Anzahl Spielleute pro Kompanie bei der französischen Linieninfanterie?

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  • Tellensohn
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 16.02.2011
    • 1253

    Anzahl Spielleute pro Kompanie bei der französischen Linieninfanterie?

    Man kennt ja die Anomalie, dass es in der französischen Linieninfanterie offiziell keine Pfeifer gab (ab 1808 regulär 1 Pfeifer pro Bataillon, der Grenadierkompanie zugeteilt, wenn ich nicht irre). Anomalie deshalb, weil in der Ordonnanz von 1754 (gültig bis 1831) sehr wohl feststehende, also regulierte Melodien auch für Pfeifer (oder Hautbois) für die überwiegende Mehrzahl der Signale enthalten sind.

    Nun war es ja aber offenbar so, dass, Reglemente hin oder her, Pfeifer durchaus in grosser Zahl in den Regimentern zu finden waren. Zwei Beispiele werden in einem Artikel von Rigo in Figurines N°1, Décembre 1994-Janvier 1995, S. 44, erwähnt: Im Jahr 1804 ordnete Oberst Nerin für die zwei bataillons de guerre seines 64e de ligne die Aufstellung von 18 Pfeifern an, d.h. je einer pro Kompanie. Im Jahr 1805 orderte das 84e de ligne 27 Militärpfeifen und zugehörige Behälter für seine drei bataillons de guerre, was wiederum auf einen Pfeifer pro Kompanie hindeutet.

    Frage: Heisst das nun, dass jeder Kompanie ein Pfeifer zusätzlich zu den beiden Tambouren pro Kompanie zugeteilt wurde (müssten dann wohl eine ganze Menge enfants de troupe zur Verfügung gestanden haben...), oder war es eher so, dass einer der beiden Tambouren zum Pfeifer umfunktioniert wurde? Als die Voltigeurkompanien eingerichtet wurden, für die anstelle von zwei Tambouren zwei Hornisten pro Kompanie vorgesehen waren, war es ja, laut Literatur, offenbar oft so, dass stattdessen nur ein Hornist eingesetzt und einer der Tambouren beibehalten wurde, die Zahl der Spielleute pro Kompanie sich also nicht erhöhte. Deshalb neige ich zur Auffassung, dass es sich bei den Grenadier- und Füsilierkompanien ähnlich verhalten hat, also einer der Tambouren durch einen Pfeifer ersetzt wurde und sich die Gesamtzahl der Spielleute pro Kompanie nicht erhöhte.

    Liege ich da falsch? Verfügt jemand über konkrete Hinweise, wie das generell gehandhabt wurde?
  • Gunter
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 01.10.2006
    • 1377

    #2
    Ich denke nicht, dass man Aussagen treffen kann wie das generell gehandhabt wurde. Es gab schließlich auch Regimenter die gleich garkeine Signalhörner für die Voltigeure anschafften und nur Trommeln für alle Kompanien hatten. Angeblich soll es andererseits auch Chasseurhornisten gegeben haben. Nichts ist unmöglich. Denkbar ist sogar eine gemischte Variante, teilweise Tamboure als Pfeifer, teilweise Kinder, je nachdem wieviele von beiden gerade vorhanden waren. Bei den Grenadieren vielleicht eher Erwachsene, wer weiß? Allerdings soll es bei der Garde auch um 1815 noch Kinder gegeben haben, die als Pfeifer für 3/4 der Kompanien ausgereicht hätten. Aus Bildquellen kann man leider auch nicht viel ableiten. Da gibt es sowohl erwachsene als auch Kindertrommler und -Pfeifer.

    Grüße

    Gunter

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    • Tellensohn
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 16.02.2011
      • 1253

      #3
      Erstmal danke für die Antwort. Die eigentliche Frage ist damit aber leider noch nicht beantwortet, wobei ich fürchte, dass auch sie nicht ohne weiteres beantwortet werden kann. In den Reglementen wird man dazu wohl kaum etwas finden, in Regimentsgeschichten oder Memoiren vielleicht eher. Ich versuch's noch einmal:

      Ich frage mich, was bei Anschaffung eines nicht reglementskonformen Instruments für die Kompanien - bspw. einer Militärpfeife für jede Füsilierkompanie - wahrscheinlicher ist: Dass der Ist-Bestand an Kompanie-Spielleuten (natürlich inoffiziell) aufgestockt und der Soll-Bestand (zwei Spielleute) damit übertroffen wurde, oder aber dass der Soll-Bestand unbedingt beibehalten wurde, was ja eigentlich nur auf Kosten eines regulären Instruments geschehen konnte, also im genannten Fall durch die de-facto-Abschaffung einer Trommel (wobei ich mir denken könnte, dass man - je nach Anlass - die Instrumentenkombination gewechselt haben würde, also bspw. bei einer Inspektion auf jeden Fall nur mit zwei Tambouren pro Kompanie antrat, gleich ob man noch einen Pfeifer zusätzlich unterhielt oder, falls nur zwei Spielleute pro Kompanie zur Verfügung standen, bei anderer Gelegenheit einen Tambour durch einen Pfeifer ersetzte).

      Oder nochmals anders und einfacher gefragt: Wenn ich eine Füsilierkompanie der Linieninfanterie aufstellen wollte, konkret einmal der oben genannten beiden Regimenter, von denen bekannt ist, dass sie sich Pfeifer anschafften - was wäre "richtiger"? Sie mit zwei Tambouren plus einem Pfeifer oder mit bloss einem Tambour und einem Pfeifer auszustatten?

      Wie gesagt, ich vermute, auf diese Frage gibt es allenfalls regimentsspezifische Antworten, nicht aber eine allgemein gültige. Aber eben, vielleicht kennt ja irgendjemand so ein konkretes Fallbeispiel?

      Gruss, T.
      Zuletzt geändert von Tellensohn; 22.05.2014, 20:09.

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      • Gunter
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 01.10.2006
        • 1377

        #4
        Man könnte sich der Frage auch anders annähern. Wie sah es denn mit den Vorgaben für die Soldatenkinder bei den Regimentern aus? Als Quelle für Pfeifer sollten sie doch vorhanden gewesen sein. Einige davon sollten einen Teil des Soldes eines Soldaten bekommen. Ist es vorstellbar, dass sie den erhielten ohne dafür irgendwie eingesetzt zu werden? Bei den holländischen Grenadieren der Garde werden pro Kompanie neben 2 Sappeuren 3 Trommler und 2 Pfeifer ausgewiesen, was natürlich ein Sonderfall sein mag.

        Grüße

        Gunter

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        • Harper
          Erfahrener Benutzer
          Sergent-Major
          • 12.07.2012
          • 180

          #5
          Folgt man Rousselot, der sich seinerseits auf das Handbuch von Bardin bezieht, wurden die Pfeifer nicht den einzelnen Kompanien sondern den Regimentsmusikern zugeordnet, wobei es im Einzelfall mehr als zehn Pfeifer und bis zu 30 Regimentsmusiker insgesamt gab. So verzeichnete etwa das 23. Linienregiment im Feldzug 1815 8 Pfeifer.
          Zitat nach dem Rundschreiben vom 20.11.1807 ( zur Bezahlung ):
          "Es existiert in den meisten Infanterie - Einheiten eine größere Anzahl von Musikern als die Vorschrift zugesteht. Da sie nur acht an der Zahl sein sollten, durften die im Überhang befindlichen Musiker wie Soldaten zugegeben gewesen sein, aber falls sie zugegeben werden wie besoldete Musiker, müssen sie sich zu einem militärischen Einsatz verpflichten....".

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          • Gunter
            Erfahrener Benutzer
            Chef de Bataillon
            • 01.10.2006
            • 1377

            #6
            @Harper,
            wo schreibt Rousselot denn das genau?

            Grüße

            Gunter

            Kommentar

            • Tellensohn
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 16.02.2011
              • 1253

              #7
              @Harper

              Die Bardin-Vorlage bezieht sich nicht auf Kompaniepfeifer, sondern auf von den Regimentern reglementswidrig zusätzlich verpflichtete Vertragsmusiker (Gagisten) oder die reglementswidrige Umwandlung von (begabten) Soldaten zu Musikern, die dann - nicht in der Organisation des Regiments, aber de facto - auch der Kapelle angegliedert und zusammen mit ihr oder in ihrem Umfeld einquartiert wurden.

              Diese Musiciens-soldats wurden in der Regel kaum je als Pfeifer eingesetzt, sondern als Spieler von "türkischen" Instrumenten, aber auch als Bläser, etc. (ein schönes Beispiel ist der Musiker Sabon, der als enfant de troupe mit dem Triangelspiel anfing, dann die Becken bediente, dann Klarinettist wurde, schiesslich sogar mit melodieführender Klarinette, dennoch aber noch lange Zeit Musicien-soldat blieb, bevor er endlich zu einem der 8 offiziellen Musiker seines Regiments befördert wurde).

              Kompanie-Pfeifer - und um die allein geht es mir an dieser Stelle - wurden dagegen nicht der Musikkapelle zugeordnet, sondern fungierten wie die Tambouren als Spielleute, was natürlich nicht heisst, dass einige unter ihnen den Sprung in die Musikkapelle nicht auch schaffen konnten.

              Die Musikkapellen verfügten übrigens auch über "Pfeifer", aber das waren Musiker, die "flûtes (traversières)" oder "petites flûtes (= Piccolos)" spielten, gewöhnlich nicht mehr als 2-3 Musiker, und die spielten natürlich wesentlich besser als die Kompaniepfeifer. Genauso gab es bei den Musikern auch Tambouren (tambour roulante, caisse claire, grosse caisse), die von den Kompanietambouren zu unterscheiden sind.

              Richtig ist aber, dass nach dem verlustreichen Russlandfeldzug, der viele Musiker das Leben gekostet hatte, vermehrt Pfeifer - oft wohl als schneller Ersatz für fehlende Kapellen - eingesetzt wurden und sie damit auch offiziell mehr Berücksichtigung fanden. Bezeichnend für diese Entwicklung ist bspw., dass, wenn ich nicht irre, Pfeifer bei den Grenadieren der Alten Garde erstmals im Jahr 1813 offiziell gelistet werden (die schon früher offiziell anerkannten Pfeifer bei den 3. oder holländischen Grenadieren sind ein Sonderfall; vermutlich war das ein Konzession an die frühere holländische Militärtradition). Aus dem selben Jahr stammt auch die m.W. erste offizielle Pfeifer-Ordonnanz für die Garde, mit von der Linie abweichenden Pfeifermelodien (was aber nicht heisst, dass die die nicht schon älter waren, aber eben nicht offiziell festgehalten).

              Aber wie bereits mehrfach gesagt: an dieser Stelle interessieren mich lediglich die Kompaniepfeifer, und nur die der Linieninfanterie, und ich will auch nur wissen, ob die - de facto - zusätzlich zu den beiden regulären Kompanie-Trommlern oder anstelle eines dieser Trommler eingesetzt wurden. Nur dazu erbitte ich Informationen.
              Zuletzt geändert von Tellensohn; 23.05.2014, 21:10.

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              • Harper
                Erfahrener Benutzer
                Sergent-Major
                • 12.07.2012
                • 180

                #8
                @Gunter :
                In der deutschen Ausgabe unter "Têtes de colonnes" Seite 41/42.

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                • Gunter
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 01.10.2006
                  • 1377

                  #9
                  @Harper,

                  Danke.

                  @Tellensohn,
                  bedeutet die offizielle Anerkennung, dass das dann Erwachsene waren? Da du gerade die holländische Tradition erwähnst (ich weiß, das ist jetzt nicht dein Thema) im Suhr MS sind einige Pfeifer dargestellt, offensichtlich bei den Grenadieren Erwachsene, bei den übrigen Jugendliche/Kinder. Dabei scheint sogar ein Voltigeur-Pfeifer zu sein. Ausgeschlossen ist sowas bei den Franzosen auch nicht.

                  Grüße

                  Gunter

                  Kommentar

                  • Tellensohn
                    Erfahrener Benutzer
                    Chef de Bataillon
                    • 16.02.2011
                    • 1253

                    #10
                    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                    bedeutet die offizielle Anerkennung, dass das dann Erwachsene waren?
                    Kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Anerkennung mit Erwachsen sein (ab wann war man damals schon wieder "erwachsen"?) einherging. Enfants de troupe (also wirkliche Kinder/Minderjährige) waren ja auch eine anerkannte Einrichtung (institutionalisiert am 26. Juli 1800 [laut Rigo]).

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