Karl Bleibtreu >Englands große Waterloo-Lüge<

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  • ibreh
    Erfahrener Benutzer
    Sergent-Major
    • 12.03.2007
    • 185

    Karl Bleibtreu >Englands große Waterloo-Lüge<

    Hallo zusammen,

    habe gestern beim Googeln dieses Werk gefunden und runtergeladen. Bleibtreu gibt einige interessante Daten und Details für den Bereich des Kampfes des Korps Bülow, die ich so noch nirgendwo anders gefunden habe. Meine Frage an diese belesene Publikum hier: Was ist von Herrn Bleibtreu als Historiker zu halten? Ich möchte dazu noch sagen, das er in diesem Abschnitt (und ich habe nur diesen bisher gelesen) das englische Oberkommando und überhaupt die Engländer mit keinem Wort erwähnt, also gar keine Polemik diesbezüglich vorkommt, was eigentlich von mir erwartete wurde.

    Gruß
    Herbert
  • Sans-Souci
    Erfahrener Benutzer
    Major
    • 01.10.2006
    • 1837

    #2
    Ich habe diese Buch vor ein paar Jahren gelesen, der polemische Stil ist unterhaltsam, und die Methode, die Kampfeinsätze anhand von Verlustzahlen zu beurteilen, prinzipiell vielversprechend.

    Doh war ich dann etwas enttäuscht, als ich sehen mußte, daß Bleibtreu zumindest bei den Preußen auf einer Handvoll leicht erreichbarer gedruckter Quellen basiert, aber zum Beispiel die in Regimentsgeschichten verfügbaren Informationen nicht berücksichtigt hat.

    Weitere, von ihm nicht verwendete Verlustzahlen sind diese 1816 und 1817 im Militair-Wochenblatt veröffentlichten Übersichten:







    Von Aktenstudium ganz zu schweigen ...

    Für Bleibtreus oberflächliche Quellenbasis sind seine Aussagen dann für meine Geschmack etwas zu absolutheitsansprüchlich. Trotzdem ist er amüsant zu lesen.

    Bleibtreus Aussagen zu Engländern und Franzosen kann ich nicht beurteilen.

    PS. Man schult sein Mißtrauen in "offizielle" Angaben, wenn man bei den Übersichten aus dem Militair-Wochenblatt jeweils das Verhältnis von toten zu verwundeten Soldaten bei manchen Regimentern oder Brigaden vergleicht.
    Zuletzt geändert von Sans-Souci; 01.07.2008, 10:05.

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    • ibreh
      Erfahrener Benutzer
      Sergent-Major
      • 12.03.2007
      • 185

      #3
      Oli,
      ich kenne die Aufstellungen von van Uythofen. Dort sind einige Zahlenverhältnisse, die ich mir so nicht erklären kann. Ich habe allerdings auch nicht genug Unterlagen mit solch genauen Angaben über die Verluste aus anderen Gefechten, um daraus Rückschlüsse zu ziehen. Bleibtreus Äusserung, der man entnehmen kann, er sei der Meinung, das die Landwehr alles alleine "erledigt" hat, ist wohl kaum ernst zu nehmen. Andererseits, könnte es sein, das die Landwehr als "leichter ersetzbar" zuerst vorgeschickt wurde, wie es Napoleon häufig mit den Truppen seiner deutschen Verbündeten machte?
      So ist für mich das von Dir oben erwähnte Verhältnis von Toten zu Verwundeten nicht überall erklärbar:
      z.B. 14. Brigade, das IR 11 35 Tote zu 289 Verwundeten, die 2. pomm. Landwehr dagegen doppelt soviel Tote als Verwundete, die 1. immer noch zumindest 50%. Das 2. Bat. des 11. Reg. hat wohl nur den ersten Angriff dieser Brigade (den 2. insgesamt) auf das Dorf mitgemacht, aber beide Bat. hatten fast identische Verluste (lt. Regimentsgeschicht), und die Gesamtverluste entsprechen denen der Landwehr. Auch empfinde ich aus dem Bauch heraus eher das Verhältnis bei den Landwehrregimentern als "falsch". Ebenso das der 1. schlesischen Landwehr, 16. Brigade. Auch dieses Regiment soll "nur" den 1. Angriff direkt mitgemacht haben, der ausschließlich durch die 16. Brigade durchgeführt wurde. Danach haben sie wohl in Reserve gestanden. Das 15. IR dagegen soll an allen 3 Angriffen beteiligt gewesen sein, seine Verluste sind aber nicht höher, die tödlichen sogar deutlich niedriger. Beide Regimenter müssen am Kampf um die Kirche beteiligt gewesen sein. Irgendetwas muss da also auch der Landwehr passiert sein. Schade, ich habe keine Regimentsgeschichten der Landwehr. Gibt es sowas überhaupt?
      Gruß
      Herbert

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      • Norbäär
        Erfahrener Benutzer
        Tambour-Major
        • 02.10.2006
        • 306

        #4
        Hallo Herbert,

        ich habe das Buch vor einigen Jahren günstig in einem Internet Antiquariat erworben und den Kauf nie bereut. Es unterscheidet sich von englischen Darstellungen - deshalb auch der "sinnige" Buchtitel. Natürlich versucht doch jede Nation sich vorteilhaft herausstellen. In englischen Darstellungen sind die Preußen in der Schlacht bei Belle Alliance doch bloß Statisten. Deshalb nannten sie die Preußen auch so. Warum soll ich also die Darstellungen eines deutschen Historikers anzweifeln, den englischen Darstellungen aber bedenkenlos glauben? Übrigens verweist D.Wenzlik in seinem Buch "Waterloo" auch auf Bleibtreu. Wenn Du also erfahren willst, was in englischen Büchern nie stand und nie stehen würde, solltest Du den Bleibtreu ruhig lesen. Er ist aber schwierig zu lesen und die Zahlen verwirren auch. Die Entfernungen und Marschleistungen sind m.E. in Ordnung. Ich war bereits mehrmals auf den Feldern der Ehre in Belgien und nicht bloß auf dem Löwenhügel, sondern bin kreuz und quer zwischen Fleurus und Waterloo sowie Nivelles und Gembloux herumgefahren - auch zu Orten, wo nur Insider hinfahren. Hartnäckig hält sich überall z.B. der Ortsname Frichermont obwohl der Ort Fichermont heisst. Wer es nicht glaubt, sollte mal hinfahren.

        Gruß Norbert
        Vive l' Empereur !

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        • HKDW
          Erfahrener Benutzer
          Colonel
          • 02.10.2006
          • 2962

          #5
          Bleibtreu ist eben ein wenig ein Querdenker, in den Generalstabswerken wird ja die Leistung der Landwehr gegenüber der regulären Armee immer etwas runtergespielt, obwohl ja auch die Landwehr nach ein paar Monaten Kriegserfahrung bestimmt nicht schlecht war und ja mehr als ein Drittel der Armee bildete.

          Ansonsten muss ich aber Oli zustimmen, Belibtreu muss man sehr vorsichtig lesen.

          In einigen englischen Werken kommen ja nicht nur die Preußen zu kurz sondern auch die "Niederländer", KGL, Nassauer, Braunschweiger, etc.

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          • ibreh
            Erfahrener Benutzer
            Sergent-Major
            • 12.03.2007
            • 185

            #6
            Mein Glaube in die Angaben englischer Werke über diese Zeit ist eh von großer Vorsicht geprägt
            Bleibtreu gibt in seinem Buch teilweise Angaben über die Position von französischen Einheiten, die so nicht einmal im Carnet Nr 6 stehen. Es wunderte mich etwas woher er die hat. Möglicherweise aus französischen Quellen? Da habe ich ausser den beiden Carnets 4 und 6 nichts, da mein französisch zu schlecht ist und sich Buchkäufe leider nicht lohnen.
            Herbert

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            • schluppkothen
              Benutzer
              Caporal
              • 19.10.2006
              • 75

              #7
              Die Uythofen-Listen sind dieselben die im Plotho abgedruckt sind.
              Mein Exemplar ist von 1818, der Autor selber schreibt das er zwei Jahre für sein Werk gebraucht hat. Könnte also auch das Militärwochenblatt als Vorlage benutzt haben.

              Leider schreibt er nirgends, woher er sein Weisheiten bezieht
              Aber mir sind auch schon die teilweise merkwürdigen Verlustverhältnisse
              wie von ibreh beschrieben, aufgefallen.
              Versuche gerade anhand der 5.westfälischen Landwehr nachzuvollziehen, wie sich für diese Truppe der 18.Juni gestaltet hat. Die Verluste des Tages sind für ein wirkliches Gefecht recht mager.
              Genau wie die Quellenlage.......

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              • ibreh
                Erfahrener Benutzer
                Sergent-Major
                • 12.03.2007
                • 185

                #8
                Hiller drückt mit Bezug auf die im Sibornschen Plan vor der 14. und 16. Brigade eingezeichnete Brigade Tippelskirchen des II Korps sein Erstaunen (Empörung?) aus. Denn er habe keine Truppen vor seiner und der 14. Brigade gesehen, und behauptet ferner, dieses wäre ihm von General Bülow selbst bestätigt worden. Jetzt kann man natürlich sagen, klar hat er kein Interesse daran zu sehen, das er die ganze Zeit dort schwer gekämpft hat, die endgültigen Früchte des Sieges aber durch andere eingefahren werden. ABER: Seine Aussage könnte die doch sehr leichten Verluste der 5. Brigade erklären, 5 Tote, Gesamtverlust incl vermisste 86 Mann in 9 Batallionen. Das sieht nicht nach intensiver Beteiligung aus, vor allem wenn man liest, das doch gerade die Kämpfe des letzten Angriffs sehr erbittert geführt wurden.
                Dazu schreiben die Regimentsgeschichten des 11. und 15. Regiments, das das II Korps die 5. Brigade zur >Unterstützung< der 14. und 16. vorschickte. Weiterhin steht in der Regimentsgeschichte des 11. Regiments, das sein 2. Bat. von GM von Pirch zur Bedeckung einer Brigadebatterie zurückgehalten wurde, als es gerade dem 1. folgen wollte.
                Meiner Meinung nach deutet vieles darauf hin, das hier Hiller Recht hat und die 5. folgte und nicht vorweg ging.
                Herbert

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                • Sans-Souci
                  Erfahrener Benutzer
                  Major
                  • 01.10.2006
                  • 1837

                  #9
                  In Stawitzkys Geschichte des 25. Infanterie-Regiments findet man (in Auszügen) die Berichte des Brigadechefs der 5. Brigade, von Tippelskirch.

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                  • ibreh
                    Erfahrener Benutzer
                    Sergent-Major
                    • 12.03.2007
                    • 185

                    #10
                    Die ist eine der wenigen Regimentsgeschichten, die es nicht zum "runtergooglen" gibt. Lohnt es sich Deiner Meinung nach, es über Fernleihe zu versuchen?
                    Herbert

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                    • schluppkothen
                      Benutzer
                      Caporal
                      • 19.10.2006
                      • 75

                      #11
                      Diese Regimentsgeschichte tät mich auch noch interessieren....
                      Die Regimentsgeschichte der dritten Einheit in der 5. Brigade, die des 1. Pommerschen No.2, gibt zu Plancenoit so gut wie nichts her. Die Westfalen kommen gar nicht vor, das 25. Regiment wird wenigstens mal namentlich erwähnt

                      Bei Förster heißt es bezüglich der 14. und 16. Brigade:

                      "Die 5. Brigade hätte in keinem günstigeren Augenblicke auf dem Schlachtfelde erscheinen können. Die französichen Garde-Grenadiere hatten sich so eben des Dorfes Plancenois wiederum bemächtiget, und die beiden Brigaden unter Hiller daraus zuück gedrängt, als die 5. Brigade (Tippelskirch) 800 Schritt vor dem Dorfe auf der Höhe erschien und unter Tommelschlag vorrückte. Hinter den Regimentern derselben sammelten sich die geworfenen Bataillons der 14. und 16. Brigade....."

                      Das spricht dafür das diese beiden Brigaden vor der 5.Brigade da waren.

                      Weiter heißt es, das der Major von Witzleben mit dem Füselierbataillon des 25. Regiment den Befehl bekam, Plancenois in seiner rechten Flanke zu umgehen, die beiden Musketierbataillons des 25. wurden zu Besetzung des Waldes von Vierere (?) entsendet um die linke Flanke sicher zu stellen.

                      Dann heißt es noch:
                      " Bevor diese Bewegung des Major v. Witzleben in der rechten Flanke von Plancenois ausgeführt wurde, waren die übrigen Bataillone der 5. Brigade in der Front vorgedrungen. Die hartnäckige Vertheidigung des Dorfes durch die französischen Garden trieb zu einem verzweifelten Angriff, welcher schließlich mit Erfolg gekröntwurde..."

                      Hört sich nach echtem Kampf an, aber da passen irgendwie nicht die Verlustmeldungen zu. Auch die Regimentsgeschichte des 1. Pommerschen hält sich irgendwie bedeckt, wo sonst eigentlich jede noch so kleine Schießerei in epischer Breite behandelt wird.

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                      • schluppkothen
                        Benutzer
                        Caporal
                        • 19.10.2006
                        • 75

                        #12
                        Hier noch ein kleiner Hinweis auf Unstimmigkeiten der Verlustlisten:

                        „Preußische Verlustlisten sind hier wieder bedenklich, besonders für das Korps Pirch, 1.Pommersches schwingt sich zu – 58 auf, obschon es den Ausschlag in Plancenoit gab, andere Regimentgeschichten schweigen sich aus. Bei Bülow verloren 8 Landwehrregimenter natürlich doppelt so viel als die 4 Linienregimenter, besonders 1. bis 4. Schlesisches bluteten sehr, beim 10.11.18.19.Linie (82 Offiziere) klafften große Widersprüche in den Mannschaftsziffern. Zieten verlor inklusive Seitengefecht gegen Grouchy 1432. Im ganzen wohl nicht 7000, [die Preußen hatten 7000 Mann als Verlust angegeben] sondern 9200 (Müffling)“

                        Fußnote aus : Theodor Rehtwisch, Geschichte der Befreiungskriege, Berlin 1908

                        Der kriegshistorische Teil wurde von Karl Bleibtreu bearbeitet

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                        • ibreh
                          Erfahrener Benutzer
                          Sergent-Major
                          • 12.03.2007
                          • 185

                          #13
                          Meine Frage zu dieser Thematik der angeblich zu niedrig angegebenen Verluste waere, was da der Sinn sein soll? Habe ich eine Schlacht verloren, würde ich ein unterdrücken oder verkleinern der Verluste verstehen, so nach dem Motto "das war eh nix bedeutendes". Aber bei einer gewonnenen Schlacht? Die Verlustangaben in den Regimentsgeschichten von IR 15 und IR 11 sind meiner Meinung nach mehr in einer Art geschrieben und kommentiert das man denken kann, sie waren stolz darauf, so stark im Feuer gestanden und letztens doch gesiegt zu haben. Das Gleiche gilt nach meinem Empfinden für die Verlustangaben in diversen Regimentsgeschichten zu Möckern. Oder liege ich da falsch?

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                          • Mephisto
                            Erfahrener Benutzer
                            Capitaine
                            • 01.10.2006
                            • 625

                            #14
                            Regimentsgeschichten

                            Habt Ihr zufällig den Hofschroer, Bd.2, German Victory zur Hand?
                            Dort finden sich diverse Zitate aus diversen Regimentsgeschichten (u.a. auch aus der des 25ten Rgt./Stawitzky)
                            Vielleicht hilft das.
                            Gruß
                            Mephisto

                            "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                            nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                            • HKDW
                              Erfahrener Benutzer
                              Colonel
                              • 02.10.2006
                              • 2962

                              #15
                              Ich hab das Buch, die Zitate erklären aber auch nicht unbedingt die geringen Verluste, vielleicht auch waren die Franzosen gerade dabei sich abzusetzen, als die Brigade angriff und der Widerstand war nicht mehr so stark wie eben vorher.

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