Ich war am 2. Januar in der Ausstellung und leider zum Teil nicht so sehr angetan, weil einfach zu viele handwerkliche Fehler vorkamen.
Ausstellung
Es hat mich sehr amüsiert, daß ausgerechnet das Gemälde von Krafft zur Illustration der Ausstellung herangezogen worden ist.
Das Gemälde ist nämlich ein wunderschöner Beleg dafür, daß sogar zeitgenössische Historienmaler ziemlich ungenau arbeiten, wenn es nicht um die Armee des Auftraggebers geht. Als österreichisches Auftragswerk zeigt es naturgemäß die k.k. Armee, und von den beide anderen Verbündeten nur Beiwerk.
Dies Ungenauigkeiten werden in Ausstellung und Katalog nur an der franz. Regimentsfahne thematisiert, aber es gibt noch einiges mehr anzumerken, was für den Ausstellungsort Berlin nicht ganz unwichtig ist.
Bei FWIII fallen folgende grobe uniformkundliche Schnitzer sofort auf:
Bei dem Generaladjudant Knesebeck fallen auf:
weitere Anmerkungen:
Ich finde es sehr bedauerlich, daß nicht einmal der kleinste Hinweis auf die Besonderheiten des sächs. Beutegeschützes gegeben wurde: Rohr und Richtmaschine. Warum spricht man von Rad- oder Räderlafette? Sprechen wir heutzutage auch von Räderautos? Das ist Babysprache: wenn man nicht den Begriff nicht kennt, läßt er sich ganz kurz am Objekt erklären. Warum es in Berlin gerade ein sächsisches Geschütz muß, und kein preußisches sein darf, erschließt sich mir nicht.
Es ist an sich recht schön, die Werkzeuge des Malers Krafft zu sehen. Nur richtig beschriften sollte man dann auch, denn handelt es sich nicht um einen Malkasten, sondern rechter Hand um ein mathematisches Besteck, genauer ein Magazinbesteck, wie es von Architekten, Ingenieuren etc. benutzt wurde.
In einer Bildschirmpräsentation wird angeblich ein franz. Urmeter mit X-Profil gezeigt. Schöne Grafik, aber leider ganz falsch, denn die beiden Urmeter aus Platin und deren Kopien aus Messing oder Eisen hatten rechteckige Profile.
Die unkommentierten Videos von dem Leipziger Reenactment 2012 fand ich nur peinlich. Das war mich der Beleg, daß man Living History nicht einfach unkritisch zur Vermittlung einsetzen darf. Hier hat offenbar ebenfalls wieder der redaktionelle Filter und Sinn für Qualität gefehlt.
Viele Exponate waren für mich déja vues, die ich aus dem digitalen Katalog oder aus eigenen Besichtigungen im Depot kannte, und über die ich mich wie über alte Bekannte freute. Kleiner perönlicher Höhepunkt für mich waren die Figurinen aus Pappmaché auf S. 44 des Katalogs.
Katalog:
Abb. 42: Der extrem hohe Kragen ist typisch für die neuen Uniformen der reformierten Armee ab 1808, nicht 1800, wo noch die 1798 eingeführten Uniformen mit etwas niedrigerem Stehkragen oder Stehumfallkragen getragen wurden.
Abb. 49 und 69: Die Ordensspange kommt nach meiner Kenntnis erst weit nach 1815 auf; dies hier so zu zeigen, ist, wenn auch die Ehrenzeichen original sind, irreführend. Auch sollte bei Abb. 49 der Hinweis gegeben werden, daß die Bänder ergänzt sind. Die typische Trageweise von 1813-15 ist im 2. Knopfloch beim EK, bzw. 1. Knopfloch bei weiteren Orden oder einzeln auf der Brust, wie zahlreiche wirklich zeitgenössische Portraits belegen. Siehe hier Generaladjudant Knesebeck bei Krafft und Blücher in Abb. 31.
Mich stört auch der popularisierende Sprachstil, besonders im Kapitel von Angela Strauß „Soldatenleben“. Das wird vieles einfach nur halbrichtig nachgeplappert. Ich könnte ganze Passagen rot anstreichen, unterlasse dies aber, um die Mitleser nicht in Mitleidenschaft zu ziehen.
Bei der Literatursammlung im Katalog ist mir aufgefallen, daß die Werke der historischen Abteilung des großen Generalstabes fehlen, die immer noch ein Standardwerk sind. Stattdessen wird nur Sekundär- und Tertiärliteratur angegeben.
Der Katalog ist nicht zu empfehlen und hat nur einen gewissen Erinnerungswert für die Exponate, die aber oft gar nicht oder zu klein abgebildet sind. Wie man es weitaus besser machen kann, zeigen die Kataloge von Dresden und Lüdenscheid.
Fazit:
Etwas mehr Sachkunde und sorgfältigere Recherche hätten Ausstellung und Katalog gut getan, denn offenbar hat es an einer fachkundigen kritischen Redaktion gefehlt. Bei dem seligen Herrn Merta wäre das nicht passiert.
Ich verstehe ja, daß sich ein Museum wie das DHM einem größeren Publikum erschließen muß, aber das DHM hat einen Auftrag zur Aufklärung: Man darf vereinfachen, aber bitte mit der nötigen Sachkenntnis.
Ich habe auch weiter den Eindruck, daß man bei aller „Political Correctness“ den preußischen Beitrag hintenanstellt; denn wo wäre dieser besser als in Berlin am Platz?
Die Präsentation werte ich insgesamt als eine leider vertane Chance: offenbar reichte die Zeit nicht mehr, um eine größere und sorgfältiger vorbereitete Ausstellung auf die Beine zu stellen. Die ganze Unternehmung wirkte doch sehr mit der heißen Nadel gestrickt.
Schade.
Ausstellung
Es hat mich sehr amüsiert, daß ausgerechnet das Gemälde von Krafft zur Illustration der Ausstellung herangezogen worden ist.
Das Gemälde ist nämlich ein wunderschöner Beleg dafür, daß sogar zeitgenössische Historienmaler ziemlich ungenau arbeiten, wenn es nicht um die Armee des Auftraggebers geht. Als österreichisches Auftragswerk zeigt es naturgemäß die k.k. Armee, und von den beide anderen Verbündeten nur Beiwerk.
Dies Ungenauigkeiten werden in Ausstellung und Katalog nur an der franz. Regimentsfahne thematisiert, aber es gibt noch einiges mehr anzumerken, was für den Ausstellungsort Berlin nicht ganz unwichtig ist.
Bei FWIII fallen folgende grobe uniformkundliche Schnitzer sofort auf:
- Kragenlitze zu lang.
- Kolbenlitzen sind geblättert (wie bei Generalstabsoffizieren, Adjudanten etc.), es müßte aber die glatten Kolbenlitzen des Regiments Garde sein. SM werden kaum eine niedere Charge geben wollen.
- Als Seitenwaffe wird ein Füsiliersäbel gezeigt, richtig wäre aber bei dieser Adjustierung ein IOD.
- Die Schärpe zeigt einen Phantasieknoten, der irgendwelchen Armeen vorkommen mag, nur aber nicht bei der preußischen; die Frangen und der Knoten sitzen zu weit vorne.
- Die Taschenpatten sind geschwungen und paspeliert, richtig wäre ein gerade Patte ohne Paspelierung
- Die Schöße enden ca. zwei Handbreit über der Kniekehle. Nach Reglement wäre dies 1 Handbreit gewesen, wobei gerade die königlichen Hoheiten gerne etwas länger trugen. Die Schoßspitzen sind daher viel zu breit geraten.
- Die Knopfhose (Überhose in Pantalonform) müßte ungefähr doppelt soviele Knöpfe haben
- Ob die Epauletts (vermutl. späterer Bauart) zu diesem frühen Zeitpunkt schon getragen wurden, möchte ich bezweifeln. Siehe Abb. 70 mit FWIII von 1813 und mit Epauletts Abb. 23 um ca. 1815.
- Der zierliche Zweispitz kommt mir sehr k.k.-mäßig daher und hat mit der typisch preußischen Form wenig gemein.
Bei dem Generaladjudant Knesebeck fallen auf:
- zu kurze Rockschöße
- rot Paspel an der Rockkante
- Koppel sichtbar (sollte unter dem Rock getragen werden, bzw. unter der Klappe zugehakt werden). Eigenmächtigkeit ist natürlich nicht ganz auszuschließen.
weitere Anmerkungen:
Ich finde es sehr bedauerlich, daß nicht einmal der kleinste Hinweis auf die Besonderheiten des sächs. Beutegeschützes gegeben wurde: Rohr und Richtmaschine. Warum spricht man von Rad- oder Räderlafette? Sprechen wir heutzutage auch von Räderautos? Das ist Babysprache: wenn man nicht den Begriff nicht kennt, läßt er sich ganz kurz am Objekt erklären. Warum es in Berlin gerade ein sächsisches Geschütz muß, und kein preußisches sein darf, erschließt sich mir nicht.
Es ist an sich recht schön, die Werkzeuge des Malers Krafft zu sehen. Nur richtig beschriften sollte man dann auch, denn handelt es sich nicht um einen Malkasten, sondern rechter Hand um ein mathematisches Besteck, genauer ein Magazinbesteck, wie es von Architekten, Ingenieuren etc. benutzt wurde.
In einer Bildschirmpräsentation wird angeblich ein franz. Urmeter mit X-Profil gezeigt. Schöne Grafik, aber leider ganz falsch, denn die beiden Urmeter aus Platin und deren Kopien aus Messing oder Eisen hatten rechteckige Profile.
Die unkommentierten Videos von dem Leipziger Reenactment 2012 fand ich nur peinlich. Das war mich der Beleg, daß man Living History nicht einfach unkritisch zur Vermittlung einsetzen darf. Hier hat offenbar ebenfalls wieder der redaktionelle Filter und Sinn für Qualität gefehlt.
Viele Exponate waren für mich déja vues, die ich aus dem digitalen Katalog oder aus eigenen Besichtigungen im Depot kannte, und über die ich mich wie über alte Bekannte freute. Kleiner perönlicher Höhepunkt für mich waren die Figurinen aus Pappmaché auf S. 44 des Katalogs.
Katalog:
Abb. 42: Der extrem hohe Kragen ist typisch für die neuen Uniformen der reformierten Armee ab 1808, nicht 1800, wo noch die 1798 eingeführten Uniformen mit etwas niedrigerem Stehkragen oder Stehumfallkragen getragen wurden.
Abb. 49 und 69: Die Ordensspange kommt nach meiner Kenntnis erst weit nach 1815 auf; dies hier so zu zeigen, ist, wenn auch die Ehrenzeichen original sind, irreführend. Auch sollte bei Abb. 49 der Hinweis gegeben werden, daß die Bänder ergänzt sind. Die typische Trageweise von 1813-15 ist im 2. Knopfloch beim EK, bzw. 1. Knopfloch bei weiteren Orden oder einzeln auf der Brust, wie zahlreiche wirklich zeitgenössische Portraits belegen. Siehe hier Generaladjudant Knesebeck bei Krafft und Blücher in Abb. 31.
Mich stört auch der popularisierende Sprachstil, besonders im Kapitel von Angela Strauß „Soldatenleben“. Das wird vieles einfach nur halbrichtig nachgeplappert. Ich könnte ganze Passagen rot anstreichen, unterlasse dies aber, um die Mitleser nicht in Mitleidenschaft zu ziehen.
Bei der Literatursammlung im Katalog ist mir aufgefallen, daß die Werke der historischen Abteilung des großen Generalstabes fehlen, die immer noch ein Standardwerk sind. Stattdessen wird nur Sekundär- und Tertiärliteratur angegeben.
Der Katalog ist nicht zu empfehlen und hat nur einen gewissen Erinnerungswert für die Exponate, die aber oft gar nicht oder zu klein abgebildet sind. Wie man es weitaus besser machen kann, zeigen die Kataloge von Dresden und Lüdenscheid.
Fazit:
Etwas mehr Sachkunde und sorgfältigere Recherche hätten Ausstellung und Katalog gut getan, denn offenbar hat es an einer fachkundigen kritischen Redaktion gefehlt. Bei dem seligen Herrn Merta wäre das nicht passiert.
Ich verstehe ja, daß sich ein Museum wie das DHM einem größeren Publikum erschließen muß, aber das DHM hat einen Auftrag zur Aufklärung: Man darf vereinfachen, aber bitte mit der nötigen Sachkenntnis.
Ich habe auch weiter den Eindruck, daß man bei aller „Political Correctness“ den preußischen Beitrag hintenanstellt; denn wo wäre dieser besser als in Berlin am Platz?
Die Präsentation werte ich insgesamt als eine leider vertane Chance: offenbar reichte die Zeit nicht mehr, um eine größere und sorgfältiger vorbereitete Ausstellung auf die Beine zu stellen. Die ganze Unternehmung wirkte doch sehr mit der heißen Nadel gestrickt.
Schade.
Kommentar