Michel Ney

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  • Mephisto
    Erfahrener Benutzer
    Capitaine
    • 01.10.2006
    • 625

    #31
    Wer sich so aus dem Fenster lehnt, sich politisch festgelegt hat, muss sich nicht wundern, dass ihm auf Grund seines völlig unmotivierten Überganges zu N. sein Seelenzustand nicht abgenommen wird.
    Zumindest meinereiner nimmt ihm diesen Seelenzustand sehr wohl ab.
    1814 gezwungen von den Umständen (ua auch durch das Verhalten seines Kaisers) zu Aktionen, die er von selbst niemals ergriffen hätte - dem eigentlichen Verrat seiner Ideale:
    Sich dem König, den verhassten Bourbonen zu unterwerfen zu müssen - Welche Schande!
    Ist das mit Motivation gemeint?

    Dann die geläuterte Rückkehr vom Regen in die Traufe.
    Unmotiviert? Bestimmt nicht!

    Am Ende konnte man nur einen Tod sterben - und der durfte keine bourbonische Kokarde tragen.
    Zuletzt geändert von Mephisto; 27.11.2011, 22:39.
    Gruß
    Mephisto

    "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
    nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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    • Tellensohn
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 16.02.2011
      • 1253

      #32
      Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
      Da hast du völlig recht. Wer sich so aus dem Fenster lehnt, sich politisch festgelegt hat, muss sich nicht wundern, dass ihm auf Grund seines völlig unmotivierten Überganges zu N. sein Seelenzustand nicht abgenommen wird.
      Machen wir mal nicht Ney für etwas verantwortlich, was er gar nicht gesagt hat.

      Die Vermutung, dass Neys Seelenzustand nach Waterloo dafür verantwortlich gewesen sein könnte, dass er nicht fliehen wollte, ist einzig auf meinem Mist gewachsen. Nur ein Erklärungsversuch, nichts weiter.

      Ob sein Übergang zu Napoleon so völlig "unmotiviert" gewesen ist, können wir ja wohl auch nicht beurteilen, weil wir eben nicht wissen, was er wirklich dachte. Soll ja öfters vorkommen, dass, was man nach aussen hin sagt oder verspricht nicht dem entspricht, was man wirklich fühlt oder will.

      Ney selber hat sich ja offenbar weder zu seinen Beweggründen für das Überlaufen zu Napoleon noch zu denen für seine Weigerung zu fliehen explizit geäussert. Also hat ihm auch niemand irgendetwas abnehmen oder nicht abnehmen müssen oder können.

      Ich hoffe, du hast jetzt verstanden, worum es mir geht.

      Gruss, T.
      Zuletzt geändert von Tellensohn; 27.11.2011, 22:57.

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      • Tellensohn
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 16.02.2011
        • 1253

        #33
        Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
        Ergo???
        Welche anderesgearteten Ziele haben die Engländer denn, Deine Meinung nach, gehabt
        - besondere im Zusammenhang mit Ney?!?
        Oder sprichst Du von und für die Whigs, die sich im Nachgang über Wellingtons Indifferenz zum Fall Ney empörten?
        Ich sehe es auch so, dass es speziell im Zusammenhang mit Ney ja wohl überhaupt keine Rolle spielt, ob England nun Mitglied der "Heiligen Allianz" war oder nicht (George IV persönlich war ja offenbar beigetreten, wenn auch nur in seiner Eigenschaft als König von Hannover).

        Gruss, T.
        Zuletzt geändert von Tellensohn; 27.11.2011, 22:58.

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        • excideuil
          Erfahrener Benutzer
          Sergent-Major
          • 24.09.2009
          • 207

          #34
          Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
          Ergo???
          Welche anderesgearteten Ziele haben die Engländer denn, Deine Meinung nach, gehabt
          - besondere im Zusammenhang mit Ney?!?
          Oder sprichst Du von und für die Whigs, die sich im Nachgang über Wellingtons Indifferenz zum Fall Ney empörten?
          Der Gedanke des Absolutismus, der der Heiligen Allianz innewohnte war den Engländern fremd.
          Tatsache ist aber, dass die Engländer 66 Millionen Pfund Subsidien an die verbündeten Staaten zahlten, um die franz. Hegemonie und die Kontinentalsperre auf dem Kontinent loszuwerden. Das sind etwa 1500 Milionen Franc, etwa die Hälfte der Summe, die die Finanzkrise in Frankreich auslöste und zur Revolution führte.
          In meinen Augen Grund genug, um als Sieger dafür zu sorgen, dass sich dies nicht wiederholt.
          Was nun die parlamentarische Opposition angeht, gehört sie noch heute zum guten Ton.

          Grüße
          excideuil

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          • excideuil
            Erfahrener Benutzer
            Sergent-Major
            • 24.09.2009
            • 207

            #35
            Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
            Zumindest meinereiner nimmt ihm diesen Seelenzustand sehr wohl ab.
            1814 gezwungen von den Umständen (ua auch durch das Verhalten seines Kaisers) zu Aktionen, die er von selbst niemals ergriffen hätte - dem eigentlichen Verrat seiner Ideale:
            Sich dem König, den verhassten Bourbonen zu unterwerfen zu müssen - Welche Schande!
            Ist das mit Motivation gemeint?

            Dann die geläuterte Rückkehr vom Regen in die Traufe.
            Unmotiviert? Bestimmt nicht!

            Am Ende konnte man nur einen Tod sterben - und der durfte keine bourbonische Kokarde tragen.
            Nun, ja, ich weiß nicht, ob der Dienst in der napoleonischen Armee irgendwelchen Idealen entsprechen konnte, die mit Idealen der französischen Revolution gleichzusetzen sind. Insofern diente Ney in einer Armee, die den Interessen eines Einzelnen diente, der seine willfährigen Vasallen durchaus großzügig belohnte.

            Fürst zu sein ist schon ein Grund, zu überlegen, richtig nachzudenken. Immerhin gab es etwas zu verlieren.

            Ney hatte sich entschieden, wie andere Marschälle auch.
            War er 1814 wirklich gezwungen? Oder wollte er nur seine Stellung retten? Er hätte doch auch sagen können, ich mache das nicht mit, mag doch wer anders N. übereden! Nein, er hat sich nach vorn gedrängt. Ja, bitte, okay, aber dann über die Konsequenzen jammern? Wenn er politische Entscheidungen trifft, dann muss er sie auch durchstehen.

            Alles andere ist Legende und Propaganda.

            Grüße
            excideuil

            Kommentar

            • Tellensohn
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 16.02.2011
              • 1253

              #36
              Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
              Nun, ja, ich weiß nicht, ob der Dienst in der napoleonischen Armee irgendwelchen Idealen entsprechen konnte, die mit Idealen der französischen Revolution gleichzusetzen sind. Insofern diente Ney in einer Armee, die den Interessen eines Einzelnen diente, der seine willfährigen Vasallen durchaus großzügig belohnte.

              Fürst zu sein ist schon ein Grund, zu überlegen, richtig nachzudenken. Immerhin gab es etwas zu verlieren.

              Ney hatte sich entschieden, wie andere Marschälle auch.
              War er 1814 wirklich gezwungen? Oder wollte er nur seine Stellung retten? Er hätte doch auch sagen können, ich mache das nicht mit, mag doch wer anders N. übereden! Nein, er hat sich nach vorn gedrängt. Ja, bitte, okay, aber dann über die Konsequenzen jammern? Wenn er politische Entscheidungen trifft, dann muss er sie auch durchstehen.

              Alles andere ist Legende und Propaganda.

              Grüße
              excideuil
              Napoleon und Ney sind wie ja eigentlich alle Veteranen der napoleonischen Armee aus der der republikanischen Armee der Revolutionszeit hervorgegangen, einer Armee, die aus der Notwendigkeit entstanden war, das revolutionäre Frankreich gegen den Versuch der Bourbonen zu verteidigen, mit Hilfe der Monarchien Europas das Ancien Régime vollumfänglich wieder herzustellen. Daher hat der Dienst in der napoleonischen Armee selbstverständlich etwas mit den Idealen der französischen Revolution zu tun, mögen diese im Laufe der Zeit auch immer mehr und unter Napoleon vielleicht ganz aus den Augen verloren worden sein.

              Bei allen Differenzen blieben die Bourbonen der Feind Nr.1 aller aus der Revolution hervorgegangenen Soldaten und nur die übelsten Opportunisten und Egoisten haben sich ihnen nach Napoleons Sturz problemlos unterwerfen können (ich rede hier nicht von aristokratischen Wendehälsen vom Schlage eines Talleyrand - ja auch gar kein Soldat - , die sich sowieso immer nur vordergründig und aus reinem Eigennutz der Republik und dann Napoleon untergeordnet haben).

              Wie Mephisto bin ich durchaus der Meinung, dass der Bückling vor den Bourbonen für einen alten Revolutionssoldaten wie Ney wesentlich schlimmer war als die Rückkehr zu seinem alten Weggefährten Napoleon, mochte der sich im Laufe der Zeit auch als noch so grosser Despot erwiesen haben. Geeint blieben sie in ihrem für mich durchaus nachvollziehbaren Widerwillen gegen die Royalisten.

              Rechtlich gesehen war Neys Überlaufen zu Napoleon sicher ein Verrat, aufgrund dessen sich die über Ney verhängte Todesstrafe formal rechtfertigen liess. Ob Ney damit auch aus moralischer Sicht Verrat begangen hat, bleibt dagegen Ermessensache und es hängt auch heute noch vom Standpunkt und der Meinung des jeweiligen Betrachters ab, ob man Neys Abkehr von den Bourbonen als "Verrat" oder eben als Rückkehr zu den eigenen und wahren Werten, schlicht, als Rückkehr zu Aufrichtigkeit und Selbstachtung wertet. Wie schon erwähnt, kann man durchaus auch seine Abkehr von Napoleon im Jahr 1814 als "Verrat" betrachten, und vielleicht sogar als den grösseren. Und so hat es Ney möglicherweise eben zuletzt auch gesehen.

              Ich habe Verständnis für Ney und es ist insbesondere seine allerletzte Entscheidung, nämlich die Weigerung zu fliehen und die Konsequenzen seiner letzten Parteinahme für Napoleon auch und gerade nach dessen endgültigem Scheitern vollumfänglich zu tragen, für die der Mensch Ney meines Erachtens höchste Achtung verdient. Er hat eben gerade nicht über die Konsequenzen gejammert! Ihm nach 200 Jahren noch immer mit hochmütiger Borniertheit ans Schienbein pinkeln zu wollen dafür, dass bzw. obschon er letztlich den Mut gefunden hat, zu seiner Verantwortung zu stehen und weder durch Flucht noch durch eine versuchte erneute Unterwerfung unter die Bourbonen (noch durch Selbstmord) den Hals aus der Schlinge zu ziehen, das ist meiner Meinung nach einfach erbärmlich.

              Gruss, T.
              Zuletzt geändert von Tellensohn; 28.11.2011, 10:21.

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              • Mephisto
                Erfahrener Benutzer
                Capitaine
                • 01.10.2006
                • 625

                #37
                Meine Entrüstung hält sich in Grenzen. ;-)

                Nicht umsonst hat sich das neue Regime nur noch ganze 15 Jahre gehalten - nicht viel mehr als Napoleons - und ist dann mit Schimpf und Schande davon gejagt worden.
                Die haben es eben gleich zweimal nicht hinbekommen... auch nicht mit der Hilfe der Briten.

                War es nicht auch so in Spanien, wo Ferdinand ebenfalls eine Restauration in Gang gesetzt hatte???
                Auch hier versuchten die Briten wohl eher mässigend einzuwirken - was nun wieder Excideuil's Einwurf bestätigt.
                Die Briten waren nur bedingte Restaurateure…:-)

                Ney war schon zu Lebzeiten Legende und ist - mit der unfreiwilligen Hilfe der Bourbonen - durch den an ihm begangenen Justizmord zum Volksheld geworden -
                trotz und vielleicht auch gerade wegen seiner persönlichen Schwächen und Fehler.
                Hatte er nicht als Bauernopfer hinhalten müssen, wo man anderer entweder nicht habhaft werden konnte oder aber diese nicht anzugreifen wagte.
                Gruß
                Mephisto

                "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                • Gunter
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 01.10.2006
                  • 1377

                  #38
                  Man kann es drehen und wenden wie man will - Ney war ein Verräter, weil er seinen rechtmäßigen König verraten hat. Dass er sowas nur durch Flucht ins Ausland überleben konnte, dürfte auf der Hand liegen, gerade weil er sich beim König eingeschleimt hatte.

                  Grüße

                  Gunter

                  Kommentar

                  • excideuil
                    Erfahrener Benutzer
                    Sergent-Major
                    • 24.09.2009
                    • 207

                    #39
                    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                    Man kann es drehen und wenden wie man will - Ney war ein Verräter, weil er seinen rechtmäßigen König verraten hat. Dass er sowas nur durch Flucht ins Ausland überleben konnte, dürfte auf der Hand liegen, gerade weil er sich beim König eingeschleimt hatte.
                    Grüße
                    Gunter
                    Gunter bringt es auf den Punkt. Und @Mephisto und @Tellensohn, noch ein Beitrag von mir und dann könnt ihr weiter euren militärischen Volkshelden verehren.

                    Ich persönlich halte nicht viel von Militärs. Das Beispiel Ney in 1814/5 macht es mir auch einfach, dies zu belegen.

                    Bekanntlich hatte es der in Paris verbliebene Großwürdenträger des Kaiserreiches, Talleyrand, es vermocht, den Zaren in seinen Palast einzuquartieren. Die Folge war die Proklamation vom 31.März 1814:

                    "Die Armeen der verbündeten Mächte haben die Hauptstadt Frankreichs besetzt. Die verbündeten Herrscher nehmen die Willensbekundung der französischen Nation entgegen.
                    Sie erklären:
                    Dass die Friedensbedingungen wohl die stärksten Sicherungen bieten sollen, sofern es sich darum handelt, den Ehrgeiz Bonapartes zu fesseln, dass sie aber günstiger sein sollen, wenn Frankreich, durch die Rückkehr zu einer weisen Regierung, selbst die Sicherung dieser Ruhe bietet.
                    Die verbündeten Herrscher verkünden somit:
                    Dass sie nicht mehr mit Napoleon Bonaparte, noch mit einem Mitglied seiner Familie verhandeln werden;
                    dass sie die Integrität des früheren Frankreichs achten werden, wie es unter seinen legitimen Königen bestanden hat. Sie vermögen sogar mehr zu tun, denn sie achten stets den Grundsatz, dass für das Wohl Europas ein großes, starkes Frankreich nötig ist;
                    dass sie die Verfassung anerkennen und garantieren werden, die die französische Nation sich geben wird. Sie fordern daher den Senat auf, eine provisorische Regierung zu bestimmen, die für die Bedürfnisse der Verwaltung Sorge trägt und die Verfassung vorbereitet, die dem französischen Volke genehm ist.
                    Die Willensmeinungen, die ich hier ausgedrückt habe, sind allen verbündeten Mächten gemeinsam. Alexander [1]

                    (ich habe sie einmal vollständig aufgeführt, um auch zu verdeutlichen, wie milde sich die Alliierten (der Zar und F.W.III als Sieger aufführten!)

                    Talleyrand reaktivierte am 1. April den unter N. zum bloßen Erfüllungsorgan degradierten Senat, der den Beschluss zu einer provisorischen Regierung unter dem Vorsitz Talleyrands beschloss.

                    In der Folge wurde N. als abgesetzt erklärt, das Volk und die Armee von der Treue zu N. entbunden und eine Verfassung "auf der Grundlage der Volkssouveränität , in der einerseits die wesentlichen Errungenschaften der Revolution und des Kaiserreiches festgeschrieben, die andererseits aber entschieden liberaler gestaltet war als die Verfassung des Empire" [2] geschaffen.
                    Es war geplant, dass Ludwig XVIII. nur König werden sollte, wenn er diese Verfassung anerkennt und die Krone aus den Händen des Volkes annimmt.
                    Also eine konstitutionelle Monarchie nach dem Vorbild Englands.

                    Es kam aber aus zwei Gründen anders, einerseits war eine zunehmende Royalisierung zu verzeichnen und andererseits war Ludwig XVIII. klug genug, um sich die Gefolgschaft der Armee zu sichern. Die Armee? Ja, vertreten durch die ehemaligen Marschälle N.
                    Deutlich wurde dies durch die Hofierung der Marschälle und an der Tatsache, dass Monsieur bei seinem Einzug in Paris durch eben die Marschälle, auch Ney, begleitet wurde.
                    Damit wurde es unmöglich, die Verfassung des Senates durchzusetzen. Ludwig gelang es, die salisische Tradition der Thronfolge durchzusetzen, um dann die carte conditionelle etwas anders zu gestalten, die ihm mehr Rechte gab als vorgesehen, die aber immer noch die modernste Verfassung auf dem Kontinent war.

                    Was folgt daraus? Militärs haben oft wenig Gespür für Nuancen, haben in diesem Fall sogar dafür gesorgt, dass die königliche Macht eher der Tradition des ancien régime entsprach als von Staatsmännern wie Talleyrand vorgesehen.

                    Und 1815? Große Sprüche und dann?

                    Und wie war das mit N. Rückkehr?

                    "Selbst das eigene Land erkennt die Trikolore nicht an. Aufstände im Süden, im Westen: die Bauern haben die ewigen Rekrutierungen satt und knallen auf die Gendarmen, die ihre Pferde wieder zu den Kanonen holen wollen. Auf den Strassen kleben höhnische Plakate, die im Namen Napoleons dekretieren:

                    "Artikel I. Es haben mir jährlich dreihunderttausend Schlachtopfer geliefert zu werden.
                    Artikel II. Unter Umständen werde ich diese Zahl auf drei Millionen erhöhen.
                    Artikel III. Alle diese Opfer werden mit der Post zur großen Schlächterei geliefert."

                    Kein Zweifel, die Welt will Frieden, und alle Vernünftigen sind bereit, den unerwünscht Heimgekehrten zum Teufel zu schicken, wenn er nicht den Frieden garantiert, und - tragisches Schicksal - nun, da der Sodatenkaiser zum erstenmal wahrhaft Ruhe haben will für sich und die Welt, vorausgesetzt, dass sie ihm die Herrschaft lasse, nun glaubt ihm die Welt nicht mehr. Die braven Bürger, voll Angst um ihre Rente, teilen nicht die Begeisterung der Halbsoldoffiziere und professionellen Hahnenkämpfer, denen der Frieden Störung der Geschäfte bedeutet, und kaum dass ihnen - notgedrungen - Napoleon ein Wahlrecht gibt, so schlagen sie ihm ins Gesicht, indem sie gerade diejenigen wählen, die er seit fünfzehn Jahren gewaltsam verfolgt und im Dunkel gehalten, die Revolutionäre von 1792, Lafayette und Lanjuinais..."

                    Betrachtet man folgende Zahlen, dann wird deutlich, dass die Bourbonen wohlgelittener waren als N.:

                    Am 21. Juni stieg bei der Nachricht von der Schlacht bei Waterloo die Staatsrente um 2 Franken auf 55 Franken. Bei der Nachricht von der Abdankung schnellte sie auf 59,60 Franken. [4]

                    Ney hatte sich falsch entschieden, keine Frage, aber deswegen ein Held? Da spielt wohl eher die Eitelkeit eine bedeutende Rolle.

                    Noch ein Wort zu Spanien. Die beiden Restaurationen kann man nicht vergleichen. Ferdinand führte tatsächlich das alte System wieder ein, während in Frankreich die modernste Verfassung des Kontinentes in Kraft blieb.

                    Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
                    Bei allen Differenzen blieben die Bourbonen der Feind Nr.1 aller aus der Revolution hervorgegangenen Soldaten und nur die übelsten Opportunisten und Egoisten haben sich ihnen nach Napoleons Sturz problemlos unterwerfen können (ich rede hier nicht von aristokratischen Wendehälsen vom Schlage eines Talleyrand - ja auch gar kein Soldat - , die sich sowieso immer nur vordergründig und aus reinem Eigennutz der Republik und dann Napoleon untergeordnet haben).
                    Ich habe einen Halbsatz hervorgehoben. Gehört dann Ney nicht auch dazu?

                    Richtig, Talleyrand mochte keine Militärs. Der nach Goethe erste Diplomat des Jahrhunderts, unterwarf sich nicht den Bourbonen. Ganz im Gegenteil, wie ich oben ausführte.

                    Grüße
                    excideuil

                    [1] Ferrero, Guglielmo: „Wiederaufbau – Talleyrand in Wien“, Leo Lehnen Verlag, München, (1950), Seiten 102-103
                    [2] Sellin, Volker: Die geraubte Revolution – Der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2001, Seite 16
                    [3] Zweig, Stefan: „Joseph Fouché – Bildnis eines politischen Menschen“, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2000, Seite 232-233
                    [4] Aubry, Octave: „Sankt Helena“ (1-Die Gefangenschaft Napoleons, 2-Der Tod des Kaisers), Eugen Retsch Verlag, Erlenbach-Zürich und Leipzig, o.J. Bd. I, Seite 33
                    Zuletzt geändert von excideuil; 28.11.2011, 20:49.

                    Kommentar

                    • Mephisto
                      Erfahrener Benutzer
                      Capitaine
                      • 01.10.2006
                      • 625

                      #40
                      Hallo Excedeuil,

                      Und @Mephisto und @Tellensohn, noch ein Beitrag von mir und dann könnt ihr weiter euren militärischen Volkshelden verehren.
                      Zu viel der Ehre – nein, ich würde Ney nicht zu meinen Helden zählen.
                      Ich glaube auch nicht, dass ich ihn im Laufe der Diskussion über Gebühr gelobt hätte.
                      Nur weil ich Verständnis ausdrücke für seine Taten, heisst das noch nicht, dass ich sie bewundere.
                      Allerdings nehme ich mir heraus, den ersten Verrat für den größeren zu halten. Geschmackssache.
                      An Gunters Aussage ist für mich nichts Anstössiges zu finden.
                      Nichtsdestotrotz ist Ney in Frankreich zum Volkshelden ge- (macht) worden – für mich vor allem wegen seiner persönlichen Tragik.
                      Kann man nun mal weder vom König noch von T. sagen.
                      (Ich kann weder etwas für das eine wie für das andere.)

                      Und 1815? Große Sprüche und dann?
                      Das betrifft doch wohl beide Seiten.
                      Auch Unruhen gab es - jeweils auf beiden Seiten.

                      die Welt will Frieden
                      Das will sie immer – die Frage ist nur jeweils, um welchen Preis dieser zu gewinnen ist.
                      Der Preis, der unter den Bourbonen zu zahlen war, war anscheinend auch kein billiger -Siehe 1830.
                      Napoleon hat keinen Frieden gebracht und musste gehen.
                      Die Bourbonen keine Freiheit….
                      Die „modernste Verfassung“ hat das Volk wohl nicht so richtig empfunden, oder?
                      Noch ein Wort zu Spanien. Die beiden Restaurationen kann man nicht vergleichen.

                      Ich habe in Bezug auf Spanien insbesondere die englische „Beschwichtigungspolitik“ verglichen, die Deine ursprüngliche Aussage zu den Engländern bestätigt.
                      Wellington persönlich hat hierfür nach Spanien reisen müssen.
                      In Spanien wie in Frankreich gab es eine Welle des Terrors – wobei der in Spanien wohl vom König und der in Frankreich von den Adeligen gelenkt scheint.

                      Der nach Goethe erste Diplomat des Jahrhunderts
                      Goethe hat nicht nur etwas zu T gesagt.
                      Dir ist sicher bewusst, was er zu N gesagt hat, oder!?! Alles relativ. ;-)
                      Ich erübrige mir denn auch die Zitierung der Napoleonischen Verfassung des Jahres 15.
                      Zuletzt geändert von Mephisto; 28.11.2011, 21:26.
                      Gruß
                      Mephisto

                      "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                      nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                      • Mephisto
                        Erfahrener Benutzer
                        Capitaine
                        • 01.10.2006
                        • 625

                        #41
                        Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                        Man kann es drehen und wenden wie man will - Ney war ein Verräter, weil er seinen rechtmäßigen König verraten hat. Dass er sowas nur durch Flucht ins Ausland überleben konnte, dürfte auf der Hand liegen, gerade weil er sich beim König eingeschleimt hatte.

                        Grüße

                        Gunter
                        Soweit so gut.
                        Das Urteil ist schnell gesprochen.
                        Die Schwierigkeit lag wohl darin, wer das Urteil sprechen sollte/wollte.
                        Die Abstimmung war namentlich - da musste man Flagge zeigen.
                        Counter-sucking-up, sozusagen...
                        Hat man dann ja auch getan.
                        Zuletzt geändert von Mephisto; 28.11.2011, 21:40.
                        Gruß
                        Mephisto

                        "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                        nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                        • Tellensohn
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 16.02.2011
                          • 1253

                          #42
                          Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
                          Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
                          Bei allen Differenzen blieben die Bourbonen der Feind Nr.1 aller aus der Revolution hervorgegangenen Soldaten und nur die übelsten Opportunisten und Egoisten haben sich ihnen nach Napoleons Sturz problemlos unterwerfen können (ich rede hier nicht von aristokratischen Wendehälsen vom Schlage eines Talleyrand - ja auch gar kein Soldat - , die sich sowieso immer nur vordergründig und aus reinem Eigennutz der Republik und dann Napoleon untergeordnet haben).
                          Ich habe einen Halbsatz hervorgehoben. Gehört dann Ney nicht auch dazu?
                          Nein, er gehört nicht dazu, denn es hat ihm ganz offensichtlich an der inneren Überzeugung gefehlt, mit seiner Unterwerfung unter die Bourbonen das Richtige getan zu haben. Sein grossartiges Versprechen, Napoleon notfalls in einem eisernen Käfig nach Paris bringen zu wollen, ist meines Erachtens Ausdruck eines Geistes, der sich seiner Sache nicht sicher ist und daher mit überzogenen Äusserungen die Zweifel anderer, primär aber seine eigenen Zweifel zu zerstreuen versucht. Die Rückkehr Napoleons hat ihm klar gemacht, wohin er wirklich gehören wollte. Und dort hat er bis zum Schluss verharrt. Also kein Opportunist, der sich immer wieder nach dem Winde dreht.

                          Zu deinen abstrusen Ausführungen zur angeblich modernsten Verfassung Europas im neobourbonischen Frankreich hat sich Mephisto bereits hinreichend geäussert. Papier ist geduldig, auf die Realität kommt es an.

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                          • Gunter
                            Erfahrener Benutzer
                            Chef de Bataillon
                            • 01.10.2006
                            • 1377

                            #43
                            Die Frage, ob das Verfahren über Neys Verrat an den König rechtlich einwandfrei war, ist sicher diskussionswürdig. Dass er des Verrates schuldig war, wusste er selbst ganz genau. Sonst hätte er sich bei Waterloo nicht so exponiert. Entweder wollte er einen Sieg erzwingen oder er wusste schon während der Schlacht, dass alles schief ging und er geliefert sein würde, wenn er nicht sofort den Tod suchte. Letztlich hat er in guter napoleonischer Tradition seine eigene Legende inszenieren helfen, unter höherem Einsatz und dramatischer als Napoleon selbst. Kam sein Verhalten nicht einer Art Selbstmord gleich? Die Alternative wäre eine ziemlich erbärmliche Existenz gewesen.

                            Mich würde in diesem ganzen Zusammenhang interessieren, ob es in Neys letzter Lebenszeit Vorwürfe aus den Reihen der Armee gegeben hat, die ihm eine Mitschuld an der Niederlage anlasteten, wie Grouchy oder Soult das später passiert ist. Er scheint ja vor Waterloo nicht so recht wohlgelitten gewesen zu sein, gerade beim Kaiser. Möglicherweise ist sein Verhalten bei Waterloo auch das einer Unperson, die versuchte, durch persönliche Tapferkeit öffentliche Kritik einzudämmen. Ein ähnliches Beispiel ist Barclay de Tolly bei Borodino.

                            Grüße

                            Dr. S.

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                            • Mephisto
                              Erfahrener Benutzer
                              Capitaine
                              • 01.10.2006
                              • 625

                              #44
                              Von Kommentaren von Militärs während seiner (nur noch kurzen) Rest-Lebenszeit weiss ich nichts.
                              Aber das wäre wirklich interessant!
                              Ich habe die veröffentlichte Stellungnahme seines Sohnes gegen die Vorwürfe Gourgaud/Napoleon.
                              Aber beide kamen ja viel später.
                              Zuletzt geändert von Mephisto; 28.11.2011, 22:52.
                              Gruß
                              Mephisto

                              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                              • Tellensohn
                                Erfahrener Benutzer
                                Chef de Bataillon
                                • 16.02.2011
                                • 1253

                                #45
                                Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                                Die Frage, ob das Verfahren über Neys Verrat an den König rechtlich einwandfrei war, ist sicher diskussionswürdig. Dass er des Verrates schuldig war, wusste er selbst ganz genau. Sonst hätte er sich bei Waterloo nicht so exponiert. Entweder wollte er einen Sieg erzwingen oder er wusste schon während der Schlacht, dass alles schief ging und er geliefert sein würde, wenn er nicht sofort den Tod suchte. Letztlich hat er in guter napoleonischer Tradition seine eigene Legende inszenieren helfen, unter höherem Einsatz und dramatischer als Napoleon selbst. Kam sein Verhalten nicht einer Art Selbstmord gleich? Die Alternative wäre eine ziemlich erbärmliche Existenz gewesen.
                                Das wäre ja eine ganz neue Definition von Selbstmord. Selbstmord durch Erschiessungskommando

                                Dass Ney seinen Abgang auch mit inszeniert haben dürfte, um seinen Ruf zu retten bzw. aufzupolieren, wurde hier ja auch schon gesagt, also nichts Neues. Und er hat das nicht nur unter höherem Einsatz (als Napoleon selber) getan, sondern unter dem höchstmöglichen. Ist mir schleierhaft, wie man dieses Verhalten andauernd in den Dreck ziehen kann. Für einen Helden halte ich ihn deshalb auch nicht, aber man kann es würdigen. Hätte er einen intriganten und opportunistischen Charakter gehabt wie andere, wäre ihm das sicher nicht passiert und er hätte sein Ticket in die Freiheit postwendend genutzt. Dass die Alternative zum Erschiessungskommando eine ziemlich erbärmliche Existenz gewesen wäre, ist eine reine Vermutung. Hätte sein Wesen jenem eines Talleyrand entsprochen, hätte er sich vielleicht mit dem nächstbesten Schiff in die USA verabschiedet und dort dafür gesorgt, dass Madison der erste "King of America" unter seiner Herrschaft wird...

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