Behandlung von Kriegsgefangenen

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  • admin
    Administrator
    Colonel
    • 30.09.2006
    • 2687

    Behandlung von Kriegsgefangenen

    Im alten Forum haben wir ja schon an verschiedenen Stellen über das Los von Kriegsgefangenen gesprochen, so überIch möchte dieses interessante Thema aufgreifen und Euch hier einen interessanten Auszug aus einem Artikel aus der Zeitschrift für Heereskunde 1971, in dem es um Napoleon in Potsdam 1806 geht, liefern:

    Am 4. November marschierten die bei Prenzlau gefangenen Angehörigen der Potsdamer Garnison durch die Stadt. Die Reste der Königlichen Garden wurden durch die sogenannten französischen Kittelgarden und Rheinbundtruppen eskortiert und nach dem Friedhof vor der Langen Brücke zum Nachtlager geleitet. Viele der Einwohner suchten den Gatten, den Vater oder Freund und trotzten der Militärgewalt der Eskorte bis die Waffen die Leute trennten die sich wiedergefunden hatten und das taten besonders die Deutschen der Eskorte. Die Franzosen waren nachsichtiger, sie ließen manche solcher Gruppen aus der Reihe treten und in der Menge des Volkes unbemerkt verschwinden. Die Dunkelheit der Nacht begünstigte, daß sich fast der ganze übrige Teil der Gefangenen vom Friedhof ranzionierte.
    Zwei Aspekte sind besonders interessant, nämlich

    a) die Nachlässigkeit der Franzosen im Gegensatz zur Schärfe der Rheinbundtruppen gegenüber den Preußischen Gefangenen
    b) die Bezeichnung "Kittelgarde" für die Franzosen

    Weiß jemand, welche französischen Einheiten als Kittelgarde bezeichnet wurden und warum dies erfolgte?

    Weitere Zitate zur Behandlung von Gefangenen sind hier im Thread natürlich auch willkommen.

    Schöne Grüße
    Markus Stein

    __________________________________________________ ___________


    Ich vermute, "Kittelgarden" war eine Bezeichnung analog zu "Löffelgarde" - irgendwelche französischen Truppen, die ganz unmilitärisch aussahen, weil sie Kittel statt Uniformen trugen (oder eben Löffel am Hut).

    Daß man sie aufgrund dieses Kennzeichens "Garde" nannte, könnte Naivität gewesen sein, oder Spott ... oder beides.

    Hier ein auch sonst interessanter Link, in dem oben im zweietn Absatz ein Zeitgenosse die "Löffelgarde" beschreibt



    Kittelgarde klingt doch exakt passend zum Aussehen der Franktireurs, die im Frühjahr 1814 den Verbündeten solche Scherereien gemacht haben (a.a.O. im alten Forum behandelt; Zitat von Förster).

    Gab es die Benennung schon früher?

    Jörg


    __________________________________________________ ___________


    Die französische Garde hatte je etatmäßig einen Kittel, den sie zumindest bis nach der Schlacht von Austerlitz trug bevor sie Mäntel bekam, vielleicht wurden die ja auch wieder 1806 eingesetzt?


    __________________________________________________ ___________


    Hallo Allesamt,

    wie wurden eigentlich die Kriegsgefangenen der Koalitionskriege behandelt? Und wie lange wurden sie gefangen gehalten?

    Ich habe auch schon mehrfach gelesen, dass Gefangene Informationen über Position und Stärke der eigenen Truppen preisgegeben haben. Taten sie das freiwillig, oder wurde gar Folter angewandt?

    Viele Grüße und schöne Feiertage,
    Günter
    "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben
  • admin
    Administrator
    Colonel
    • 30.09.2006
    • 2687

    #2
    Neue Frage von Drusus

    Sorry Drusus, ich wollte Deine Frage eigentlich nur verschieben, aber dabei versehentlich alle Beiträge mit dem "Urbeitrag" zusammen gefasst.

    Also, bitte hier weiter antworten ...

    Schöne Grüße vom "Forumslaien"
    Markus Stein
    "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

    Kommentar

    • Sans-Souci
      Erfahrener Benutzer
      Major
      • 01.10.2006
      • 1841

      #3
      Von konkreter "Folter" habe ich bisher in Memoiren noch nicht gelesen, mit einer Ausnahme (s. u.).

      Mißhandlungen (Beschimpfen und Anspucken bis hin zu Stößen und Prügeln) kamen aber schon ziemlich häufig vor. Der Übergang von Mißhandlung zu Folter ist natürlich fließend.

      Wie es einem in Gefangenschaft erging, hing, denke ich, immer vom Zufall und den Umständen ab, bestimmte Regeln (z. B. "Franzosen / Preußen waren gegenüber Preußen / Franzosen / Deutschen / Polen immer freundlich / immer brutal") habe ich bisher nicht erkennen können.

      Man sollte bei der Beurteilung auch nicht vergessen, daß körperliche Mißhandlungen von Soldaten (oder generell Mitgliedern unterer Gesellschaftsschichten) damals eher als eine normale Sache betrachtet wurden, und körperliche Unversehrtheit nicht als allgemeines Menschenrecht empfunden wurde.

      Natürlich mochte es niemand, persönlich mißhandelt zu werden, aber das war Teil des allgemeinen Lebensrisikos als Soldat, in der Regel war man schon froh, wenn man vom Sieger als Gefangener akzeptiert wurde statt niedergemetzelt zu werden.

      Zum Abschluß der Bericht eines ungenannten Sekonde-Lieutenants des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments: "Erinnerungen aus den Jahren 1813 und 1814. Aus dem
      Tagebuche eines Freiwilligen." 2 Bde., Leipzig 1820. (Bd. 2, S. 77 f.):

      In dieser Zeit [Ende März 1814, bei der Blockade von Maubeuge] fingen wir viele Spione auf [...] Größtentheils bestanden sie in Bauern der umliegenden Gegend, die übrigens nicht wie sonst wohl, behandelt, d. h. aufgeknüpft wurden, sondern nach einigem Arrest mit einem väterlichen Verweis davon kamen. Viele von diesen Leuten zeigten eine nicht gewöhnliche Hartnäckigkeit, ja wohl eine wahre Wut gegen uns, die sie alle Gefahren, denen sie sich aussetzten, vergessen ließ. So traf es sich, daß ein Bauer ergriffen wurde, der über das Feld fortschlich und sich dadurch verdächtig machte. Bei der Verfolgung flüchtete er in das erste, beste Haus, und zog dort andere Schuh und ein anderes Unterhemde, eine dort gewöhnliche Kleidung [wahrscheinlich eine Art Kittel] an. Er wurde ergriffen, vor den wachthabenden Offizier gebracht und sollte dort sein Benehmen rechtfertigen, oder seine Schuld eingestehen. Aber es war kein Wort aus ihm herauszubringen. Er bekam Hiebe, es wurde ihm mit dem Tode gedroht, die Schläge wurden verdoppelt, allein er war und blieb stumm. Er hatte endlich so viel bekommen, daß man aufhören mußte. Eine wiederholte Exekution [= Ausführung von Strafmaßnahmen] erlebte er nicht. Sein müder Körper erlag den Schmerzen – nach einigen Stunden war er zum großen Schrecken des Offiziers todt. Obgleich der Besitzer jenes Hauses ebenfalls viel Schläge bekam, so fand man doch die Schuhe nicht. Die Wachsamkeit wurde also verdoppelt und die Leiche in der Stille eingescharrt. Hassen mag man solche Menschen, aber man darf sie nicht verachten, da solch ein Benehmen, ungeachtet des Wahns und der Leidenschaft, doch eine gewisse Geistesstärke voraussetzt.

      Kommentar

      • Sans-Souci
        Erfahrener Benutzer
        Major
        • 01.10.2006
        • 1841

        #4
        Vielleicht noch ein Nachtrag: Der vorerwähnte Spion (wenn er denn einer war) hatte eigentlich nach Kriegsbrauch sein Leben verwirkt, auch wenn das zu dieser Zeit in Arrest gemildert wurde.

        Der Unteroffizier Karl
        Renner schriebt in seinem Buch "Beiträge zur Rückerinnerung an die denkwürdigen Feldzüge der Preußen in den Jahren 1812 bis 1815, aus dem Tagebuch eines Mitkämpfenden. Ein Gedenkbuch für diejenigen Krieger, welche diese Feldzüge mitgemacht haben, und ein Unterhaltungsbuch für junge Soldaten und Alle, welche gern wissen wollen, wie es im Kriege zugehe." Glogau, 1829 (S. 11):
        Unter dem Ausdrucke Krieg verstehen wir im völkerrechtlichen Sinne denjenigen Zustand unter unabhängigen Nazionen, wo diese ihre Rechte mit Gewalt verfolgen. Die Kriegsgesetze zivilisirter Nazionen erlauben durchaus nicht Kriegsgefangene zu tödten, oder zu verletzen; nur ihrer Habe sich zu bemächtigen, ist demjenigen, der sie gefangen nimmt, gestattet. Oft entläßt man die Gefangenen, vorzüglich die Offiziere, auf ihr Ehrenwort, nicht eher wieder zu dienen, als bis sie förmlich ausgewechselt worden, und so oft es gefordert werden wird, sich zu gestellen. Jeder, der das gegebene Ehrenwort bricht, wird im Wiederbetretungsfalle als ein ehrloser Deserteur bestraft. Spione und Freibeuter oder Marodeure, das heißt, solche Soldaten, die einzeln, oder in kleinen Haufen, ohne Befehle ihrer Offiziere, sich Gewaltthätigkeiten und Feindseligkeiten gegen die Einwohner erlauben, können auf die Behandlung als Kriegsgefangene keinen Anspruch machen; sie werden in der Regel ohne langen Prozeß mit dem Tode bestraft. Bei Unterhandlungen in Kriegszeiten werden allgemein die Parlementaire als unverletzliche Personen betrachtet, wie auch die Sauvegarden.
        Zuletzt geändert von Sans-Souci; 24.12.2007, 00:05.

        Kommentar

        • Drusus
          Erfahrener Benutzer
          Tambour-Major
          • 09.10.2006
          • 278

          #5
          Hallo Allesamt,

          das Vermischen der Threads ist kein Problem. War nur anfangs etwas verwirrt!

          Vielen Dank schon mal für die Antworten und Links .

          Was mich - wie ja schon angesprochen - etwas überrascht, ist eben, wie Gefangene des öfteren Informationen über die eigene Armee dem Feind preisgaben. Und ich frage mich, warum sie das taten. Außer Folter kommen natürlich auch andere Möglichkeiten infrage, wie z.B. das Versprechen freigelassen zu werden, evtl. sogar verbunden mit einer Belohnung. Die Loyalität war ja nicht bei jedermann hoch im Kurs.

          Viele Grüße und schöne Feiertage,
          Günter
          "But Linden saw another sight, when the drum beat at dead of night,
          commanding fires of death to light the darkness of her scenery." (Thomas Campbell)

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          • admin
            Administrator
            Colonel
            • 30.09.2006
            • 2687

            #6
            Wissenschaftlicher Beitrag

            Aus der sehr informativen Sammelschrift In der Hand des Feindes - Kriegsgefangenschaft von der Antike bis zum Zweiten Weltkrieg, herausgegeben von Rüdiger Overmans und 1999 erschienen, findet sich ein guter Einstieg, geschrieben von Erich Pelzer.

            Auch wenn er in nicht unerheblichem Maße auf den völkerrechtswidrigen Beschluss der Französischen Revolutionsregierung zum Erschießen von Englischen und Hannöverschen Kriegsgefangenen eingeht, sicher ein guter Beitrag ... auch in Bezug auf der Nennung weiterer Quellen.

            Als PDF findet Ihr diesen Beitrag angehängt.

            Schöne Grüße
            markus stein
            Angehängte Dateien
            "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

            Kommentar

            • Ulenspiegel
              Neuer Benutzer
              Cantinière
              • 10.10.2006
              • 7

              #7
              Mir ist bei "heimatkundlichen" Studien aufgefallen, dass eine Reihe schaumburg-lippische Soldaten, die zunächst in Einheiten des Rheinbundes nach Spanien kamen (ca. 1809), dort in britische Gefangenschaft gerieten ( 1811/12) und dann in "englischen" Einheiten zum Teil als NCOs noch viele Jahre dienten.

              War dieses Verhalten normal? Was geschah mit solch einem Soldaten, wenn er von französichen Truppen (oder Verbündeten) gefangen genommen und erkannt worden wäre?

              Viele Grüße aus Graz

              Olaf Kunert

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              • HKDW
                Erfahrener Benutzer
                Colonel
                • 02.10.2006
                • 2962

                #8
                solche Möglichkeiten bestanden ja schon immer - vor allem dann wenn im gegnerischen Korps auch eine landsmännisch ähnliche Einheit existierte, bei den Engländern eben the Kings German Legion.

                Dann wurde halten den "Deutschen" Kriegsgefangenen angeboten hier weiter zu kämpfen, siehe auch z. b. Russisch Deutsche Legion 1812.

                Da gibt es auch interessante Informationen in diversen Tagebüchern, über das Verhalten der Soldaten, die sich auch anwerben ließen um bei der erst besten Gelegenheit wieder zu desertieren um wieder für die alte Seite zu kämpfen.

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                • herbipolis
                  Benutzer
                  Tambour
                  • 20.02.2008
                  • 37

                  #9
                  Zitat von Drusus Beitrag anzeigen
                  Was mich - wie ja schon angesprochen - etwas überrascht, ist eben, wie Gefangene des öfteren Informationen über die eigene Armee dem Feind preisgaben. Und ich frage mich, warum sie das taten. Außer Folter kommen natürlich auch andere Möglichkeiten infrage, wie z.B. das Versprechen freigelassen zu werden, evtl. sogar verbunden mit einer Belohnung. Die Loyalität war ja nicht bei jedermann hoch im Kurs.
                  Günter
                  Ich denke, Loyalität war - gerade bei Rheinbund Truppen - sehr dünn gesät.

                  Freiwillig waren die wenigsten zum Militärdienst gekommen, ausser vielleicht den Offizieren (wie man an den hohen Raten von Desertationen auf dem Weg nach Spanien beispielsweise ersehen kann). Warum wurden die Truppen denn sonst so weit weg von zu hause eingesetzt? Und die Preisgabe von Informationen war - und ist heute noch - der einfachste Weg, das nackte Leben erst mal zu retten.
                  Gruß aus Herbipolis (wer es nicht kennt...Google hilft )

                  Ralf

                  Kommentar

                  • HKDW
                    Erfahrener Benutzer
                    Colonel
                    • 02.10.2006
                    • 2962

                    #10
                    Les mal Memoiren, da wirst Du die unglaublichsten Sachen erfahren, Loyalität gab es sehr wohl, warum wohl ließen sich Westphalen erst in die Rußische Deutsche Legion eingliedern, nur um sofort wieder zu desertieren und ihr Leben aufs Spiel zu setzen und dann lieber in Rußische Kriegsgefangenschaft gingen als in ein Fremdregiment.
                    Natürlich gab es auch des Gegenteil, aber Vorsicht vor Verallgemeinerungen.

                    Kommentar

                    • Henning
                      Erfahrener Benutzer
                      Sergent
                      • 11.10.2006
                      • 131

                      #11
                      Ich denke, Loyalität war - gerade bei Rheinbund Truppen - sehr dünn gesät.
                      Loyalität wem gegenüber? Wie HKDW schon sagt, Loyalität gab es sehr wohl, auch bei den Rheinbundtruppen. Diese bezog sich allerdings meist auf den eigenen Landesfürsten und weniger auf einen selbst ernannten Kaiser aus Frankreich.
                      Beispielsweise wurde auch den bei Kobrin gefangenen Sachsen (fast die gesamte Brigade Klengel) das Angebot zum Dienst in der Russisch Armee gemacht. Gebracht hat es nichts.
                      Gruß
                      Henning
                      Wenn man merkt, dass man auf einem toten Pferd sitzt, sollte man absteigen!

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