Festung Ehrenbreitstein und die Koblenzer BUGA

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  • Blesson
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    • 03.10.2006
    • 778

    Festung Ehrenbreitstein und die Koblenzer BUGA

    Teil 1

    Am 24. Juni besuchte ich die BUGA, neugierig zu sehen, was aus der Restaurierung der Anlagen und der Ausstellung zur Festung geworden ist. Ich hatte also einmal die Brille des Denkmalschützers und Ingenieurs auf, dann im Museum die Brille des Militärhistorikers und Museumspädagogen. Zur Botanik mögen sich dann Fachkundigere als ich äußeren.

    Ich parkte meinen Wagen bei der Fritschkaserne, die übrigens mit ihren zerfallenen Bauten genau das Bild hinterläßt, welches man sich von der verflossenen anderen deutschen Republik macht.

    Mit dem Ehrenbreitstein bin ich sozusagen seit Kindesbeinen vertraut, und es ist schon erstaunlich zu sehen, was Investitionen in kurzer Zeit bewirken können. So kannte ich natürlich das bewaldete Glacis, wo der gedeckte Weg damals nur mit dem Buschmesser passierbar zu machen war. In die BUGA eingetreten, eröffnet sich ein formidables Bild des freigeräumten Vorfeldes, wenn man in die Scharten der Contregarden und der langen Linie blickt. So könnte das freie Schußfeld ausgesehen haben, wenn man sich den Blumenkram einmal wegdenkt. Jetzt erst hat man das Zusammenwirken der Batterien klar und anschaulich vor Augen.

    Die Böschung des gedeckten Weges ist mit Industrieziegeln aufgemauert, leider hat man den Schützenauftritt übersehen, und auch das Glacis ist komplett einplaniert, so daß die Schußlinien nicht mehr genau nachzuvollziehen sind, aber wer sieht das schon? Das Blockhaus wurde merkwürdigerweise nicht mit restauriert, sondern in seinem zerfallenden Zustand belassen, wahrscheinlich als Demonstration für Trockenmauern zum Wohle der Tier- und Pflanzenwelt. Womöglich wohnen schützenswerte Fledermäusen herinnen?

    Der Übergang vom gedeckten Weg zur langen Linie ist wieder hergestellt, mir ist allerdings nicht klar geworden, wie der usprüngliche Abschnitt dort ausgesehen hat. Dort finden wir heute ein Restaurant, wo früher der Hausmeister ziemlich lauschig wohnte. Der Hof ist mit Glas überdacht und eignet sich so für größere Veranstaltungen. Das Bombenloch wurde nicht geschlossen, nur oben abgedeckt, was die Gewölbestrukturen aus Bruchstein über 2 Etagen offenlegt, was ich sehr gelungen finde.

    Die Fassaden vom Turm Ungenannt sind vorbildlich wiederhergestellt, und im Inneren man hat glücklicherweise den alten Treppenaufgang belassen, und stattdessen eine Nische für Treppenhaus und Fahrstuhl geopfert. Die Barrierefreiheit fordert ziemlich viel Tribut, in der langen Linie fehlt sogar ein Treppenhaus neben dem Fahrstuhl.

    Vom Turm ungenannt kann man jetzt die gesamte die lange Linie über zwei Brücken durchqueren. Die Brücken wurden leider nicht mit den ursprünglichen Materialien rekonstruiert, so daß man die Funktionen nur noch erahnen kann. Es sind jetzt in diesem Abschnitt viele Räume zugänglich geworden, die bis zum April d.J. entweder nur mit Führung oder überhaupt nicht zu besichtigen waren.

    Der Ravelin mit einer voll eingerichteten Flüchtlingswohnung aus den 50er Jahren war mein persönlicher Höhepunkt, und ich bin dankbar, daß diese Wohnung keiner Sanierung zum Opfer gefallen ist. Die kleinen Gärten auf dem Verdeck gefielen, besonders der im Stil der fünziger, entsprach dies auch in etwa einer historischen Nutzung durch alle Epochen. Eine Walllaffette heroben wäre auch ganz hübsch anzusehen.

    Die Räume, die jetzt für Ausstellung und Restauration genutzt werden, wurden für meinen Geschmack über-restauriert, aber zahlreiche Wachträume an den Toren und im Ravelin sind immerhin erhalten geblieben und bleiben es hoffentlich auch. Leider wurde schon vor Jahren die provisorische Kirche aus der Nachkriegszeit, eigentlich ein Kriegspulvermagazin, dem Ausbau des archäologischen Museum geopfert, und steht derzeit leer.

    In der großen Kuppelhalle befindet sich eine Restauration, die allerdings wegen der grandiosen Akustik nur zu empfehlen ist, wenn man keine vertrauliche Gespräche führen möchte. Man versteht einfach alles am Nachbartisch. Ich persönlich hätte hier lieber eine Rekonstruktion des Göpelwerks vom Schrägaufzug gesehen…
    Der ehemalige Halsgraben mit seinen Substrukturen unter der Kuppelhalle kann jetzt ebenfalls besichtigt werden. Die eindrucksvolle Multimediaschau läßt allerdings die Preußenzeit völlig außer acht – schon mal was von Chronologie und Kausalität gehört? Geschichte(n) muß man halt erzählen können…

    Am Freitag war für meinen Geschmack zu viel Rummel auf dem Glacis und den beiden Gräben. Die jetzt oben auf der Festung installierte Restauration in der Kuppelhalle und der langen Linie werden ihren eigenen Bedarf nach sich ziehen, was wir in den nächsten Jahren sehen werden. Die Eventkultur wird auf dem Ehrenbreitstein Einzug halten.

    Der Trost ist, daß die meisten modernistischen Garteninstallationen nach der BUGA verschwinden werden und die restaurierten Bauten überleben werden. Das ist eben der Preis, welcher für die Restaurierung gezahlt werden muß.
    Zuletzt geändert von Blesson; 27.06.2011, 20:44.
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  • Blesson
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    • 03.10.2006
    • 778

    #2
    Teil 2

    Im zweiten Teil möchte ich über die nicht so ganz gelungene militärhistorische Ausstellung im Turm ungenannt und dessen Nachbarschaft mit dem Blick des Militärhistorikers und erfahrenen Museumsgängers berichten, der auch schon an Ausstellungen beteiligt war.

    Reliefmodelle des Festungsberges

    Die Modelle der verschiedenen Epochen haben außerordentlich gut gefallen, gerade in ihrer reduzierten weißen Farbgebung. Der Maßstab wäre noch ganz schön gewesen; Leider fehlt ein Hinweis, ob das Relief überhöht ist. Ganz offensichtlich fehlt ein Modell der letzten Bauphase, soll das Bronzerelief auf dem Schloßplatz diese Funktion erfüllen?

    Originale Exponate

    Auffallend ist das weitgehende Fehlen von originalen Plänen, Abbildungen, Monturteilen, Artefakten aller Art, die sicher von anderen Institutionen bzw. Sammlern hätten ausgeliehen oder auf dem Markt mit entsprechendem Budget hätten beschafft werden können. Vor allem Pläne wären der Ausstellung am historischen Ort angemessen gewesen – aber vielleicht läßt sich das ja nachholen?

    Weitere Exponate

    Die Replik des Gemäldes von Wilhelm v. Müffling ist zwar nicht übel, aber er war 1839 nur kurze Zeit Gouverneur der Festung und müßte eigentlich gegenüber dem Erbauer der Festung, Ernst-Ludwig von Aster zurücktreten, der erstaunlicherweise mit keinem Wort erwähnt wird. Ein Stich von ihm wäre wohl das mindeste?

    Geschütze in der Contregarde rechts

    Die Repliken – Mörser, Haubitze, 12Pfünder auf niedriger Rahmlafette, 6-Pfünder auf Kasemattschleife nach den Spezifikationen von 1832 zählen mit zum Besten, was ich bisher gesehen habe – sie scheinen sogar funktionsfähig zu sein. Einzig beim Mörserstuhl habe ich einige fragende Falten auf der Stirn: wo ist bitte die Höhenrichtmaschine, wo ist der Beleg für diese Konstruktion? Ich kenne für die stehenden Mörser dieser Zeit eigenlich nur Mörserklötze.
    Aber zum Teufel noch mal, warum zeigen die Mündungen nicht in die Scharten der Kasematten, sondern auf die Besucher? Etwas mehr Erläuterung zum Geschützwesen wäre hier nicht fehl am Platz, sie finden sich stattdessen am Terminal an der Abortanlage (sic!). Zu den Beschriftungen siehe unten.
    Warum ziehen diese Geschütze nicht in das leerstehende Erdgeschoß des Turm Ungenannt um, dann wäre schließlich alle wichtigen Teile der Ausstellung vereint?


    Figurinen

    Gleich vorweg, diese sind recht unterschiedlich in der Qualität – von mies bis recht ordentlich.

    Am besten kommen die beiden Figurinen aus der Kaiserzeit – ein Infanterist und ein Pionier von ca. 1910 - weg, bei denen mir erst einmal nicht viel grob Falsches aufgefallen ist. Der wohl früher einmal gewesene Artillerist wurde dann zum Pionier mutiert, da die Kolbenlitzen fehlen? Wohltuend fallen immerhin die verwendeten Originalteile – wie z.B. das Kochgeschirr - auf.


    Die Montur vom kurtrierschen Regiment von ca. 1770 ist qualitativ so schlecht gemacht, daß sich die Entfernung von selbst empfiehlt. Ersatzweise, diese von einem Darsteller ein bis zwei Jahre durch die Feldlager schleifen lassen, bis sie hübsch abgetragen aussieht. Ich weiß natürlich auch, daß die Quellenlage sehr schwierig ist.

    Die beiden Figurinen von ca. 1830 sind leider von mäßiger Qualität und sollten nachgebessert werden:


    Füsilier: 28. Infanterie-Regiment ca. 1830.
    Hier fällt das gefärbte Leder beim Bandolier unschön auf – sämisch Leder wäre hier richtig.
    Warum sind die Schuhe braun und haben eine runde Spitze wie Bergstiefel?
    Die Beschriftung verkündet vollmundig, daß der Füsilier feldmäßig gekleidet sei. Warum fehlen dann Tornister, Mantelrolle und Kochgeschirr? Als Seitengewehr wäre der neupreußische Säbel 1808 passender als das Sabre Briquet gewesen.
    Die Ärmelaufschläge scheinen doch etwas übertrieben spitz abzustehen. Wahrscheinlich müssen die noch zugeharkt werden?
    Die Schulterstücke sind Posamentiererarbeit, wurde da nicht eher gestickt oder ausgeschnittener Besatzstoff aufgenäht?
    Die Gamaschhose sitzt nicht ganz richtig – hier würde wohl helfen, den Herrn mit etwas Zeitungspapier die Waden auszustopfen, ebenso bei den Ärmeln. Beim Material der Gamaschhose melde ich Zweifel an – im Sommer war das doch bestimmt Leinen und nicht Wolle?


    Artillerieoffizier: Secondelieuteant des 8. Artillerieregiments ca. 1830 in Paradeajustierung. Hier fällt einiges recht unschön auf
    Die Schärpe ist eine Schnallschärpe mit Gespinst aus der Kaiserzeit, keine Netzschärpe. Ich weiß natürlich, daß diese schwer zu beschaffen ist, aber dann ist es bei einem Museum besser, diese ganz wegzulassen, oder dies wenigstens bei der Beschriftung zu erwähnen. Die Tragweise ist falsch, d.h. die Schärpe sitzt immer zwischen den beiden untersten Knöpfen, und die Knoten hängen über dem Gesäß, nicht über der Leiste. Wir sind hier nicht in der Friderizianischen Zeit.
    Das Degenkoppel ist recht phantasievoll und ist wohl kaum als zeitgenössisch zu belegen; der Degen hängt unschön am Bauch (sic!), nicht am Hüftknochen.
    Der Fangriemen des Czakos wird auf die rechte, nicht auf die linke Seite in den obersten Knopf geschlungen (siehe Thümen).
    Die Epauletts sind zwar original, aber gehören doch eher in die Epoche um 1900? Die frühere Form bis 1832 war erheblich größer (siehe Thümen, Eckert-Monten). Die Lettern dürfen noch gestickt gewesen sein?
    Die Schoßumschläge scheinen mir kurz, also dann auch zu breit. Sie sollten etwa eine Handbreit oberhalb der Kniekehle enden, nicht zwei Handbreit oder mehr.
    Der IOD stammt wohl von nach 1850, und scheint mit für die Zeit von 1830 noch etwas fipsig, eine etwas kräftigere Klinge wäre angemessener. Das Beamten-Portepee stammt aus einer weit späteren Zeit.
    Wenn schon Parade, warum trägt der Herr Secondelieutenant keine weißen Handschuhe?
    Diese unstimmigen Accessoires entwerten leider den gut gemachten Rock und den Czako.


    Und noch etwas: Die Vitrinen spiegeln sehr stark im Fensterlicht, besonders beim Photographieren.
    Die Mehrzahl der Ungenauigkeiten läßt sich immerhin einfach mit etwas gutem Willen aus der Welt schaffen.

    Warum Figurinen immer so stockesteif dastehen müssen, konnte mir noch niemand erklären, etwas natürliche Bewegung und Dynamik haben noch nie geschadet, um Interesse zu wecken – siehe die Figurinen von Gerry Embleton. Wenn die Figurinen dazu eine Geschichte erzählen können, umso besser.
    Zuletzt geändert von Blesson; 30.06.2011, 21:43.
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    • Blesson
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      • 03.10.2006
      • 778

      #3
      Teil 3:

      Videoterminal

      Dieses steht etwas versteckt an der Abortanlage in der Contregarde rechts. An sich keine schlechte Idee, und auch von den Themen her fachkundig gemacht, wenn da nicht der kleine Bildschirm wäre. Ich habe die Stabilität der Benutzerführung getestet und war zufrieden. Das hat aber dazu geführt, daß ich wenigstens 10 Minuten am Terminal verbrachte, und irgendwann fing es hinter mir an zu grummeln – ich war nämlich nicht der einzige Besucher, der etwas sehen wollte. Kurzum, das Ding taugt nur, wenn es mehrere davon gibt, oder einen Bildschirm in Leinwandgröße bekommt, wie übrigens im Ravelin zu sehen. Meine Vermutung ist, daß man sich das Geld für Schautafeln sparen wollte, und sehr viele interessante Themen dort hineinpackte. Ich frage mich nur, was, wenn das Unglück es will, daß das Terminal seinen Dienst – sagen wir in zwei Jahren – verweigert. Gibt es dann eine Wartung? Wird es dann ausgetauscht oder repariert? Bei Schautafeln passiert das nicht, die altern nur so still vor sich hin. Ich habe also ein gesundes Mißtrauen gegen moderne Displays, wenn man diese zum alleinigen Maßstab macht, und nicht mit anderen Medien ergänzt.

      Video zum Festungsbau

      Das Video über den Festungsbau Anno 1817 muß als Ärgernis bezeichnet werden. Das einzig beeindruckende waren die virtuellen Aufnahmen der Festung, die Spielszenen waren allerdings nicht gut recherchiert und grauenhaft umgesetzt, was wohl mit den Vorgaben mit einem viel zu kleinen Budget zu erklären ist.

      Es begann mit der Lokalität: Warum zum Teufel muß eine Besprechung in einem düstern Kellergewölbe stattfinden? Soweit ich mich erinnere, war die Fortifikation (Festungsbauverwaltung) im Dikasterialgebäude oder im Koblenzer Schloß untergebracht. Schon aus rein praktischen Gründen wählten die Herren Ingenieure einen hellen Ort, damit Karten, Pläne und Aufzeichnungen gut erkennbar waren – Der wahre Grunde dürfte hier sein, daß sich am dunklen Ort die Schwächen der Ausstattung und der Regie etwas besser verbergen lassen.

      Es wird durch die Art der Darstellung suggeriert, als habe sich der heilige Geist virtuell auf den Planungsstab der Ingenieuroffiziere niedergesenkt. Das war mitnichten der Fall, wesentliche Handwerkzeuge waren Karten und Pläne, wobei hier natürlich ein Übersichtsplan und ein Detailplan vollständig genügt hätten, von einem Zeichenbüro ganz zu schweigen. Ich persönlich mag Mythen vom Genie nicht, denn man sieht in Koblenz die Ergebnisse einer soliden Planung und ein sicheres Stilgefühl für die klassizistische Architektur in reinster Ausprägung. Eine klare Trennung von Vision und historischer Realität hätte der Sache also besser gedient.

      Die Dialoge waren irgendwie für klein-Erna gemacht. Dabei gibt es eigentlich nur die Wahl: Man wählt fiktive zeitgenössische Dialoge oder man nimmt einen Moderator aus dem Off hinzu, der gewissermaßen das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist. In diesem Fall ist Mittelweg der Tod.

      Die Uniformierung kann man nur kurios nennen: Die sollte wohl Überröcke vorstellen, aber Stehumfallkragen im Jahr 1817? Die Epauletten waren ein Mittelding zwischen kaiserzeitlich oder karnevalesk. Die Überröcke wären dann in ihrem unteren Teil um 1910 etwas weniger aufgefallen. Immerhin ist positiv zu bemerken, daß die Kragenfarbe und die Rockfarbe richtig waren.

      Den armen Oberst v. Aster hatte man kurzerhand zum General (erst ab 1821 Gen. maj. ) ernannt, aber vergessen, ihm die Zeichen seiner Würde, nämlich Epauletten mit Bouillonfrangen mitzugeben, die übrigens direkt nebenan beim Portrait v. Müffling zu sehen waren. Ein Militär-St.-Heinrichs-Orden wäre auch nicht übel gewesen. Wenn schon General, dann wäre die Anrede Exzellenz passend gewesen. Als Namen der leitenden Herren sind Keibel, le Bauld de Nans bekannt, die ich aber nicht gehört habe. Der genannte Secondleutant v. Schnitzler (?) ist nicht in den Ranglisten 1815 zu finden, auch ist auch ganz unwahrscheinlich, daß ein Grünschnabel überhaupt die Bauplanung machen durfte, das war nämlich Chefsache. Der Secondelieutenant durfte das zu Papier bringen, was seine Vorgesetzten wünschten, und mußte die Bauaufsicht führen. Von Aster war DER Ingenieur, welcher der Architektur den Stempel aufdrückte.

      Die Herren trugen obskure Kaiser-Franz-Josef-Backenbärte und hatten es überhaupt nicht nötig, das Einfachste vom Einfachen zu machen, nämlich eine Halsbinde anzulegen – so sah man nackte Hälse ohne Hemden! Seitenwaffen, Schärpen und Hüte waren wohl auch ein Fremdbegriff – die Dreharbeiten hätten sich logischerweise auf die Köpfe ohne Hälse beschränken müssen. Die Herren hatten wohl alle schon vor 1815 gedient, also wären wenigsten Kriegsdenkmünzen angemessen gewesen, aber das sind ja Petitessen verglichen mit dem Rest.

      Ich kann ja die Einschränkungen verstehen, wenn der Etat sehr begrenzt ist, aber muß man soviele elementare Fehler machen? Warum dann nicht ein Zwei-Personenstück, aber mit vernünftiger Ausstattung? Wie man etwas einfach und prägnant für ein großes Publikum, aber doch fachlich richtig, machen kann, sollte man bei der BBC lernen, was sich hierzulande noch nicht herumgesprochen zu haben scheint.

      Ich bin abwechselnd blaß und rot geworden, als ich meinen Namen im Abspann unter „Kostümberatung“ sah. Hat die Beratung so wenig gefruchtet?

      Beschriftungen

      Diese sind ein allgemeines Ärgerniss: zu klein, in Kniehöhe oder bei den Figurinen am Boden angebracht, oft nur zu finden, wenn man um die Vitrine herumgeht – haben wir es hier mit Dreijährigen zu tun? Wenn mehrere Objekte in einer Vitrine (z.B. Reservistika) vereint sind, beginnt ein amüsantes Ratespiel. Welches Objekt ist wo zu finden? Um die Sache nicht so einfach zu machen, hat man selbstverständlich keine Nummern an den Objekten. Aber damit steht diese Ausstellung überhaupt nicht singulär in der deutschen Museumslandschaftda , weil es einfach zum guten Ton gehört, dem Besucher Ratespiele abzuverlangen.

      An den Geschützen sind Beschriftungen schräg in den Gewölben ca. 1-1 ½ m vom Gitter angeklebt: Das kann im Halbdunklen einfach niemand lesen. Eine Beschriftung bei der Haubitze habe ich mit einen Kamera-Zoom 300mm herangeholt, um sie lesbar zu machen…das ist doch ziemlich grotesk. Ich habe den Eindruck, daß die Ausstellungsmacher die Ästhetik auf Kosten der Besucherfreundlichkeit installiert haben. Eine einfache Begehung (mit Personen verschiedenden Alters von 8 bis 80) vor der Eröffnung der Ausstellung hätte eigentlich leicht Abhilfe schaffen können.

      Aufstellungskonzept

      Wir finden Exponate im Turm ungenannt, die Geschütze an der Contregarde rechts, ein verlorenes Terminal an der Abortanlage und die Pläne am Ravelin links. Das macht irgendwie einen etwas beliebigen Eindruck, weil keine Verbindung hergestellt wird, und nur wer fachkundig oder sehr interessiert ist, beißt sich da durch.

      Konzept

      Wäre ich ein völlig unbeleckter Besucher, wäre mein Eindruck ein ziemlich disparater gewesen. Der Besucher erfährt nichts über den Sinn und Zweck einer Festung, und die Aufgabe von Koblenz im Speziellen. Ein kurzes Zitat z.B. von Clausewitz oder Jomini hätten hier auf einer Tafel am Eingang genügt. Die klassische und bewährte Anordnung ist chronologisch, und dann kommen Schwerpunktsthemen wie Alltag auf der Festung, Bewaffnung etc. Das kann man alles auf 2 DIN A4 Blätter hinschreiben. Zeitabschnitte darf man auch ganz plakativ machen: „Römerzeit“, etc.

      Ein Lageplan, wo man was findet, kann auch schon Wunder wirken.
      So werden hier und dort kleine Informationshäppchen quer durch die Perioden angeboten, aber nichts Zusammenhängendes, nichts Kohärentes. Ein Beispiel: die Reservistika von ca. 1910 neben dem Müffling Portrait von 1830, wohl weil dort gerade Platz war.

      Fazit:

      Drei Jahre Vorbereitung scheinen leider nicht für das Konzept und die Beschaffung von Exponaten gereicht zu haben. Auch etwas mehr Liebe zum Detail hätten der Ausstellung gut getan. Hat man den Volontären eine Ausstellung überlassen?

      Es gilt wieder einmal die Erfahrung, daß dort, wo einiges Licht ist, auch viel Schatten ist. Das Positive ist ja immerhin, daß man die Geschichte der Festung überhaupt wieder öffentlich thematisieren kann. Die Ausstellung bewerte ich als eine vertane Chance, obwohl sich manches Detail mit gutem Willen wieder glatt bügeln läßt. Dennoch ist der Besuch empfehlen, und sei es, um den eigenen kritischen Blick zu schärfen und das Raumgefühl einer klaren Architektur zu erleben.
      Zuletzt geändert von Blesson; 26.06.2011, 21:17.
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