Bier in besseren Kreisen

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  • gnlwth
    Erfahrener Benutzer
    Tambour-Major
    • 09.10.2006
    • 324

    Bier in besseren Kreisen

    Guten Tag,

    in Anbetracht folgenden Auszugs aus den Memoiren Talleyrands,

    ... Es mochte an jenem Tage wohl mehr Mundvorrat im Hause sein als gewoehnlich, denn die Mahlzeit, die man uns vorsetzte, war sehr gut: geraeucherte Fische, Schinken, Kartoffeln und dazu starkes Bier und Branntwein. Wir liessen es uns trefflich schmecken, und das reichlich genossene Getraenk belebte gar bald die Unterhaltung. ...

    habe ich mich gefragt, wie normal es wohl fuer Leute seines Standes war, Bier zu trinken. War das (eigentlich) ein Armeleutegesoeff und wurde von Leuten wie Talleyrand nur in Ausnahmesituationen getrunken? Oder hat auch der Adel hin und wieder mal ein gepflegtes Bierchen gezischt?


    Gruss,
    Gnlwth
    Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit
  • admin
    Administrator
    Colonel
    • 30.09.2006
    • 2687

    #2
    Hier kann ich mit "touristischen Erfahrungen" ggf. weiter helfen ... bei einem London-Besuch war ich auch im Bank-Viertel (geh ich bei jedem London-Besuch hin an einem Arbeitstag, da interessant) und dabei auch mittags in einem Pub ... was dort auffällt ist, dass die Engländer mittags auch als Geschäftsleute ihr(e) Bierchen trinken (meist mehr als 1 Pinte) - in Deutschland ja eigentlich undenkbar.

    Auf die Frage dieser Gepflogenheit hin antwortete eine englische Verlagschefin, dass Bier früher als Wasser (keine sanitären Anschlüsse) vorhanden war, daher dieses als "sauberer" eingestuft wird ... also hygienische Verhältnisse die Ursache für diesen Bierkonsum. Und "blühenden Weinlandschaften" gibts ja auch nicht so in England

    Schöne Mittagsgrüße (ohne Bier, wir sind ja in good old Germany)
    Markus Stein
    "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

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    • Cuirassier
      Erfahrener Benutzer
      Tambour-Major
      • 20.10.2006
      • 275

      #3
      das damalige bier hatte erheblich weniger alkohol als unsere heutige sorten...eher naturtrüb. bei den franzosen war bier nicht so beliebt,
      ( bei einquatierungen sollte branntwein u. wein ausgegeben werden,
      wenn nicht vorhanden...eben auch bier.)

      ..es war schon eher das getränk der unteren schichten.....stendal schreibt in seinen reisebschreibungen durchs münsterland und den norden...das die dort ansässigen einwohner unmengen an dicken, dunklen butterbroten, kaffee u bier verzehren und in unsäglich dicken betten schlafen....nichts für einen franzosen)

      ps...der alte fritze hatte bierbrauer gelernt, preuss. offiziere tranken gerne und reichlich bier...und der stammtisch; ist eine preuss. erfindung! prost.

      prost=lat. - es möge nützen -....****
      Ein Soldat kann seinen Kopf verlieren, aber niemals einen Knopf!

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      • Sans-Souci
        Erfahrener Benutzer
        Major
        • 01.10.2006
        • 1841

        #4
        Hier ein paar Infos aus dem Jacobi:



        Da es so viele verschiedene Typen von Bier gab - sogar "Altbier" (über 12 Jahre ...) in den Niederlanden und Geldern - kann man wahrscheinlich nicht pauschalisieren, wer was trank, das hing gewiß auch von der Qualität ab.

        Die teureren Sorten, die sogar quer durch Europa transportiert wurden, dürften nur für reichere Leute in Betracht gekommen sein. Daraus, daß es einen Markt für diese teureren Biere gab, kann man wohl schließen daß Bier auch "gesellschaftsfähig" war.

        Allerdings hab ich in den Memoiren preußischer Offiziere in der Regel nur von Wein als dem Getränk auf Festen etc. gelesen, der Rheinwein galt wohl als besonders gut. Ich hab aber bisher auch nicht gezielt nach der Erwähnung von Bier gesucht.

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        • Cuirassier
          Erfahrener Benutzer
          Tambour-Major
          • 20.10.2006
          • 275

          #5
          der preussische soldat trank wohl eher das billige dünnbier....bei dem kargen sold...,
          Ein Soldat kann seinen Kopf verlieren, aber niemals einen Knopf!

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          • gnlwth
            Erfahrener Benutzer
            Tambour-Major
            • 09.10.2006
            • 324

            #6
            Hallo,

            danke - der Jacobi gibt da ja Interessantes preis - naemlich ueber das Bayrische Bier: Erstens, manche Dinge aendern sich nie: "Helles" hat sich (aus mir unerfindlichen Gruenden) bis zum heutigen Tag nicht ausserhalb Bayrischer Landesgrenzen durchgesetzt. Zweitens, dass sich manche Dinge sehr wohl aendern: heute trinkt kein Mensch mehr (oder jedenfalls nicht mehr sehr viele) "Dunkles". Und dass dieses so gut sein soll wie Englisches Bier, ist ja wohl der groesste Hohn - es gibt ja kaum etwas Widerlicheres als Britisches Bier. Insgesamt hat sich der Geschmack natuerlich schon sehr geaendert.
            In Bayern (sicher auch anderswo) wird ja auch traditionell Starkbier vor allem in der Fastenzeit gebraut, als Brotersatz gewissermassen - fuenf Bier sind eine Mahlzeit, da laesst es sich gleich viel entspannter fasten.


            Stendhals Beobachtung ueber die Deutschen teilte uebrigens auch Germaine de Stael: Die Deutschen leben in kleinen, niedrigen Zimmern, die grundsaetzlich vollkommen unertraeglich ueberheizt sind, und alle musizieren ununterbrochen - auch der aermste Bauer hat ein Klavier (oder zumindest eine Quetschkommode) und alle singen den ganzen Tag Volkslieder (was fuer eine schreckliche Vorstellung!). Um sich dem Deutschen Gemuet besser naehern zu koennen, kaufte sich Madame eine Mundharmonika und quaelte fortan ihre Mitreisenden, indem sie in der Kutsche sass und auf dem Weg nach Weimar stundenlang Mundharmonika spielte (eine aehnlich unerquickliche Vorstellung).


            Tja. Ob der franzoesische Durchschnittsaristokrat Spass am Oktoberfest gehabt haette, sei einmal dahingestellt...

            Schoenen Gruss,
            Gnlwth
            Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit

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            • Mephisto
              Erfahrener Benutzer
              Capitaine
              • 01.10.2006
              • 625

              #7
              es gibt ja kaum etwas Widerlicheres als Britisches Bier
              Gnlwth, ich hoffe, diese Behauptung ist von Jacobi und nicht von Dir,
              denn dieser grundsätzlichen Behauptung folgt ein grundsätzlicher Widerspruch.
              Geschmäcker sind halt verschieden...
              Vielleicht könnten wir uns ja bei "Cidre/Cider = grundsätzlich widerlich" treffen?!?!?
              Zuletzt geändert von Mephisto; 01.06.2007, 13:03.
              Gruß
              Mephisto

              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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              • joerg.scheibe
                Erfahrener Benutzer
                Capitaine
                • 02.10.2006
                • 592

                #8
                Hallo,
                Erstens, manche Dinge aendern sich nie: "Helles" hat sich (aus mir unerfindlichen Gruenden) bis zum heutigen Tag nicht ausserhalb Bayrischer Landesgrenzen durchgesetzt.


                @Gnlwth, die Ursache wird wohl nicht nur geschmacklicher Natur sein:
                nahezu ein halbes Jahrhundert lang war Helles auch außerhalb Baierns ein Standardbier.
                Schlagartig verschwand es 1990 aus dem Angebot zwischen Eisenach und Görlitz; Ausnahmen, die die Regel bestätigen, wird es geben.
                Bis zum Beweis des Gegenteils behaupte ich, daß dies nicht am Geschmack lag, sondern an den Firmenphilosophien der plötzlich als Besitzer Auftauchenden (genauso war es mit den Größen der Gläser rost

                Gruß
                Jörg
                The light at the end of the tunnel
                is from an oncoming train.

                Kommentar

                • gnlwth
                  Erfahrener Benutzer
                  Tambour-Major
                  • 09.10.2006
                  • 324

                  #9
                  Guten Tag,

                  Zitat:
                  es gibt ja kaum etwas Widerlicheres als Britisches Bier
                  Gnlwth, ich hoffe, diese Behauptung ist von Jacobi und nicht von Dir,
                  denn dieser grundsätzlichen Behauptung folgt ein grundsätzlicher Widerspruch.
                  Geschmäcker sind halt verschieden...
                  Vielleicht könnten wir uns ja bei "Cidre/Cider = grundsätzlich widerlich" treffen?!?!?
                  @Mephisto: Diese in der Tat in das nebuloese Reich der Tatsachenbehauptungen gehoerende Auesserung werde ich aufrechterhalten, bis ich triftige Gruende habe, das Gegenteil zu behaupten. Einer dieser Gruende waere zum Beispiel, dass ein gutaussehender, intelligenter und charmanter britischer Brauereibesitzer mein Herz erobert, oder (sollte er haesslich, dumm und knurrig sein) mir wahlweise 51% der Aktien seiner Brauerei ueberschreibt. Nur in diesen beiden Faellen werde ich behaupten, dass man von britischem Bier nicht schon beim Hinsehen Kopfschmerzen und einen schalen Geschmack im Mund bekommt.

                  Zum Cidre/Cider: Cider ist widerlich, Cidre (wenn herb) eigentlich ganz lecker. Ich finde, der Unterschied ist immens.


                  Bis zum Beweis des Gegenteils behaupte ich, daß dies nicht am Geschmack lag, sondern an den Firmenphilosophien der plötzlich als Besitzer Auftauchenden (genauso war es mit den Größen der Gläser
                  @Joerg

                  Dann hoffe ich doch, dass sie die Groesse der Glaeser zu Gunsten des Bierfreundes gewandelt hat! Helles ist wirklich unverdientermassen im Osten ausgestorben. So ein gutes Bier! Seit ich in Bayern wohne, trinke ich kein anderes mehr.


                  Prost! Oder nee, noch nicht. Jetzt erstmal

                  Schoenen Gruss,
                  Gnlwth
                  Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit

                  Kommentar

                  • Threepwood
                    Benutzer
                    Caporal
                    • 02.10.2006
                    • 58

                    #10
                    Interessanter Thread. Was versteht Ihr unter "Helles"? Kölsch ist auch ein "Helles" und zwar ein obergäriges und hier im Köln/Bonner Raum, der Name verrät es, natürlich sehr verbreitet. Kölsch, bzw. sein Vorgänger Wieß, dürfte dem Geschmack des Biers aus der naoleonischen Zeit, wohl näher sein als manch modernes und bekanntes Bier. Die traditionelle Brauweise, und auch der teilweise Ausschank in Holzfässern, hat jeoch auch seine Nachteile. Auf den Geschmack wirkt es sich nicht aus, dafür auf den Businessplan. Denn Kölsch ist aufgrund seiner Brauweise nicht so lange haltbar. Die Franzosen waren lange in Köln, da wird so manches Kölsch die französische Kehle runtergeflossen sein.

                    Ich persönlich bin schon ein Bierfan. Trinke das sehr gerne ohne eine bestimmte Marke zu bevorzugen. Von Guiness zu Köstritzer, von flavored Beer zu Pils in allen Variationen kommt mir eigentlich alles ins Glas.

                    Kommentar

                    • joerg.scheibe
                      Erfahrener Benutzer
                      Capitaine
                      • 02.10.2006
                      • 592

                      #11
                      @ Gnlwth, leider liegst Du, was die Gläser betrifft, falsch: schlagartig gab es weder 0,25 noch 0,5 l-Gläser, sondern alles schenkte 0,3 oder 0,4 Liter aus.
                      (beziehungsweise 0,2 bei alkoholfreien Getränken).
                      Im übrigen bitte ich nicht mißverstanden zu werden, Helles schmeckte mir nie wirklich.
                      Auffällig war nur, daß es von Jetzt auf Gleich flächendeckend aus dem Angebot verschwand und ich Jahre später in Bayern feststellte, daß die Herstellung dieses Bieres offensichtlich nicht gegen Deutsches Lebensmittelrecht verstieß, ebensowenig wie die Benutzung von Halblitergläsern.

                      Vor die Wahl Helles oder Kölsch gestellt, muß ich allerdings sagen, daß das falsche Bier verschwand.

                      Prost
                      Jörg
                      The light at the end of the tunnel
                      is from an oncoming train.

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