Langeweile auf dem Wiener Kongress

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  • gnlwth
    Erfahrener Benutzer
    Tambour-Major
    • 09.10.2006
    • 324

    Langeweile auf dem Wiener Kongress

    Guten Morgen,

    mal wieder ein bisschen Trivia am Mittag:

    Der Wiener Kongress war lang, und anscheindend war es Talleyrand hin und wieder furchtbar langweilig waehrend der Sitzungen. Dann beobachtete man ihn, wie er ganz offensichtlich nicht zuhoerte, und statt dessen irgendwas auf kleine Zettelchen kritzelte. Hinter denen war natuerlich der oesterreichische Geheimdiens her. Einmal gelang es dann auch, eines solchen Zettelchens habhaft zu werden. Sehr ueberrascht war nicht nur der Geheimdienst darueber, sondern auch ich, dass auf dem Zettelchen in schoenstem Latein eine Abhandlung ueber die Planetenbahnen stand.
    Dazu faellt mir folgendes ein:
    1.) Wer haette das gedacht?
    2.) Den Zettel haette ich zu gerne!
    3.) Na gut, dann haette ich ihn wenigstens gerne einmal gesehen.
    4.) Oder zumindest wuesste ich gerne, was er da geschrieben hat - "Also, mit der Periheldrehung vom Merkur stimmt doch was nicht!" - (?!) eine Sensation!
    5.) Was um alles in der Welt kann so dermassen langweilig sein, dass man sich freiwillig mit Himmelsmechanik beschaeftigt?


    Mahlzeit,
    Gnlwth
    Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit
  • admin
    Administrator
    Colonel
    • 30.09.2006
    • 2687

    #2
    Na, kommt da immer mehr "Seelenverwandtschaft" mit dem alten Meister Talleyrand auf?

    Markus Stein
    "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

    Kommentar

    • gnlwth
      Erfahrener Benutzer
      Tambour-Major
      • 09.10.2006
      • 324

      #3
      Manchmal staunt man ja, was man ploetzlich so findet:


      Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit

      Kommentar

      • Epoche-Napoleon
        Benutzer
        Fourrier
        • 05.10.2006
        • 84

        #4
        Und anscheinend geht manchmal auch der eine oder andere Wunsch in Erfüllung... ;-)

        Von der Französischen Revolution bis Waterloo

        Kommentar

        • gnlwth
          Erfahrener Benutzer
          Tambour-Major
          • 09.10.2006
          • 324

          #5
          Und anscheinend geht manchmal auch der eine oder andere Wunsch in Erfüllung... ;-)
          Ja, ja... und waehrend die eine oder andere Frage somit beantwortet wurde, wirft das gleich wieder eine neue auf: Wer ist Isabelle? Veneris revolutio est perpetua, soso. War ja klar, dass es nicht wirklich um Planeten geht...

          Alles verstehe ich leider nicht, ich hatte nie Latein in der Schule. Vielleicht kann jemand helfen mit der Uebersetzung?

          Schoenen Gruss,
          Gnlwth
          Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit

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          • Britt.25
            Erfahrener Benutzer
            Sous-Lieutenant
            • 28.11.2006
            • 369

            #6
            Leider fehlt oben ein Teil von dem Satz, sonst würde ich es versuchen. Der untere Teil heißt sehr wörtlich "Das Zurückwälzen der Venus ist unendlich" aber es gibt sicher nen eleganteren Ausdruck. Den Zusammenhang hab ich aber nicht verstanden, dafür müsste ich mir dann noch die anderen Sachen anschauen. Sicher ist das ganze bildlich oder so gemeint, wie sehr oft beim Latein
            "Da nichts im Laufe unseres Lebens ausgelöscht wird, ist jeder von uns wie ein Dokument, in dem, zwar gekürzt, die ganze Geschichte und die ganze Frühgeschichte der Menschheit niedergeschrieben ist"

            Marie Bonaparte (1882-1962)

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            • gnlwth
              Erfahrener Benutzer
              Tambour-Major
              • 09.10.2006
              • 324

              #7
              Guten Morgen,

              Der untere Teil heißt sehr wörtlich "Das Zurückwälzen der Venus ist unendlich"
              Das haette ich mit "Die Umdrehung (das Umkreisen) der Venus ist unendlich" beziehungsweise "Ewig kreist die Venus" uebersetzt - schliesslich hoert die nicht auf, sich um die Sonne zu drehen.
              Was damit aber wohl gemeint ist - schliesslich haben wir es hier mit Talleyrand zu tun und nicht mit Kopernikus - ist vermutlich "Und ewig lockt das Weib."

              Beim Rest scheitern meine Uebersetzungskuenste aber weitgehend, mehr als einzelne Woerter verstehe ich nicht. Ist hier denn kein Lateiner?

              Schoenen Tag,
              Gnlwth
              Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit

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              • Britt.25
                Erfahrener Benutzer
                Sous-Lieutenant
                • 28.11.2006
                • 369

                #8
                Eigentlich bin ich durchaus Lateiner, wenn auch aus der Übung, aber aus dem Sinn heraus zu übersetzen ist schon schwer, wenn man den Hintergrund nicht wirklich kennt. Oft können die Worte vieles bedeuten, je nach Sinn, wörtlich bringt oft nicht viel. Und meins war zu wörtlich. Revolutio heißt wörtlich das Zurück (=re) wälzen (=volutio) (ganz rein wörtlich), aber es mag hier was anderes in dem Zusammenhang heißen. (HIntergrund und Zusammenhang sind mir noch nicht ganz klar)
                "Da nichts im Laufe unseres Lebens ausgelöscht wird, ist jeder von uns wie ein Dokument, in dem, zwar gekürzt, die ganze Geschichte und die ganze Frühgeschichte der Menschheit niedergeschrieben ist"

                Marie Bonaparte (1882-1962)

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                • Britt.25
                  Erfahrener Benutzer
                  Sous-Lieutenant
                  • 28.11.2006
                  • 369

                  #9
                  Schade ist, dass man einen teil der Worte nicht lesen kann. Habe mich heute mal hingesetzt und versucht, was davon zu übersetzen, aber der Rest des satzes ist kaum zu erkennen. Vielleicht weiß jemand, wo man den vollständigen Satz herbekommt, und kann vielleicht die Übersetzung eleganter machen:


                  unter "XXXXX (?) fine girl":

                  "Der Planet (also wohl die Erde) dreht sich um die Sonne" (=Akk. der Richtung)

                  Wobei dieses girant doch recht wenig nach dem klassischen Latein klingt, vielmehr nach Spuren aus vulgärlateinischen Einflüssen (vgl auch ital. "girare")

                  "Die Sonne treibt in der Mittel unseres Strudels (Universums?) durch die Bewegung der Umdrehung und des (wörtl: Aufkochens?????) darüber befindet sich der Sternenhimmel, von dem Kopernikus abschätze, dass er
                  von der Sonne soweit entfernt ist, wie beschrieben worden ist, dass die ganze Kreisbahn von der Erde entfernt ist (....)

                  Leider kann ich beim besten Willen die Worte danach nicht mehr entziffern um den Sätze weiterzuführen oder am Ende richhtig zusammenzusetzen, denn das Descriptus kann auch von dem Satz danach abhängen, wo ich lediglich eine Konjunktivendung, ein "wenn" und "ex"...."fixa" erkenne.
                  "Da nichts im Laufe unseres Lebens ausgelöscht wird, ist jeder von uns wie ein Dokument, in dem, zwar gekürzt, die ganze Geschichte und die ganze Frühgeschichte der Menschheit niedergeschrieben ist"

                  Marie Bonaparte (1882-1962)

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                  • gnlwth
                    Erfahrener Benutzer
                    Tambour-Major
                    • 09.10.2006
                    • 324

                    #10
                    Hallo Brit,

                    vielen Dank für Deine Bemühungen! Ich habe nun endlich die Zeit gefunden, in dem Buch, aus dem ich das Ganze habe, nach einer Transkription zu suchen, und siehe da, ich bin fündig geworden:

                    Tout à vous, Isabelle
                    Your etc. etc. etc.
                    Rasomouski fine girl.
                    Circa solem girant planetae.

                    Sol est in medio vorticis nostri,
                    agitatus motu vertiginis et ebullitionis.
                    Supra est caelum stelliferum quod
                    Copernicus existimat a sole tam immense
                    distari ut circulus integer
                    a terra descriptus instar puncti se
                    haberet si conspiceretur ex atiqua stella
                    fixa.

                    Saturnius per 29 aut 30 annos
                    Veneris revolutio est perpetua.


                    Daran schließt sich die französische Übersetzung an:


                    Tout à vous, Isabelle
                    Votre etc. etc. etc.
                    Rasomouski jolie fille.

                    Autour du Soleil tournent les planètes.

                    Le soleil est au centre de notre tourbillon, agité d'un mouvement de vertige et d'ébullition; au-dessus se trouve le ciel étoile, si loin du Soleil que Copernic estime que l'orbite entière de la Terre, vue de quelque étoile fixe, apparaîtrait comme un point.

                    La révolution de Saturne dure 29 ou 30 ans
                    La révolution de Vénus est éternelle.




                    Also:

                    - Isabelle: war mit hoher Wahrscheinlichkeit Isabelle Sobolewska, eine Freundin von Maria Walewska, Maitresse von Joseph Poniatowski, und wie weit Talleyrands Beziehung zu ihr ging, ist wohl nicht ganz klar.

                    - Rasomouski: André Kyrillowitch Razoumouski (1752-1826), russischer Diplomat. Talleyrand, nicht gerade als Orthographieenthusiast bekannt, hat seinen Namen falsch geschrieben. Razoumouski war wohl ein ziemlicher Schürzenjäger, aber Isabelle Sobolewska scheint nichts mit ihm zu tun zu haben (sie war auch 1814/15 nicht in Wien). Auf wen sich "fine girl" bezieht, ist auch nicht klar.

                    -Circa solem girant planetae: Hier gibt es zwei Deutungen: Dieser Satz könnte sich auf Razoumouski beziehen, um den wohl die Damen kreisten wie die Planeten um die Sonne, und der sich offensichtlich selbst für ziemlich toll hielt. Es könnte sich allerdings auch auf Napoleon beziehen, der Talleyrand sicher mehr beschäftigte, als obskure russische Diplomaten. Letztendlich kreist alles um Napoleon, so könnte er es durchaus empfunden haben.
                    Das Ganze ist aber, wörtlich genommen, tatsächlich eine Abhandlung über Himmelsmechanik (auch, wenn es sich unter Umständen auf etwas ganz anderes bezieht) und klingt offensichtlich, als käme sie aus einem Lehrbuch. Auch hierzu finden sich wieder zwei Interpretationen:
                    1.: Das könnte ein Text sein, den Talleyrand im Seminar von Saint-Sulpice einmal auswendig lernen musste (dort stand anscheinend auch Astronomie auf dem Lehrplan), und er rezitierte aus dem Gedächtnis, an was er sich noch erinnern konnte.
                    Oder 2.: Talleyrand war mit Laplace befreundet, dessen Werk Traité de mécanique de céleste er besaß (na sowas!?), und mit dem er sich vielleicht auch darüber unterhalten hat. Vielleicht stammt der Text aus dem Buch (das ließe sich theoretisch nachprüfen), oder Talleyrand zitierte aus einer Konversation, die er irgendwann einmal mit Laplace hatte.

                    Man weiß es nicht. Was genau in seinem Kopf vorging, als er auf dem Zettelchen herumkritzelte, bleibt wie so oft sein Geheimnis. Lustig fand ich es aber schon.

                    Schönen Gruß,
                    Gnlwth
                    Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit

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