Unterschrift mit Vornamen?

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  • gnlwth
    Erfahrener Benutzer
    Tambour-Major
    • 09.10.2006
    • 324

    Unterschrift mit Vornamen?

    Guten Morgen,

    bei ebay wird gerade dieses Dokument angeboten:





    Kann das echt sein? Talleyrand unterschreibt darauf mit charles maurice. Wie kommt der Mann dazu, nur mit seinem Vornamen zu unterschreiben? Das ist das erste Mal, dass ich das auf irgend einem Dokument sehe. Die Art seiner Unterschrift variiert zwar sehr (je nach Epoche und seinem Status reicht sie von l'abbe de perigord bis zu le prince de talleyrand, manchmal schlicht talleyrand, manchmal (meistens) ch. maur. de talleyrand, waehrend der revolution wird das de natuerlich unterschlagen, da heisst es oft nur schlicht maurice talleyrand. Aber charles maurice??? Ein Vice Grand Electeur ist doch kein Koenig! Darf der das?

    Schoenen Gruss,
    Gnlwth
    Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit
  • Blesson
    Erfahrener Benutzer
    Adjudant
    • 03.10.2006
    • 778

    #2
    Talleyrand hatte noch andere Titel - war da nicht der Herzog von Benevent? Also Charles-Maurice, Duc de Benevent? Hier haben wir eine Rangerhöhung gegenüber dem früheren Titel. Üblicherweise legt man doch bei einer Nobilitierung den alten Familiennamen ab? Paßt das zum Entstehungsdatum der Urkunde von 1808? LB
    Zuletzt geändert von Blesson; 14.11.2008, 18:22.
    Do, ut des

    http://www.ingenieurgeograph.de

    Kommentar

    • gnlwth
      Erfahrener Benutzer
      Tambour-Major
      • 09.10.2006
      • 324

      #3
      Guten Abend, und vielen Dank fuer Deine Antwort!

      In der Tat wurde Talleyrand am 5. Juni 1806 zum Herzog von Benevent ernannt, den Titel behielt er bis zum 4. Juni 1815 - also fast auf den Tag genau neun Jahre. Ich habe ein paar Mal die Unterschrift le prince de benevent gesehen, aber oft hat er so nicht unterschrieben. (Vermutlich nur dann, wenn er es fuer noetig befand, seinem Chef mal wieder seine Dankbarkeit zu demonstrieren.)

      In diesem Fall glaube ich allerdings eigentlich nicht, dass das charles maurice eine solche Demonstration von Dankbarkeit oder gar Loyalitaet ist - das Dokument am 17. Juli 1808 unterzeichnet, da war die Stimmung zwischen dem Grand Vice Electeur und Napoleon schon ganz schoen unterkuehlt (oder erhitzt, je nachdem, von welcher Seite aus man es betrachtet).

      Der Titel prince de Benevent hat Talleyrand auch nie viel bedeutet - die einzigen Titel, die ihm wirklich wichtig waren, waren die, die sein Vater ihm nicht vererbt hat (Graf von Grignols, Fuerst von Chalais, Marquis d'Excideuil, Marquis de Talleyrand-Perigord). Die Titel, die ein Parvenue wie Napoleon gnaedig unter seinen ebenfalls emporgekommenen Vasallen verstreute, konnten da ueberhaupt nicht mithalten - allein der Name Talleyrand-Perigord stand auch ohne Titel himmelweit ueber dem des Duc de Benevent. Wenn jemand wie Fouche Duc d'Otrante ist, was ist dann ein Duc de Benevent wert?

      Das heisst uebrigens nicht, dass sich Talleyrand nicht um das Beneveto gekuemmert haette (auch, wenn er selbst niemals da war). So hat er zum Beispiel sofort eine gerechtere Besteuerung durchgesetzt, die allgemeine Schulpflicht (fuer Jungen und Maedchen!) eingefuehrt, und noch so einiges getan, was ihm bei seinen Untertanen im Beneveto eine ziemliche Beliebtheit eingebracht hat. Identifiziert hat er sich aber damit nicht, das war eher seine Art, sich eben um etwas zu kuemmern, was ihm anvertraut wurde, und da Ordnung zu schaffen - wenn auch aus der Ferne. So aehnlich hat er sich ja auch als Bischof von Autun verhalten: Dort war man auch vollkommen von ihm begeistert, und er hat den Laden wohl auch wirklich gut geschmissen - von Paris aus, und ohne grosse Verbundenheit mit Autun.
      Sehr viel spaeter war er ja absurderweise auch Buergermeister von Valencay, und diese Aufgabe hat er sicher mit mehr Herzblut erledigt, als die Verwaltung irgendwelcher entlegener italienischischer Herzogtuemer. (Mit le maire de Valencay hat er allerdings meines Wissens nach niemals unterschrieben...)


      Immer noch raetselnd,
      Gnlwth
      Talleyrand - der Mensch und die Persönlichkeit

      Kommentar

      • Blesson
        Erfahrener Benutzer
        Adjudant
        • 03.10.2006
        • 778

        #4
        Talleyrand war sicher eine schillernde Fiug der Zeitgeschichte, aber auch er hat nur auf der Klaviatur der zeitüblichen Möglichkeiten gespielt, wenngleich meisterhaft.

        Allgemeine Regeln zu Titulaturen, Anreden und Grußformeln sind zum Beispiel in den ff. deutsch-französischen Sprachlehrbüchern nachzulesen:

        Hilmar Curas französische Sprachlehre, Wien 1798

        Nouvelle Grammaire Allemande Pratique par J.V. Meidinger, Liège 1806

        Beide Werke haben mehrere Auflagen.

        LB
        Do, ut des

        http://www.ingenieurgeograph.de

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        • excideuil
          Erfahrener Benutzer
          Sergent-Major
          • 24.09.2009
          • 207

          #5
          späte Antwort

          Mit Sicherheit gibt es das angeführte Angebot eines großen Auktionshaus nicht mehr, es werden mit ebenso großer Sicherheit auch in Zukunft andere Angebote "auftauchen", die eine nähere Betrachtung vielleicht nötig machen.

          Talleyrand hätte mit nur mit seinen Vornamen unterschreiben können. Ohne Frage in privaten Briefen, offiziell sicher auch in politischen Fragen, das Fürstentum Benevent betreffend.

          Das Fürstentum Benevent wurde Talleyrand von Napoleon als Lehen mit dem Titel: "Fürst und Herzog von Benevent" (vergl. Orieux: "Talleyrand", Frankfurt 1972, Seite 366) verliehen.

          Dass dieser Titel Souveränität bedeutete, zeigt sich in der Tatsache, dass Talleyrand in Erfurt am Tische der Regierenden Fürsten Platz nahm. (vergl. Herman v. Francois: "Napoleon I. Schicksalswende", Berlin 1929, Seite 65)

          Wenig glaubhaft ist, dass Talleyrand diesen Titel so ernst nahm, dass er sich auf diesen reduzieren würde, was ihn ähnlich lächerlich gemacht hätte wie seine Frau, die diesen Titel sehr geräuschvoll nutzte.

          In seinen Memoiren findet sich ein Satz: "Der andere Adel (gemeint ist der Geburtstadel) beruht auf Familientradition, und man kann ihm weder etwas nehmen, noch etwas geben." (vergl. Talleyrand: "Memoiren" Bd. 1, Köln und Leipzig 1891, Seite 9)

          Orieux berichtet folgendes: "Während seiner Reise nach Polen sprach ihn sein Freund, Baron von Gagern, vor anderen häufig mit Hoheit an. Ein bißchen ungehalten sagte Talleyrand zu ihm: "Nennen Sie mich nicht Hoheit, ich bin weniger oder vielleicht mehr als das. Nennen Sie mich einfach Herr von Talleyrand."" (vergl. Orieux, "Talleyrand", Seite 377)

          Mit anderen Worten, der Name Talleyrand ist dem Fürsten mehr wert als alle Titel des Kaiserreiches.

          Tatsache ist aber auch, dass Talleyrand sich um sein Fürstentum gekümmert hat, die Bewohner sogar vor Aushebungen der franz. Armee bewahrt hat ..

          Ich hoffe, mein (erster) Beitrag konnte ein wenig zum Verständnis beitragen.

          excideuil
          Zuletzt geändert von excideuil; 03.10.2009, 17:38.

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