Verlustzahlen Russlandfeldzug 1812

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  • Ludwig Hußell
    Erfahrener Benutzer
    Sergent
    • 01.01.2011
    • 125

    Verlustzahlen Russlandfeldzug 1812

    Soweit ich mich mit der Materie beschäftige, habe ich in vielen anderen Kriegen Zweifel an den Opferzahlen (meist zu hoch).

    Für mich das beste Beispiel der Russlandfeldzug: wie viele haben überlebt? Mal fünfstellig, mal die Hälfte usw. Möglicherweise sind von denen, die in Moskau waren, tatsächlich 90% umgekommen. Zumindest von denen, die nicht schon Anfang oder Mitte November wieder Russland verlassen hatten. Nun die Frage: Wieviele waren denn nun in Moskau?
    Oder von denen, die in den ersten Wochen ausfielen, kehrten viele zurück in die Heimat, zwar krank oder verletzt, aber lebendig. Teilweise wurden die Kontingente wieder aufgefüllt - wer weiß aber, ob die 600.000 der Napoleonischen Armee diese Auffüller mit enthält oder nicht.

    Die Zahl der Kriegstoten zur Völkerschlacht liegt nach meiner Schätzung bei 30.000, die bis zum 19. Oktober nicht mehr am Leben waren. Die Masse der Opfer erlag in den Folgetagen ihren Verletzungen, ob es am Ende 60.000 oder 100.000 waren - zuviel waren es allemal.
  • KDF10
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 19.12.2010
    • 1278

    #2
    Zitat von Ludwig Hußell Beitrag anzeigen
    Soweit ich mich mit der Materie beschäftige, habe ich in vielen anderen Kriegen Zweifel an den Opferzahlen (meist zu hoch).

    Für mich das beste Beispiel der Russlandfeldzug: wie viele haben überlebt? Mal fünfstellig, mal die Hälfte usw. Möglicherweise sind von denen, die in Moskau waren, tatsächlich 90% umgekommen. Zumindest von denen, die nicht schon Anfang oder Mitte November wieder Russland verlassen hatten. Nun die Frage: Wieviele waren denn nun in Moskau?
    Oder von denen, die in den ersten Wochen ausfielen, kehrten viele zurück in die Heimat, zwar krank oder verletzt, aber lebendig. Teilweise wurden die Kontingente wieder aufgefüllt - wer weiß aber, ob die 600.000 der Napoleonischen Armee diese Auffüller mit enthält oder nicht.
    Die Napoleonische Armee hatte in Russland niemals eine Stärke von 600.000 Mann.. Das sind Propagandazahlen. Möglich, dass in der Summe (einschließlich Verstärkungen) insgesamt 600.000 Mann einmarschiert sind, aber eher unwahrscheinlich. Wie viele überlebt haben ist ein Thema für sich. Anfang Januar 1813 hatte die bayerische Armee eine Stärke von 4.200 Mann. In Russland einmarschiert sind etwa 30.000 Mann und die Verluste betrugen 30.000 Mann. Es gab bayerische Verstärkungen, aber nur wenige dieser Soldaten waren tatsächlich in Russland. Der größte Teil der bayerischen Verstärkungen traf erst Ende Dezember/Anfang Januar 1813 ein. Da war der Russlandfeldzug bereits beendet, und diese Soldaten waren nie in Russland. Wenn man die Festungsbesatzungen, etwa in Magdeburg, Spandau oder Danzig in den Russlandfeldzug mit einbezieht, gibt es natürlich eine wesentlich höhere Zahl von Soldaten, die diesen Krieg überlebt haben Überhaupt ist der ganze Feldzug von Propaganda geprägt. Es läßt sich zum Beispiel belegen, dass die russische Armee eine Stärke von 900.000 Mann hatte. Bitte nicht falsch verstehen. Etwas belegen zu können heißt nicht dass das richtig ist. In diesem Fall ist das ganz sicher falsch. Die Armee Napoleons in (oder bei?) Moskau zählte etwa 100.000 Mann. Dafür gibt es verlässliche Zahlen. Bevor man sich, wie Napoleon, aus Moskau zurückzieht, muss man natürlich prüfen: "Wie stark ist meine Armee noch?" Einer der größten Treppenwitze der Geschichte ist deshalb die Behauptung, dass Napoleon, nach der Niederlage von Tarutino aus Moskau geflohen ist. Versuch mal 100.000 Soldaten innerhalb von 24 Stunden auf einer Straße in Bewegung zu setzen. Das geht logistisch überhaupt nicht. Nicht mal heute. Es sei denn, die sitzen bereits auf gepackten Klamotten, dann muss aber der Rückzugsbefehl bereits vor der Schlacht von Tarutino erfolgt sein.

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    • Jules Salmo
      Erfahrener Benutzer
      Tambour-Major
      • 08.12.2007
      • 291

      #3
      Verluste

      Verluste in Russland 1812 oder auf dem Russlandfeldzug. Also auch auf dem Weg dorthin, bzw. evtl. auch zurück.
      Ich hatte vor einiger Zeit mal begonnen 1812 gefallene oder vermisste Bayern in eine Excel-Liste namentlich einzutragen. In kurzer Zeit hatte ich etwa ca. 500 zusammen, die 1812 gefallen bzw. vermisst sind. Oft wurde Polozk angegeben. Meist aber nur die Jahreszahl 1812. Man müsste die betreffenden Regimentsbücher im Kriegsarchiv München durchforsten, um zu sehen wie viele Bayern wie weit kamen, sofern dies dort tatsächlich vermerkt ist.
      Pauschal also Russlandfeldzug.

      Auch hatte ich mal die Rekrutierungen eines kleinen bayerischen Dorfes betrachtet. 10 wurden einberufen, 2 kamen zurück.

      Viele Grüße
      J. S.

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      • KDF10
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 19.12.2010
        • 1278

        #4
        Zitat von Jules Salmo Beitrag anzeigen
        Verluste in Russland 1812 oder auf dem Russlandfeldzug. Also auch auf dem Weg dorthin, bzw. evtl. auch zurück.
        Ich hatte vor einiger Zeit mal begonnen 1812 gefallene oder vermisste Bayern in eine Excel-Liste namentlich einzutragen. In kurzer Zeit hatte ich etwa ca. 500 zusammen, die 1812 gefallen bzw. vermisst sind. Oft wurde Polozk angegeben. Meist aber nur die Jahreszahl 1812. Man müsste die betreffenden Regimentsbücher im Kriegsarchiv München durchforsten, um zu sehen wie viele Bayern wie weit kamen, sofern dies dort tatsächlich vermerkt ist.
        Pauschal also Russlandfeldzug.

        Auch hatte ich mal die Rekrutierungen eines kleinen bayerischen Dorfes betrachtet. 10 wurden einberufen, 2 kamen zurück.

        Viele Grüße
        J. S.
        Kannst du mir die Datei zur Verfügung stellen? Ich habe eine ähnliche Datei mit etwa 6.000 Namen aus dem Norden der Republik. Kannst du im Gegenzug gern haben. Meine Datei basiert auf den Listen des preußischen Leutnants Meyer. Bei Polozk hatten die Bayern ganz sicher große Verluste.Sie hatten allerdings schon bereits vorher große Marschverluste. Du weißt sicherlich, dass die bayerische Kavallerie von der Infanterie getrennt wurde und in Napoleons Hauptarmee kämpfte. Das war ein großes Problem für die bayerische Infanterie.Der Aktionsradius der Kavallerie war bei der Requisition von Lebensmitteln wesentlich größer. Ohne die Kavallerie war die bayerische Infanterie permanent unterversorgt.

        Gruß

        Dieter

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        • Gunter
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 01.10.2006
          • 1377

          #5
          Die russischen Streitkräfte waren mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso stark wie die französisch-alliierten. Der Unterschied war nur, dass sie eben nicht alle an derselben Front standen, sondern in Finnland, im Kaukausus, auf dem Balkan oder sonstwo stationiert waren und noch ein Großteil Opoltschenie und Rekruten in rückwärtigen Depots dabei waren. Bei Borodino waren die Russen bereits zahlenmäßig überlegen. Egal, man muss immer damit rechnen, dass Verlustzahlen manipuliert sind. Da ist zu häufig von komplett ausgelöschten Regimentern die Rede, die dann später fröhlich weitermarschiert sind.

          Grüße

          Gunter

          Kommentar

          • Harper
            Erfahrener Benutzer
            Sergent-Major
            • 12.07.2012
            • 180

            #6
            Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
            Die russischen Streitkräfte waren mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso stark wie die französisch-alliierten. Der Unterschied war nur, dass sie eben nicht alle an derselben Front standen, sondern in Finnland, im Kaukausus, auf dem Balkan oder sonstwo stationiert waren und noch ein Großteil Opoltschenie und Rekruten in rückwärtigen Depots dabei waren. Bei Borodino waren die Russen bereits zahlenmäßig überlegen. Egal, man muss immer damit rechnen, dass Verlustzahlen manipuliert sind. Da ist zu häufig von komplett ausgelöschten Regimentern die Rede, die dann später fröhlich weitermarschiert sind.

            Grüße

            Gunter
            Mit meines Erachtens gut nachvollziehbaren Erwägungen und unter Heranziehung entsprechender Quellen legt Zamoyski in "1812" dar, dass Napoleon von den auf dem Papier stehenden 590.000 Mann tatsächlich über etwa 450.000 Mann beim Einmarsch verfügen konnte, wobei die erste Welle nur aus maximal 2/3 dieser Zahl bestanden haben soll.
            Demgegenüber beziffert er die russischen Truppen, die tatsächlich im Westen gegen die Grande Armee ins Feld geführt werden konnten ( einschließlich der zwei Reservekorps ), auf etwa 390.000 Mann.
            Dabei vergißt er auch den Hinweis nicht, dass exakte Zahlen über den Ist-Stand von keiner Seite erhoben worden sind, zumal die Neigung der französischen Truppenführer, Napoleon die tatsächliche Truppenzahl in ihren Berichten zu verschweigen, Allgemeingut ist.
            Aber das ist wohl ein eigenes Thema ....
            Zuletzt geändert von Harper; 04.09.2013, 20:24.

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            • Gunter
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 01.10.2006
              • 1377

              #7
              Bei den Russen war das doch auch nicht anders.

              Grüße

              Gunter

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              • Da Capo
                Erfahrener Benutzer
                Adjudant
                • 23.10.2006
                • 827

                #8
                Eine absolute Klarheit wird man bei Verlustzahlen nie erreichen.

                Es fängt schon damit an, wann gezählt wurde. Nach meiner Erfahrung mit derartigen Akten gab es folgende Möglichkeiten:

                Kurz nach der Kampfhandlung wurden von den Truppen Eingaben über die Stärke „verbleiben zum Dienst“/ „present sous l’armes“ abverlangt. (ergibt 1.Möglichkeit Verluste = Stärke vor Kampf – Stärke nach Kampf).

                Etwas später hatten die Truppen summarische Verlustrapports einzureichen (Datum, gefallen, verwundet, vermißt; dabei Offiziere namentlich, Mannschaften summarisch) (ergibt 2.Möglichkeit, allerdings auch wieder nur eine Momentaufnahme, da Verwundete sterben, Vermißte wieder auftauchen oder aber durch Andere als tot oder verwundet angezeigt werden konnten).

                In den Monatslisten wurden die Gefallenen in Abgang gebracht und die Verwundeten (im Hospital/bei der Truppe) als nicht zum Dienst vorhanden aufgeführt. (ergibt 3.Möglichkeit, die allerdings von der Qualität der Monatslisten abhängt (so gibt es Truppenteile, die den Unterschied „krank“ und „verwundet“ nicht ausweisen, sondern alle unter „krank“ zusammenfassen. Auch können die Leichtverwundeten bereits wieder zur einfachen Dienstleitung (z.B. Bagagebedeckung, wo sie zur Erleichterung die Tornister auf die Wagen legen durften) in der Truppe stehen. Bei den Verlusten unberücksichtigt bleiben dann noch solche Fälle, die nach Erhalt z.B. einer matten Flintenkugel nicht beim Chirurgen waren – weil nur blauer Fleck – und dann wegen innerer Blutungen nach 4 Tagen tot aus den Schuhen kippen.).

                Spätere Zusammenfassungen, um z.B. Löhnungs- und Beimontierungsgelder abzurechnen. (ergibt 4.Möglichkeit - Diese enthalten aber meist keine detaillierten Angaben, über die Art des Abganges, deshalb schwierige Quelle).

                Öffentliche Bekanntmachungen, die zwar meist die Offiziere namentlich aufführen, aber bei den Mannschaften nur zusammengefasste (und sicher auch politischen Zwecken unterworfene) Zahlen liefern (ergibt 5. Möglichkeit).

                Nun mangelt es bei vielen Geschichtswerken an detaillierten Quellenangaben, so dass eine Verquickung von mehr als einer der oben genannten Möglichkeiten (wenn nicht gar aller 5) eintreten kann. Da dem Leser der „Rechenweg“ zu den Verlusten nicht offengelegt wird, so kann über die Qualität der Zahlen gar nichts gesagt werden.

                Auch Interpolieren (z.B. aus der Zahl der Offiziersverluste die due Mannschaft ableiten) ist zumindest fragwürdig, da dies wenigsten die Kenntnis des Geländes und die Art der einwirkenden Waffen voraussetzt (z.B. bei Artillerieeinwirkung mehr Tote und Schwerverwundete; auch kann eine einzelne Vollkugel 5 sich besprechende Offiziere wegnehmen, ohne auch nur 1 Mann zu treffen.) und trotzdem noch völlig daneben liegen kann.
                Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

                Kommentar

                • KDF10
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 19.12.2010
                  • 1278

                  #9
                  Zitat von Harper Beitrag anzeigen
                  Mit meines Erachtens gut nachvollziehbaren Erwägungen und unter Heranziehung entsprechender Quellen legt Zamoyski in "1812" dar, dass Napoleon von den auf dem Papier stehenden 590.000 Mann tatsächlich über etwa 450.000 Mann beim Einmarsch verfügen konnte, wobei die erste Welle nur aus maximal 2/3 dieser Zahl bestanden haben soll.
                  Demgegenüber beziffert er die russischen Truppen, die tatsächlich im Westen gegen die Grande Armee ins Feld geführt werden konnten ( einschließlich der zwei Reservekorps ), auf etwa 390.000 Mann.
                  Dabei vergißt er auch den Hinweis nicht, dass exakte Zahlen über den Ist-Stand von keiner Seite erhoben worden sind, zumal die Neigung der französischen Truppenführer, Napoleon die tatsächliche Truppenzahl in ihren Berichten zu verschweigen, Allgemeingut ist.
                  Aber das ist wohl ein eigenes Thema ....
                  Folgt man Clausewitz, der ja recht genaue Zahlen zur russischen Armee zu Beginn des Krieges nennt, kann sich die von Zamoyski genannte Zahl von 390.000 Mann nur auf die Gesamtdauer des Krieges beziehen. Offen bleibt, ob die Milizen darin enthalten sind. Die gehörten nicht zur Armee und wurden nicht gezählt. Was die Angabe von Zamoyski betrifft, dass Napoleon beim Einmarsch 450.000 Mann zür Verfügung hatte, wovon in der "ersten Welle" nur 2/3 zum Einsatz kamen, muss man sich fragen, was ist denn die "erste Welle"? Jerome etwa hat den Njemen erst ein paar Tage später überquert. Gehört der nun zur ersten Welle oder eher doch nicht.

                  Ich glaube, dass Zamoyskis Behauptung, dass exakte Zahlen über den Ist-Stand von keiner Seite erhoben wurden, ist, schmeichelhaft formuliert, Unfug. Napoleon war kein Idiot und die Zahl seiner Soldaten war für ihn wichtig. Es mag ja sein, dass einige Offiziere bei der Zahl ihrer Soldaten gemogelt haben. Das wusste auch Napoleon und deshalb gab es regelmäßig Revuen. Wenn da mal locker 500 Mann fehlten, wäre ihm das schon aufgefallen. Dass die Zahlen der Schweizer falsch waren ist ihm jedenfalls aufgefallen. Das war vor dem Einmarsch. Danach wird sich wohl kein Offizier getraut haben Napoleon anzulügen. Die Stärke der Armee wurde regelmäßig an Napoleon gemeldet, mindestens zweimal im Monat. Dazu vor und nach jeder Schlacht. Das war bei den Russen genauso. Man kann doch keine Schlacht beginnen, wenn man nicht weiß, wieviele Soldaten man überhaupt zur Verfügung hat. Einmal mehr bin ich von Zamoyski enttäuscht. Gemogelt haben Napoleon und Kutusow. Eigene Verluste reduziert und gegnerische Verluste überhöht. Das war damals so üblich und auch noch viele Jahrzehnte später. Selbst heute ist das noch so, wenn ich mir die aktuellen Vorgänge in Syrien oder Ägypten betrachte. Hinsichtlich der Opferzahlen gibt es gravierende Unterschiede. Je nachdem, welche Seite man befragt.

                  Kommentar

                  • Gunter
                    Erfahrener Benutzer
                    Chef de Bataillon
                    • 01.10.2006
                    • 1377

                    #10
                    Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                    Man kann doch keine Schlacht beginnen, wenn man nicht weiß, wieviele Soldaten man überhaupt zur Verfügung hat.
                    Warum nicht? Die Zahlen des Gegners kennt man doch auch nicht. Ab dem Beginn der Operationen muss man mit Schätzungen arbeiten, Gewissheit gibt es da keine mehr. Gegnerische Truppenzahlen wurden sehr häufig viel zu hoch oder viel zu niedrig geschätzt, nicht immer mit entsprechenden Folgen.

                    Grüße

                    Gunter

                    Kommentar

                    • KDF10
                      Erfahrener Benutzer
                      Chef de Bataillon
                      • 19.12.2010
                      • 1278

                      #11
                      Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                      Warum nicht? Die Zahlen des Gegners kennt man doch auch nicht. Ab dem Beginn der Operationen muss man mit Schätzungen arbeiten, Gewissheit gibt es da keine mehr. Gegnerische Truppenzahlen wurden sehr häufig viel zu hoch oder viel zu niedrig geschätzt, nicht immer mit entsprechenden Folgen.

                      Grüße

                      Gunter
                      Möglich, dass du recht hast. Von russischer Seite wurde die Stärke der Armee Napoleons bei Borodino lange Zeit mit 160.000 Mann angegeben. Nur so ließen sich die Verluste Napoleons, die von russischer Seite mit 58.000 Mann angegeben wurden, erklären. Fakt ist jedenfalls, dass Napoleon in Moskau etwa 100.000 Mann hatte. Da gab es eine Zählung und mehrere Augenzeugen, die das bestätigen. Nach heutigen Erkenntnissen waren die Armeen in Borodino etwa gleichstark. Etwa 128.000 bis 130.000 Mann auf jeder Seite. Auch von russischer Seite gibt es verlässliche Zahlen, womit ich nicht die zur Schlacht von Borodino meine. Nachdem Kutusow Moskau velassen hatte, wurde die Ist-Stärke der russischen Armee festgestellt. In dem Zusammenhang gibt es auch Zahlen zu Verstärkungen. Natürlich wurde gemauschelt, aber nur um sich zu bereichern.

                      Ein gutes Beispiel ist die Belagerung von Mainz 1813. Da wurden nagelneue Uniformen verscherbelt. Soldaten die mit abgerissenen Uniformen in Mainz ankamen, erhielten keine neuen Uniformen, obwohl ursprünglich genug davon vorhanden waren, sondern Uniformen von verstorbenen Soldaten. Darunter solche von Soldaten, die an Typhus gestorben waren. Das führte zu einer Typhus-Epidemie in Mainz. Damit hat man dann wieder Geld verdient, denn die Toten wurden nicht gemeldet. Man bezog weiter Lebensmittelrationen für die Toten, die man gewinnbringend verkaufte. Irgendwann kam die Verwaltung dahinter. Danach wurden die Toten versteckt und man bezog weiter Lebensmittelrationen und sehr wahrscheinlich auch den Sold der toten Soldaten.

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                      • Gunter
                        Erfahrener Benutzer
                        Chef de Bataillon
                        • 01.10.2006
                        • 1377

                        #12
                        Man denke z.B. an Jena und Auerstedt, da wusste Napoleon auch nicht, dass er garnicht der preußischen Hauptarmee gegenüberstand. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, ob Davout wusste wie stark er tatsächlich zahlenmäßig unterlegen war.
                        Napoleon dürfte nach Borodino einige Truppen, die nicht an der Schlacht teilgenommen hatten, an sich gezogen haben.

                        Grüße

                        Gunter

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                        • Lavalette
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                          Caporal
                          • 02.01.2007
                          • 67

                          #13
                          Und hat sich Davout bei Auerstädt genauso auf Bernadotte verlassen, wie Vandamme bei Kulm auf St.-Cyr und Mortier. Der eine hatte nur mehr Glück als der andere.
                          Bei Caulaincourt gibt es zwei Mal Angaben zur Stärke der französischen Korps, einmal beim Auszug aus Moskau.
                          "Die Nachwelt wird auf Grund von Thatsachen richten: Verläumdung hat mit der Zeit all ihr Gift verspritzt; ich werde jeden Tag an Ruhm gewinnen."
                          Napoleon zu O'Meara am 9. Dezember 1817

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                          • KDF10
                            Erfahrener Benutzer
                            Chef de Bataillon
                            • 19.12.2010
                            • 1278

                            #14
                            Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                            Napoleon dürfte nach Borodino einige Truppen, die nicht an der Schlacht teilgenommen hatten, an sich gezogen haben.

                            Grüße

                            Gunter
                            Napoleon hat tatsächlich Truppen an sich gezogen, die an der Schlacht von Borodino nicht teilgenommen haben. Da war zum Beispiel die Division Pino, die Konvois begleitete. Sehr wahrscheinlich wohl auch andere Einheiten, die ebenfalls Konvois begleiteten. Angeblich sollen auch bis zu 5.000 Soldaten während der Schlacht von Borodino mit der Requirierung von Fourage beschäftig gewesen sein. Die 100.000 Soldaten Napoleons beziehen sich angeblich auf einen Appell vor dem Ausmarsch aus Moskau. Bis dahin hatte Napoleon aber auch wieder viele Soldaten verloren. So ganz genau lässt sich das ohnehin nicht festellen. Nach dem russischen Historiker Tarlé, der die Verluste Napoleons bei Borodino auch mit 58.000 Mann angibt, will man das von Generalen der Armee Napoleons erfahren, die in Gefangenschaft geraten waren. Die Zahl 58.000 ist dabei garnicht mal so abwegig. Allerdings nicht allein für die Schlacht von Borodino. Vor der Schlacht von Smolensk hatte Napoleon 160.000 Mann.

                            Wie die Russen, die sich ja ständig zurückgezogen, haben, die Zahl der französischen Verwundeten ermittelt haben, bleibt mir ein Rätsel. Die Schlacht von Wjasma, Anfang November 1812, ist auch so ein Beispiel. Wie soll denn Kutusow bitte wissen, wieviele Verwundete es auf französischer Seite gegeben hat. Die Gefangenen kann er zählen. Auch die Zahl der Verwundeten, die auf dem Schlachtfeld blieben. Die Zahl der gehfähigen Verwundeten oder die von ihren Kameraden mitgeschleppt wurden, kannte er doch überhaupt nicht. Interessant ist auch, dass die Franzosen bei dieser Schlacht angeblich nur einen einzigen Gefangenen gemacht haben sollen. Da das ein General war, dessen Pferd (nach russischer Darstellung) durchging und sich dafür entschied zu den Franzosen überzulaufen, ließ sich das natürlich nicht verheimlichen.

                            Gruß

                            Dieter
                            Zuletzt geändert von KDF10; 08.09.2013, 18:37.

                            Kommentar

                            • KDF10
                              Erfahrener Benutzer
                              Chef de Bataillon
                              • 19.12.2010
                              • 1278

                              #15
                              Zitat von Harper Beitrag anzeigen
                              Dabei vergißt er auch den Hinweis nicht, dass exakte Zahlen über den Ist-Stand von keiner Seite erhoben worden sind, zumal die Neigung der französischen Truppenführer, Napoleon die tatsächliche Truppenzahl in ihren Berichten zu verschweigen, Allgemeingut ist.
                              Aber das ist wohl ein eigenes Thema ....
                              Zamoyski schreibt in seinem Buch (Seite 295), dass am 2. September 1812 ein Zählappell der französischen Armee in Gschazk stattfand. Der ergab eine Stärke von 128.000 Mann. Weiter: "Weitere sechstausend Mann hätten innerhalb einiger Tage hinzukommen können. ...Russische Historiker schätzen heute die französische Streitmacht auf höchstens 126.000 Soldaten." Dazu gibt es eine Anmerkung, die auf Seite 648 erläutert wird. Nafziger, Castellane, Dumonceau und Dupuy sind eher keine russischen Historiker. Danach folgt ein russischer Text: Otecestvennaja Vojna 1812 goda VI (1998), S. 75. Sieht mir nach einer Zeitschrift aus. Einen Autor sehe ich da nicht. Weiter behauptet Zamoyski auf Seite 295, dass aktuelle Schätzungen die Stärke der russischen Armee zwischen 154.800 und 157.000 Soldaten angeben. Einen Beleg dafür gibt er nicht an. Zamoyskis Buch gehört zu den neuesten Büchern in der deutschsprachigen Literatur, die englischsprachige Ausgabe erschien allerdings bereits 2004.

                              Vergleiche ich das mit Alexander Mikaberidze "Battle of Borodino" (2007) ist der wesentlich seriöser. In einer Tabelle stellt er 25 Autoren aus der Zeit von 1824 bis 2004 gegenüber, die unterschiedliche Angaben (Seite 50) zur Stärke der französischen Armee machen. Das reicht für die französische Armee von 115.000 Mann (Hourtoulle, 2004) bis zu zu 190.000 Mann (Buturlin, 1824) und für die russische Armee von 106.000 (Nicolson, 1985) und 160.000 (Marbot, 1860). Nicolson kann man getrost vergessen. Als britischer WWII-Offizier vergleicht er den Krieg von 1812 mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion in den 1940er Jahren. In den 1940er Jahren haben die Sowjets Moskau nicht im Stich gelassen, sondern Panzergräben ausgehoben. Nur schade, dass die Russen 1812 davon nichts wussten. Mikaberidze bringt aber tatsächlich (Seite 51) eine russische Studie von Vasiliev und Eliseyev aus dem Jahr 1997, in der die Stärke der russischen Armee mit 155.200 Mann angegeben ist. Das sind annähernd die Zahlen, die auch Zamoyski erwähnt.

                              Leider beziehen sich die Zahlen von Vasiliev und Eliseyev auf den 5. September 1812 und da fängt das Problem an. Die Schlacht von Borodino fand erst zwei Tage später statt. Am 5. September nachmittags kam es zur Schlacht um die Schanze von Schewardino, die Borodino vorgelagert war. Barclay de Tolly gab die russischen Verluste an diesem Tag mit 8.000 Mann an. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass nach diesem Gemetzel ein großer Teil der irregulären Kosaken und der schlecht bewaffneten Milizen die Flucht ergriffen hat. Eine Armeestärke von 130.000 Mann, oder weniger, wäre für die russische Armee am 7. September deshalb durchaus realistisch. Nach der Schlacht beginnt Problem zwei. Nach Mikaberidze gab Buturlin die russischen Verluste mit 50.000 Mann an (1837), Michailowsky-Danielewsky (1839) sogar mit 55.000. Bei Bogdanowitsch (1859) waen es dagegen nur noch 44.000 Mann. Warum? Weil Bogdanowitsch der erste war, der nur die Verluste vom 7. September nennt und die Verluste vom 5. September herausrechnete. Das machen heute die meisten Historiker. Man kann sich darüber streiten, ob das richtig ist. Die dazugehörigen Bücher von Buturlin, Michailowsky-Danilewsky und Bogdanowitsch gibt es kostenlos bei books.google. Ihr könnt das also gern nachlesen

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