Der Mythos Napoleon

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  • Perseus
    Neuer Benutzer
    Enfant de Troupe
    • 14.01.2010
    • 1

    Der Mythos Napoleon

    Grüßt euch Freunde des Wissen ,

    erstmal will ich sagen, dass ich es, wie soll ich sagen, atemberaubend finde was hier für ein Wissen zusammenkommt. Ich freut mich sehr und macht viel Spaß die Beiträge zu lesen. Großes Lob erst mal an alle User.

    Jetzt zu meiner Frage..
    Ich bin im Leistungskurs Geschichte und dort besprechen wir gerade die Frage: Napoleon - Halbgott oder Tyrann. Dazu sollen wie einen Heldenmythos/Epos entwickeln. Hab erstmal recherchiert was zu einem Mythos gehört:

    - wunderbare, wenn auch armselige Geburt
    (einfacher Korse ohne hohen Rang)
    - Frühe Anzeichen von Stärke
    (Intelligenz)
    - rascher Aufstieg zu Ansehen und Macht
    (mit 16 Leutnant, Feldherr,Brigadegeneral, Konsul, Kaiser)
    - geniale Ideen der Zeit voraus
    (Taktik, Code Civil)
    - siegreicher Kampf mit den Mächten des Bösen
    (Monarchie - wobei er ja selber am Ende Kaiser war hmm)
    - Anfälligkeit auf Hybris
    (Machtgier, Russlandfeldzug)
    - heldenhafter Tod
    (starb im Exil, als heldenhaft zu definieren?)

    Wie würdet ihr die Aspekte ergänzen?
    Würde mich freuen wenn ihr euren Senf dazu gibt .
    Danke im voraus
    Lg Perseus
    Zuletzt geändert von Perseus; 14.01.2010, 18:06.
  • Gunter
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 01.10.2006
    • 1377

    #2
    Hallo,
    endlich mal ein Schüler, der sich selbst schon ein paar Gedanken als Diskussionsgrundlage gemacht hat Da will ich gerne antworten.
    Du führst einige gute Punkte an, die den Inhalt des Mythos beschrieben. Wichtig ist aber auch, wie er zustande kam. Mit der Realität konfrontiert sieht da manches anders aus. Spannend ist auch die Frage, wie Napoleon selbst an seinem eigenen Mythos gebastelt hat - häufig auf Kosten anderer und entgegen der historischen Wahrheit. Er war schließlich ein Meister der Propaganda. Das Problem ist dabei, das die napoleonische Propaganda in der Regel die Alternativansichten überschattet. Selbst bei der Frage nach dem Feldherrngenie, wer kennt denn heute die anderen großen Heerführer seiner Zeit? Wie will man da auch nur halbwegs objektiv vergleichen?
    Zum Thema Tyrann gibt es auch noch einiges zu sagen. Napoleons Herrschaft war eine reine Diktatur. Er schreckte vor politischen Morden nicht zurück und unterhielt einen Bespitzelungsapparat gegen seine eigene Bevölkerun, auch äußerlich erkennbar daran, dass alles und jedes uniformiert wurde. Frankreich war schon so eine Art hochmilitarisierter Polizeistaat. Die Kreativität seiner Untergebenen unterdrückte er wie die meisten Autokraten, so dass es in Zeiten der Not nur noch wenige fähige Köpfe in seiner Umgebung gab.

    Viele Grüße,

    Gunter

    Kommentar

    • HKDW
      Erfahrener Benutzer
      Colonel
      • 02.10.2006
      • 2962

      #3
      Mit welchen Ideen soll er denn seiner Zeit voraus gewesen sein?

      Den raschen Aufstieg zur Macht verdankt er des Niederschießen eigener Landleute - génèral Venémiaire und dann die Abnahme einer der Gespielinen Barras, - Josephine - dann erst mal der Aufstieg.

      Andere Revolutionsgneräle haben sich nicht so hochgedienert sondern ihre Erfolge auf den Schlachtfeld erreicht, was hat den Bonaparte schon vor dem ersten Italienfeldzug gemacht - Toulon und dann?

      Im Vergleich zu Hoche, Marceau, Kleber, Jourdan, Desaix, Duhesme, Moreau - um mal nur ein paar zu nennen.

      Mächte des Bösen - wer soll denn das gewesen sein?
      Napoleon selbst mutiert ja dazu.

      Ein heldenhafter Tod, wenn es überhaupt einen gibt, blieb ihm versagt, er ist ja eher elend auf St. Helena zugrunde gegangen.

      Kommentar

      • excideuil
        Erfahrener Benutzer
        Sergent-Major
        • 24.09.2009
        • 207

        #4
        Guten Abend,

        in der Tat, die jugendlichen Begeisterung mit dem Mythos Napoleon bröckelt schnell, wenn man sich näher mit seiner Geschichte auseinandersetzt:

        Der junge Held hatte schon einige Befehlsverweigerungen und einen gescheiterten Putsch auf Korsika hinter sich, ehe sich sein Ehrgeiz auf das Land richtete, dass seine Ausbildung bezahlt hat ...

        Richtig, er war (in Ermangelung anderer) der gesuchte Degen, der aber durch seine Unfähigkeit, ohne die Position der Stärke verhandeln zu können, das Unternehmen des 18./19. Brumaire gefährdete. Ging aber gut, ebenso wie Marengo! (Da können die Militärs hier sicher mehr sagen!)

        Richtig ist, das Empire ist eine Diktatur gewesen, Pressefreiheit gab es nicht, die Polizei unter Fouché war die weltbeste ...

        Richtig ist, das ganze System war dem Ehrgeiz des Korsen unterworfen, (von einigen Gewinnlern abgesehen, deren Namen in nur wenigen Geschichtsbüchern stehen, wie Großindustrielle, Heeresliferanten, Banker, etc.)

        Richtig ist, dass mit zunehmender Herrschaft, eine eigene Meinung habende Beamte und Minister weichen mussten, um servil treu dienenden Kreaturen Platz zu machen, Gunter hat es in seinem Beitrag richtig benannt!

        Woher kommt also der Mythos?

        Drei Dinge fallen mir auf die Schnelle ein:

        Der Mythos in der Armee. Er bediente sich eines einfaches Trickes. Mit Hilfe seines Gedächtnisses erweckte er den Eindruck, er kenne und interessiere sich für jeden Soldaten. Er begrüßte sie mit Handschlag, unterhielt sich mit ihnen, aß und schlief mit ihnen am Feuer ... Der Beginn einer Legende.

        Seine Arbeit: Immer wieder wird sein Arbeitseifer beschrieben. 14 - 16 Stunden am Tag, teilweise mehreren Sekretären gleichzeitig diktierend. Einverstanden, die Leistung ist enorm, dennoch, was steckt dahinter? Angst, dass etwas nicht so läuft, wie von ihm gewünscht? Der Wille, alles selbst regeln zu wollen und damit allen eine eigene Entscheidung abnehmend? Wieder leuchtet die Diktatur!

        Mythos St. Helena. Ja, die bösen Engländer. Sie haben dem armen Kaiser seinen Titel abgenommen und ließen nur den des Generals zu. Die Legende, der Mythos, die Dorchstoßlegende war geboren. Dann die Memoiren von Las Casas und Gesellen, in denen Napoleon keine Chance ausläßt, sein Tun zu rechtfertigen, um an seinem Mythos zu basteln.

        Nicht unbeachtet darf seine Leistung für Europa sein. Richtig ist, dass revolutionäre Ideen sich durch seine Kriege in Europa verbreiteten, und sicherlich hat dies ihm zunächst geholfen, seine Ziele zu verwirklichen. Allerdings ist wird auch deutlich, dass diese Ideen mit zunehmender Ausbeutung des Kontinentes sich letztendlich gegen ihn gerichtet haben. Man denke nur an die Proklamation des preussischen Königs zur Volksbewaffnung! Welch Teufelszeug für einen Fürsten!

        Nicht umsonst haben Metternich und Co. später die Heilige Allianz geschmiedet, um die Ideen für viele Jahre "in der Kiste zu halten".

        Code Cevil, ich weigere mich, diesen Code mit seinem Namen in Verbindung zu bringen! Dieses bürgerliche Gesetzbuch ist das Werk von Juristen um Cambaceres und ist das Gesetzbuch der siegreichen Klasse der franz. Revolution! Es muss als notwendige Einsicht Napoleons gesehen werden, nichts dagegen unternehmen zu können, ohne die eigene Herrschaft zu gefährden! Für die Verbreitung über Teile Europas gilt die gleiche Begründung und hat sich in einer bürgerlichen Gesellschaft als durchaus zweckmäßig erwiesen.

        Wenn vom Mythos Napoleons gesprochen wird, kommen seine Kriege, die Millionen Tote und Milliarden verschwendeter Recourcen zur Folge hatten, oft zu kurz. Nun, es bringt zwar nichts, über das was wäre wenn nachzudenken aber relativierend ist es allemal.

        Grüße
        excideuil

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