Das Laden von Granaten

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  • Sans-Souci
    Erfahrener Benutzer
    Major
    • 01.10.2006
    • 1841

    Das Laden von Granaten

    Bei der letzten Kriegsschule in Zeilitzheim tauchte eine Frage auf, die vielleicht von allgemeinem Interesse ist und die ich deshalb hier beantworte.

    Der preußische Major v. Plümicke beschreibt die Vorgehensweise beim Laden der Granaten in seinem 1820 in Berlin in zwei Bänden erschienenem Handbuch für die Königlich Preußischen Artillerie-Offiziere (Bd. 1, S. 254-257).

    Demnach wird die gegossene Hohlkugel zunächst mittels eines Kratzeisens innen und außen von Rost und Sand gereinigt.

    Dann wird sie innen mit Pech ausgestrichen, um auch kleinste Öffnungen noch abzudichten, und zum Schutz gegen Feuchtigkeit. Dieser Schritt wird bei Granaten, die (z. B. bei Belagerungen oder Übungen) sofort verschossen werden sollen, in der Regel weggelassen.

    Dann wird das Mundloch gereinigt, und mittels eines Trichters "zuerst das Pulver und dann das geschmolzene Zeug" hineingeschüttet. Jedes Einschütten wird mit einem Kreidestrich markiert. Bei 7pfündigen Haubitzen braucht man 24 Loth Pulver und 3 bis 4 Loth geschmolzen Zeug. Bei 10pfündigen Haubitzen 1 Pfund Pulver und 4 bis 6 Loth geschmolzen Zeug. Die Menge an Pulver ist also genau festgelegt, die Menge an geschmolzen Zeug richtet sich nach der - in gewissen Grenzen variablen - Größe des Hohlraumes der Granate.

    Nun wird der Zünder mittels eines Eintreibers und eines Schlägels gerade eingeschlagen, so weit, daß er nicht mehr mit der Hand herausgezogen werden kann.

    Der Kopf des Zünders wird zum Abdichten an seinem unteren Ende mit etwas Hanf umwickelt und mit Zünderkitt verschmiert.

    Für den Feldgebrauch oder für längere Aufbewahrunsgzeiten bestimmte Granaten erhalten noch eine Leinwandplatte, die an der Rinne des Zünderkopfes festgebunden und in Pech getaucht (bei den größeren mit einem Pinsel mit Pech beschmiert) und dann mit nassen Händen fest auf die Granate gedrückt wird, doch so, daß die Ösen an den 10pfündigen Granaten frei bleiben. Manchmal läßt man auch die Leinwandplatte weg und bestreicht den Kopf nur mit Pech.

    Die 7pfündigen Granaten werden zur leichteren Handhabung mit einer Schleife von starkem Bindfaden versehen.

    Versuche im Jahre 1817 haben gezeigt, daß Zünder ohne Kopf "bei Kanonen" (soll wohl heißen: Haubitzen ?) den Nachteil haben, beim Abfeuern durch den starken Stoß in die Granate hineinzufahren (das untere Ende des hölzernen Zünders bricht also ab oder zersplittert) und die Granate bereits im Rohr des Geschützes zu entzünden. Man könnte zwar um den Mund der Granate herum eine Vertiefung zur Aufnahme eines flachen Zünderkopfes einarbeiten, "welches jedoch die Anfertigung dieser Geschosse wieder zusammengesetzter machen würde" (soll wohl heißen, daß das Anfertigen der Gußform etwas komplizierter werden würde.)

    Ich nehme an, der herausstehende Zünderkopf ist der Hauptgrund, weshalb man die Granate von Hand einsetzen muß ?
    Zuletzt geändert von Sans-Souci; 05.11.2007, 18:57.
  • Blesson
    Erfahrener Benutzer
    Adjudant
    • 03.10.2006
    • 778

    #2
    ad 1) Olis Frage:

    Ich nehme an, der herausstehende Zünderkopf ist der Hauptgrund, weshalb man die Granate von Hand einsetzen muß ?
    Ich sehe ff. Gründe:

    1. Die Brandöhre würde evtl. durch den Setzer beschädigt.
    2. Würden die herausragenden Ludelfäden evtl. abgerissen oder gequetscht.
    3. Würde der Zünderkopf evtl. nicht mehr genau zentrisch im Flug sitzen, und damit eine Unwucht provozieren. Was mit der Hand bei einer 7- oder 10-pfündige Haubitze noch wohl noch zu bewerkstelligen ist?

    ad 2) Zu Granaten in Kanonen: Es wurden, soweit ich mich erinnere in den 1820er Jahren die ersten Bombenkanonen in der Schiffs- und Festungsartillerie eingeführt. Siehe Paixhans und die Seeschlacht von Navarino, wo die Bomenkanonen meines Wissens ihren ersten großen Triumph feiern konnten.

    Es ist also nicht von der Hand zu weisen, daß in dem Jahrzehnt zuvor schon die ersten Versuche stattgefunden haben. Dazu paßt natürlich auch, daß der Zünder wie oben beschrieben tief eingeschlagen werden mußte, da bei Kanonen stets die Bombe und Kartusche mit dem Setzer in die Geschützöhre bis zum Boden geschoben werden mußten.

    LB
    Zuletzt geändert von Blesson; 06.11.2007, 16:50.
    Do, ut des

    http://www.ingenieurgeograph.de

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    • Drusus
      Erfahrener Benutzer
      Tambour-Major
      • 09.10.2006
      • 278

      #3
      Ich frage mich ja immer noch, wie man die Hohlkugeln zusammengesetzt hat, zumal das Schweißen ja noch nicht erfunden war. Ich habe hier einen Hohlkugelsplitter der sehr zweilagig aussieht, so das ich mir die Frage stelle, ob evtl. zuerst zwei dünnere Hohlkugeln gegossen, diese dann irgendwie zusammengeschmiedet wurden und das Ergebnis dann noch einmal mit einer genauso dicken zweiten Schicht Gusseisen umhüllt wurde.

      Weiß jemand etwas dazu?

      Viele Grüße,
      Günter
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      Zuletzt geändert von Drusus; 06.11.2007, 00:41.
      "But Linden saw another sight, when the drum beat at dead of night,
      commanding fires of death to light the darkness of her scenery." (Thomas Campbell)

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      • Sans-Souci
        Erfahrener Benutzer
        Major
        • 01.10.2006
        • 1841

        #4
        Plümicke (siehe mein erstes Posting hier) beschreibt den Guß in der preußischen Artillerie in Band 1 auf den Seiten 243 bis 246.

        Alle Geschosse werden in Formen aus Sand gegossen. Die früher verwendeten metallenen Formen hatten den Nachteil, daß darin die Geschosse zu schnell und dadurch ungleichmäßig erkalteten und so spröde und etwas ungleichmäßig wurden.

        Das Modell für eine Kugel besteht aus zwei Halbkugeln aus Messing, in denen zur leichteren Handhabung inwendig Griffe angebracht sind. Die eine Halbkugel wird mit der flachen Seite auf ein Brett gelegt, dann ein Kasten ohne Boden daraufgesetzt und mit Formsand gefüllt.

        Dann wird oben ein Deckel daraufgelegt, der Kasten umgekehrt, ein zweiter Kasten ohne Boden daraufgestellt, mit Haken befestigt (beide Kästern zusammen bilden den "Gußkasten") und die zweite Hälfte des Modells an die richtige Stelle gesetzt. Die Gußlöcher, und (wenn man mehrere Kugeln gleichzeitig gießt - Plümicke nennt als Beispiel drei) die Verbindungskanäle werden mit hölzernen Zapfen gebildet. Der Rest wird mit Formsand aufgefüllt.

        Nun hebt man die obere Hälfte vorsichtig wieder ab, zur einfacheren Trennung war vorher die Oberfläche der Modelle und des Formsandes der unteren Hälfte mit Kohlenstaub oder feinem trockenen Sand bestreut worden. Die Modelle werden vorsichtig wieder herausgenommen.

        Bei den Hohlkugeln hat das untere Modell in der Mitte der halbkugelförmigen Fläche einen zylinderförmigen Aufsatz, der durch das Loch einer eisernen Schiene paßt, die am Gußkasten befestigt ist. Dieser Aufsatz bildet die spätere Öffnung für den Zünder. Vergleicht man also die fertige Granate oder Bombe mit der Erdkugel, so liegt die Öffnung für den Zünder am Nordpol, und die Gußnaht verläuft rings um den Äquator.

        Nachdem hier bei den Granaten das Modell herausgenommen worden ist, werden (bei 10pfündigen Granaten und den Mörserbomben) an den passenden Stellen schlangenförmig von Draht gebogene Ösen eingesetzt und durch angedrückten Formsand (der gleichzeitig auch das Loch der Öse frei hält) in ihrer Position gehalten. Die Füße dieser Ösen werden dann später vom Gußeisen der Kugel umschlossen.

        Der Kern besteht aus einer eisernen Formspindel, deren Durchmesser dem Durchmesser der Öffnung für den Zünder entspricht. Um diese Spindel wird Stroh gewickelt, über das dann eine Lehmschicht kommt, die mittels dreier Formbretter eine kugelförmige Gestalt erhält. Der Kern wird dann gebrannt (die Schrumpfung hierbei muß natürlich vorher berücksichtigt werden) und auf der oben erwähnten Schiene befestigt.

        Nach dem Guß und Erkalten werden die Geschosse herausgenommen, die Gußstücke abgeschlagen, und diese Stellen mit dem Hammer glatt geklopft. Die ganze Oberfläche wird mit Sandstein vom Formsand gereinigt und die Gußnaht abgerieben. Bei den Granaten und Bomben wid die Kernspindel herausgezogen und der Lehm ausgekratzt. Fertig.

        Leider habe ich keine frühere Quelle zum Guß der Granaten und Bomben.
        Zuletzt geändert von Sans-Souci; 06.11.2007, 10:42.

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        • Blesson
          Erfahrener Benutzer
          Adjudant
          • 03.10.2006
          • 778

          #5
          Die frühere Quelle ist

          Streit, Militairische Enzyklopädie, Berlin, ca. 1803

          welche mit Text und Abbildung von mir bereits an früherer Stelle in Sachen Gußeisenqualität (überschmieden der Kanonenkugeln) zitiert wurde.
          Zuletzt geändert von Blesson; 06.11.2007, 16:45.
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          • Sans-Souci
            Erfahrener Benutzer
            Major
            • 01.10.2006
            • 1841

            #6
            Stimmt, mein kurzes Gedächtnis ...

            Also in diesem Thread hier:



            Demnach scheint sich an der Vorgehensweise beim Guß zumindest zwischen 1800 und 1820 nichts wesentliches geändert zu haben.

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            • Sans-Souci
              Erfahrener Benutzer
              Major
              • 01.10.2006
              • 1841

              #7
              Streit bringt noch eine zusätzliche Information (1. Theil, 2. Abtheilung, S. 401):

              Das geschmolzene Zeug wird nicht etwa erhitzt und in die Granate eingegossen, sondern im kalten Zustand "in kleine Stücke zerschlagen und hiervon werden 4 bis 8 Loth zu jeder Granate oder Bombe genommen."

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              • Drusus
                Erfahrener Benutzer
                Tambour-Major
                • 09.10.2006
                • 278

                #8
                Besten Dank, Sans-Souci

                Die Herstellung so einer Granate macht ja einen recht aufwendigen Eindruck. Würde mich mal interessieren, wie lange es dauerte, bis so ein Stück dann fertig war.

                Die Mehrschichtigkeit meines gezeigten Bruchstückes scheint dann aber auch Zufall zu sein. Evtl. wurde hier ja mal nachgebessert.

                Viele Grüße,
                Günter
                "But Linden saw another sight, when the drum beat at dead of night,
                commanding fires of death to light the darkness of her scenery." (Thomas Campbell)

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                • Gunter
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 01.10.2006
                  • 1377

                  #9
                  Was ist das "geschmolzene Zeug" denn für ein Zeug?

                  Kommentar

                  • Sans-Souci
                    Erfahrener Benutzer
                    Major
                    • 01.10.2006
                    • 1841

                    #10
                    Auch Geschmelzter Zeug (roche à feu) genannt, vor allem zum Füllen der Brandkugeln bestimmt, wird aus verschiedenen Materialien zusammengeschmolzen und bildet nach dem Erkalten eine harte Masse.

                    Zunächst erhitzt man über dem Feuer etwas Talg oder Schweinefett, und Leinöl, läßt darin Pech zergehen, dann wird Blasenharz und alternativ entweder Kolophonium oder Schwefel hinzugegeben und gut gemischt.

                    Dann nimmt man den Kessel vom Feuer und gibt Pulver, geschnittenes Hanfwerg und (falls man die Schwefelmischung verwendet) auch Salpeter dazu.

                    Der entstandene Teig wird auf einem mit Mehlpulver bestrichenen Tisch mit Korn- und Mehlpulver durchknetet.

                    Was diese Masse sich chemisch zusammensetzt und welche Auswirkungen sie praktisch hat, kann ich nicht sagen.

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                    • Blesson
                      Erfahrener Benutzer
                      Adjudant
                      • 03.10.2006
                      • 778

                      #11
                      Naja, da spricht der Chemikus in mir:

                      Talg / Schweinefett / Leinöl: ölige oder fettige Bestandteile, die lange brennen und schwer mit Wasser zu löschen sind. jeder kennt den Effekt, wenn man ungesunderweise versucht, brennendes Öl mit Wasser zu löschen.

                      Pech: Destillationsrückstand (wohl von der trockenen Destillation des Holzes), klebt, gibt Konsistenz in die anfangs pastöse (?) Mischung, härtet beim Erkalten aus und brennt langsam blakend

                      Harz / Kolophonium: Brennbare Baumharze, geben auch Konsistenz zur Paste

                      Salpeter und Mehlpulver: agieren als Brandbeschleuniger.

                      Die Wirkung tritt ein, indem die springende Bombe die brennenden Stücke des geschmolzenen Zeugs verschleudert. Daher führte eine Haubitzen immer einige Brandkugeln im Munitionsbestand, um z.B. Dörfer, besonders Dachstühle, in Brand setzen zu können.

                      LB
                      Zuletzt geändert von Blesson; 09.11.2007, 17:38.
                      Do, ut des

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                      • Gunter
                        Erfahrener Benutzer
                        Chef de Bataillon
                        • 01.10.2006
                        • 1377

                        #12
                        Danke für die Erklärung. Diente das geschmolzene Zeug vorwiegend dazu, um Brände zu verursachen oder auch um die Wirkung des Zünders zu unterstützen?

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