Wieviel wiegt eine Kanonenkugel ?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Sans-Souci
    Erfahrener Benutzer
    Major
    • 01.10.2006
    • 1847

    Wieviel wiegt eine Kanonenkugel ?

    Leider habe ich nichts über das Überschmieden preußischer Kanonenkugel gefunden, dafür aber im

    Leitfaden zum Unterricht in der Artillerie für die Königl. Preuss. Brigade-Schulen dieser Waffe
    2., gänzl. umgearb. Ausg., Berlin 1829

    die folgende auf den ersten Blick überraschende Tabelle (S. 147):

    Das Durchschnittsgewicht der Voll-[...]kugeln soll betragen:

    der 3pfdgen Kugel wenigstens 2 3/4 Pfd., höchstens 3 1/4 Pfd.
    der 6pfdgen Kugel wenigstens 5 1/2 Pfd., höchstens 6 1/2 Pfd.
    der 12pfdgen Kugel wenigstens 11 Pfd., höchstens 13 Pfd.
    der 24pfdgen Kugel wenigstens 22 Pfd., höchstens 26 Pfd.
    Es werden dafür jeweils 100 Kugeln gewogen, und aus ihrem Gesamtgewicht das mittlere Gewicht berechnet.

    Die Erklärung ist einfach: die Kugel war nicht durch ihr Gewicht, sondern natürlich durch den äußeren Durchmesser des Geschosses genau bestimmt (S. 143):

    [...] Kanonkugeln:

    [Geschosse. - Aeußerer Durchmesser des Geschosses.]
    3pfündige 2,75"
    6pfündige 3,46"
    12pfündige 4,36"
    24pfündige 5,50".
    Die Abweichungen im Gewicht des Geschosses waren wohl vor allem auf kleinere Unterschiede in der Zusammensetzung des Gußeisens, und daneben auf kleinere Fehler beim Guß und Hohlräume zurückzuführen
  • admin
    Administrator
    Colonel
    • 30.09.2006
    • 2690

    #2
    Österreichische Artillerie

    Na, da will ich mal die Österreicher nicht hinten runter fallen lassen ... anbei die zwei Tabellen aus dem schon mehrfach erwähnten, empfehlenswerten Dolleczek.

    Leider habe ich (noch) nicht den Gassendi oder den Rouvroy für die Französische bzw. Sächsische Artillerie ... die stehen auf meiner "Perspektivliste" für Anschaffungen.

    Markus Stein
    Angehängte Dateien
    "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

    Kommentar

    • Drusus
      Erfahrener Benutzer
      Tambour-Major
      • 09.10.2006
      • 278

      #3
      Zitat von Sans-Souci Beitrag anzeigen
      die folgende auf den ersten Blick überraschende Tabelle (S. 147):
      Hi Sans-Souci,

      super - diese Auflistung bestätigt mir, was ich schon immer vermutet habe, nämlich dass das Gewicht nicht exakt reproduziert werden konnte. Das erklärt z.B. die doch deutlichen Abweichungen bei den hier genannten Kugeln: http://www.napoleon-online.com/forum...83&postcount=3

      Viele Grüße,
      Günter
      "But Linden saw another sight, when the drum beat at dead of night,
      commanding fires of death to light the darkness of her scenery." (Thomas Campbell)

      Kommentar

      • Blesson
        Erfahrener Benutzer
        Adjudant
        • 03.10.2006
        • 778

        #4
        Wie oben schon ganz richtig angedeutet, ist bei den eisernen Vollkugeln das Kaliber entscheidend, nicht die absolute Masse, die in die parabolischen Näherung der Flugbahn auch nicht eingeht. Eine "exakte Reproduktion des Gewichts" [Besser Masse] wurde offenbar nicht als notwendig angesehen und auch nicht angestrebt.

        Im Streit ist einiges zum zeitgen. Wissen über die Metallurgie des Eisens zu finden, was letztlich Schwankungen der Dichte erklärt:

        F. L. Streit, Militairsche Ecyclopädie für kuünftige Offiziere, ERster Teil, Berlin 1800, Reprint im LTR-Verlag, 1982
        1) Herkunft des Verwendeten Erzes, welches die Qualität des gewonnenen Roheisens bestimmt:

        In den Eisenhütten, in welchen das Eisen aus seinen Erzen gewonnen wird, theilt man die Erze in strengflüssige und leichtflüssige. Jene lassen scih schwer in Fluß bringen und von ihren Schlakken abscheiden, weil sie gar zu arm an Schwefel sind, sie verlangen daher zur Beförderung des Flusses Zusätze, .... Das schwedische und steiermärkische Eisen ist das beste....

        Unter Gußseisen oder Roheisen versteht das Eisen in demjenigen spröden, brüchigen und schmelzbaren Zustande, worin es unmittelbar nach dem Ausschmelzen aus seinen Erzen erscheint.

        Streit, S. 200

        Der Eisenstein [gemeint ist wohl das Rasenerz] wir daselbst gegraben, sodann gewaschen, klein gestoßen, mit Kohlen und flußbefördernden Mitteln versetzt, und in diesem Zustande auf den hohen Ofen zum Schmelzen gebracht.

        Streit S. 391
        2) Qualität des Gusses , welche in die Dichte eingeht

        Nach dem verschiedenen Zustande des Eisens ist auch deren Schwere verschieden. Das Gußeisen ist ohngefähr siebenmal schwerer als Wasser, das Stabeisen, etwas sieben und ein halb mal, der Stahl beinahe achtmal schwerer als dieses. Streit, S. 211
        Im Hoyers Taschenbuch wird die eigentümlich Schwere verschiedener Körper [vulgo Dichte], bezogen auf Wasser angegeben mit:

        Eisen 7,207 bis 7,788
        Des weiteren ist Genauigkeit der Gußform (also die Fertigung) entscheidend:

        Die Modelle ... sind hohle Messingkugeln [Modelle], die genau aufeinander passen, und vollkommen rund nach dem Durchmesser der Kanonenkugeln abgeändert sind. ... Auf die [Halb]Kugeln kommt ein viereckiger Kasten zu stehen.... Der aum des Kastens wird lehmartigen Sande, fest ausgefüllt, ... Auf jede Halbkugel wird nunmher die zugehörige Hälfte genau angepaßt. Auf die obere Hälfte wir ein hölzerner Zapfen eingesetzt, der das Gußloch giebt. ... Man nimmt die Modelle behutsam heraus....

        Der Guß geschieht, sobald die Formen völlig trocken sind, und zwar aus eisernen mit Lehm bestrichenen Kasten; ist das Eisen erkaltet, so werden die Kugeln herausgeholt [d.h. die Form wird zerschlagen], der Gußzapfen abgeschlagen, und alle Naten und Unebenheiten auf der Kugel gerade gehämmert. [in heißem Zustand wegen der Sprödigkeit?].

        Siehe Streit, S. 394 und Planche 8, Figur 17-20
        Kommentare:

        1) Ich nehme an, daß die Schrumpfung der Gußform aus Lehm und des flüssigen zum festen Eisen auf Raumtemperatur empirisch berücksichtigt sind.

        2) Als Spielraum werden im Hoyers Taschenbuch für Ingenieure und Artilleristen, S. 106, angegeben:
        6 pfündige Canon 0,11 Zoll
        12 pfündige Canon 0,14 Zoll etc.

        3) Der Durchmesser wurde mit einem Tastzirkel oder Leere geprüft, Siehe Streit, Planche 8, Figur 29-30.

        LB
        Zuletzt geändert von Blesson; 13.08.2007, 00:18.
        Do, ut des

        http://www.ingenieurgeograph.de

        Kommentar

        • Blesson
          Erfahrener Benutzer
          Adjudant
          • 03.10.2006
          • 778

          #5
          Aus der oben von Oli genannten Tabelle für die tolerierten Massendifferenzen folgt, daß die relative Abweichung bei Kalibern konstant 16,67% (sic!) beträgt. Beispiel 24 Pfünder = (22 -26 Pfund). Wenn wir also von den gefundenen Massen auf die Kaliber zurückschließen wollen, dann ist eine Toleranz von ca. 16% zu berücksichtigen!

          Andrerseits wird in Hoyers Taschenbuch eine Dichte des Eisens mit

          7,207 bis 7,788 bezogen auf Wasser

          angegeben, was eine Schwankung von 7,46% macht.

          Mithin kann die Toleranz von ca. 16% nicht allein durch die Schwankung der Dichte erklärt werden, vielmehr scheinen also Schwankungen des Kalibers selbst zulässig gewesen zu sein, selbst wenn der Spielraum angeblich nur auf einige Linien (1 Linie = 1/12 Zoll) festgelegt war. Könnten weitere Faktoren bei der Fertigung im Spiel gewesen sein?

          LB
          Zuletzt geändert von Blesson; 14.08.2007, 23:06.
          Do, ut des

          http://www.ingenieurgeograph.de

          Kommentar

          • Da Capo
            Erfahrener Benutzer
            Adjudant
            • 23.10.2006
            • 829

            #6
            Wie wir bereits wissen, war die Grundlage der Kalibergewichte bei den Österreichern nicht das Wiener sondern das Nürnberger (Silber-)Pfund.
            Im Allgemeinen mit rund 477 g angegeben, darf es – folgen wir Demian - als Artilleriemaß nur 466,7 g schwer gewesen sein. Demian weist explizit darauf hin, dass das „ Eisen selbst oft unter einerley Volumen im Gewicht merklich verschieden ist.“, weshalb bei der Gewichtsangabe auf Durchschnittswerte zurückgegriffen wird.
            Die spezifische Dichte des damaligen Eisens errechnet sich dadurch mit 7,22 – 7,32 g/cm³ statt der tabellarisch hinterlegten Dichte für Eisen (Stahl) mit 7,7 g/cm³ aus den Kugeldurchmessern.
            Dolleczek allerdings gibt für die 3-,6-,12- und 18-pfündige Kugel von Demian abweichende Massen mit 1.370, 2.750, 5.500 und 8.250 g, was einer spezifischen Dichte von nur 7,09 – 7,19 g/cm³ entspräche und sich mit den Angaben im Hoyer nicht deckt.
            Evtl. kommen also die errechneten 16% doch aus dem Gewicht, weil ein Kaliberbohrer wohl (trotz Abnutzung) keine derartigen Schwankungen zulassen dürfte ?
            Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

            Kommentar

            • Blesson
              Erfahrener Benutzer
              Adjudant
              • 03.10.2006
              • 778

              #7
              Mei gutster Dacapo,

              Die von Oli angeführte Tabelle interpretiere ich so, daß sich die Toleranzen von ca. 16% auf die preußischen Geschütze beziehen, nicht aber auf die verschiedenen Standard-Pfund-Definitionen der Staaten. Wenn ersteres richtig ist, dann finde ich die Toleranz doch recht beträchtlich. Die relative Spanne von 16% hängt nicht von irgendeinem spezifischen Pfund ab. Diese enorme Spanne kann ich mir nur mit einem schlechten Guß erklären, bei dem noch viele Gasblasen in die Kugel eingeschlossen wurden. Also müßte man immer mit der höchsten zulässigen Masse rechnen, um daraus die Dichte des Gußeisens zu ermitteln....

              Die von Hoyer angeführten (relativen) Dichten beziehen sich übrigens auf Wasser; leider gibt Hoyer nicht Temperatur und Druck an, so daß ich unterstelle, daß es sich um RT bei 1 atm handelt. Dort haben wir z.B. 0,998 g/cm**3, also näherungsweise 1 g/cm**3, was aber trotzdem nicht reicht, um die abweichende Dichten aus anderen Quellen zu erklären.

              Ich folgere daraus, daß sich bei einer einzelnen Kugel das gefragte Kaliber allein an Hand der Masse nur sehr bedingt herleiten läßt, noch weniger die Zuordnung zu einer bestimmten Nationalität. Gemessene geometrische Parameter wie Durchmesser und Umfang erlauben schon eher eine Zuordnung.

              LB
              Zuletzt geändert von Blesson; 15.08.2007, 18:14.
              Do, ut des

              http://www.ingenieurgeograph.de

              Kommentar

              Lädt...
              X
              😀
              😂
              🥰
              😘
              🤢
              😎
              😞
              😡
              👍
              👎