Napoleon, ein Aggressor?

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  • KDF10
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 19.12.2010
    • 1278

    #31
    Hallo Mephisto,

    was deinen Beitrag von gestern abend (21:29 Uhr) betrifft, stimme ich weitgehend damit überein. 1806 ging der Krieg von Preußen aus, 1809 von Österreich. Was die Koalitionskriege bis 1799 betrifft, hast du ebenfalls recht. Diese Kriege sind von mir auch nicht erwähnt worden. Ägypten hat in meinen Augen eine Sonderstellung. Der Vorschlag dazu soll von Napoleon gekommen sein. Da er nicht die politische Verantwortung in Frankreich trug, ist das aber (in meinen Augen) nicht als Agression Napoleons einzustufen. Ich bin grundsätzlich dagegen Napoleon für alles verantwortlich zu machen. Den Krieg von 1809 wollte Napoleon nicht, er hatte genug auf der Iberischen Halbinsel zu tun. Der Zar hat versucht auf Österreich einzuwirken, um den Krieg zu verhindern. Letztendlich aber nur mit einer halbgaren Maßnahme, nämlich mit dem Hinweis auf den Vertrag von Tilsit, der ihn verpflichtete, bei einem Angriff Österreich, Napoleon zu unterstützen. Den Hinweis hätte er sich schenken können, denn das war in Wien bekannt.

    Gruß

    Dieter

    P.S.: Dass Louise Kriegstreiberin Nr. 1 gewesen sein soll, ist napoleonische Propaganda.
    Zuletzt geändert von KDF10; 13.02.2012, 15:32.

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    • excideuil
      Erfahrener Benutzer
      Sergent-Major
      • 24.09.2009
      • 207

      #32
      Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
      Nun kann man natürlich jeden General, der einen Angriffskrieg plant und ausführt als Aggressoren beschimpfen.
      Italien 1797/8 war aber nun mal nicht "sein" Krieg. Die Verantwortlichkeit war eine andere.
      Damit verbietet es sich nmE, diesen in eine Reihe mit dem Russlandfeldzug zu stellen.
      Wieso wußte ich, dass Einwände kommen würden? (siehe meinen Beitrag oben)
      Dir dürfte aber nicht mein Hinweis auf die aggressive Außenpolitik der bürgerlichen Frankreichs entgangen sein. Und dieser Hinweis war nicht personalisiert!
      Dennoch, der Italienfeldzug war die Möglichkeit für Bonaparte, immerhin vorher arbeitslos, sich auszuzeichnen. Na, ja, und die Huldigungen, die er in Mailand erhielt ...
      Insofern war es doch sein (ganz privater) Feldzug.
      Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
      ...und noch ein besonderes Wort an excideuil:
      Du erinnerst Dich, Italien war derzeit keine Republik.

      Staatskasse Österreich - Staatskasse Frankreich...
      Wohin das Geld ging, durfte dem Durchschnittsitaliener der damaligen Zeit wohl eher egal sein, denkst Du nicht!?!
      Die Darstellung Ns als demjenigen, der den Italienern das Öl aus dem Salat gestohlen hat, ist irreführend.
      Dazu hätte das Öl nicht über Jahrzehnte zuvor schon durch Habsburger und Boubonen abgezapft werden dürfen.
      Die Unterdrückung der Italiener durch die Österreicher war kein Idealzustand (und - bevor Du etwas einwendest :-) - wurde auch nicht durch einen solchen ersetzt).
      Was vor dem Feldzug N. nach Italien statt fand, ist doch völlig irrelevant. Entscheidend ist doch, dass die Millionen jetzt nach Paris flossen, und damit erklärt sich der Zweck der Aggression: Geld! Viel Geld, mit dem sich das Direktorium etwas länger halten konnte. Josephine hat auch davon profitiert.
      Anders gesagt, ich halte es für wenig zielführend, aus einer vermeintlich unrechtlich erkannten Handlung eines anderen eine Legitimierung der eigenen Handlung ziehen zu wollen, die im Grunde dasselbe Ergebnis hat.

      Grüße
      excideuil

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      • derHerzog
        Neuer Benutzer
        Soldat
        • 01.02.2012
        • 26

        #33
        Napoleon in der öffentlich(-rechtlich)en Darstellung

        Hab einige Beispiele gefunden, wie Napoleon so in den öffentlich-rechtlichen Medien dargestellt wird.
        eine erste Trouvaille bezieht sich auf eine Dokureihe mit dem Titel "die Habsburger". (http://www.youtube.com/watch?v=zeHoNjopQUo) Im Teil 9 befasst sich der Film mit den Folgen der napoleonischen Kriege.
        Zur Entstehungsgeschichte der Schlacht von Waterloo kommen folgende Aussagen vor:




        • Napoleon, der überraschend von Elba zurückgekehrt war und Europa wieder mit Krieg bedrohte. (ab 03:45)
        • Napoleon versuchte noch einmal, die Macht an sich zu reissen (ab04:10) und wie gewohnt führte er die Entscheidung per Waffengewalt herbei.
        • ..und Europa nimmt die Herausforderung an (ab 04:30)..

        Nun hat Napoleon wohl vor der Schlacht von Waterloo bei den in Kongressteilnehmern in Wien um Frieden nachgefragt, wie ich aus einem Internetforum zur Schlacht bei Waterloo entnehmen konnte.

        (http://www.waterloo1815.de/index.php?option=com_content&task=view&id=3&Itemid =3)
        Auf dem immer noch tagenden Wiener Kongress übernahm Talleyrand die Initiative und versammelte die Anwesenden hinter sich. Als verbrecherischer Akt wurde Napoleons Rückkehr verurteilt. England, Russland, Österreich und Preußen vereinbarten jeweils 150.000 Soldaten gegen Napoleon zu mobilisieren.
        Napoleons Friedensangebote kamen ungeöffnet zurück. Wenn er das Kaiserreich sichern wollte, musste er wieder zu den Waffen greifen.
        (http://www.waterloo1815.de/index.php?option=com_content&task=view&id=3&Itemid =4)
        Auf dem Wiener Kongress hatten die Anwesenden schon am 13. März eine förmliche Achtserklärung gegen Napoleon erlassen und am 25. März ihr Bündnis gegen ihn erneuert und die Zusammenziehung ihrer Heere beschlossen. [...]
        Allerdings war die Meinung in den ehemals von Frankreich besetzten Ländern nicht durchweg gegen Napoleon. Ganz im Gegenteil, die Länder des Rheinbundes konnten sich bereits zu Beginn der Befreiungskriege nur schwer für die preußisch-russische Sache erwärmen und nur in Preußen saß ein tiefer Hass gegen Frankreich.
        Außerdem erhoffte man sich in Berlin aus dem neuen Krieg mehr, als von dem Frieden von Wien.
        "Dies ist das größte Glück, was Preußen begegnen konnte, nun fängt der Krieg von neuem an und die Armee wird alle in Wien begangenen Fehler wieder gut machen", sagte Blücher, nachdem er die Nachricht von der Rückkehr Napoleons erhalten hatte.
        Damit ist es schon mal hinfällig, dass Napoleon Europa herausgefordert hat. Zum anderen ist es auch nicht richtig, dass er vor Waterloo die Entscheidung per Waffengewalt gesucht hat oder dass er Europa mit Krieg bedrohte.
        Aber dem Zuschauer wird dabei noch implizit noch manches andere eingeflüstert: Napoleon hätte Europa schon einmal mit Krieg bedroht, er versuchte es schon einmal die Macht (in Europa) an sich zu reissen und man sei gewohnt, dass er die Entscheidung mit Waffengewalt herbeiführe...


        Weitere Beispiele aus der in diesem Forum schon einmal besprochenen Sendung Planet Wissen zu Napoleon:
        http://www.planet-wissen.de/politik_...leon/index.jsp



        • Nachdem er sich 1802 schon zum Konsul auf Lebenszeit hat ernennen lassen, folgt 1804 die Krönung zum Kaiser von Frankreich. Dabei wagt Napoleon den Eklat: In der Pariser Kathedrale Notre Dame entreißt er dem Papst die Krone und krönt sich kurzerhand selbst. Getrieben vom Willen, wie sein Vorbild Karl der Große Herrscher Europas zu sein, führt er als Kaiser Napoleon I. seine aggressive Expansionspolitik fort. Er erobert Italien und Holland und setzt seine Brüder als Könige der Vasallenstaaten ein.
        • Mit raschen Angriffskriegen bringt Napoleon eine neue Kriegsphilosophie auf.


        Ergänzung am 18.02:

        Habe hierzu auch noch was auf den Internetseiten von ARTE gefunden: (http://www.arte.tv/de/1206630.html)

        Er überzieht Europa mit blutigen Kriegen, aber seine Truppen bringen auch die Ideen der Revolution mit.
        ---Ende Ergänzung----

        Semper aliquid haerit: Irgendwas bleibt schon hängen...

        Ich möchte die Punkte nicht im Einzelnen diskutieren, aber mir scheinen da doch eher Halbwahrheiten suggeriert zu werden, auf denen das "Bauchwissen" über den Aggressor Napoleon in der Öffentlichkeit hierzulande zu fussen scheint.
        Derartige Darstellungen sind auch das Motiv meiner Umfrage zu dem Thema.
        Zuletzt geändert von derHerzog; 18.02.2012, 09:30. Grund: Ergänzung

        Kommentar

        • derHerzog
          Neuer Benutzer
          Soldat
          • 01.02.2012
          • 26

          #34
          Was verstehe ich unter einem Aggressor?

          im folgenden möchte ich für diese Diskussion klären, was ich mir bei der Fragestellung unter einem Aggressor vorgestellt hatte und wie sich diese Vorstellung durch die Diskussion entwickelt hatte:
          Führte Napoleon tatsächlich eine aggressive Expansionspolitik, wie in Planet Wissen behauptet?
          Expansionspolitik bedeutet erobern und unterwerfen. Das tat Napoleon zweifellos. Das Erobern und Unterwerfen zeichnet einen Eroberer und Hegemonen aus, aber nicht unbedingt einen Aggressor.

          Die Schlüsselfrage ist und bleibt: Wer hat zuerst angegriffen oder wer hat den Krieg erklärt?


          Um die Frage zu klären, wie aggressiv die Expansionspolitik Napoleons war, sollte geklärt werden, ob er wirklich Angriffskriege führte oder ob es lediglich seine offensive Art war, Krieg zu führen, die ihm den Anschein eines Aggressors eingehandelt hat.
          Zitat von Nikolaj Beitrag anzeigen
          Wenn auch in unseren Zeiten Napoleon als Agressor wahrgenommen wird, liegt das mE nicht an den politischen Umständen des 20. Jh, sondern viel mehr in der Tatsache begründet, dass seine Feldzüge in erster Linie vorwärts der französischen Grenzen stattfanden bzw. N. politisch wie militärisch wesentlich initiativer operierte, als seine Gegner.
          In anderen Fällen (etwa Russland 1812) steht für mich die politisch-strategische Initiative (warum eigentlich den ethisch von vorne herein negativ konnotierten Begriff "Agression" verwenden?)
          Weil es mir tatsächlich um den Angriffskrieg geht.

          Dazu eine Definition aus Wikipedia:
          Angriffskrieg bezeichnet die Kriegsführung eines Staates, bei der dieser als Angreifer einen anderen Staat auf dessen Territorium angreift, ohne dass der Angreifer (oder ein anderer Staat) entweder von dem angegriffenen Staat vorher selbst angegriffen worden wäre, ein solcher Angriff unmittelbar bevorstehen würde, oder der angegriffene Staat dem Angreifer den Krieg erklärt hätte oder Teile seines Territoriums besetzt hält.
           
          Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
          Nun kann man natürlich jeden General, der einen Angriffskrieg plant und ausführt als Aggressoren beschimpfen.
          Genau hierum geht's auch: Hier muss ich mich selber auch teilweise korrigieren: Die Frage ist damit schon, inwieweit Napoleon als reiner Militärbefehlshaber, also ohne politische Ämter als Konsul oder Kaiser einen Angriffskrieg nach obiger Definition plante oder befürwortete und nicht nur ausführte.
          Was den Ägyptenfeldzug betrifft, wären die Kriterien für den Angriffskrieg erfüllt. Allerdings möchte ich diesen Krieg ausnehmen, weil es mir hauptsächlich um die Einschätzung der Konflikte in Europa geht.
          Zuletzt geändert von derHerzog; 15.02.2012, 20:51.

          Kommentar

          • muheijo
            Erfahrener Benutzer
            Capitaine
            • 01.10.2006
            • 553

            #35
            Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
            Die Frage ist damit schon, inwieweit Napoleon als reiner Militärbefehlshaber, also ohne politische Ämter als Konsul oder Kaiser einen Angriffskrieg nach obiger Definition plante oder befürwortete und nicht nur ausführte.
            Also das Italien-Beispiel ist wirklich blød. Er hat nunmal das Kommando ueber die Italien-Armee von seiner Regierung bekommen. Der Krieg war schon da.
            Ein General hat die Aufgabe, gegenueber dem Feind siegreich zu sein.
            Er hætte es natuerlich machen kønnen wie seine Vorgænger, und irgendwie die Zeit in den Alpen absitzen kønnen, bei schlechter Versorgung.
            Den genialen Plan, stattdessen die Østerreicher in Italien anzugreifen und zu besiegen, und die Versorgung seiner hungernden Soldaten dort sicherzustellen, kann man weder Napoleon noch sonst irgendeinem General als Agression vorwerfen, ich finde das geradezu absurd.
            Ich kann auch nicht feststellen, dass die folgenden staatlichen Umkrempelungen in Italien auf breiten Widerstand gestossen sind, im Gegenteil.

            In das Kapitel "Aggressor" passt sicherlich Spanien. Russland vielleicht, immerhin ist man ohne Kriegserklærung einmarschiert. Er hætte vielleicht abwarten sollen, bis Russland angegriffen hætte.
            Geruestet und sich vorbereitet fuer den "Showdown" haben sich beide Seiten.

            Einen Aggressor sehe ich zunæchst mal in England - Vernichtung der dænischen Flotte, Aufstacheln der "Festlandsdegen" Østerreich, Preussen, Russland gegen N, Zahlung von Geldern dafuer, usw. usw. --> das sind Aggressionen, gegen die N leider kein richtiges Rezept fand.
            Die Kontinentalsperre als Antwort half nicht, im Gegenteil, die Logik des Handelskrieges zwang ihn zu immer neuen Aktionen, Annexionen und Besetzungen, die in Europa sicherlich als Aggression aufgefasst wurden, so wie Spanien und eben der Russlandfeldzug.

            Gruss, muheijo

            Kommentar

            • Mephisto
              Erfahrener Benutzer
              Capitaine
              • 01.10.2006
              • 625

              #36
              Dem Gesagten schliesse ich mich gerne an. rost:
              Gruß
              Mephisto

              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

              Kommentar

              • Marie
                Erfahrener Benutzer
                Sergent-Major
                • 27.04.2011
                • 196

                #37
                Ich auch. Besonders, was die Einschätzung Englands angeht.
                Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

                Kommentar

                • derHerzog
                  Neuer Benutzer
                  Soldat
                  • 01.02.2012
                  • 26

                  #38
                  Zwischenergebnis

                  Fassen wir noch einmal zusammen:
                  Napoleon wird gegenwärtig als aggressiver Eroberer eingeschätzt.
                  Das kann jedoch nur für seine Art Krieg zu führen gelten, die Kriege gingen jedoch meistens
                  nicht von ihm aus.

                  1. Koalitionskrieg: Kriegserklärung Frankreichs an Österreich durch Ludwig XVI auf Spannungen
                  zwischen dem revolutionären Frankreich und anderen europäischen Mächten. Kriegserklärung
                  Preussens an Frankreich.
                  Angriff der Koalitionäre auf französischen Territorium.
                  Der Italienfeldzug Napoleons wandte sich gegen das Königreich Sardinien-Piemont, das sich
                  vorher auf die Seite Österreichs schlug und auch Frankreich den Krieg erklärte. - dazu habe
                  ich keine Quelle, hat sie einer von Euch?

                  2.Koalitionskrieg: Auch der zweite Koalitionskrieg begann nicht auf die Initiative Napoleons.
                  Als Reaktion auf zunehmende Bündnisse der anderen Mächte Europas gegen Frankreich (Österreich
                  und Russland) erklärten Regierenden in Paris Österreich den Krieg.
                  Andere Europäische Länder und das Reich schlossen sich an.
                  Aber bereits hier stellt sich die Frage, inwieweit der vorangegangene Ägypten-Feldzug
                  Napoleons die Stimmung auf dem Kontinent gegen Frankreich verschlechterte.

                  3.Koalitionskrieg: angebliche Verletzungen der vorangegangenen Friedensverträge und
                  Revisionsbestrebungen im Deutschen Reich führten zur Dritten Koalition. Österreich begann den
                  Krieg gegen Napoleon der inzwischen Kaiser war, durch einen Angriff auf Bayern. Folge:
                  Austerlitz, Rheinbund, Ende des Heiligen Römischen Reiches. Napoleon herrscht auf dem
                  Kontinent.
                  Aber auch Trafalger, England bleibt unbesiegt und ein Problem für Napoleon.
                  Die Durchsetzung der Kontinentalsperre und das Fordern der benötigten Truppenkontingente
                  führen in Deutschland zu immer mehr Repression von seiten Napoleons.
                  Zitat von muheijo Beitrag anzeigen
                  Die Kontinentalsperre als Antwort half nicht, im Gegenteil, die Logik des
                  Handelskrieges zwang ihn zu immer neuen Aktionen, Annexionen und Besetzungen, die in Europa
                  sicherlich als Aggression aufgefasst wurden, so wie Spanien und eben der Russlandfeldzug.
                  4.Koaltionskrieg: Ging offenbar von Preussen aus, das sich durch das "Traktat von Paris" benachteiligt sah. -
                  Gibt es hierzu Quellen oder weitere Infos?-
                  Dann gab es auch noch das Angebot Napoleons, das preussische Hannover an England zu geben.
                  Was ja auch nicht ganz fair war.

                  5.Koalitionskrieg. Österreich will eine Revanche für Austerlitz und greift an.

                  Letztendlich beschränken sich die kriegerischen Handlungen, die von Napoleon ausgingen, auf den Angriff auf Portugal und den Russlandfeldzug. Zu beidem sah er sich zur Durchsetzung der Kontinentalsperre genötigt. Die beiden Länder waren wohl weniger Ziel eines Eroberungsplanes.


                  Westentlicher Feind für Napoleon war also England. Aber anscheinend gab es mit Grossbritannien zumindest Friedensverhandlungen, was die Sache mit Hannover zeigt.
                  Wie war das Verhältnis von Grossbritannien zu Napoleon genau?

                  Gab es tatsächlich Bestrebungen, sich zu arrangieren, oder aus welchem Motiven blieb man sich spinnefeind?

                  Kommentar

                  • HKDW
                    Erfahrener Benutzer
                    Colonel
                    • 02.10.2006
                    • 2962

                    #39
                    Letztendlich beschränken sich die kriegerischen Handlungen, die von Napoleon ausgingen, auf den Angriff auf Portugal und den Russlandfeldzug. Zu beidem sah er sich zur Durchsetzung der Kontinentalsperre genötigt. Die beiden Länder waren wohl weniger Ziel eines Eroberungsplanes.
                    da machst du es dir aber sehr einfach - nur wegen der Kontinentalsperre sollte also Portugal und Spanien erobert und angegriffen werden - für was wurde dann ein spanisches Königreich von Napoleons Gnaden errichtet??

                    Agressor im Sinne - Besetzung aller möglichen Throne oder auch Schaffung neuer Königreiche für die Sippschaft.

                    Es gab in Europa nur zwei Möglichkeiten - entweder für Napoleon mit absoluter Unterwerfung eigener Interesse und Hinnahme der Ausbeutung des eigenen Staates - oder eben gegen ihn.

                    Es wäre eine interessante Spekulation wenn weder Österreich noch Preußen - noch Russland auf Krieg gesetzt hätten - sondern einfach abgewartet hätten, dann wäre das Heer Napoleons wirtschaftlich nicht zu halten gewesen.

                    Wesentlicher Gegner war England - aber warum?

                    Nicht ohne Grund wurde von französischer Seite zig fach versucht England militärisch mittels einer Invasion anzugreifen - alle fehlgeschlagen.

                    Da komm ich auch noch auf den 3. Koalitionskrieg, da wollte doch Napoleon schließlich England angreifen - eigentlich war die Armee an der Kanalküste doch für diesen Grund zusammengezogen worden - von wem ging dann der Krieg aus?
                    England hat sich eben Bündnispartner gesucht um dieser Drohung militärisch etwas entgegensetzen zu können - die Entwicklung diesen Prozesses habe ich ja mal ausführlich in einen anderen Thread dargestellt.

                    Das politische Ziel Napoleons - Dominanz Europas - Etablierung einer eigenen Erbdynastie, Zerschlagung des Deutschen Reiches und dafür die Erschaffungs eines Gegengewichtes, Besetzung vieler Länder -, bedingunslose Unterwerfung aller anderen verbündeten Staaten unter seinen Willen und letztendlich die Niederwerfung Englands, nachdem es eben militärisch nicht geklappt hat - dann eben wirtschaftlich.

                    Ich denke man war sich spinnefeind weil nicht nur die Engländer, sondern sehr bald der Rest Europas erkannte - dass mit Napoleon keine eigentändige relativ unabhängige Politik mehr zu machen war.

                    Kommentar

                    • Nikolaj
                      Erfahrener Benutzer
                      Sergent
                      • 27.12.2009
                      • 122

                      #40
                      Servus allseits,

                      Zur Frage, warum man sich denn spinnefeind war, ein Versuch aus der österreichischen Perspektive:

                      Napoleon war quasi die lebende Antithese zum habsburgischen Österreich und dem Selbstverständnis der Dynastie. Zum Einen wird N. (wohl nicht korrekt, ja manchmal geradezu grotesk anmutend) mit "Revolution" bzw. mit dem habsburgischen Schreckgespenst "Liberalismus" gleichgesetzt. (Metternich in seiner Pariser Zeit: "Napoleon erschien mir als die Fleisch gewordene Revolution".) Die schwachen (weil mit polizeistaatlichen Methoden unterdrückten) liberalen Ansätze beriefen sich ja auch auf die Revolution und ihr Gedankengut.

                      Zum anderen ist das "Gottesgnadentum" im habsburgischer Herrschaftsverständnis grundlegend. Ein Napoleon, der sich erstens selbst zum Herrscher macht, andererseits Agnatenfürstentümer von eigenen Gnaden schafft, stellt dies ganz grundlegend in Frage.

                      Aus diesen Gesichtspunkten heraus können wir verstehen, dass eine Opposition zu Napoleon schon aus dynastischen und innenpolitischen Gründen eine Überlebensfrage war. Dementsprechend finden wir auch während der ganzen Periode unter den politischen Protagonisten nahezu durchwegs ausgesprochene Napoleon - Gegner wie die Staats- und Konferenzminister Grafen Cobenzl und Stadion, Metternich und in seinem Fahrwasser vor allem Friedrich v. Gentz... eine Kriegpartei, deren Einfluss wir - eingedenk der bekannten Entschlusschwächen des Kaisers Franz gar nicht hoch genug einschätzen können.

                      Friedensperioden wurden sehr pragmatisch gesehen. (wiederum Metternich 1809, als frisch ernannter Aussenminister: "Wir müssen....unser System auf ausschliessliches Lavieren, auf Ausweichen, auf Schmeichelei beschränken. So alleine fristen wir unsere Existenz...bis zum Tag der allgemeinen Erlösung.)

                      Nationale Fragen spielten in dieser Geisteshaltung weit weniger Rolle als im protestantischen Norden - wo wohl das Gottesgnadentum auch weniger Rolle spielte - vermute ich zumindest. (aber dazu werden wohl die Kenner Preussens wohl Fundiertes beisteuern können.) Interessant wäre in dem Zusammenhang auch, inwieweit Hardenberg/Stein/Scharnhorst für Preussen eine ähnliche Rolle spielen, wie Metternich & Co in Österreich.

                      @HKDW:
                      Insoferne bin ich Deiner Ansicht, als N. natürlich seine Armee nicht nach Boulogne zur Kur geschickt hatte. Dennoch: wer nach dem Frieden von Amiens wiederum "angefangen" hat, ist m.E. eine unlösbare Frage - hab ich eher das Bild zweier Bullenbeisser, die partout nicht loslassen wollen. Da waren Malta, Holland, dei Seerüstung, etc. ungelöste Fragen, in denen beide Seiten keine Konsensbereitschaft erkennen lassen. Für mich ist z.B. die bekannte Unterredung des Botschafters Lord Withworth mit Napoleon im März 1803 symptomatisch für diesen Zustand. Hier ein Auszug aus Withworts Bericht (zit. nach Ian Castle, 2005):

                      Napoleon: "So you are determined to go to war.!" "No, First Consul," I replied, "we are too sensible of the advantage of peace." "Why then, these armaments? I have not a ship of the line in the French ports, but if you wish to arm I will arm also. if you wish to fight, I will fight also (...) "We wish," said I "neither the one nor the other (...)

                      Ciao, Klaus

                      Kommentar

                      • KDF10
                        Erfahrener Benutzer
                        Chef de Bataillon
                        • 19.12.2010
                        • 1278

                        #41
                        Zitat von muheijo Beitrag anzeigen

                        In das Kapitel "Aggressor" passt sicherlich Spanien. Russland vielleicht, immerhin ist man ohne Kriegserklærung einmarschiert. Er hætte vielleicht abwarten sollen, bis Russland angegriffen hætte.
                        Geruestet und sich vorbereitet fuer den "Showdown" haben sich beide Seiten.


                        Die Kontinentalsperre als Antwort half nicht, im Gegenteil, die Logik des Handelskrieges zwang ihn zu immer neuen Aktionen, Annexionen und Besetzungen, die in Europa sicherlich als Aggression aufgefasst wurden, so wie Spanien und eben der Russlandfeldzug.

                        Gruss, muheijo
                        Russland hätte nicht angegriffen. Dazu fehlten die Truppen. Bereits 1810 war in Russland klar, dass man Schlachten mit Napoleon ausweichen musste und 1813/14 hätte es ohne die Unterstützung der Preußen und Österreicher auch nicht funktioniert.

                        Die Logik des Handelskrieges zwang ihn [Napoleon] zu immer neuen Aktionen? Ich sehe da keine Logik. Der Angriff auf Portugal hat England die portugiesischen Kolonien geöffnet und der Angriff auf Spanien die spanischen Kolonien. Das englische Commonwealth hat seine damalige Größe somit auch Napoleon zu verdanken. Dass England auch Agressor war, ist unbestritten.

                        Gruß

                        Dieter
                        Zuletzt geändert von KDF10; 18.02.2012, 17:09.

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                        • Chasseur
                          Erfahrener Benutzer
                          Sergent
                          • 16.05.2007
                          • 105

                          #42
                          Wesentlicher Gegner war England - aber warum?

                          ..Weil sowohl Engländern als auch den Franzosen klar war, das es darum ging, die stärkste Macht zu werden. Napoleon, mangels adäquater Flotte mußte sich auf Europa beschränken, während sich die Engländer weltweit bedienten und soviel Land an sich rissen, wie nur möglich, z.B. Kapstadt, Ausweitung der Einflußzonen in Indien, Afrika etc.

                          Nicht ohne Grund wurde von französischer Seite zig fach versucht England militärisch mittels einer Invasion anzugreifen - alle fehlgeschlagen.


                          ...Ja und die ersten Versuche waren unter der Republik die Landungen in Irland und Wales (Fishguard), das ist wohl kaum Napoleon anzukreiden.

                          Da komm ich auch noch auf den 3. Koalitionskrieg, da wollte doch Napoleon schließlich England angreifen - eigentlich war die Armee an der Kanalküste doch für diesen Grund zusammengezogen worden - von wem ging dann der Krieg aus?

                          ..natürlich war die Bedrohung Englands absolut real und deshalb haben die Engländer genau das getan, was schon im siebenjährigen Krieg geholfen hat, sie haben die Feinde Frankreichs bezahlt, um Krieg gegen die Franzosen zu führen



                          Ich denke man war sich spinnefeind weil nicht nur die Engländer, sondern sehr bald der Rest Europas erkannte - dass mit Napoleon keine eigentändige relativ unabhängige Politik mehr zu machen war.

                          ..und genau da sehe ich die Fokussierung auf Napoleon und Frankreich als als viel zu eng gefaßte Sicht der Lage an. Was damals stattgefunden hat, war die Schaffung neuer Einflußspähren und Ausweitung der eigenen Herrschaft.
                          Die Engländer und Franzosen haben einen Kampf fortgeführt, der schon wesentlich früher begann. Die Namen der Akteure sind austauschbar. Ob England gegen Ludwig XIV bis XVI. antritt oder gegen Napoleon ist erst einmal relativ belanglos. Die Interessen beider Länder waren gleichartig und mußten zum Konflikt führen, den die Engländer letztendlich für sich entschieden.
                          Was die Einstellung Englands zu früheren Verbündeten betrifft, zeigt u.a. der Krimkrieg. Einige haben ja schon auf die russische Beurteilung der Kriege gegen Napoleon hingewiesen.


                          Das Napoleon ein Agressor war, bejahe ich.
                          Das er der einzige Agressor war, verneine ich.
                          Wenn man die Frage alleine nimmt, ist sie nicht sehr sinnvoll, weil eine agressive Politik damals absolut üblich war, bei fast allen Groß- und Mittelmächten.
                          Die Beurteilung eines Aspektes wird wohl kaum dazu führen, das man das Gesamtbild sieht.


                          Chasseur

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                          • HKDW
                            Erfahrener Benutzer
                            Colonel
                            • 02.10.2006
                            • 2962

                            #43
                            Insoferne bin ich Deiner Ansicht, als N. natürlich seine Armee nicht nach Boulogne zur Kur geschickt hatte. Dennoch: wer nach dem Frieden von Amiens wiederum "angefangen" hat, ist m.E. eine unlösbare Frage - hab ich eher das Bild zweier Bullenbeisser, die partout nicht loslassen wollen. Da waren Malta, Holland, dei Seerüstung, etc. ungelöste Fragen, in denen beide Seiten keine Konsensbereitschaft erkennen lassen. Für mich ist z.B. die bekannte Unterredung des Botschafters Lord Withworth mit Napoleon im März 1803 symptomatisch für diesen Zustand.
                            Das sehe ich ähnlich.

                            1809 - ähnlich, ohne den Einmarsch Napoleons in Spanien - hätten die Österreicher auch nicht losgeschlagen.

                            Interessant sind die Ausführungen Erzherzogs Karls der eigentlich eine Annäherung oder sogar Bündnis mit den Franzosen vorschlug, als gegen diese schon bereits 1805 in den Krieg zu ziehen.

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                            • KSkreativ
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                              Soldat
                              • 16.11.2011
                              • 24

                              #44
                              Für mich ist z.B. die bekannte Unterredung des Botschafters Lord Withworth mit Napoleon im März 1803 symptomatisch für diesen Zustand.
                              Ich lese mich seit ein paar Wochen durch eine Menge Material, darunter natürlich auch verschiedene Biografien Napoleons. In der von Victor Cronin verfassten, wird recht ausführlich auf das Verhalten Englands und hier ganz besonders Whitworths eingegangen.
                              Wenn das so stimmt wie es da steht, blieb Napoleon ja gar nichts anders übrig, als wieder in den Krieg zu ziehen, oder? Die Engländer haben ja nichts unversucht gelassen.
                              Die Biografie von Johannes Willms steht noch aus, ich schwanke aber noch, ob ich sie mir kaufe, soll ziemlich anti-napoleonisch sein.

                              Grüße, Karin

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                              • HKDW
                                Erfahrener Benutzer
                                Colonel
                                • 02.10.2006
                                • 2962

                                #45
                                Cronin ist ja recht pro - N, Tulards Biographie halte ich für rechts ausgewogen und als Gegenpart von Cronin natürlich - mein Favorit - Presser.

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