Zitat von corporal
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General Blüchers Marsch auf Lübeck 1806
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Mit dieser Aussage hast Du das Dilemma der heutigen Geschichts-„Forschung“ sehr schön auf den Punkt gebracht – die Anmaßung im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein und daraus die Legitimation zu ziehen, für Taten der Vergangenheit Bewertungsmaßstäbe festzulegen und an Hand dieser zu richten. Sehr schön! Weiter so.Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.
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@ Sans-Souci
Na, da hast du aber gewissen Leuten eine Tür geöffnet, denen du die Tür hoffentlich nicht öffnen wolltest, oder vielleicht doch?:devil:
Dir mag es um das Verhalten Blüchers in Lübeck gegangen sein und wie es von den Zeitgenossen damals eingeschätzt wurde. Wie du siehst, traben jetzt aber wieder jene an, die den Heutigen ganz allgemein die Berechtigung absprechen wollen, ein moralisches Urteil über jegliches Geschehen in der Vergangenheit abzugeben, weil das angeblich die "Anmassung" sei, "im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein und daraus die Legitimation zu ziehen, für Taten der Vergangenheit Bewertungsmaßstäbe festzulegen und an Hand dieser zu richten." Und diese Leute scheren sich auch nicht darum, ob ein bestimmtes Denken und Handeln viellleicht sogar schon zu der Zeit als verbrecherisch angesehen wurde oder angesehen werden musste, als es aktuell war.
Es ist ja hoffentlich auch dir klar, worauf das abzielt.
Ich persönlich behalte mir das Recht vor - und sehe darin in spezifischen Fällen sogar eine Pflicht -, gegebenenfalls auch das in der Vergangenheit Geschehene nach den heute (noch) gültigen Massstäben zu beurteilen, die aufgrund einer in letzter Zeit wieder mehr und mehr zu zutage tretenden geistig-moralischen Verrottung tatsächlich schon bald wieder von denen von "gestern" und "vorgestern" abgelöst werden könnten.
Manchmal sollte man zweimal nachdenken, bevor man die Büchse der Pandora öffnet.:card:
Schönen Tag noch.
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Beiträge hier können und sollen nicht den Umfang von Monographien annehmen - die kurzen Texte sind natürlich umso leichter einer Fehlinterpretation zugänglich.
Ich hätte es wissen müssen, dass man mich ob meines Beitrages - geschickt unterschwellig - ins rechte Eck (nennen wir es doch beim Namen!) stellt.
Nichts ist absurder.
Natürlich darf jedermann sich sein Urteil über Vergangenes bilden und dabei seine Wertvorstellungen zugrundelegen - aber das ist nicht Geschichtsforschung.
Und wollen wir nicht in diesem Forum gerade letzteres vorantreiben?
Werturteile - so richtig sie nach unseren heutigen Maßstäben auch sein mögen - sind da indes mE nicht am Platz.
Gerade weil ich beruflich menschliches Verhalten in der Vergangenheit auf der Grundlage der Rechtsordnung zu beurteilen habe, sehe ich es als intellektuell entspannend an, wertungsfrei an die Geschichte als Geschehnisablauf heranzugehen und mich an gewonnenen Informationen zu erfreuen. Mit meinen Meinungen dazu will ich aber niemanden langweilen.
Ist damit die Büchse der Pandora wieder zugemacht?
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Servus allseits...
...in der Tat, hier tut sich, um DaCapo zu zitieren, das Dilemma der modernen Geschichtsforschung auf, das im, fallweise mittlerweile auch in seriösen Publikationen verwendeten, Schlagwort von der "Präpotenz der Nachgeborenen" gipfelt.
Mein Ansatz folgt dem "Referenzrahmenmodell" (Neitzel & Welzer, Soldaten... 2011, S. 16 ff) Zur Definition des "Referenzrahmens" hier ein Zitat aus diesem Buch:
Auch wenn Menschen in ihrem Wahrnehmen und Handeln an gesellschaftliche, kulturelle, hierarchische und biologische bzw. anthropologische Bedingungen gebunden sind, finden sie doch jeweils Deutungs- und Handlungsspielräume vor. Deuten und Handeln zu können setzt freilich Orientierung voraus und Wissen darüber, womit man es gerade zu tun hat und welche Konsequenzen welche Entscheidung hat. Und diese Orientierung liefert eine Matrix von ordnenden und Organisierenden Deutungsvorgaben: der Referenzrahmen.
Referenzrahmen also als Hintergrundgefüge, vor dem Menschen in ihrer Zeit handeln. Bei der Betrachtung jedes historischen Geschehens (hier führe ich den Begriff "Erinnerung" ein), sind zwei Referenzrahmen wirksam: der zur Zeit des Geschehens wirkende und der zur Zeit der Betrachtung beim Betrachter wirkende. Diese differieren zwangsläufig.
Findet nun historische Forschung (als Teil und hoffentlich Grundlage der Erinnerungskultur) statt, so bin ich - mit SansSouci - der festen Überzeugung, dass jedenfalls der historische Referenzrahmen im Vordergrund zu stehen hat (auch wenn wir natürlich wissen, dass der Forscher dort, wo er interpretiert, seinen eigenen Referentrahmen nicht ganz ausschalten wird können).
Wird aber aus "Forschung" bzw. "Erinnerungskultur" - aus welchen Gründen auch immer - "Tradition", d.h. wird historisches Geschehen traditonsstiftend, d.h. als Basis bzw. Vorbild für aktuelles Handeln herangezogen dann muss natürlich - und da bin ich ganz bei Tellensohn - auch der aktuelle Referanzrahmen zur Wertung herangezogen werden.
Die eingangs zitierte "Präpotenz der Nachgeborenen" bzw. das DaCapo´sche Dilemma passiert mE genau dann, wenn die beiden Kategorien "Erinnerung" (Forschung) und "Tradition" nicht sauber getrennt werden, und in der Forschung (oft durchaus aus achtenswerter Motivation, aber trotzdem methodisch falsch) mit modernen und ideologisch grundierten Referenzrahmen herumgedoktert wird.
z.B. also:
In der Forschung wäre, wie Sans Souci fordert, Blüchers Marsch im Sinne des damaligen Kriegsrechts zu interpretieren
Käme aber ein moderner Kommandeur auf die Idee, für seinen Marschbefehl irgendwo in Bosnien oder im Hindukusch Blücher als beispielhaft und damit traditionsstiftend anzusehen, dann ist natürlich der moderne Referenzrahmen anzuwenden. Tellensohn hat nämlich mE in dieser Hinsicht vollkommen recht.
In dem Beispiel klingt das natürlich konstruiert und ein wenig komisch, aber ich denke, der Sinn ist klar. Der 2. Weltkrieg ist hier zu Recht off topic, aber ich denke, jeder kann mein Blücher-Beispiel durch wesentlich einprägsamere aus dieser Zeit ersetzen.
Ciao, KlausZuletzt geändert von Nikolaj; 14.11.2012, 13:03.
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Zitat von corporal Beitrag anzeigenKeine Sorge - in hundert oder mehr Jahren wird über uns genauso geurteilt werden!
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Zitat von Nikolaj Beitrag anzeigenIn der Forschung wäre, wie Sans Souci fordert, Blüchers Marsch im Sinne des damaligen Kriegsrechts zu interpretieren
Käme aber ein moderner Kommandeur auf die Idee, für seinen Marschbefehl irgendwo in Bosnien oder im Hindukusch Blücher als beispielhaft und damit traditionsstiftend anzusehen, dann ist natürlich der moderne Referenzrahmen anzuwenden.
Ciao, Klaus
Der momentan verbreitete Referenzrahmen kann schon deswegen nicht herangezogen werden, weil er ja im stetigen Wandel ist. Wer sich also daran hält, dessen Überlegungen sind schon morgen überholt. Wer bspw. noch vor nicht allzu langer Zeit die Geschichte mit dem Referenzrahmen der DDR beurteilt hat, wird heute schwerlich noch ernst genommen oder überhaupt noch beachtet. Besonders schlimm, wenn der aktuelle Referenzrahmen durch politische Korrektheit bestimmt wird. Dann ist man eben jetzt aktuell politisch korrekt, von der Objektivität aber wohl meistens ziemlich weit entfernt.
Und wenn jetzt einige hier gleich Schnappatmung bekommen, das gilt m.E. für alle Zeiten.
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Servus,
@Borussen Kanonier:
ohne schnapp zu atmen, eher erfreut, stimme ich erstens grundsätzlich zu.
Zweitens: na klar sind der Referenzrahmen viele und das gilt natürlich auch für alle Epochen. Daher gibts ja auch die Quellenkritik und - darüber hinausgehend - die Rezeptionsgeschichte als eigenständige Forschungsdisziplin. Innerhalb dieser macht es durchaus Sinn, Geschichtsschreibung unter dem Aspekt verschiedenster Referenzrahmen zu betrachten.
Drittens: um Deine Bemerkung über den "politisch korrekten Referenzrahmen" nicht falsch zu interpretieren, frage ich lieber erst mal nach: was genau meinst Du damit?
Ciao, Klaus
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Na, damit meine ich, daß zumindest meiner Beobachtung nach, in Deutschland die Geschichsforschung immer weniger objektiv wird, sondern die "Politische Korrektheit", also die Anpassung an die aktuelle politische Meinung, immer mehr beachtet wird. Es ist schon auffällig, wie unterschiedlich internationale Historiker im Gegensatz zu deutschen die Militärgeschichte bspw. des 20. Jh. beurteilen und welche Wertungen sie vornehmen. Oder bspw. die Zählung der Dresdner Bombenopfer, die auf politisches Betreiben nun auf 25.000 Menschen festgesetzt wurde.
Aber es gibt auch erfreuliches zu vermelden, ein Ereignis muß nur lange genug her sein, dann ändern sich auch in Deutschland die Auffassungen. Während seit dem Krieg bis vor rd. 10 Jahren noch die Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des 1.WK quasi ein offizielles Dogma war (in West wie Ost, in der Weimarer Republik wurde dies natürlich von links bis rechts nicht so gesehen, aber dies waren ja überwiegend auch Zeitzeugen), setzt sich jetzt ein Trend zu einer objektiveren Betrachtung durch. In England ist man da schon viel weiter und gibt dies offen zu, bspw. in: Niall Ferguson: Der falsche Krieg (1998).
Ich gebe zu, von Blüchers Marsch auf Lübeck bin ich jetzt weit weg, ich wollte nur die Antwort nicht schuldig bleiben.
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Zitat von Borussen_Kanonier Beitrag anzeigenOder bspw. die Zählung der Dresdner Bombenopfer, die auf politisches Betreiben nun auf 25.000 Menschen festgesetzt wurde.
Nach meinem Kenntnisstand sind die bei wiki hinterlegten Opferzahlen aktueller Stand der geschichtswissenschaftlichen Forschung. Wie hoch sollen denn die Opferzahlen deiner Meinung nach gewesen sein? Und wie wære das belegbar?
Sorry fuer OT, aber das kann man so einfach nicht stehen lassen.
Gruss, muheijo
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uuuups, jetzt war die Schnappatmung aber da:
@Borussen Kanonier:
die neuen Ergebnisse zu den Dresdner Bombenopfer beruhen, soweit ich mich an einen Spiegel-Artikel erinnere (2004 oder 05?), auf der Auswertung von Unterlagen des Dresdner Magistrats (Standesamt, Meldeamt, Kriegsgräberverzeichnisse, etc). Ich persönlich vertraue ihnen.
Was ich aber ansonsten an Mißbehagen mit "zeitgeistigen HistorikerInnen" in Deinem Posting zu spüren glaube, kann ich z.T. nachvollziehen. Tatsächlich tun sich Abgründe zwischen Publikationen, die (z.B.) von MilitärhistorikerInnen aus dem Umkreis des MGFA (D) oder HGM (Ö) einerseits, oder SoziologInnen bzw. PolitologInnen, die sich eher dem linken Rand des politischen Spektrums zuordnen andererseits, auf. Die quasi "pädagogische" Motivation der Letzteren (im Sinne von: "Das darf nie mehr passieren") ist anerkennenswert und notwendig, nur darf mans dann mE nicht mehr als objektive Forschung verkaufen. Und Menschen, die idologisch in Fundamentalopposition zu Militär stehen (etwa im Sinne von: "Soldaten sind Mörder und von Berufs wegen paranazistisch"), sind als MilitärhistorikerInnen eher weniger effizient. Sich beim Lesen also die jeweiligen individuellen Referenzrahmen von AutorInnen in ideologischer Hinsicht anzuschauen, machts sicher leichter. Quellenkritische Methode also nicht nur bei historischen Dokumenten.
Die Problematik betrifft aber, soweit ich sehe, eher die Zeitgeschichte und weniger die der napoleonischen Kriege (?)
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Zitat: Und Menschen, die idologisch in Fundamentalopposition zu Militär stehen (etwa im Sinne von: "Soldaten sind Mörder und von Berufs wegen paranazistisch"), sind als MilitärhistorikerInnen eher weniger effizient
Mord vielleicht nicht, aber immerhin Totschlag kann man ihnen anrechnen. Die Ausgang ist die gleiche: Tod, Zerstörung und Leiden.
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@Bataaf:
Das kann ich als Ausdruck Deiner persönlichen Weltanschauung achten und gelten lassen (wenn ich auch als Ex-Berufssoldat nicht Deiner Meinung bin). Würdest Dus als Forschungsergebnis quasi "objektivieren", wärs mE zu hinterfragen. Das ist für mich der springendePunkt.
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Mit den napoleonischen Kriegen war es mal ganz genauso, wie Heutzutage mit den aktuellen oder noch aktuellen.
In Deutschland gab es sehr National gesinnte Historiker, die alles durch diese Brille sahen, Franzosen, Engländer, Russen, Italiener, Österreicher etc hatten genauso ihre damals politisch korrekten Standpunkt.
Dann gab es die Historiker vor dem ersten Weltkrieg.
Dann die marxistische Geschichtsschreibung.
Dann die Nationalsozialistische.
Das läßt sich endlos weiterführen, es hilft nicht, wenn man sich über aktuelle Auswüchse klagt, es wird sie dennoch geben. Was man tun sollte, ist selbst zu versuchen objektiver an die jeweiligen Dinge heranzugehen.
Heutzutage ist es die bereits mehrfach angeführte politisch korrekte und für die Karriere opportune Sicht auf die Geschichte.
Im Übrigen ist es einigermaßen tröstlich, das diese Art der Geschichtsbetrachtung meist auf dem Kehrichthaufen landet, eben weil sie unwissenschaftlich ist.
Und das tritt meist unweigerlich ein, auch wenn es uns lange vorkommen mag.
Man muß dieses Spiel ja nicht mitmachen, es gibt auch andere Historiker als die oben Angeführten.
ChasseuZuletzt geändert von Chasseur; 16.11.2012, 12:32.
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