Von Feldartillerie verwendete Kartätschen?

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  • Drusus
    Erfahrener Benutzer
    Tambour-Major
    • 09.10.2006
    • 278

    Von Feldartillerie verwendete Kartätschen?

    Hallo Allesamt,

    vielleicht könnt Ihr mir hier ja weiterhelfen, da ich in Zusammenhang mit Kartätschen in diversen Büchern immer wieder auf Aussagen stoße, wie z.B.
    "Traubenkartätschen wurden ab dem 18. Jahrhundert fast nur noch für Schiffs- oder Festungsartillerie verwendet" (wahrscheinlich, da sie die Rohre mehr beanspruchten und daher besser nur aus eisernen Geschützen abgefeuert werden sollten).
    Oder
    "Büchsenkartätschen waren mit kleineren Bleikugeln gefüllt, während Traubenkartätschen aus größeren eisernen Kugeln" bestanden".

    Dennoch zeigen uns Bodenfunde aus Museen und Privatsammlungen, dass man auf so ziemlich allen Schlachtfeldern der Koalitionskriege jede Menge eiserne Kartätschkugeln von ca. 1,5 bis 5 cm Durchmesser fand.

    Also entweder wurden dann doch auch mehr als nur vereinzelt Traubenkartätschen von der Feldartillerie verwendet, oder aber Büchsenkartätschen waren (auch) mit Eisenkugeln diversester Größen gefüllt.

    Was stimmt nun? Vielen Dank im Voraus.

    Viele Grüße,
    Günter
    "But Linden saw another sight, when the drum beat at dead of night,
    commanding fires of death to light the darkness of her scenery." (Thomas Campbell)
  • Sans-Souci
    Erfahrener Benutzer
    Major
    • 01.10.2006
    • 1847

    #2
    Aus der Erinnerung, komm grade an meine Bücher nicht dran:

    Bleikugeln in Büchsenkartätschen waren nur Ende des 18. Jahrhunderts in Gebrauch, sie verklumpten aber teilweise beim Abschuß, deshalb ging man bald wieder zu den Eisenkugeln (meistens überschmiedete) zurück.

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    • Drusus
      Erfahrener Benutzer
      Tambour-Major
      • 09.10.2006
      • 278

      #3
      Hallo Sans-Souci,

      Stimmt, das mit dem Verklumpen hatte ich auch mal irgendwo gelesen. Vielen Dank für die Antwort.

      Was mich jedoch erstaunt ist, dass auch die Kartätschkugeln noch mal überschmiedet wurden. Sowas kannte ich bisher nur von Vollkugeln und selbst da ist das ja nicht von Allen und immer durchgeführt worden. Da eine Kartätschkugel ja (fast?) nur gegen weiche Zeile eingesetzt wurde und wohl primär im Direktschuss, dürfte das Überschmieden doch eigentlich kaum einen Mehrwert gebracht haben, oder?

      Viele Grüße,
      Günter
      "But Linden saw another sight, when the drum beat at dead of night,
      commanding fires of death to light the darkness of her scenery." (Thomas Campbell)

      Kommentar

      • Sans-Souci
        Erfahrener Benutzer
        Major
        • 01.10.2006
        • 1847

        #4
        Ich muß mich etwas korrigieren:

        Scharnhorst schreibt 1806 (Handbuch der Artillerie, Bd. 2, S. 411), daß nach Scheel die geschmiedeten (nicht: überschmiedeten) Kartätschenkugeln besser rikochettieren würden als die einfach gegossenen, und deshalb in der französischen und preußischen Artillerie verwendet würden. Nach Versuchen in Hannover rikochettieren aber auch gegossene Kartätschkugeln "sehr weit".

        Die geschmiedeten Kartätschkugeln haben gegenüber den gegossenen auch noch den Vorteil, daß sie beim Abfeuern nicht wie manche der letzteren in Stücke zerbrechen.

        Die Beschädigung des Rohres durch geschmiedete Kartätschkugeln, und daß der Streukreis der gegossenen Kugeln größer sei als der der geschmiedeten, erwähnt Scharnhorst als möglich ("vielleicht"), aber bisher nicht durch Versuche belegt.

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        • Blesson
          Erfahrener Benutzer
          Adjudant
          • 03.10.2006
          • 778

          #5
          Als Ergänzung zu Olis Ausführungen, Scharnhorst, Handbuch für Offizier, Theil Artillerie, §26 Unterschied der geschmiedeten und gegossenen [Kartätsch-Kugeln], zur Beschädigung der Seele:

          Das besserer Ricochettieren [der geschmiedeten Karätschkugeln]findet bloß auf einem durchaus ebenen und harten Boden statt, wie man ihn im Felde nur selten antrifft, und die Beschädigung der Seele erfolgt in einem höherem Maße durch die blecherne Büchse und durch den eisernen Spiegel, den man den Kartätschen giebt, um die Triebkraft und folglich die Wirkung der Kugeln zu erhöhen.
          Soweit die Lehrbuchmeinung. Gewiß wird man auf einem Schlachtfelde alles finden, was als Kartätschkugel zur Hand war.

          Bisher nicht diskutiert wurde die Wirkung der Kartätschüsse, so finden in o.g. Quelle ab § 127.

          Wie erwartet, nimmt die Reichweite mit kleinerem Kaliber ab:

          15 löthige auf 1000 Schritt
          8 " 800 Schritt
          4 " 600 Schritt
          2 " 300 Schritt
          aber der Streuungsdurchmesser in § 129:

          Mit kleineren Kartätschkugeln würde dieser noch größer seyn, und aus diesem und dem in § 127 angeführtem Grunde, sind diese daher nicht so vorteilhaft als die 12löthigen;
          in § 130:

          Wird das Verhältnis der treffenden Kugeln definiert:

          z.B. auf 100 Schritt
          Große Karttätschkugeln auf Infanterie 1/2
          Kleine Kartätschkugeln auf Infanterie 1/5
          Haben wir z.B. 2 und 8 löthige Kugeln, so heißt das trotzdem bei gleicher Kugelschwere, also der vierfachen Anzahl von Kartätschkugeln, daß wir in der Summe bei denen kleineren Kugeln einen größeren Effekt haben?


          LB
          Zuletzt geändert von Blesson; 07.09.2007, 22:55.
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          • Blesson
            Erfahrener Benutzer
            Adjudant
            • 03.10.2006
            • 778

            #6
            Noch einmal zur Frage der eisernen und bleiernen Kartätschkugel, Scharnhost, §25 (hatten wir übrigens schon in früheren Beiträgen):

            Zu den Kartätschen bediente man sich ehedem bloß der bleiernen Kugeln. Man hat aber nachher gefunden, daß diese nicht die Wirkung der eisernen haben, indem sie platt werden und nicht richochettieren.
            Von Verklumpen steht da nichts, ist vermutlich wohl nur ab 1/2-kugelschweren Ladungen zu erwarten?

            Es lassen sich indeß die bleiernen Kartätschenkugeln bei geringerer Ladung, etwa 1/4-kugelschwer Pulver im Nothfall auch gebrauchen.
            Soweit die Meinung bei der hannöverschen/pr. Artillerie um 1787, als dieses Handbuch erschien. Inwieweit der Text von Hoyer den neueren Erkenntnissen ab 1815 angepaßt wurde, kann ich nicht beurteilen.

            LB
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            • Blesson
              Erfahrener Benutzer
              Adjudant
              • 03.10.2006
              • 778

              #7
              Zu den österr. Kartätschen ist im Dollezcek, Geschichte der östterr. Artillerie, auf S. 308 nachzulesen:

              Seit dieser Zeit [1757] gab es in Österreich nur blecherne Kartätschbüchsen (die Marine ausgenommen) mit eisernen und bleiernen Füllkugeln, deren Zwischenräume mit Sägespäne ausgefüllt waren. Die Büchse, aus Weiss- oder Schwarzblech erzeugt und mit einer Sicke zur Befestigung des Patronensacks versehen, besaß einen eisernen Deckel- und einen hölzernen Treibspiegel, welch' letzterer mit Ausnahme bei den Feldhaubitzen, später gleichfalls durch einen eisernen ersetzt wurde.

              [....] Im äußersten Fällen setzte man auf die geladenen Kartätschpatrone noch eine - mit vielen bleiernen Schroten des kleinsten Calibers gefüllte - Büchse auf und nannt jene, wosie die niemla mit der Patrone zu Kartätschpatronen verbundenen Streugeschosse der Haubitzen "Schrotbüchsen".

              Die Caliber der Schrote waren:
              1753-1825: drei, 1 1/2, 2 und 3-löthig.
              Hier finden wir also gleichfalls keinen Hinweis auf Traubenkartätschen. Wenn's mit rechten Dingen zugeht, sollten sich bei Bodenfunden dann auch bleierne Kartätschen finden, die dann ein Hinweis auf österr. Schroten sind?

              Wir sehen desweiteren, daß es durchaus beachtenswerte Unterschiede zw. den einzelnen Artillerien gab.


              LB
              Zuletzt geändert von Blesson; 07.09.2007, 23:07.
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              • Drusus
                Erfahrener Benutzer
                Tambour-Major
                • 09.10.2006
                • 278

                #8
                Erst einmal herzlichen Dank an alle für die tollen Antworten!

                Zitat von Blesson Beitrag anzeigen
                Wenn's mit rechten Dingen zugeht, sollten sich bei Bodenfunden dann auch bleierne Kartätschen finden, die dann ein Hinweis auf österr. Schroten sind?

                Nachdem im Text "bleiernen Schroten des kleinsten Calibers" steht, denke ich mal, dass dies einfach Musketenkugeln sein dürften. Daher wird man aufgrund von Bodenfunden wahrscheinlich nicht sagen können, ob die Kugeln aus einer Kartätsche oder einer Muskete stammen. Ich persönlich habe bisher weder in Museen, noch in Privatsammlungen oder im Web Kartätschekugeln aus Blei gesehen - also solche, die größer als Musketenkugeln wären.

                Viele Grüße,
                Günter
                "But Linden saw another sight, when the drum beat at dead of night,
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                • Blesson
                  Erfahrener Benutzer
                  Adjudant
                  • 03.10.2006
                  • 778

                  #9
                  Wr sagt, daß die bleieren Schrotten größeres Kaliber als Musketen hatten? 3-löthige Bleierne Schrotten werden wird in der Tat nicht leicht von Musketenkugeln zu unterscheiden sein, denn eine Musketenkugel hat etwas weniger als 3 Loth? Bleibt jetzt der Nachweis zu erbringen, ob Musketenkugeln auch als Kartätschenkugeln verwendet wurden - plausible ist es ja.

                  Die kleinen 1-löthigen Kugeln wären aber schon ein recht eindeutiger Hinweis auf Kartätschen.

                  LB
                  Zuletzt geändert von Blesson; 09.09.2007, 19:42.
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