Napoleons Memoiren

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  • Sabby89
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    Soldat
    • 02.05.2010
    • 15

    Napoleons Memoiren

    Guten Abend,

    ich weiß nicht, ob dieses Thema, was ich gerne zur Diskussion stellen möchte, überhaupt schon einmal behandelt wurde. Wenn ja, verzeiht mir!

    Ich studiere Geschichte und Politik auf Bachelor (4. Semester, de facto habe ich Ahnung von der Materie ;-) und arbeite zur Zeit an einer meiner Hauptseminararbeiten mit dem Namen: Quellenproblematik der Memoiren Napoleon Bonapartes- Die Autobiografie und dessen Charakteristika im Spiegel seiner und der heutigen Zeit.

    Nun ja, soviel zum allgemeinen Terminus.

    Napoleons Memoiren sind eigentlich wenig bekannt, nur ein Dozent auf unserer Universität kannte die überhaupt und nur ein Band von den 10 Hauptbänden und 3 Ergänzungsbänden steht in unserer Bibliothek. Durch einen, mehr als nur glücklichen Zufall habe ich 10 Bände dieser Memoiren zuhause stehen, de facto kann ich auch aus der Originalquelle zitieren, das wäre kein Problem. Bei gallica.fr habe ich außerdem die französische Version von 1823 gefunden.

    Das macht es natürlch für mich trivialer, mich aus den fast originalen Quellen zu bedienen, mit direkten und indirekten Zitaten versteht sich.

    Die Problematik ist hierbei nur, dass ich bisher keine Sekundärliteratur zu der oben genannten Thematik gefunden habe. Das heißt, die Quelle ist vorhanden, aber niemand hat (oder ich hab es noch nicht gefunden) über die Thematik geschrieben. Es wäre nur das Wert von Bourrienne zu erwähnen, der als Napoleons Sekretär seine persönliche Meinung in gedruckter Form veröffentlicht hat.
    Das Problem bei dieser Monografie wäre allerdings, dass Bourrienne viel ZU subjektiv an die Sache herangegangen ist, bzw. erst heroisiernd, danach zu kritisch wertend.
    Es wäre also keine empfehlenswerte Literaturgrundlage.

    Somit wäre ich bei meiner Frage angelangt, ob jemand irgendetwas über die Memoiren weiß. Wie ich sie am besten analysieren kann und dergleichen mehr.

    Bedanke mich schon einmal im Vorraus.

    Sabrina
  • admin
    Administrator
    Colonel
    • 30.09.2006
    • 2687

    #2
    Hallo Sabrina,

    wow, ich hätte ja nicht gedacht, dass sich ein Hauptseminar in Geschichte mit der Quellenkritik und -rezeption der Memoiren Napoleons beschäftigt - aber in der Tat spannend ... und wenn Ihr Eure Ergebnisse öffentlich machen wollt, ich packe gerne das als PDF auf die Homepage

    Aber nun zu Deiner Frage: als Erstes würde ich die unterschiedlichen Versionen der St. Helena "Protokolle" heranziehen, über die es direkt nach Napoleons Tod erbitterte "Gefechte" in den diversen Journalen gab - schau mal unter Montholon und Las Casas nach. Aber diese betreffen wiederum nicht direkt die "Memoiren". Willms ist in seinem kleinen St. Helena Band auch auf deren Konflikte eingegangen.

    Eine andere Herangehensweise wäre z.B. der Vergleich von Memoirenexzerpten mit der später offiziell herausgegebenen Korrespondenz Napoleons - wenn Du auf "offizielle" und damit vielleicht auch zensierte (weil nicht vollständige) Quellen zurückgreifen willst, dann musst Du Dich auf das 32-bändige, unter Napoleon III. herausgegebene Korrespondenzwerk konzentrieren. Wegen dessen Umfangs - und Du fertigst ja keine Habil an - würde ich mir ein oder zwei markante Ereignisse herauspicken, und die ins Gegenlicht zur Korrespondenz stellen. Am Besten ein Ereignis, das Napoleon in gutem Licht erscheinen lässt (auch gegenüber der Nachwelt) wie z.B. den Code civil oder militärisch die Schlacht von Austerlitz, sowie ein Ereignis mit eher negativer Besetzung, wie z.B. den Russlandfeldzug.

    Zu guter Letzt kann man natürlich auch die Memoiren in den Kontext zu Erinnerungen enger Vertrauter setzen, Bourrienne erwähntest Du ja schon, ergänzen vielleicht noch um Constant (Napoleons Diener) und mit etwas mehr Pikanterie die von Talleyrand. Militärische Zeitgenossen, die ihr Leben in die Feder gossen, gab es genug ... wenn Du diesen Aspekt beleuchten willst, können wir Dir hier gut und gerne für die nächsten 10 Jahre Lektüre empfehlen.

    Soweit meine schnellen Empfehlungen für Dein weiteres Vorgehen, viel Erfolg bei der Arbeit
    Markus Stein
    "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

    Kommentar

    • HKDW
      Erfahrener Benutzer
      Colonel
      • 02.10.2006
      • 2962

      #3
      ein sehr schwieriges Thema - denn wie original sind wirklich Napoleon's Memoiren - das spricht ja schon Markus an.

      Dazu kommt, dass sie - wie viele Memoiren berühmter Männer und Frauen - ja als Rechtfertigung aller Taten dienen - und sozusagen Entschuldigungsliteratur auf der einen Seite and Abrechnungsliteratur auf der anderen Seite sind. Das Hauptgenius in Napoleon bestand ja in Propaganda und Geschichtsverfälschung.

      Also wenn Bourienne z.b. subjektiv an das Thema herangeht, dann geht Napoleon das Thema supersubjektiv an.

      Wie Markus sagt, müßtest du die Correspondence (und die war ja auch schon zensiert) und die nachträglich (zensierte) Correspondence von Napoleon durcharbeiten und vergleichen was er z.b. direkt im Jahr 1809 über einen Vorfall geschrieben hat und wie er das in den Memoiren rüberbringt, widerspricht er sich dabei selbst - oder bleibt er seiner Einschätzung treu?

      Auch würde ich unbedingt mal das

      Dictionnaire Napoléon, von Jean Tulard herausgegeben empfehlen, hier wirst du sicherlich einige Anregungen und weiterführende Literatur bekommen.

      Viel Glück - ein Monsterunterfangen

      Kommentar

      • Gunter
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 01.10.2006
        • 1377

        #4
        Hallo Sabrina,

        für eine Hauptseminararbeit musst du unbedingt das Thema extrem eingrenzen. Wie meine geschätzten Kollegen bereits schrieben, am besten ein markantes Ereignis vergleichend bearbeiten. Dazu vielleicht als Hintergrund noch die veröffentlichenden Personen und ihre Interessen beachten. Bei Memoiren geht es immer um Selbstbeweihräucherung, im Falle Napoleons auch im Propaganda. Hinzu kommen dann noch die Zielstellungen seiner Anhänger/Nachfolger. Das Thema ist meiner Ansicht nach schon zu breit gewählt.

        An welcher Uni bist du eigentlich, das fast kein Dozent Memoirenwerke Napoleons kennen will? Das finde ich befremdlich. Mein früherer Prof. prahlte zumindest mal damit, eine Ausgabe daheim stehen zu haben, wenngleich er die auch noch nicht gelesen hatte.

        Viele Grüße,

        Gunter

        Kommentar

        • Sabby89
          Neuer Benutzer
          Soldat
          • 02.05.2010
          • 15

          #5
          Guten Abend,

          ich bedanke mich erstmal recht herzlich für die schnelle und sehr ausführliche Beantwortung meiner Fragestellung. Habe mich wirklich sehr darüber gefreut.

          Den Ansatzpunkt, dass ich mir ein bestimmtes Ereignis aussuche und es vergleiche, fand ich wirklich gut, weil ich persönlich noch nicht darauf gekommen war.

          Kurz noch, bevor ich in die wirkliche Thematik einsteige:
          Ich studiere an der Universität Siegen, relativ kleine Uni in NRW. Das Hauptseminar, in dem ich sitze, beschäftigt sich nicht ausschließlich mit der Quellenproblematik Napoleons, sondern nennt sich: Frankreich im europäischen Machtgefüge- vom Ancien Régime bis zur Revolution von 1848.
          Der Grund, weshalb ich mich ausgerechnet an Napoleons Memoiren vergreifen will, stellt die Tatsache da, dass ich in spätestens 1-2 Semestern gerne meine BA-Arbeit anfangen möchte, de facto würde es einen sehr guten Eindruck machen und vorallem würde es die Leute auf mich aufmerksam machen, wenn ich nicht so 08/15 Themen, wie "Warum gab es die französische Revolution?" oder "Die Mätressen Ludwig XIV." nehme. Die Themen mögen zwar alle interessant sein und ihren Nutzen haben, leider sind diese relativ normale Themen, die ich leider nicht gebrauchen kann.
          Und deshalb Napoleon. In einem anderen Hauptseminar schrieb ich schon einmal ein Kapitel in einer Hausarbeit über diese Thematik, im Vergleich zu Cäsars De Bellum Gallicum. Wer Interesse hat, dem kann ich das gerne mal zeigen!

          Nun ja, zu Napoleon selber. Ich wusste schon, dass Las Casas und Montholon ihren Senf nach St. Helena noch mal selbst veröffentlicht hatten. Da wollte ich Bezug darauf nehmen, wenn ich mein Unterkapitel "Die Beteiligten von St. Helena" schreibe. Sind in diesen denn auch die Memoiren beschrieben? Weiß ich jetzt grad nicht.

          Was mich im Allgemeinen sehr verwundert hat, ist die Tatsache, dass Napoleon sich an jedes noch so unbedeutende Detail in Bezug auf seine Kriegsführung erinnerte. Die Memoiren beginnen mit der Belagerung von Toulon, kein Wort über seine Kindheit und Jugend. Es wird praktisch direkt mit dem Kampfgeschehen losgelegt. Die Truppenbewegungen, qualitativ als auch quantitativ sind hochgradig detailliert beschrieben. Somit kommt natürlich die Frage auf, wie er sich, nach all den Jahren, überhaupt daran erinnern konnte. Wurden die Memoiren dahingehend überarbeitet, oder wie kann ich mir das vorstellen?

          Die zweite Frage ist: Welche Intension Napoleon beabsichtigte? Wollte er wie Cäsars im DBG ein Propagandawerk veröffentlichen, oder eher eine Art Rechtfertigung schreiben? Hinsichtlich der Propaganda wäre zu klären, warum die Memoiren dann so wenig bekannt sind. Hätte sich in den knapp 2 Jahrhunderten nicht jemand hinsetzen können und die Memoiren auf ihren Wert auseinandersetzen können?
          Und abgesehen davon, dass er ja stets in der 3.person singular präsens schreibt (wie Cäsar auch), ist die Sache mit der fehlenden Bekanntheit immer noch nicht ganz geklärt.

          Ich meine, normalerweise sind Biografien/ andere "Selbstdarstellungen" von großen Männern (und das war er zweifelsohne) sehr bekannt. Man bedenke nur Trajan (Glorifizierung seiner Person auf der Trajanssäule), oder man nehme Friedrich II. Oder wenn auch immer! Wieso die und Napoleon eher weniger?

          Ich sage noch einmal danke für die rasche Beantwortung meiner letzten Frage und würde mich freuen, erneut von euch zu hören.

          Sabrina

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          • Tom
            Erfahrener Benutzer
            Chef de Bataillon
            • 03.10.2006
            • 1068

            #6
            Memoiren Napoleons

            Die Genesis der Memoiren Napoleons, auch, welche Hilfsmittel (u.a. der Moniteur) ihm zur Verfügung standen, wird ganz gut in der Einleitung von "Wencker-Wildberg: N. - Die Memoiren" dargestellt. Zu beachten ist ferner, dass N. nur die Phasen Italien 1796 - Konsulat sowie Elba - Belle Alliance diktiert hat. Die wichtigen Jahre des Kaiserreichs bis zur 1. Abdankung fehlen also.
            Auf Tulards Sammlung wurde hier schon aufmerksam gemacht. Unter www.Napoleonzeit.de -> Memoiren / Biografien -> Frankreich finden sich einige deutsche Ausgaben frz. Memoiren der Zeit, u.a. aus der eng(st)en Umgebung Napoleons (Savary, Roederer, Marmont, Caulaincourt, Rapp, Lavalette, Segur, Fain, Meneval, Pasquier usw.).

            Gruß, Tom

            Kommentar

            • Gunter
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 01.10.2006
              • 1377

              #7
              Sabrina,
              zu zwei deiner Fragen möchte ich mich kurz äußern. Napoleons Memoiren sind sowohl als Rechtfertigung als auch als Propaganda zu werten. Schließlich war er zu seinen Glanzzeiten ein Meister der Propaganda und Manipulation.

              Im Zusammenhang damit steht das Erinnern an kleinste Details. Es mag zwar stimmen, dass beim Menschen eher das Langzeitgedächtnis intakt bleibt aber in der Regel wurden für die Unterfütterung von Memoiren mit Fakten jede Menge andere Werke zum Nachschlagen verwendet. Man kann das im Einzelfall sogar zurückverfolgen was genau benutzt wurde.
              Bei Napoleon spielte aber dieses "der Kaiser erinnert sich an alles" bereits während des Kaiserreichs eine Rolle. So erhielten manche Soldaten vermeintlich aus heiterem Himmel Auszeichnungen, dabei waren das alles vorher vorbereitete Inszenierungen, um den Kaiser leutseliger erscheinen zu lassen. Gerade nach seinem Tode entwickelte sich darum eine Art Heiligenverehreung, dazu trug bei, dass seine Gefangenschaft als Märtyrertum eingestuft wurde. Wenn man sich manche Bilder z.B. von Benigni ansieht, da sind schon deutliche Gemeinsamkeiten mit religiöser Heiligenverehrung zu finden, z.B. erinnert Napoleon wie er einem Verwundeten im Regen seinen Mantel zuwirft schon sehr an den Hl. Martin.
              Was er mit seinen Memoiren bezweckte, muss man für sich selbst entscheiden - eine "Bibel" für seine Anhänger, Handlungsanweisungen für seinen Sohn für den Fall, dass dieser in Frankreich an die Macht kommen würde, usw. Man kann sicher von allem etwas finden.

              Viele Grüße,

              Gunter

              Kommentar

              • Sabby89
                Neuer Benutzer
                Soldat
                • 02.05.2010
                • 15

                #8
                Guten Morgen,

                ich freu mich wirklich auf so viele Resonanz mir meiner Thematik zu stoßen.

                Zur Zeit bereite ich mich explizit auf meinen Vortrag dem Thema entsprechend vor und bin mal so frei, noch ein oder zwei Fragen dazu zu stellen.

                Der Moniteur ist, wie ich weiß, ein heikles Thema. Ich habe bei gallica.fr die Ausgaben von 1796 von Januar bis Dez. und 1799 von Jan. bis Dez. gefunden. Um halt einen Vergleich zu Napoleons Memoiren machen zu können, hatte ich an den italienischen Frieden gedacht, oder den 18. Brumaire. Um halt eine Komparation zwischen dem, was Napoleon schreibt und zwischen dem, was der Moniteur über ihn schriebt, herstellen zu können.

                Nun meine Frage, ob sich jemand mit dem Moniteur schon einmal beschäftigt hat, z.B. wie der gegliedert ist und wo ich vielleicht die Sachen finden könnte. So eine Zeitung dürfte ja einen charakteristischen Aufbau haben.

                Ich wollte noch einen dritten Vergleich, mit dem, von dir, Gunter, empfohlenen Werk von Napoleon III. Damit ich drei Meinungen haben und diese gut in den Vergleich setzen kann. Hat den jemand eine Ahnung zufällig, wo ich die entsprechenden Passagen herbekomme. Es müssen nicht zufällig die Sachen von 1796/99 sein, sondern es wäre günstig etwas auszuwählen, was N. in einem relativ schlechten Licht darstehen lassen könnte.

                Ich habe bei der Intention hinter N. Memoiren bisher, das er damit der "Begründer" des Bonapartismus war, die Handlungsanweisung für Napoleon II., der ja bekanntlich nie auf den Thron kam, was N. ja nicht ahnen konnte und die Rechtfertigung/ bzw. Propaganda. Die Propaganda hätte ich mit der Moniteur, bzw. N. III. Sache abgedeckt, aber fällt jdm. noch was in Bezug auf die Rechtfertigung ein?

                Ich mein, was hätte N. davon gemacht, oder das er das Finale seiner Legende einleitete? Die Legende wurde ja an sich schon in Italien formiert, aber was hätte er auf St. Helena oder später expliziz davon gehabt?

                Ich bedanke mich schon mal im Vorraus für die Beantwortung meiner Fragen.
                MfG
                Sabrina

                Kommentar

                • Lutz Langer
                  Erfahrener Benutzer
                  Sergent-Major
                  • 03.11.2006
                  • 178

                  #9
                  Hallo!

                  Zu den Memoiren....

                  ;-))

                  Autor: Napelon I.
                  "Mein Leben - Gesamtausgabe der Autobiografie"
                  6 Bände (die aber inhaltlich mehr Bände enthalten)
                  Band 1 heißt: "Meine ersten Siege I. - Frankreich, Italien, Deutschland"

                  Mundus Verlag 1999

                  Kommentar zu Band 1:
                  "Der vorliegende Band entspricht ungekürzt den Bänden 1 und 2 der Gesamtausgabe in 10 Bänden und 3 Ergänzungsbänden des Verlages von Robert Lutz, Stuttgart bis 1913 ..."

                  ... halt die auf St. Helena diktierten Memoiren. Nicht?

                  ))

                  Hab sie jedenfalls.

                  Zum Moniteur direkt kann ich Dir nicht helfen. Indirekt gäbe es aber u.U. schöne Quellenkritiken bzw. Hinweise meinerseits, die sich insbesondere auf Jean Baptiste Bernadotte beziehen.

                  Napoleon hat hier sehr viele - und zwar nachweislich falsche - Behauptungen zu Bernadotte aufgestellt. Der vermutliche Grund ist simpel, da Bernadotte ein Rivale Napoleons war, der dann ja als Marschall unter, dann als Kronprinz gegen Napoleon kämpfte und dem u.a. Napoleon den Verlust seines Kaisertums verdankte. Napoleon hat Bernadotte vielfach versucht, schlecht zu machen, bzw. sich selber ins rechte Licht zu rücken. Es geht u.U. sogar soweit, dass Napoleon u.a. wohl sogar Marbot finanziell gefördert hat, wobei hier ein deutlicher Zusammenhang mit den Memoiren Marbots zu sehen ist, die ja auch gespickt mit kleinen bis großen Unwahrheiten sind. Was die Quellenlage ja noch mal schwierigier macht.

                  Im Bereich des Italienfeldzuges gäbe es hier Dinge, die auch im Moniteur erschienen sein sollen. Da ich so gut wie alle deutschsprachigen Bernadotte-Biografien habe (Prof. Findeisen, Uni Jena, hat gerade eine neue herausgegeben), weiß ich z.B. dass Napoleon, als er während des Italienfeldzuges Bernadotte nach Paris mit Fahnen sandte, ihn in dem Brief als "Held von Talgliamento und Gradisca" bezeichnete. Dieser Brief wurde im Moniteur abgedruckt. In seinen Memoiren spielt Napoleon vieles von Bernadotte herunter.
                  Analog wäre die Zeit Bernadottes als Diplomat in Wien zu nennen. Napoleon hat ihn angeblich in seinen Memoiren als ungeeignete Wahl empfunden, dabei hat er ihn - ziemlich nachweislich - für diesen Posten empfohlen, damit Bernadotte nicht sein Nachfolger der Italienarmee werden würde (Berthier bekam kurze Tage nach Bernadottes Ernennung zum Oberbefehlshaber diesen, um eine Strafaktion gegen Rom zu führen. Bernadotte wurde nach Wien geschickt.
                  Ähnlich ist die Geschichte, Bernadotte als Kriegsminister, wie Napoleon sie darstellt und der Bernadotte natürlich als ungeeignet sieht. Nach Findeisen: "Er gilt vielen Historikern wohl zu Recht als der erfolgreichste Kriegsminister der Republikperiode."

                  Die mir bekannte krasseste Geschichte unter den vielen Ungereimtheiten findet aber 1806 bei Jena und Auerstedt statt und die ist dank Befehlen und Briefen Napoelons der damaligen Zeit, belegbar.

                  Napoleon schrieb hier:
                  "Bernadotte hätte sicherlich von Dornburg aus seinen Fehler wiedergutmachen können [Anm.: den angeblich falschen Weg über Dornburg genommen zu haben], indem er der preußischen Armee in den Rücken fiel, er machte aber nur Parademanöver und gab nicht einen Schuss ab. Generalte, Offiziere und Soldaten waren aufs höchste empört. Der Marschall hätte von Rechts wegen erschossen werden sollen; es hat dem Kaiser später leid getan, dass er ihn auf Fürsprache Berthiers, an den er sich weinend gewandt hatte, mit einer kurzen Ungnaden davonkommen ließ. ... Er hat niemals ein wichtiges Kommando gehabt, niemals eine Schlacht gewonnen, ..."

                  Hier handelt es sich - so auch Prof. Findeisen, Uni Jena, - um eine absolute Lüge Napoleons. Der Grund ist simpel der, das Napoleon in seinen Memoiren versucht zu erklären, warum Davout alleine bei Auerstedt auf die Preußen stieß, und hier Bernadotte die Schuld gibt. 1806 tat er das - und auch das nur vorgeschoben - latent. Nette, freundliche, aber bestimmte Briefe Berthiers und Napoleons belegen das. Die Befehlslage (aus dem Foucart) und gewisse nachvollziehbare Umstände (der vorhandene Anstieg bei Dornburg bzw. die Memoiren General Duponts, die davon berichten und diesen Anstieg auch Alpenähnlich beschreiben, wie Bernadotte es in seinen Antworten ans Hauptquartier (Foucart) tat.) lassen belegen, dass Bernadotte hier unschuldig ist und von Napoleon zum Sündenbock gemacht wurde. Natürlich ohne Erschießungskommando. Es lässt sich auch beweisen, dass Bernadotte und Berthier sich nicht begegnet sind, wo Bernadotte sich ja "weinend" dran gewandt haben soll.
                  In seinen Memoiren allerdings - mit seinem Frust über Bernadotte - kommt bei Napoleon dann diese Geschicht heraus.

                  Diese Sache ist den Biografen Bernadottes natürlich nicht unbekannt und sie wird bei Klaeber, Barton, Wencker-Wilberg, Girod de l'Ain, Findeisen aufgeführt. Sehr interessant ist eine französische Studie eines Oberleutnants Eugène Titeux "Le marechal Bernadotte et la manoeuvre d'Jena" 1903, die das ganze sehr gut darstellt.

                  Natürlich könnte es sein, dass für Dich diese Geschichte "zu bekannt" ist und durch Titeux und die Bernadotte-Biografen (inkl. Prof. Findeisen) zu "ausgereizt" für eine Seminararbeit ist, obwohl sie umgekehrt kaum einer kennt, wenn man sich die Bücher über Jena und Auestedt anguckt, die i.d.R. auch auf Napoleon als Quelle zurückgehen. Aber an der Jenaer Geschichte insgesamt kann man sehr deutlich Quellenkritik führen, weil Napoleon hier einiges zurecht gerückt hat.

                  Mindestens ist diese Geschichte ein sehr schönes Beispiel für Napoleons Verfälschungen, auch, wenn seine Memoiren sicher eine der wichtigsten Quellen der damaligen Zeit ist.

                  Sollte Dich hier mehr Interessieren, so hätte ich sicher genügend, Dich zu "füttern". U.a. habe ich hier noch die Kopien der Bernadotte-Biografen, die ich dem Jenaer Museum bzw. dem dazugehörigen "Institut zur militärgeschichtlichen Forschung Jena 1806 e.V" zusandte, die die Geschichte so nicht kannten. Wie gesagt, Prof. Findeisen bestätigt sie sinngemäß ja auch, ohne sie ausführlich darzustellen.

                  Liebe Grüße

                  Lutz
                  Zuletzt geändert von Lutz Langer; 12.06.2010, 10:44.

                  Kommentar

                  • Mephisto
                    Erfahrener Benutzer
                    Capitaine
                    • 01.10.2006
                    • 625

                    #10
                    ...womit wir nun einmal mehr bei einer anderen ebenfalls recht einseitigen Darstellung gelandet wären, gelle!?!

                    "Nachweislich" heisst nämlich hier nur, das keine Gegenbeweise zu finden sind, was aber im Umkehrschluss nicht unbedingt auf einen "Beweis im Sinne der Anklage" hinausläuft...
                    Ich weiss nicht, welche einseitigen Darstellungen mir mehr zuwider sind... :devil:
                    Zuletzt geändert von Mephisto; 24.06.2010, 01:03.
                    Gruß
                    Mephisto

                    "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                    nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

                    Kommentar

                    • Lutz Langer
                      Erfahrener Benutzer
                      Sergent-Major
                      • 03.11.2006
                      • 178

                      #11
                      Ach Mephisto, was soll ich jetzt dazu wieder sagen?



                      Nicht, dass man "der Gegenseite" einfach glauben sollte, sondern dass man alles sehr kritisch bewerten muss.

                      Gerade das Jena-Auerstädt-Beispiel, wo Du mit HKDW und mir zusammen doch recherchiert hast, zeigt doch, wie groß Napoleon in seinen Memoiren gelogen hat, dass Bernadotte "Schuld" daran war, dass Davout alleine bei Auerstädt stand und dass Bernadotte wegen seines angeblichen Fehlverhaltens erschossen hätte werden sollen. Und dass er das getan hat, ist keine bloße Vermutung mehr, die in Wahrscheinlichkeiten gerechnet werden muss, sondern sie lässt sich ja gerade durch Napoleon selber (durch seine Texte und Briefe 1806, die gegen seine Memoiren stehen) belegen. :attention: Und ich könnte Dir da noch zig andere Beispiele zeigen, die sich ebenfalls nicht nur vermuten, sondern belegen lassen. Dazu kommen sicher noch viele Vermutungen, wo die Frage ist, wer hier wirklich die "Wahrheit" darstellt. Und sicher auch Dinge, wo Napoleon und nicht die Gegenpropaganda recht hatte, aber ...

                      Und ich denke, wenn man nicht einfach die tollen Memoiren und sonstigen Erzählungen nimmt, die Jahre bis Jahrzehnte später gemacht wurden, sondern die zeitgenössischen Texte (Zeitungsartikel, Briefe, etc.), dann relativieren sich Dinge. Und gerade diese wissenschaftliche Geschichtsforschung ist sehr wichtig.

                      Geschichte wird oft nur von den Siegern geschrieben. Dass Napoleon an seiner eigenen Legende bastelte, ist doch längst belegt. Und die Lügen und falschen Behauptungen Napoleons häufen sich doch immer mehr (und nicht nur auf Bernadotte, sondern ja auch in alle anderen Richtungen...i.d.R. waren immer die anderen Schuld an Negativem). Dass Bernadotte später schlechtgeschrieben wurde, ist kein Geheimnis mehr.



                      LG Lutz
                      Zuletzt geändert von Lutz Langer; 26.06.2010, 09:48.

                      Kommentar

                      • Sabby89
                        Neuer Benutzer
                        Soldat
                        • 02.05.2010
                        • 15

                        #12
                        Hallo Leute,

                        ich habe jetzt endlich mit der Hausarbeit in Bezug auf Napoleons Memoiren angefangen (ich arbeite meine Hausarbeiten immer nach und nach ab) und bin in drei Tagen schon relativ weit gekommen. Nun bevor ich mit meinen großen Block der Einzelinterpretation der Memoiren in Bezug auf die Legendenbildung widme, wollte ich gerne mal fragen, ob jemand Lust hätte und geneigt wäre, meine bisherigen Sachen Probe zu lesen?

                        Vielen Dank für eure Antwort

                        LG Sabrina

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                        • Voltigeur
                          Erfahrener Benutzer
                          Tambour-Major
                          • 29.10.2006
                          • 305

                          #13
                          Na klar, stell sie doch einfach mal hier rein.

                          Grüsse vom Voltigeur

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                          • Sabby89
                            Neuer Benutzer
                            Soldat
                            • 02.05.2010
                            • 15

                            #14
                            Hallo,

                            ich habe meine Hausarbeit als pdf- Datei drangehängt. Ich hoffe, es lässt sich öffnen.
                            Lg Sabrina
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                            • HKDW
                              Erfahrener Benutzer
                              Colonel
                              • 02.10.2006
                              • 2962

                              #15
                              sehr schöne Analyse, bin auf weiteres gespannt.

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