Russlandfeldzug 1812

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • KDF10
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 19.12.2010
    • 1278

    #31
    Hallo Borussen_Kanonier, danke für die Zahlen. Mit den Preußen hast du aber nicht recht. Zwei Regimenter der preußischen Kavallerie wurden der Hauptarmee von Napoleon zugeteilt und hatten ganz erhebliche Verluste. Die Preußen hatten insgesamt nicht so hohe Verluste wie der Rest der Armee Napoleons, waren aber doch in einige Gefechte verwickelt, bei denen es zwangsläufig auch Verluste gab. Nach meinen Quellen hatte das preußische Hilfskorps im Dezember 1812 noch eine Stärke von etwa 15.000 Mann, von ursprünglich 20.000. Das heißt aber nicht, dass 5.000 Mann umgekommen sind. Etliche haben als Gefangene überlebt, und nicht wenige sind einfach zu den Russen übergelaufen, weil die Russen, bei denen auch preußische Offiziere dienten (Clausewitz, Dohna, Tiedemann, usw.), ihnen einfach näher waren als die Franzosen.

    Kommentar

    • Sans-Souci
      Erfahrener Benutzer
      Major
      • 01.10.2006
      • 1841

      #32
      Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
      nicht wenige sind einfach zu den Russen übergelaufen, weil die Russen, bei denen auch preußische Offiziere dienten (Clausewitz, Dohna, Tiedemann, usw.), ihnen einfach näher waren als die Franzosen.
      Hast Du da Quellen zu den Überläufern ? Wann, wieviele, welche Einheiten ?

      Tiedemann wurde von einem einfachen Soldaten vom Pferd geschossen (rip), als er versuchte, ein Batailllon durch eine Ansprache zum Überlaufen zu bereden.

      Kommentar

      • KDF10
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 19.12.2010
        • 1278

        #33
        Gabriele Venzky schrieb über die Geschichte der Russisch-Deutschen Legion. Hatte das Buch in der hiesigen Stadtbibliothek gefunden. Da gibt es auch Angaben zu den Überläufern.

        Kommentar

        • KDF10
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 19.12.2010
          • 1278

          #35
          Ich schau mir das bei Gelegenheit an. Ich habe auch schon anderslautende Darstellungen gefunden. Die Problematik in der zeitgenössischen preußischen Literatur ist, kann man zugeben, dass ein preußischer Offizier, im Dienste einer Nation, die wenige Monate später zum Verbündeten wurde, von einem Preußen erschossen wurde?

          Kommentar

          • Sans-Souci
            Erfahrener Benutzer
            Major
            • 01.10.2006
            • 1841

            #36
            Venzky schreibt, Stand Ende Juli 1812 (S. 70, ohne Quellenangabe):

            Aber statt der erwarteten Tausende von Überläufern kamen so gut wie keine - eine herbe Enttäuschung für die [in die Legion übergetretenen ehemals] preußischen Offiziere.
            Im weiteren werden Kriegsgefangene als Hauptquelle für die Rekrutierung der Legion genannt. Lediglich auf S. 72 steht:

            Nach dem Gefecht von Dahlenkirchen am 22. August kamen weitere 664 Preußen hinzu, es war nämlich die 3. Kompanie des ostpreußischen Jägerbataillons fast geschlossen übergelaufen.
            Die Kompanie (die in anderen Quellen als kriegsgefangen bezeichent wird) kann kaum mehr als 100 Mann gezählt haben, der Rest waren gefangen von anderen Regimentern.

            Quistorp in seiner Geschichte der Legion schreibt (S. 9 f.) von erfolglosen Versuchen des Majors v. d Goltz, preußische Truppenteile zum Überlaufen zu bewegen. Er ist wohl auch die Quelle für Venzky, wenn er über Dahlenkirchen schreibt (S. 26):

            Die Zahl der dort gefangenen Preußen betrug 664 Mann [...]
            Von einer übergelaufenen Kompanie schreibt er nichts ...

            Kommentar

            • Sans-Souci
              Erfahrener Benutzer
              Major
              • 01.10.2006
              • 1841

              #37
              Die Frage nach der Zuverlässigkeit der preußischen Quellen (wie nach der aller anderen auch) muß man sich immer stellen, klar.

              Politische Erwägungen spielten nach meiner Einschätzung für die meisten damaligen Memoirenschreiber und Militärschriftsteller jedoch keine Rolle, auch wenn man natürlich jeden einzelnen auf seine Glaubwürdigeit überprüfen muß.

              Viel schlimmer sind da Berichte von Hörensagen, wie der von Yorck über Tiedemanns Tod, die manchmal den Anschein erwecken, "wahr" zu sein ...

              Kommentar

              • HKDW
                Erfahrener Benutzer
                Colonel
                • 02.10.2006
                • 2962

                #38
                Das Tagebuch vom yorkschen Korps 2 Bände in einem - gibt es auch auf archives.org - der Vorteil, alle Karten und Faltpapiere sind auch so gescannt, dass man sie vollständig sehen kann.

                Kommentar

                • Gunter
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 01.10.2006
                  • 1377

                  #39
                  Nochmal zu den Polen. Drei der Infanterieregimenter standen ohnehin in französischem Sold und wurden vor Russland bereits in Spanien eingesetzt. Wahrscheinlich hat Frankreich zusätzlich in wesentlich größerem Umfang die polnischen Rüstungen finanziert. Das Herzogtum Warschau kann eigentlich nicht als souveräner Staat eingestuft werden. Dass der sächsische König zugleich warschauischer Herzog war spielt dabei noch nicht mal eine Rolle. Vermutlich wollte Napoleon Polen über Sachsen finanzieren, was aber so nicht funktionierte. Der französische Einfluss im polnischen Militär war in gewisser Weise größer als bei den deutschen Rheinbundstaaten, denn in der warschauischen Armee dienten auch französische Offiziere, z.B. in der Artillerie.
                  Man muss es einfach so sagen: Die Polen wurden als billiges Kanonenfutter benutzt. Warum hatte die warschauische Armee denn soviele Ulanenregimenter? Einerseits konnten die Polen mit den Lanzen traditionell gut umgehen, andererseits waren Lanzen eben billiger als Karabiner und Pferde gab es in Polen sowieso genug. Manche Rüstungsgüter wird man auch direkt aus Frankreich geschickt haben.

                  Grüße,

                  Gunter

                  Kommentar

                  • Sans-Souci
                    Erfahrener Benutzer
                    Major
                    • 01.10.2006
                    • 1841

                    #40
                    Und nochmal zur 3. Kompanie des Ostpreußischen Jäger-Bataillons. Die 3. und 4. Kompanie dieses Bataillons standen unter Kommando des Majors v. Valentini.

                    Nach der Regimentsgeschichte (v. Rentzell, Berlin 1882, S.31), verloren sie im Gefecht bei Dahlenkirchen 6 Offiziere und 124 Mann. "Der größere Theil wurde vollständig umzingelt und fiel nach tapferer Gegenwehr, meist verwundet, in die Hände des Feindes." Von den Offizieren war 1 tot, 4 verwundet und gefangen 1 verwundet: "von 10 Offizieren und 234 Oberjägern und Jägern fanden sich nur noch 3 Offiziere und 70 Mann zum Dienst." (1 Offizier und 30 Mann waren also kommandiert, oder krank).

                    Das "meist verwundet" scheint eine Zugabe v. Rentzells zu sein, wie er auch zweien der gefangenen Offiziere nachträglich eine Verwundung andichtet. Hier ein Auszug aus dem Bericht des Obersten v. Horn über das Gefecht:

                    http://books.google.com/books?id=u6VDAAAAcAAJ&pg=PA252&dq="22.+august"

                    Die Regimentsgeschichte des Magdeburgischen Jäger-Bataillons (Model, Berlin 1894, S.12) berichtet über einen ihrer Stämme, die Jäger-Kompanie der Russisch-Deutschen Legion, in gleicher Weise:

                    Die meisten zur Bildung dieser Kompanie dienenden Leute, waren gelernte Jäger des ostpreußischen Jäger-Bataillons, welche im Gefecht bei Dahlenkirchen zu Gefangenen gemacht worden waren.
                    Preußische Jäger hatten prinzipiell wenig Interesse, freiwillig zu den Russen überzulaufen. Nach Ende ihrer Dienstzeit winkte ihnen eine Stelle in den königlichen Forsten, wer desertierte, verwirkte dieses Privileg (das nur für die Jäger, also nicht für das Schlesische Schützen-Bataillon galt). 1814 oder so gab es jedoch eine Art Amnestie für die Preußen, die 1812 als Gefangene in die Russisch-Deutsche Legion eingetreten waren.

                    Kommentar

                    • KDF10
                      Erfahrener Benutzer
                      Chef de Bataillon
                      • 19.12.2010
                      • 1278

                      #41
                      Zitat von Sans-Souci Beitrag anzeigen
                      Preußische Jäger hatten prinzipiell wenig Interesse, freiwillig zu den Russen überzulaufen. Nach Ende ihrer Dienstzeit winkte ihnen eine Stelle in den königlichen Forsten, wer desertierte, verwirkte dieses Privileg (das nur für die Jäger, also nicht für das Schlesische Schützen-Bataillon galt). 1814 oder so gab es jedoch eine Art Amnestie für die Preußen, die 1812 als Gefangene in die Russisch-Deutsche Legion eingetreten waren.
                      Ob nun preußische Jäger übergelaufen sind, weiß ich nicht. Für Gefangene gab es zwei handfeste Gründe sich zum Dienst in der Russisch-Deutschen Legion oder sogar in der regulären russischen Armee zu melden. Die Verpflegung und Versorgung der Gefangenen war meist grottenschlecht, in der Legion oder Armee erhielt man Nahrung und Kleidung. Alle Gefangenen die sich zur Armee meldeten, hatten Anspruch auf ein Stück Land in Russland, um sich dort als freier Bauer anzusiedeln. Für einen preußischen Förster mag das nicht interessant gewesen sein, für manchen anderen schon.

                      Kommentar

                      • KDF10
                        Erfahrener Benutzer
                        Chef de Bataillon
                        • 19.12.2010
                        • 1278

                        #42
                        [quote=Sans-Souci;14342]Tiedemanns Tod verlief doch anders, als ich es in Erinnerung gehabt hatte:

                        Ich habe mir die Quellen angesehen. In zwei der Quellen wird die Legende verbreitet, dass ein verletzter Preuße, am Boden liegend, Tiedemann erschossen haben soll. Gleichzeitig geben beide Quellen zu, dass das nicht stimmt, bzw. diese Darstellung sehr fraglich ist. Eine dieser Quellen bezeichnet Tiedemann als schmählichen Verräter, ist schon einmal voreingenommen, denn dann wären Clausewitz, Dohna usw. auch Verräter. In der dritten Quelle wird geschrieben, dass Tiedemann russische Kavallerie führte. Warum nicht, er wird bestimmt nicht als lonesome Cowboy zu den Preußen geritten sein. Die Frage ist doch, ob er die Kavallerie bei einem Angriff führte oder nicht. Selbst wenn ein Angriff geplant war, schließt das doch nicht aus, dass er vorher zu den Preußen geritten ist, um sie zur Desertion zu bewegen. Üblicherweise wurde so etwas mit einer Parlamentärsfahne gemacht. Wenn die Preußen einen Parlamentär erschossen haben, wäre das ein Grund, das zu vertuschen.

                        Ich kenne die Wahrheit nicht. Gibt es dazu Berichte von russischer Seite?
                        Zuletzt geändert von KDF10; 03.01.2011, 19:59.

                        Kommentar

                        • KDF10
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 19.12.2010
                          • 1278

                          #43
                          Zitat von HKDW Beitrag anzeigen
                          Das Tagebuch vom yorkschen Korps 2 Bände in einem - gibt es auch auf archives.org - der Vorteil, alle Karten und Faltpapiere sind auch so gescannt, dass man sie vollständig sehen kann.
                          Hallo HKDW: Super Adresse. Ich habe 1812 als Suchbegriff eingegeben. Danach die Suche auf Napoleon erweitert, ein deutsches Buch angeklickt, da auf deutsch geklickt und die Suche wiederholt. Wahnsinnsergebnis! Holzhausen gibt es da auch. Im Gegensatz zu books.google kann man auch die Bestände amerikanischer Universitäten auf dieser Seite durchforsten. Meine Bibliothek umfasst jetzt mehrere Hunderttausend Bücher ;-), natürlich nicht nur über Napoleon.

                          Die Adresse muss aber richtigerweise www.archive.org heißen.
                          Zuletzt geändert von KDF10; 03.01.2011, 19:55.

                          Kommentar

                          • Borussen_Kanonier
                            Erfahrener Benutzer
                            Sergent
                            • 12.03.2010
                            • 169

                            #44
                            Danke für die Korrektur

                            Hallo KDF10,

                            Danke für die Korrektur. Ich habe von Preußen aus dem Gedächtnis berichtet. Da ich ein bißchen Artillerielastig bin, habe ich die Kavallerie etwas augeblendet. Ich wußte nicht, daß zwei Regimenter der Hauptarmee zugeordnet wurden.

                            Zumindest die Artillerie kam fast vollständig zurück. Allerdings besichtigte Napoleon, ich glaube in Memel, direkt vor dem Einmarsch in Rußland, zwei immobile preuß. Artillerie-Kompanien. Da hat er diese beiden Kompanien einfach noch gegen alle Absprachen mit einkassiert und diese Kompanien wurden als Hilfstruppen/Train wohl für die franz. Garde-Artillerie benutzt und machten so den Marsch nach Moskau mit und kamen nicht wie der Rest zum X. Korps McDonald. Von diesen beiden Kompanien kehrten nur einzelne Soldaten zurück.

                            Zumindest beim X. Korps waren die Verluste wohl gering. Die 6pfd. Fuß-Batterie Nr. 4 verlor bespw. nur einen Mann beim Baden.

                            Kommentar

                            • Sans-Souci
                              Erfahrener Benutzer
                              Major
                              • 01.10.2006
                              • 1841

                              #45
                              Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                              Selbst wenn ein Angriff geplant war, schließt das doch nicht aus, dass er vorher zu den Preußen geritten ist, um sie zur Desertion zu bewegen. Üblicherweise wurde so etwas mit einer Parlamentärsfahne gemacht. Wenn die Preußen einen Parlamentär erschossen haben, wäre das ein Grund, das zu vertuschen.
                              Na ja, am besten ist halt immer, man sieht sich an, was die Quellen sagen, und vergleicht diese dann untereinander. Mutmaßungen helfen in der Regel nicht weiter, um Fakten und Hintergründe herauszufinden.

                              Tiedemanns Tod, von einem Augenzeugen (dem russischen General-Adjutant Berg) geschildert:

                              http://books.google.com/books?id=2o1BAAAAcAAJ&pg=PA71&dq="ward+in+einer+at taque"

                              Zur Terminologie: Überläufer sind Soldaten, die aus freien Stücken ihre Armee verlassen, also desertieren, um sich der des Feindes anzuschließen:



                              Die zahlreichen Preußen, die sich in die Russisch-Deutsche Legion einreihten, waren Gefangene, die, wie Du schon sagst, ihr Los verbessern wollten.

                              Clausewitz und Konsorten, also die Offiziere, die 1812 den Abschied aus preußischen Diensten nahmen, um in russische Dienste zu treten, wurden in der preußischen Armee im allgemeinen nicht sehr günstig beurteilt. Zunächst kämpften sie nun aus freiem Willen gegen ihre ehemaligen preußischen Kameraden, und außerdem stellten sie ihre persönlichen Vorlieben über die Pflicht gegenüber ihrem König, wählten also die bequeme Lösung. Dadurch daß sie vorher den ersuchten Abschied erhalten hatten, war dieser Übertritt natürlich formell in Ordnung.

                              Erschwerend kam hinzu, daß zumindest die Geschichte kursierte (Kriegsbriefe des weil. Kgl. Preuß. Generalleutnants Julius Ludwig v. Rudolphi aus den Jahren 1812 und 1813. Berlin 1913, S. 21 f.), daß v. Tiedemann und v. d. Goltz in zwei Fällen die Kommandeure isolierter preußischer Einheiten aufgefordert hätten zu kapitulieren, obwohl beide Truppenteile nicht in einer rettungslosen Lage waren und sich anschließend selbst befreien konnten.

                              Diese Aufforderungen wurden als Beleidigung aufgefaßt, da sie auf der Annahme beruhten, daß die preußischen Kommandeure nicht bereit gewesen wären, alles menschenmögliche zu tun, um sich und ihre ihnen vom König anvertrauten Truppen diesem zu erhalten, oder vielleicht sogar pflichtwidrig bereit gewesen wären, sie unter einem nichtigen Vorwand dem Feind auszuliefern. Das erklärt (zusammen vielleicht mit der Befürchtung, er hätte unter Umständen Erfolg haben können) die Erbitterung Yorcks in seinem Bericht an den König:



                              Nach Rudolphi forderte Tiedemann lediglich eine Kompanie von Crammons Bataillon, die des Capitaine v. Leslie, zur Kapitulation auf, und der Major v. Thümen wurde von v. d. Goltz, ohne Beisein Tiedemanns, zum Kapitulieren aufgefordert, Möglicherweise ist Droysens Transkription inkorrekt, oder Yorck hatte die Geschichte mißverstanden. Es gab mehrere v. d. Goltzens in der preußischen Armee.
                              Zuletzt geändert von Sans-Souci; 03.01.2011, 21:16.

                              Kommentar

                              Lädt...
                              X
                              😀
                              😂
                              🥰
                              😘
                              🤢
                              😎
                              😞
                              😡
                              👍
                              👎