der bevorstehenden Invasion informiert haben und ihn gebeten haben die freundlichen Absichten derselben zu unterstreichen. Darüber hinaus sollte in Kürze ein Verhandlungsführer mit allen Vollmachten in Konstantinopel erscheinen. (Kein Wort von T)
      Der Brief erreichte Ruffin erst am Vorabend der Landung.
      Als Ruffin am 19.07. den Außenminister der türkischen Regierung sprechen konnte, war man empört, keinen Bevollmächtigten anzutreffen und nur im Nachhinein informiert zu werden.
      Man war wohl über die Bezwingung des Ordens auf Malta eher erfreut als erzürnt - aber Ägypten….!?!
      Wie konnte sich ein Bonaparte mehr oder weniger als „Beauftragter der Pforte“ aufspielen? – ohne vorherige Absprache!!!
      Ruffin wird sich wohl alle Mühe gegeben haben, den Sultan zu vertrösten.

      Noch am 22.08 schrieb Bonaparte direkt an den Großvesir, „das Direktorium habe T zum Gesandten ernannt, er dürfe bereits in Konstantinopel eingetroffen sein.“ Corr IV 3076

      Erst Anfang September. erklärte die Türkei Frankreich den Krieg (und steckte Ruffin ins Gefängnis).
      Es wäre Zeit genug gewesen, dies zu verhindern.

      Am 7.10. schrieb er dann an das Direktorium: „es sei sehr wichtig, dass ein Gesandter über Wien nach Konstantinopel geschickt werde; T solle sich hinbegeben und sein Wort halten“, Corr V 3439

      Noch am 11.12. schreibt Bonaparte an „Bürger Talleyrand, Botschafter in Konstantinopel“. (Corr V 3748)
      Mittlerweile musste er wissen, dass T immer noch in Paris hockte…

      Verrat hin oder her.

      Warum der Sinneswandel? Die Korrespondenz zwischen Bonaparte und Talleyrand vor Abreise soll ausgesprochene Einvernehmlichkeit zeigen.

      Du sprichst vom plötzlichen Ende seiner (T’s) Karriere, wenn er nach Konstantinopel gegangen wäre.

      Guyot soll aus den Akten die Annahme belegt haben, dass T VOR dem Feldzug um sein Portefeuille besorgt war, daher die Reise annahm; aber zum Zeitpunkt der Abreise wieder fest im Sattel saß und sie somit ablehnen konnte. (p 848 nach Fournier)
      Zu Deinem Barras-Zitat passt die Besorgnis um den Posten.
      War Rewbell denn ein Gegner des Unternehmens?

      Ferner hat der preussiche Gesandte Bailleu T zu jener Zeit (vor dem Feldzug) zitiert:
      „Ich werde wahrscheinlich abgesetzt werden von einem Posten auf dem ich nur Verdruß hatte. Vielleicht werde ich zum Gesandten in Konstantinopel ernannt, was ich wünsche und annehmen werde.“

      Klingt pausibel, oder?

      Die Annahme, das Direktorium hätte die Ernennung absichtlich nie vorgenommen und sei somit verantwortlich für den Verlust des Feldzuges, klingt für mich nicht sehr überzeugend.
      Eine solche außenpolitische Niederlage wagen - wegen eines Generals?

      Dass das Abenteuer nicht anders hätte geendet haben können, sehe ich nicht so.
      Ich halte das Fehlen eines geeigneten Diplomaten in Konstantinopel zum Zeitpunkt der Invasion für äußerst schädlich.
      Hier schubst man einen Verbündeten in die Arme der Engländer.

      Auguste Fournier, Napoleon I., 1885
      Chr. Herold, Bonaparte in Egypt“,1962
      Zuletzt geändert von Mephisto; 09.06.2011, 02:37.
      Gruß
      Mephisto

      "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
      nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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      • excideuil
        Erfahrener Benutzer
        Sergent-Major
        • 24.09.2009
        • 207

        #4
        Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
        Hallo Excideuil,

        Schön, das Du den Faden aufgenommen hast.


        Talleyrand sollte nach Konstantinopel reisen, um die Pforte von den für die Türken friedlichen Absichten der Invasion zu überzeugen.
        Die Niederwerfung der Mamelucken sei das (gemeinsame) Ziel.
        Napoleon war der festen Überzeugung, dass Talleyrand zeitig in Konstantinopel eintreffen würde.
        Ein Mann seines Formats mit ausreichenden Vollmachten war notwendig, um die Türken ruhig zu halten.

        Das dies zur Zeit der Expedition kein Thema gewesen sei, oder sich nicht beweisen ließe, ist nicht ganz richtig.
        Sorry, aber das habe ich nicht gesagt, ich habe mich lediglich erstaunt gezeigt, dass in den Quellen, die mir zu Gebote stehen - immerhin einige der unmittelbar beteiligten Personen - , Talleyrand nicht als die treibende Kraft geschildert wird. Das läßt in mir zumindest Zweifel aufkommen, ob Talleyrand wirklich die Expedition zu dieser Zeit für geeignet hielt.

        Gerade in Barras' Memoiren wird ein tiefer Hass auf Talleyrand deutlich, Barras hätte die Chance benützt, wenn es "Schuld an den Rock T. zu flicken" gegeben hätte.

        Daher ist eher davon auszugehen, dass N. die treibende Kraft des Feldzuges war, das Direktorium ihm auch keine Steine in den Weg gelegt hat, sicher weniger wegen des zu erwartenden Ruhms, sondern eher deshalb, um N. loszuwerden.

        Nein, dass T. nach Konstantinopel gehen wollte/sollte, steht wohl fest. Fraglich aber, ob das Direktorium mit dieser Maßnahme einverstanden war.

        Und nun muss ich wohl doch einen Biografen bemühen:

        "Es gibt genügend Beweise dafür, dass Talleyrand daran gehindert wurde, nach Konstantinopel zu gehen. Zunächst einmal wurde die Badine, das Schiff, das Bonaparte von Malta geschickt hatte, um Talleyrand nach Konstantinopel zu bringen, von den Engländern auf dem Weg nach Toulon gekapert. Wichtiger war jedoch, dass unmittelbar nach Bonapartes Abreise sich die innere und äußere Situation Frankreichs alarmierend verschlechterte. Talleyrand war, wie einige seiner Zeitgenossen höhnisch bemerkten, kaum Herr der Lage, und eine Selbstentsendung an eine weit entfernte Gesandtschaft schien in einem Augenblick völlig ausgeschlossen, in dem Frankreich ernsthafte Kriegsgefahr nicht nur von England, sondern auch von Rußland und jetzt auch wieder von Österreich drohte. Die Direktoren, insbesondere Barras, hätten dazu niemals ihre Einwilligung gegeben. Wägt man den Wahrscheinlichkeitsgehalt aller denkbaren Möglichkeiten ab, so scheint die simple Erklärung für "Talleyrands Treuebruch" ganz einfach die zu sein, dass ihm entweder die Umstände oder die Direktoren nicht erlaubten, sich nach Konstantinopel einzuschiffen. Es gab wichtige unerledigte Dinge in Frankreich zu tun, und Talleyrand war der am meisten qualifizierte Mann dazu." [1]

        Das klingt sehr vernünftig.
        Betrachten wir die Umstände, dann war es wohl staatsmännisch klüger, T. in Paris zu belassen als ihn nach Konstantinopel zu schicken.

        Grüße
        excideuil

        [1] Bernard, Jack F.: „Talleyrand – Diplomat, Staatsmann, Opportunist“, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1989, Seiten 222-223

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        • Mephisto
          Erfahrener Benutzer
          Capitaine
          • 01.10.2006
          • 625

          #5
          Hallo excideuil,

          Sorry für die späte Reaktion. War bisschen ausser Haus.;-)

          Rewbell scheint wirklich kein Freund Bonapartes gewesen zu sein.
          Soll ihm vor dem Feldzug gar den Rücktritt von seinem Generalsposten nahegelegt haben, wie ich nachlesen konnte.
          Dazu passt das, was Du über Barras berichtest.
          Somit hatte T wohl kein leichtes Leben an der Heimatfront.
          Nach Fournier soll er selbst Descorches für die Mission nach Konstantinopel vorgeschlagen haben.
          Offensichtlich ist dieser ebenfalls nicht entsandt worden.
          T war demnach auch nicht alleinbestimmend in der Entscheidung.
          Die Theorie, „die oben“ / das Direktorium hätte den diplomatischen Bock geschossen, klingt jetzt für mich plausibel.
          Dies umso mehr, da mir keine Verstimmung zwischen N und T nach dem Feldzug bekannt ist.

          Deinem letzten Statement muss ich natürlich vehement widersprechen – die „wichtigen, unerledigten Dinge“ sind relativ - aber da kommen wir so nicht weiter. J
          Gruß
          Mephisto

          "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
          nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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