Artillerie

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  • KDF10
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 19.12.2010
    • 1278

    Artillerie

    Welche Reichweite hatten die Kanonen zur Zeit Napoleons? Das Kaliber hat dabei sicherlich eine Rolle gespielt. Welche Kaliber wurden ab 1812 benutzt und welche Reichweite hatten sie? Wer hatte die überlegenere Artilllerie? Qualitativ und nicht quantitativ. Die Russen mit ihren Einhörnern? Die Franzosen mit ihren schweren Geschützen?
  • Gunter
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 01.10.2006
    • 1377

    #2
    Hallo,
    deine Fragen sind so allgemein gehalten, dass man sie nur schwer beantworten kann. Es kommt immer darauf an, welche Armee man speziell betrachtet. Was die Qualität einzelner Elemente betrifft, so kursieren da einige Mythen, die bei näherer Betrachtung recht haltlos sind. Zu den Reichweiten kann ich jetzt nicht soviel sagen, dazu gibt es diverse Tabellen über den Sinn man eigens disputieren kann.

    In Mittel- und Osteuropa hatten sich bei den Kanonen auf jeden Fall die 6- und 12-pdr durchgesetzt, andere Kaliber kamen nur noch vereinzelt vor.
    Die Überlegenheit einer Artillerie konnte sie bekanntlich auch verschiedenen Quellen speisen: Organisation, Ausbildung, taktischer Einsatz, Güte des Materials und Beweglichkeit.

    Die Franzosen hatten technisch eigentlich nichts Spezielles an ihren Geschützen. Auch Geschütze schwerer Kaliber besaßen sie nicht überdurchschnittlich viele. Ihre Vorzüge lagen vor allem in der Organisation, jedoch gab es hier noch einen erheblichen Unterschied zwischen administrativer und taktischer Organisation, was aber weniger ins Gewicht fiel, da Frankreich sowieso fast dauernd im Krieg war.

    Von der Qualität des Materials her hatten verschiedene Mächte in Einzelaspekten die Nase vorn. Die sächsischen Rohre und Richtmechanismen von 1810 sind sicher in ihrer Zeit im Hightech-Bereich anzusiedeln, ähnliches gilt für die britischen Blocklafetten, Protzen und Munitionswagen. Allerdings stellten beide Armeen nur wenige Einheiten mit diesem hervorragenden Material ins Feld.
    Die Russen waren dagegen führend in der Vereinheitlichung des Materials innerhalb einer großen Armee. Ihr größter Vorteil lag in der friedensmäßigen Organisation und Bespannung der Artillerie der Infanteriedivisionen. Außerdem war ihre Bespannung und die Fahrzeuge beweglich und solide. Ihre Einhörner waren zwar speziell, doch weder neu noch so einzigartig wie man gemeinhin annimmt. Die russische Artillerie war jedoch über Jahrhunderte äußerst experimentierfreudig.

    Will man die Güte der napoleonischen Artillerie bewerten, so kann man die spätere Entwicklung als Indikator dafür nehmen. In den Jahrzehnten nach 1815 zeigte sich, dass sich Fahrzeuge ähnlich denen des britischen Typs durchsetzen. Wie bei den russischen Geschützen bereits vorweggenommen, fanden auch leichte 12-pdr und Granatkanonen größere Verbreitung. Von den wenig langlebigen französischen Experimenten unter Napoleon und vom in der Literatur immer wieder hochgelobten Gribeauvalmaterial blieb da nichts. Man muss allerdings erwähnen, dass es den Großmächten aus Kostengründen schwerer fiel, ihr gesamtes Feldartilleriematerial zu reformieren, als kleineren Staaten, die nicht so große Altbestände hatten und die nicht ständig in Konflikte verstrickt waren. Kleinere Armeen konnten daher qualitativ hochwertiger sein, da bei ihnen auch die Qualitätskontrolle einfacher war.

    Grüße

    Gunter
    Zuletzt geändert von Gunter; 06.08.2012, 16:57.

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    • KDF10
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 19.12.2010
      • 1278

      #3
      Dann beschränken wir uns auf die Grande Armee und die russische Armee 1812. In der Grande Armee gab es 3pfünder, etwa bei den Schweizern. Dazu schreibt Maag, dass die für einen Angriff überhaupt nicht geeignet waren, weil sie nach wenigen Schüssen von der russischen Artillerie eliminiert worden wären. Daraus schließe ich, dass die russische Artillerie gegenüber einer 3pfünder-Kanone überlegen war. Bei einem Verteidigungsgefecht, außerhalb der Reichweite der schweren russischen Artillerie, gegen Angriffe der Kavallerie oder Infanterie war ihr Einsatz möglicherweise sinvoll.

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      • Gunter
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 01.10.2006
        • 1377

        #4
        Die 3-pdr der französischen Armee wurden als Regimentsartillerie der Infanterie eingesetzt und waren wohl zu einem großen Teil österreichischen Urpsrungs. Sinnvoll waren sie durchaus, wenn das Regiment auf sich gestellt eingesetzt wurde, denn dann mussten nicht erst Teile der Divisionsartillerie abgestellt werden. Bedeutende Nachteile der Regimentsartillerie waren aber, dass sie nicht aus professionellen Artilleristen bestand und dass sie zusätzliche Pferde benötigte, die anderweitig dringender gebraucht wurden.
        Die 3-pdr sind auf keinen Fall als gängige Geschütze zu verstehen, sondern als zusätzliches Extra.

        Die leichtesten Geschütze von russischen regulären Einheiten waren 6-pdr, die eine größere Reichweite hatten. Dazu kam noch, dass die Regimentsartillerie nur je 2-4 Geschütze vereinigte, es sein denn sie wurden z.B. mit der von anderen Regimentern zusammengestellt. Gegenüber den russischen leichten Batterien mit je 12 Geschützen hatte man da schlechte Karten.

        Dieser Vergleich ist aber nur bedingt sinnvoll, denn die Regimentsartillerie hatte garnicht die Aufgabe, mit gegnerischen Batterien mithalten zu können, sondern nur die Feuerkraft der eigenen Infanterie zu erhöhen. Sinnvoller wäre da eher ein Vergleich der beiderseitigen Divisionsartillerie und das sah 1812 normalerweise so aus:
        Französische Infanterie-Division:
        -1 Fußbatterie 6 x 6-pdr und 2 Haubitzen
        -1 berittene Batterie: 4 x 6-pdrn und 2 Haubitzen
        Gesamt: 14 Geschütze (+ Regimentsgeschütze)

        Russische Infanterie-Division:
        -1 Batteriekompanie: 4 mittlere, 4 kleine 12-pdr, 4 1/2-Pud-Einhörner
        -2 leichte Kompanien:je 8 x 6-pdr und 4 1/4-Pud-Einhörner
        Gesamt: 36 Geschütze

        Man muss dazu allerdings erwähnen, dass die Feuerkraft der kleinen 12-pdr etwa nur der von französischen 8-pdrn entsprach. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass russische Korps keine Reserveartillerie hatten, französische allerdings schon. Reserveartillerie gab es bei den Russen erst auf Armeeebene, dafür hatten die Divisionen wie oben erwähnt schwerere Geschütze dabei. Auffällig ist auch, dass mit Ausnahme der Garde die französische reitende Artillerie nicht den Korpsreserven, sondern den Infanterie- und Kavalleriedivisionen zugeteilt war, während sie bei den Russen der Armeereserveartillerie und den Kavallerieverbänden beigegeben war. Wir haben es also mit unterschiedlichen Herangehensweisen zu tun. Erst 1813 änderte sich das.

        Grüße

        Gunter

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        • KDF10
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 19.12.2010
          • 1278

          #5
          @Gunter, hast du auch ungefähre Angaben zur Reichweite (in Metern)?

          Gruß

          Dieter

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          • Borussen_Kanonier
            Erfahrener Benutzer
            Sergent
            • 12.03.2010
            • 169

            #6
            So pauschale Fragen sind naturgemäß schwer zu beantworten. Die Entfernung differiert sehr stark nach Kaliber, Art des Schusses und der Ladung usw. Dann muß man natürlich zwischen effektiver und max. Reichweite unterscheiden. Die max. Reichweite konnte m.W. bei rd. 5 km liegen. Das sagt natürlich nichts über die effektiven Reichweiten aus, die weit darunter lagen. Ich denke, effektiv waren max. Entfernungen von rd. 2 km, meistens natürlich deutlich darunter. Die Treffgenauigkeit läßt natürlich stark nach mit der Entfernung.

            Die max. Schußweite von Rollschüssen gibt Scharnhorst für 6Pfünder mit 1/3 kugelschwerer Ladung und größtmöglicher Erhöhung mit 3.500 Schritt (2.615 m) an. Bei Rikoschett- oder Schleuderschüssen waren es eher 600-800 Schritte (450 - 600m).

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            • Sans-Souci
              Erfahrener Benutzer
              Major
              • 01.10.2006
              • 1841

              #7
              Hier der (ein) Text von Scharnhorst zur Schußweite:



              Ein Schritt ist in der damaligen Literatur meines Wissens immer eine ungefähre Angabe, zwischen 2/3 und 3/4 Metern, keine feste Maßeinheit wie z. B. der Fuß.

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              • KDF10
                Erfahrener Benutzer
                Chef de Bataillon
                • 19.12.2010
                • 1278

                #8
                Danke Borussen_Kanonier, danke Sans-Souci!

                @ Sans-Souci, genau das ist das Problem. Die unterschiedlichen Maße machen eine Beurteilung aus heutiger Sicht schwierig. Das können 70 cm sein aber auch 90 cm. Mit Toisen, Werst usw. kenne ich mich inzwischen aus. Beim Fuß wird es auch schwierig. Zwischen dem Pariser Fuß und anderen "Füssen" gibt es schon Abweichungen.

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                • Sans-Souci
                  Erfahrener Benutzer
                  Major
                  • 01.10.2006
                  • 1841

                  #9
                  Ob unter dem Schritt nun 66 cm oder 75 cm verstanden wird -auf 1000 Schritt macht das gerade mal 100 Meter Unterschied aus. Das halte ich bei Angaben, die nur eine generelle Idee geben sollen, nicht für schlimm.

                  In den Fällen, wo es auf exakte Angaben ankam, wurden natülich auch exakte Maße verwendet.

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                  • Gunter
                    Erfahrener Benutzer
                    Chef de Bataillon
                    • 01.10.2006
                    • 1377

                    #10
                    Ich muss mich ein wenig berichtigen. Bei den Russen war 1812 ursprünglich wohl doch Reserveartillerie bei den Korps in Form von berittenen Batterien vorgesehen. Die Zusammensetzung der Korps, die so für den selbstständigen Einsatz ausgestattet waren, wurde vermutlich bei der Zusammenziehung zu Armeen wieder aufgegeben.

                    Grüße

                    Gunter

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                    • sink
                      Neuer Benutzer
                      Enfant de Troupe
                      • 12.10.2012
                      • 1

                      #11
                      Weil es hier ganz gut hinein paßt:

                      Gab es bei den Geschützen (egal bei welcher Armee) viele Fehlfunktionen?
                      Traten diese häufig oder eher selten auf?

                      Stimmt es, dass die Bayern eine 30 Pfünder Mörserbatterie hatten?

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                      • Gunter
                        Erfahrener Benutzer
                        Chef de Bataillon
                        • 01.10.2006
                        • 1377

                        #12
                        Zitat von sink Beitrag anzeigen
                        Gab es bei den Geschützen (egal bei welcher Armee) viele Fehlfunktionen?
                        Traten diese häufig oder eher selten auf?
                        Zumindest von den Preußen ist bekannt, dass bei deren Haubitzen die Schildzapfendeckel immer wieder brachen. Holzachsen brachen auch gerne mal. Ansonsten konnte es natürlich vorkommen, dass sich ein Rohr durch falsches Laden oder Materialfehler zerlegte. Allerdings waren die Geschütze an sich technisch längst nicht so kompliziert wie z.B. Musketen und damit weniger anfällig für Fehlfunktionen. Manche Schäden waren auf Bedienungsfehler durch schlecht geschulte Bedienungen zurückzuführen und keine Probleme mit der Technik an sich.

                        Grüße

                        Gunter

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                        • KDF10
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 19.12.2010
                          • 1278

                          #13
                          Zitat von sink Beitrag anzeigen
                          Gab es bei den Geschützen (egal bei welcher Armee) viele Fehlfunktionen?
                          Ist zwar nur eine Romanverfilmung, aber in der Fernsehserie "Fackeln im Sturm" wurde das auch thematisiert. Da waren es Materialfehler. Die Serie spielt im amerikanischen Bürgerkrieg. Einige Kanonen explodierten, weil man minderwertiges Material verwendet hatte. Wie erwähnt, nur eine Romanverfilmung, aber hier gibt es auch ein paar Experten für den amerikanischen Bürgerkrieg. Vielleicht könen die ja mal dazu Stellung nehmen, ob das in der Realität auch so war.

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                          • Gunter
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                            Chef de Bataillon
                            • 01.10.2006
                            • 1377

                            #14
                            Das mit dem amerikanischen Bürgerkrieg stimmt schon so. Die Probleme lagen da aber eher in den technischen und vor allem metallurgischen Unterschieden der verschiedenen Geschütztypen, die nicht immer ausgereifte Modelle darstellten. Am stabilsten und zuverlässigsten waren deshalb die einfacheren Geschütze.

                            Grüße

                            Gunter

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