Napoleon und die Marine

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  • Marie
    Erfahrener Benutzer
    Sergent-Major
    • 27.04.2011
    • 196

    Napoleon und die Marine

    Hallo!
    Ich hoffe mal, ich bin hier im richtigen Unterforum. Ich hätte nämlich ein paar Fragen zu einem Ereigniss bei der napoleonischen Marine.
    In dem Buch NAPOLEON von Emil Ludwig (meine Ausgabe ist die von 1930) habe ich folgende Passage gefunden:

    Als er (Napoleon) trotz heraufziehenden Sturms die Flottenrevue befiehlt, der Admiral Bruix sich weigert, sie vorzubereiten, der Kaiser zurückkommt, nichts vorfindet, den Admiral stellt; entsetzlicher Auftritt.
    "Warum haben Sie meine Befehle nicht ausgeführt?"
    -Majestät können das sehen wie ich: wollen Sie bei diesem Wetter das Leben braver Männer unnütz riskieren?
    Der Kaiser [...]: "Herr, ich habe einen Befehl gegeben. Die Folgen gehen Sie nichts an. Gehorchen Sie!"
    - Sire, ich kann nicht gehorchen.
    [...]
    "Sie haben Boulogne in 24 Stunden zu verlassen und sich nach Holland zurückzuziehen. Herr Contreadmiral Magon, führen Sie die befohlene Bewegung aus!"
    [...] 200 Leichen werden am anderen Tag an die Küste des Vaterlandes gespühlt.


    So, nun zu meinen Fragen.
    • Stimm das so? Bei Ludwig steht viel Richtiges, aber an einigen Stellen ist er eben auch sehr ungenau oder zieht zu sehr den Mythos heran.
    • Wann war das? Ich denke, es müsste so 1805 sein. Ludwig gibt ja leider nie irgendwelche Jahreszahlen an.
    • Was geschah mit Admiral Bruix nach dem Vorfall? Wie habe ich mir seinen "Rückzug nach Holland" vorzustellen? War das eine Entlassung, eine Versetzung?
    • Gibt es ähnliche bekannte Vorfälle, in denen Napoleon einfach mal so (um seine Machtstellung zu demonstrieren?) mehrere Soldaten in den Tod schickt? (Ich meine damit jetzt nicht Jaffa, oder Rußland oder sonst eine Schlacht.)
    Das ist jetzt ein wenig lang geworden. Wäre toll, wenn jemand auf meine Fragen ein Antwort hätte.
    Liebe Grüße Marie

    Falls das hier (oder im alten Forum?) schon mal Thema war - sorry-, könnte ich dann bitte den Link bekommen?
    Zuletzt geändert von Marie; 04.05.2011, 09:49.
    Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.
  • Tellensohn
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 16.02.2011
    • 1253

    #2
    Das Zitat aus Ludwig gibt eine Episode wieder, die sich so oder so ähnlich wohl zugetragen hat, und zwar am 20. Juli 1804. Die ganze Geschichte wird da aber nicht erzählt. Napoleon hat Bruix vermutlich tatsächlich einen entsprechenden Befehl gegeben und ihm wegen dessen Insubordination befohlen, sich nach Holland zurückzuziehen. Einer seiner üblichen Zornesausbrüche, der für Bruix keine negativen Folgen hatte.

    Napoleon musste erkennen, dass Bruix recht hatte. Er sah sehr schnell ein, dass er einen Fehler gemacht hatte und beteiligte sich persönlich an den unverzüglich eingeleiteten Rettungsmassnahmen. Durch den Sturm, an den bzw. an dessen verheerende Wirkung Napoleon nicht recht hatte glauben wollen, wurde eine Reihe von Booten zerschellt und Mannschaften kamen ums Leben (nach Constant waren es über 200, Soult spricht dagegen von etwa 50 Mann). Bruix behielt den Oberbefehl über die Flotille von Boulogne bis zu seinem Tod im März 1805. Bereits am 16. August 1804, also knapp einen Monat nach dem Ereignis, ernannte Napoleon Bruix (zusammen mit Admiral Decrés) zum Grossoffizier der Ehrenlegion. Napoleon wusste sehr wohl, dass er Mist gebaut hatte und Bruix sein vielleicht fähigster Admiral war. Sein Tod war ein echter Verlust für ihn und die französische Flotte.

    Dass Napoleon hier bewusst Mannschaften in den Tod schickte, bloss um seine Macht zu demonstrieren ist eine nicht haltbare Unterstellung. Er hat sehr wohl seine Macht demonstrieren wollen gegenüber einem ihm Untergebenen, aber gehandelt hat er aus Trotz einerseits und aus Unerfahrenheit andererseits. Er hat einerseits nicht wahrhaben wollen, dass einer es besser weiss als er. Er hat andererseits nicht glauben können, dass da ein grosser Sturm heraufzog, der Material und Leute ernsthaft zu schaden kommen lassen würde. Als er es dann mit eigenen Augen gesehen hat, hat er sehr schnell geschaltet. Es stimmt zwar überhaupt nicht, dass er von der Marine nichts hielt, wahr aber ist, dass er von gewissen Aspekten, die die Marine betrafen, stets wenig bis keine Ahnung hatte. Hier zwei Links zum Thema Boulogne, 20. Juli 1804:



    Kommentar

    • Marie
      Erfahrener Benutzer
      Sergent-Major
      • 27.04.2011
      • 196

      #3
      Danke für die Ausführliche Antwort. Die Links sind sehr hilfreich.
      Ludwig schreibt das mit der Rettung, auch dass Napoleon als erster ins Boot sprang um zu helfen; hatte ich in dem Zitat nur weggelassen -mea culpa.
      Dass Napoleon hier bewusst Mannschaften in den Tod schickte, bloss um seine Macht zu demonstrieren ist eine nicht haltbare Unterstellung.
      Da habe ich wohl etwas überspitzt formuliert. Aber Trotz und Unerfahrenheit hin oder her, hat er hier den möglichen Verlust von Mensch und Matreial billigend in Kauf genommen (gewarnt war er ja). In früheren Jahren hat er immer nachgefragt, sich alles erklären lassen - und dann versucht es besser zu machen. Diese Fähigkeit scheint ihm hier abhanden gekommen zu sein.
      Er hat einerseits nicht wahrhaben wollen, dass einer es besser weiss als er
      ...oder besser kann. Das war meiner Meinung nach eine von Napoleons stärksten Triebfedern. Der unerschütterliche Glaube daran, es besser machen zu können als die anderen.
      Grüße Marie
      Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

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