Verluste in der Schlacht - Reorganisation

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  • brumbaer
    Neuer Benutzer
    Soldat
    • 16.01.2008
    • 14

    Verluste in der Schlacht - Reorganisation

    Hallo,
    ich habe reichlich (mehr als 2 weniger als 100) Bücher über das Thema gelesen, sowohl theoretischer Natur als auch "Augenzeugenberichte", aber irgendwie bleibt mir der Aspekt der Reorganisation auf Grund von Verlusten verschlossen.

    Zwei Bataillone in Linie stehen sich gegenüber und schiessen aufeinander.
    Falls Verluste im ersten Glied entstehen, rückt dann der Mann aus dem zweiten Glied vor ?
    Wenn es ein drittes Glied gibt, ersetzt der Mann im dritten Glied dann Verluste in jedem Glied oder nur Verluste im zweiten. Oder würde er sich sogar den nächsten freien Platz suchen auch in einer anderen Rotte ?
    Wenn durch anhaltende Verluste Lücken in der Linie entstehen, blieben die Lücken bestehen oder gäbe es irgendwann ein "Schließen" Befehl und das Bataillon würde wieder zusammen rücken und dadurch seine Front verkleinern ?

    Die selben Fragen stellen sich mir für die Angriffskolonne. Hat jeder Soldat seinen festen Platz in der Formation, den er nicht verlässt, oder rückt man z.B. auf, damit die vorderste Linie immer komplett ist ? Wird die Kolonne falls eine komplette Reihe ausgefallen ist geschlossen oder bleibt die "Lücke" bestehen ?

    Ich habe mir zwar eine Meinung gebildet, aber ich kann nicht wirklich ermessen, wie es war in solch einer Situation zu sein, deshalb hätte ich gerne einen Beleg in Form von Augenzeugenberichten oder Regularien oder was auch immer.

    Das Reglement der preussischen Kavallerie von 1812 spezifiziert die Anzahl der Züge auf 2 pro Schwadron es sei denn die Schwadron hat mehr als 48 Rotten dann wird sie in 4 Züge unterteilt.

    Gibt es solche Regeln offiziell oder inoffiziell auch für andere Verbände ?
    Würde diese Art der Reorganisation jetzt erfolgen oder erst nach der Schlacht ?

    Ein Bataillon hatte schwere Verluste und wurde geworfen, zog sich hinter die nächste Linie zurück und sammelte sich.

    Es bestand ursprünglich aus 4 Kompanien zu je 100 Mann und hat 300 Mann Verluste (es ist egal ob das realistisch ist, es geht mir um's Prinzip) zu beklagen. Wäre das Bataillon dann zu 4 Kompanien zu je 25 Mann, 2 Kompanien zu je 50 Mann oder zu einer Kompanie zu 100 Mann organisiert worden ?

    Ich hoffe ihr könnt mir helfen. Ich habe keine Angst vorm Lesen, bin also auch für Literaturhinweise dankbar. Ich spreche allerdings nur Deutsch und Englisch, Französische Texte im Original bleiben mir leider verschlossen.

    MfG
    Stephan Hess
  • Sans-Souci
    Erfahrener Benutzer
    Major
    • 01.10.2006
    • 1841

    #2
    Hier ein Beispiel aus Sachsen, daß die Leute im Gefecht ständig neu eingeteilt wurden (das "Abzählen zu Dreien" ist für das Schwenken in Abteilungen (= jeweils 3 Mann) wichtig, 3 Reiter nebeneinander nehmen etwa den Raum einer Pferdelänge ein):

    Da fortwährend Leute und Pferde erschossen wurden, so war die Mannschaft immer mit dem „Abzählen zu Dreien" beschäftigt, und es hörte dieses laute Abzählen von Seiten der Mannschaft eigentlich gar nicht auf.
    http://books.google.com/books?id=8KWfAAAAMAAJ&pg=PA86

    Die taktische Einteilung in Eskadronen und Züge wurde, so vermute ich, in der Regel während des Gefechtes nicht geändert.

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    • Gunter
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 01.10.2006
      • 1377

      #3
      Stephan,
      eine komplette Umformierung einer Einheit dürfte während des Gefechts nicht vorgekommen sein. Die Organisation blieb auch bei schweren Verlusten erst einmal bestehen. Die Soldaten hätten sich sonst auch nicht mehr zurechtgefunden, denn Zeit für eine Einweisung in Ruhe dürfte nicht gewesen sein.
      Nach dem Gefecht konnte dann natürlich alles geändert werden, Kompanien und Bataillone zusammengelegt, selbst Regimenter zeitweise aufgelöst, um andere aufzufüllen. Es kam auch vor, dass man Bataillone und Regimenter aus einer Vielzahl auf Kompaniestärke zusammengeschmolzener Regimenter zusammensetzte. Für all dies gibt es Beispiele aus verschiedenen Armeen.

      Im Gefecht wurde versucht, wenigstens die ersten beiden Glieder vollzählig zu halten, da diese feuern sollten. Die Soldaten im 2. Glied traten ins 1. vor, wenn sie es nicht von sich aus taten, dann sorgten die schließenden Unteroffizere von hinten schon dafür, denn dazu waren sie da. Lücken, bei denen z.B. in einer Kolonne ganze Reihen fehlten, wurden so schnell wie möglich geschlossen, denn beim drohenden Nahkampf hätte dort der Gegner leicht in die Formation einbrechen können. Ich denke, man kann davon ausgehen, dass Infanterieeinheiten im Gefecht erst immer flacher und dann schmaler wurden, durch das Aufrücken der hinteren Glieder und das Schließen der Lücken zur Seite.
      Bei Kolonnen nehme ich an, dass nicht einfach Soldaten nach vorn auffüllten, wenn sie dadurch in andere Kompanien geraten wären. Bei den meisten Kolonnenarten bestanden schließlich Abstände zwischen den Zügen nach vorn und hinten. Vielleicht kann noch jemand etwas dazu sagen, der sich im Detail damit auskennt.

      Grüße,

      Gunter

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      • HKDW
        Erfahrener Benutzer
        Colonel
        • 02.10.2006
        • 2962

        #4
        Das 3. Glied ersetzte die Verluste der vorderen, war die Infanterie nur 2gliedrig, dann wurden von den Flanken zur Mitte aufgefüllt.

        Kommentar

        • Sans-Souci
          Erfahrener Benutzer
          Major
          • 01.10.2006
          • 1841

          #5
          Ein Beispiel für ein Schließen der Lücke zur Seite:

          Die Franzosen sahen uns kommen und singen so heftig an zu schießen, daß ich glaubte, wir müßten Alle stürzen. Die Salven krachten und unsere Leute fielen wie gemäht, aber ich war noch nicht im Bereiche der Kartätschen. Doch jetzt — ich fühle meinen Nebenmann zur rechten Hand nicht mehr und wie ich hinsehe, war im selben Nu Alles neben mir zerschmettert und auf den Boden gestreckt. Da hörte ich den Feldwebel zu mir sagen: „Hechel, rücke heran!" was ich denn auch that und wobei mir die Anderen, die noch standen, folgten.

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          • Gunter
            Erfahrener Benutzer
            Chef de Bataillon
            • 01.10.2006
            • 1377

            #6
            HK,
            wie wurde das Auffüllen von den Flanken zur Mitte genau durchgeführt? Wurden da einfach ein paar Rotten von der Flanke abgezählt und die Leute hinter der Einheit herum zu den Lücken geführt?

            Interessanterweise spielen bei meinen Hausregeln zum AoB-Wargame die Offiziere und Unteroffiziere bei jeder Form des Auffüllens eine gewichtige Rolle.

            Grüße,

            Gunter
            Zuletzt geändert von Gunter; 28.04.2010, 15:08.

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            • brumbaer
              Neuer Benutzer
              Soldat
              • 16.01.2008
              • 14

              #7
              Vielen Dank für die schnellen Antworten.

              Was das Aufschliessen bzw. Nachrücken oder nicht Nachrücken in der Kolonne angeht, so deckt sich das mit dem was ich erwartet habe.

              Bei der Sache mit der Reorganisation im Gefecht bin ich mir noch immer unsicher. Das Zitat mit den ständig Neuorganisieren in 3er Sektionen macht zweifelsohne Sinn, da viele Manöver "zu Dreien" ausgeführt wurden. Aber genauso würde es Sinn machen die Sectionen, Züge und Kompanien anzugleichen, denn auch diese bilden die Basis für Manöver.
              Die Behauptung, dass ein ständiger Organisationswechsel die Leute eher verwirrt ist zweifelsohne auch richtig. Die Frage ist hierbei ob der Soldat wusste, dass er zum 3 Regiment, 2 Bataillon, 3 Kompanie, 2 Zug, 4 Sektion, 1 Rotte gehörte oder einfach nur "du gehörst zum 2 Bataillon des 3 Regiments und stehst da wo's dir der Uffz. sagt" und dann wäre eine Bataillons-interne Umstellung für ihn irrelevant.

              Wenn ein Bataillon nach Verlusten eine Angriffskolonne aus Kompanien aufstellt, kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass sich die Kompanien deutlich in der Anzahl der Rotten unterschieden und die Kolonne einen "zerfransten" Eindruck machte.

              Das mag mein Ordnungssinn sein oder "Hollywood-Bilder" oder einfach nur die Vorstellung, dass ich die psychologische Wirkung einer zerfransten Kolonne für geringer als den einer gleichmäßigen Kolonne halte.

              Jetzt werde ich erst noch mal in die zwei "google Bücher" schauen, vielleicht geben die noch weiteren Aufschluss.

              MfG
              Stephan

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              • HKDW
                Erfahrener Benutzer
                Colonel
                • 02.10.2006
                • 2962

                #8
                Gunter

                Alles so einfach wie möglich, es wurde sich ja nach der Mitte zur Fahne gerichtet, also wenn im Zentrum Verluste entstanden rückten eben die Nebenmänner nach innen - ich denke nicht dass das rottenweise geschah, irgendwo in einem taktischen Werk hab ich auch darüber nachgelesen.

                Man darf sich ja auch nicht vorstellen, dass 100 Mann in einer Sekunde gefallen sind, sondern vielleicht in 3 Stunden.

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                • Gunter
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 01.10.2006
                  • 1377

                  #9
                  HK,
                  also hat man einfach nur zur Mitte aufgeschlossen. Alles andere erscheint mir auch zu kompliziert.

                  Stephan,

                  >Aber genauso würde es Sinn machen die Sectionen, Züge und Kompanien anzugleichen, denn auch diese bilden die Basis für Manöver.<

                  Das mit dem Abzählen "zu dreien" ist speziell für die Kavallerie wichtig.
                  Ein Angleichen der einzelnen Unterabteilungen des Bataillons wurde normalerweise vor dem Gefecht durchgeführt, wobei dann auch Leute nicht mehr bei ihrer Kompanie standen. Die Soldaten mussten durchaus genau wissen wohin sie gehörten, schon allein um sich identifizieren zu können. Beim Antreten muss man ja auch genau wissen, wo man hingehört.

                  Mehr oder weniger zerfranste Einheiten sind im Gefecht normal. Da schwindet die Kontrolle recht schnell, vor allem dann, wenn es zwischendurch keine Ruhepausen zum Ordnen gibt.

                  Grüße,

                  Gunter

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