Rheinbundtruppen in Russland 1812 - Interview für Nouvelle Revue d'Histoire (Teil 1)

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    • 30.09.2006
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    Rheinbundtruppen in Russland 1812 - Interview für Nouvelle Revue d'Histoire (Teil 1)

    Für die Nummer 60 der französischen, historischen Zeitschrift Nouvelle Revue d'Histoire wurde ich im Rahmen eines Dossiers über die Feldzüge in Russland 1812, 1942 und 2012 (Letzteres etwas seltsam) zum Einsatz der Rheinbundtruppen im Russlandfeldzug befragt.

    Ich habe die beiden Seiten beigefügt, möchte aber im Folgenden noch die von mir auf Deutsch übersandten Antworten (nebst Ausgangsfragen) veröffentlichen.

    1. Jeder der Mitgliedstaaten des Rheinbunds war verpflichtet, Napoleons Bündnistruppen ein bestimmtes Kontingent an Soldaten zur Verfügung zu stellen. Können Sie dieses beziffern (zunächst wie 1806-1807 vorgesehen und dann dessen tatsächliche Mannstärke während des Russlandfeldzugs von 1812)?

    Die Rheinbundakte regelte neben der gegenseitigen Bündnispflicht auch die genaue Bezifferung von zu stellenden Truppen durch die deutschen Rheinbundstaaten. Unter http://www.napoleon-online.de/armee_...ndstaaten.html können diese vorgeschriebenen Zahlen eingesehen und in den Kontext zu Landesgröße und Bevölkerung gesetzt werden. Der Russlandfeldzug ragt aus dem Grund heraus, als an keinem anderen Schauplatz derart viele Soldaten aus den Rheinbundstaaten zum Einsatz kamen. Als Beispiel soll das Königreich Bayern stehen, das mit nominell 30.000 Soldaten das größte Kontingent des Rheinbundes stellen sollte.
    Für den Russlandfeldzug stellten zahlreiche Rheinbundstaaten ihr komplettes Feldheer ab, so Berg oder Westphalen. Selbst in Bayern oder Sachsen blieben nur wenige Haus- und/oder Gardetruppen zurück. Nur mit dieser Kraftanstrengung gelang es dem Rheinbund, etwa 120.000 Mann für den Feldzug gegen Russland abzustellen.


    2. Wie waren die Kampfkraft und die Berufserfahrung (Spanienfeldzug, Feldzug von 1809 gegen Österreich usw.) dieses Truppenkontingents?
    (Vergleichswert der „guten“ Kontingente bayerischer, badischer, sächsischer und hessischer Herkunft im Verhältnis zu den übrigen)

    Da nur wenig Einheiten des Rheinbundes aus Spanien abgezogen und für den Russlandfeldzug (neu) mobilisiert wurden, muss als entscheidender Erfahrungsschatz für die 1812 eingesetzten Truppen der Feldzug von 1809 gelten. Dort erlebten viele Truppen erstmals die moderne französische Form der Divisionsstruktur – aus Infanterie- und Kavalleriebrigaden – und den Kampf an der Seite ihrer französischen Alliierten. Auch wenn für den hohen Bedarf an Soldaten zahlreiche neu ausgehobene Rekruten in den Feldzug zogen, ist die Qualität der in Russland eingesetzten Truppen in den meisten Fällen als gut bis sehr gut einzustufen. So deckten primär die bayerischen Einheiten im Norden und die sächsischen Truppen im Süden die Flanke der zentral vorrückenden Großen Armee – auch weil die ebenfalls dort agierenden preußischen und österreichischen Verbände aus diplomatischen Gründen nicht allzu offensiv gegen die russischen Flankenarmeen vorgehen wollten. Auch darf nicht vergessen werden, dass letztlich die Aufopferung der badischen Husaren und hessischen Chevaulegers an der Beresina den Resten der Großen Armee das Entkommen aus der von russischen Armeen gestellten Falle ermöglichten.
    Als „Eliteeinheiten“ können die Infanterieregimenter aus Baden und Hessen-Darmstadt sowie die sächsische und bayerische Kavallerieregimenter angesehen werden.
    3. Wie sieht es mit der Ausstattung (Bewaffnung) dieser Truppen aus? Welche Arsenale bestückten die „kleinen“ Kontingente wie Nassau, Frankfurt, Anhalt oder Würzburg? (Kriegsbeute ? Material aus Frankreich?)


    Im Zuge der Harmonisierung auch im Bereich der Bewaffnung waren viele Truppen, v.a. die der kleineren und mittleren Rheinbundstaaten, mit Waffen aus französischer Produktion ausgerüstet. Es fanden sich aber auch österreichische Stücke, so in der bayerischen und sächsischen Armee. Bei größeren Ländern wie den Königreichen Bayern und Sachsen mag die Einrichtung eigener Gewehrfabriken oder Geschützgießereien nicht überraschen, selbst das Großherzogtum Baden konnte seine Waffen zum Teil aus eigener Produktion aus St. Blasien beziehen. Berühmt waren auch die deutschen (und österreichischen) gezogenen Gewehre, die eine Verbreitung der Schützeneinheiten in den Rheinbundstaaten begünstigten. Diese Schützenverbände können zum Teil durch die Rekrutierung von Forstbeamten und Jägern als echte „Eliteeinheiten“ angesehen werden.


    4. Zeigt Napoleon ein Interesse, die Offiziere der Bündnisarmee auszubilden? Wie viele von diesen absolvieren die Ecole Polytechnique, Saint Cyr, Metz usw.? Gab es etwas, was man heute als militärische Zusammenarbeit (im Bereich der Ausbildung) bezeichnen würde, zum Beispiel deutsche Offiziere die zum französischen Generalstab abgestellt wurden? (Berthier)


    [quote]Eine wechselseitige Ausbildung von Offizieren ist in größerem, systematischem Umfang nicht bekannt. Sicher konnten vereinzelt Offiziere ihre Erfahrungen auch durch Abstellungen in französisch dominierte Verbände machen. Umgekehrt kann man als Regel jedoch festmachen, dass die Rheinbundtruppen nur selten von eigenen Kommandeuren, sondern von französischen Befehlshabern geführt wurden. Dies führte in manchen Ländern zu einer zum Teil offen zur Schau getragenen antifranzösischen Haltung (siehe u.a. Vortrag über die Gesinnung der bayerischen Soldaten und Offiziere unter http://www.napoleon-online.de/Dokume...ayernArmee.pdf ).[/QUOTE]

    Teil 2 im nächsten Thread ...
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