Übergang der Sachsen am 18.10.1813

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Da Capo
    Erfahrener Benutzer
    Adjudant
    • 23.10.2006
    • 827

    #31
    Cerrini: „ … fand uns Napoleon. Als e bei einer Ankunft, längs der Front hinabritt und ihm die nebenstehenden Franzosen ein lautes „Vive l’Empereur!“ zuriefen , blieben nur die sächsischen Kolonnen stumm. Der Kaiser sprach hierauf mit den Offizieren und Unteroffizieren des 7. Armeekorps, und die frz. Offiziere begleiteten abermals den Schluss der Rede mit einem lauten „Vive l’Empereur!“ doch die Sachsen entfernten sich achweigend …“

    Holtzendorff : „ Gegen 10 Uhr erschien der Kaiser auf seiner Falbe, ritt längs der Front der aufgestellten Truppen hinunter, kehrte zur Mitte des 7. Corps vor die sächsischen Division zurück, ließ durch den Befehl „Formez le cercle!“ einen Kreis formieren und berief sämtliche Offiziere und Unterofffiziere vor die Front. Nachdem Napoleon „Roullement!“ gerufen und dies von den Franzosen geschlagen worden, hielt er mit lauttönender Stimme eine Ansprache, welche der General Collincourt periodenweise übersetzen mußte… Sie bleib … völlig verfehlt. – Es mussten hierauf Mehrere zum Orden der Ehrenlegion vorgeschlagen werden…. Aber auch diese Verleihung des Ordens machte keinen guten Eindruck; Viele glaubten, auch Anspruch darauf zu haben, Andere waren der Meinung, ihn nicht anzunehmen, da der Hass gegen die Franzosen bereits gross war.“

    Eine Leutnant August Kummer gibt es in der Stammliste von 1813 nicht, es scheint der Kummer zu sein, der als Mannschafter bereits zitiert wurde.
    Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

    Kommentar

    • Da Capo
      Erfahrener Benutzer
      Adjudant
      • 23.10.2006
      • 827

      #32
      Sorry, habsch vergessen.

      Probsthayn würde mich auch brennend interessieren. Denn wenn es Friedrich Gottlieb Probsthayn von der 1.reitenden Batterie ist, dann ist er einer der am 09.10. zur Ehrenlegion Vorgeschlagenen (Orden zuerkannt am 12.10. mit Ordensnummer 41 537). Der hat bestimmt gerufen.

      Da stellt sich auch gleich die Frage, in welcher Batterie der Herr Kummer gedient hat.
      Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

      Kommentar

      • Sans-Gêne
        Benutzer
        Fourrier
        • 06.10.2010
        • 93

        #33
        Zitat Mephisto:
        Ich finde, die zweite Frage (Revue am 09.10.) ist noch offen.
        Mich würden wie Tom die Berichte von Probsthayn und Kummer interessieren.
        Töppel schreibt:

        "In der Nacht vom 22. zum 23. September 1813 lief Major Heinrich von Bünau vom Infanterieregiment "König" mitsamt seinem Battaillon zu den Verbündeten über. Es handelte sich neben dem Kommandeur um 8 Offiziere und 360 Unteroffiziere und Mannschaften. Das Bataillon befand sich in dieser Nacht auf Vorposten und seine Desertion riss eine Lücke in die sächsischen Linien. Die Folge davon war, dass eine ahnungslose Reiterabteilung von 50 Mann, die zur Aufklärung eingesetzt war, von Kosacken überrascht und gefangen genommen wurde.(1)
        Der sächsische Artillerie-Premierleutnant August Kummer berichtet in seinen Erinnerungen, dass die Fahnenflucht Bünaus und seines Bataillons einen verschiedenartigen Eindruck auf die übrigen sächsischen Soldaten gemacht habe. Der größte Teil habe diese Handlung als "infamen Verrat" betrachtet, denn dadurch sei das sächsische Lager beinahe die ganze Nacht bloßgestellt und einem möglichen gegnerischen Überfall preisgegeben gewesen. Einige Soldaten wären jedoch gern Bünaus Beispiel gefolgt, "da wir allerdings große Ursache hatten, mit der französischen Wirtschaft unzufrieden zu sein, weil die Franzosen sich in Sachsen betrugen, als wären sie in Feindesland" (2)
        Die späteren Anführer des Überganges bei Leipzig von Brause und Ryssel gingen nach dem Ereignis in preußische Dienste. Deren spätere "Rechtfertigungen" dürften daher als tendenziell bzw. befangen zu betrachten sein.

        Ich sehe daher die Bewertung von Töppel als sehr überzeugend, da er sowohl das Für als auch das Wider erwähnt und im Kontext bewertet.
        So stellt er z.B. nicht nur heraus, dass die Sprengung des zweiten Pfeilers der Dresdener Altstadtbrücke und andere Ereignisse die Franzosen nicht nur in der Bevölkerung verhasst machte, sondern auch den Protest des sächsischen Königs bei Napoleon bewirkten.

        Dem stand jedoch gegenüber, dass Blücher vor dem Waffenstillstand den Cottbuser Kreis für Preußen in Besitz nahm, obwohl Sachsen für diese Grenzbegradigung Landesteile an das spätere Königreich Westfalen abgegeben hatte (so z. B. das Treffurter Gebiet) .

        „Die Armee Blüchers hatte den Cottbuser Kreis besetzt und ihn ohne vorherige Absprache mit dem preußischen Kabinett wieder für preußischen Besitz erklärt. Sie hatten große Requisitionen besonders an Kleidung durchgeführt. Und Blüchers aufrührerische Proklamation an die Sachsen mussten den streng konservativen sächsischen Hof empören.
        Der Verfasser der Aufrufe, Blüchers Generalquartiermeister Gneisenau wurde sowohl vom Staatskanzler Hardenberg als auch von Scharnhorst gerügt.“
        (3)
        Töppel kommt auch hier noch zu dem Schluss, dass die sächsische Bevölkerung die Preußen zwar bis dahin freundlich aufnahm.
        Neben dem (1.) Vordringen der Russen, die Polen längst als ihr unverhandelbares Einflussgebiet ansahen, brüskierte (2.) die radikale Sprache der russischen und preußischen Proklamationen und die Wiederinbesitznahme des Cottbuser Kreises durch Preußen, ohne dass Verhandlungen in Aussicht gestellt wurden, den sächsischen Hof.
        Aus preußischer Sicht war diese Handlung sicher verständlich, aus sächsischer jedoch nicht, denn Sachsen hatte den Cottbuser Kreis nicht als Geschenk erhalten, sondern ein gleichwertiges Gebiet an das Königreich Westfalen abtreten müssen.
        Da sich der preußische König jedoch gleichzeitig um Mäßigung seiner Truppen gegenüber den Sachsen bemühte, musste es für das sächsische Kabinett so aussehen, als ob der preußische König die Kontrolle über seine Untertanen verloren hätte und vom Enthusiasmus seines Volkes mitgerissen würde, ob er wolle oder nicht (Siehe auch die Konvention von Tauroggen).
        Ein dritter (3.) Grund für das Ausschlagen der Koalition mit Preußen und Russland aus Sicht Töppels war daher die Angst Friedrich August I. vor revolutionären Volksbewegungen, die durch neue Freiwilligenmeldungen in Preußen neue Nahrung erhielten.

        Ein Stimmungsumschwung im Ansehen gegenüber den preußischen und russischen Soldaten, setzte in der sächsischen Bevölkerung jedoch im Herbstfeldzug 1813 ein, als sich auch die preußischen und russischen Soldaten gegenüber den Sachsen wie Feinde verhielten. Was auch den sächsischen Soldaten nicht verborgen blieb und daher ein Übergang zu den Alliierten keine Alternative zum Treueeid auf den König sein konnte.
        Weshalb auch mir sich der Eindruck erschließt, dass der Übergang der Sachsen bei Leipzig eher ein Coup einiger Offiziere war, als der Wille der Mehrheit der Soldaten.
        Dafür spricht zudem, dass sich viele Soldaten, später für ihr unehrenhaftes Handeln schämten und auch in dieser Lage noch heftig reagierten, sobald der sächsische König durch preußische Soldaten verleumdet und verunglimpft wurde.




        (1) Böttiger / Flathe, Geschichte des Kurstaates Bd. 3 S. 206
        (2) Kummer Erinnerungen Seite 24 ff.
        (3) Töppel, Sachsen und Napoleon Seite 176 ff.

        Kommentar

        • Gunter
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 01.10.2006
          • 1377

          #34
          Zitat von Sans-Gêne Beitrag anzeigen
          Die späteren Anführer des Überganges bei Leipzig von Brause und Ryssel gingen nach dem Ereignis in preußische Dienste. Deren spätere "Rechtfertigungen" dürften daher als tendenziell bzw. befangen zu betrachten sein.
          Nicht nur diese beiden gingen, auch eine Reihe weiterer sächsischer Offiziere, darunter ganz prominent natürlich Thielmann, aber auch andere, die in der sächsischen Armee versauerten und denen Preußen durch seinen wiedergewonnenen Großmachtstatus gute Karriereaussichten bot. Die Zukunft Sachsens und seiner Armee war ja noch völlig ungewiss, erste Anzeichen sprachen dagegen. Kann man den Übergang möglicherweise auch als Akt zur Sicherung der eigenen beruflichen Zukunft interpretieren? Wer danach noch blieb, musste schon ein eingefleischter Sachse sein, was ebenso keine ungewöhnliche Haltung war.

          Dass die Bevölkerung eines Landes jegliche Art von Besatzungsmacht nicht mag, zumal besonders wenn Kriegshandlungen durchgeführt wurden, ist doch eine Binsenweisheit.

          Grüße

          Gunter

          Kommentar

          • Mephisto
            Erfahrener Benutzer
            Capitaine
            • 01.10.2006
            • 625

            #35
            Sans-Gene,

            Danke für die Ausführungen. Die sind top!
            Hast Du auch etwas Detaillierteres zur Revue?
            Gruß
            Mephisto

            "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
            nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

            Kommentar

            • Da Capo
              Erfahrener Benutzer
              Adjudant
              • 23.10.2006
              • 827

              #36
              Bei den Bünaus komme ich immer ein wenig durcheinander. Heinrich von Bünau gab es 2x, 1x in Rgt. Friedrich und 1x im 1.leichten Regiment. Der Bünau im Regiment König hieß Günther. Der Heinrich von Bünau war also definitiv nicht vom Regiment König!

              Der Übergeher war – denke ich – der vom 1.leichten Regiment, der dann übrigens auch in preußische Dienste gegangen ist. Folgt man Holtzendorff, so hat dieser v.Bünau es schon vor dem 23.09. mindestens einmal versucht, einen Vorposten zur Aufgabe und zum Ergeben zu überreden, was an den beteiligten Offizieren gescheitert ist.

              Ich habe nochmal nachgesehen. In der Stammliste von 1815 taucht ein Sousleutnant Kummer beim II. Linien-Regiment auf (Patent vom 24.08.1813). In den Formierungslisten vom Waffenstillstand taucht ein Sltn. Kummer im Regiment Anton auf.

              Deshalb hätte ich gern die richtigen Quellen. Zitate aus Töppel nützen mir da wenig.
              Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

              Kommentar

              • Sans-Gêne
                Benutzer
                Fourrier
                • 06.10.2010
                • 93

                #37
                @daCapo
                Genau dieser Major Heinrich von Bünau vom Regiment "König" ist bei Töppel so angesprochen. Die Quellen der o.g. Zitate habe ich in den Fußnoten am Ende meines Beitrages angegeben, sofern sie von Töppel angegeben wurden.

                Was Thielmann betrifft, so zeichnet nicht nur Roman Töppel das Bild eines kalten Karrieristen, sondern auch Gerhard Kunze in seinem Buch "Die Saxen sind Besien", in dem über die Erschießung der sieben sächsischen Grenadiere am 06. Mai 1815 in Lüttich, in wunderbar detaillierter Schilderung der Abläufe und Zusammenhänge berichtet wird.
                Thielmann und alle anderen übergelaufenen Offiziere waren nach seinem Übergang nicht nur bei den sächsischen Soldaten verachtet, Ersterer trug mit seinem besonderen Eifer die Teilung der sächsischen Armee besonders forcieren zu wollen, zur Eskalation der ohnehin schon angeheizten Stimmung in den sächsischen Truppen bei.

                Nun ausgerechnet die Karriere des Generalleutnant von Thielmann, der 1806 noch als Stabsrittmeister in Jena kämpfte und vom sächsischen König auch in den Freiherrnstand erhoben wurde, beiweist eigentlich dass man in der sächsischen Armee nicht versauern musste.
                Von Bünau war auch Major, von Ryssel Generalmajor und von Brause, welcher 1813 noch als Vorsitzender des Militärgerichts von Bünau für vogelfrei erklärte und dessen Vermögen einziehen ließ, war auch Oberst.
                Also alles keine Leute die von sich behaupten konnten, in der sächsischen Armee nicht voran gekommen zu sein.

                @Mephisto
                Ich schau mal was noch zitiert wird.

                Kommentar

                • Da Capo
                  Erfahrener Benutzer
                  Adjudant
                  • 23.10.2006
                  • 827

                  #38
                  @ Gunter,

                  versauern kann man es nennen, man kann die Leute aber auch karrieregeile A… (wie Sans Gene schon schrub) schimpfen.

                  Thielmann wurde 1809 Oberstleutnant und - nach dem Egotrip des Feldzuges in Sachsen (die Befehle an die 1813 auf Grenzwacht zu Österreich stehenden Truppenkommandeure weisen ausdrücklich darauf hin, sich auf keinen Fall wie Thielmann 1809 zu benehmen) – im gleichen Jahr Oberst und Generalmajor und schließlich am 26.02.1810 Generalleutnant. So einer fühlt sich bei so starken Freunden (und das war nicht der sächsische König! Ehrenlegion 1807, Aigle d’or 1811, Commandant 11.10.1812!) zu höherem berufen. Erst ist er den Franzosen in den A… gekrochen, wo er nur konnte, um sich dann bei drehendem Wind den nächsten (zugegebener Maßen rechtzeitig) an den Hals zu werfen. Das dann mit der „heiligen deutschen Sache“ zu kaschieren, ist wohl mehr als mies. Naja, dafür musste er auch keinen Rangabzug (10.05. = der Tag, an dem Thielmann aus sächsischen Diensten desertiert war russischer Generalleutnant; 19.03.1815 preußischer Generalleutnant) hinnehmen.

                  Bei Ryssel (Xaver Gustav Reinhold von; nicht zu verwechseln mit Anton Friedrich Carl, dem Feldintendanten der sächs. Armee, der aber auch am 19.10. desertierte) ist die Sache nicht so eindeutig. Aber auch er mit einer steilen Karriere: 1809 Major, 1811 Oberstleutnant, 1812 Oberst, 1813 Generalmajor (Ehrenlegion 14.06.1813!). 1815 preußischer Generalmajor.

                  Ich kann diesen Leuten das angeblich Beste fürs Vaterland und/oder die deutsche Sache wollende einfach nicht abnehmen. Das ist in meinen Augen nur durch Privatinteressen getrieben.

                  @ Sans Gene
                  es gibt im Regiment König keinen Heinrich von Bünau! Weiterhin gab es nur ein Bataillon König (im kombinierten Regiment König/Niesemeuschel). Dieses kam erst Mitte 13 zur Feldarmee unter Kommando des Majors von Metzradt (Grenadier-Garde, bei Dennewitz verwundet).
                  Das ist also nicht ganz sauber dargestellt.
                  Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

                  Kommentar

                  • Gunter
                    Erfahrener Benutzer
                    Chef de Bataillon
                    • 01.10.2006
                    • 1377

                    #39
                    @Da Capo,

                    das mit Thielmann kann man so sehen. Die Umstände seines Seitenwechsels waren sicher nicht ehrenvoll. Man könnte ihn einen Wendehals nennen. Solche Leute steigen eben überall schnell auf.

                    Bei Leuten wie Johann Gottfried von Hoyer kann ich es verstehen. Der führte seit 1803 als Kapitän die sächsische Pontonierkompanie, in der er bereits seit 1788 als Premierleutnant diente. 1810 war er Oberstleutnant - und führte immer noch nur diese Kompanie. Trotz seines Kommandos über die Artillerie in Russland wurde er immer noch bei seiner Kompanie gelistet und musste sicher befürchten, später wieder auf diesen Posten beschränkt zu werden.

                    Grüße

                    Gunter

                    Kommentar

                    • Sans-Gêne
                      Benutzer
                      Fourrier
                      • 06.10.2010
                      • 93

                      #40
                      @DaCapo
                      ..... aber auch karrieregeile A… (wie Sans Gene schon schrub) schimpfen.
                      Ich hätte mir selbstverständlich nie erlaubt das so unverblümt und ohne Zitat auszudrücken, aber wenn du es soooo sagst unterschreib ich das auch

                      es gibt im Regiment König keinen Heinrich von Bünau! Weiterhin gab es nur ein Bataillon König .....
                      Ich kann es hier leider nur so wiedergeben, wie es Töppel schreibt. Danke jedoch für den Hinweis. Ja man kommt eben nicht um die Originalquellen herum. Vielleicht bekommt man ja doch irgendwo einmal die Nachdrucke der Erinnerungen der Artillerie-Offiziere Friedrich Gottlieb Probsthayn und August Kummer.

                      Und da bin ich auch schon bei @Mephistos Frage:

                      Ja Töppel schreibt nur dass Odeleben die Verweigerung des Grußes durch die Soldaten nicht erwähnt (obwohl er sonst nicht mit Kritik an den Franzosen und Napoleon spart, Anm. Sans-Gêne; ich lese ihn ja gerade) und die o.g. beiden Offiziere keine Bemerkung über den vermeintlichen Eklat abgeben.
                      Weshalb sich die Nachfrage nach Zitaten eigentlich erübrig, denn was nicht drinsteht, kann man nicht zitieren.

                      Aber:
                      Laut dem Tagebuch des damaligen Stabskapitäns von Nostitz brachten die Soldaten dem französischen Kaiser nach seiner Ansprache zwar den obligatorischen Gruß, allerdings auf Bitten der Offiziere und mit ironischem Gemurmel.

                      Nach einer weiteren Version war es sogar General Reynier, der Kommandeur des VII Armeekorps selbst, der die sächsischen Soldaten durch einen Stabsoffizier beschwören ließ, Napoleon ein Lebehoch zu bringen, das indess schwach ausgefallen sei.

                      Quelle: Redlich, Clemens Franziscus Xaverius von Cerrini di Monte Varchi, S 33
                      Wirklich interessant und für die Zerrissenheit im sächsischen Offizierscorps sinnbildhaft ist ja die Begebenheit auf der Festung Torgau, anlässlich des Geburtstages des Festungskommandanten am 27. April 1813 (also lange vor dem Herbstfeldzug).

                      Töppel berichtet darüber:

                      .... Thielmann hatte an dem Tag Geburtstag und seine Offiziere veranstalteten für ihn ein Festessen. Dazu erschienen die Stabsoffiziere, Adjutanten und von jedem Bataillon der jeweils dienstälteste Offizier jedes Ranges
                      Thielmann hatte sich in den vergangenen Wochen über den Befehl des Königs hinwegesetzt, die Festung Torgau streng neutral zu halten. Er hatte Kontakt mit den Preußen und Russen aufgenommen und die Verbündeten durch die Überlassung zweier Fähren und eines Plans von Wittenberg bei der Belagerung von Wittenberg unterstützt. Thielmann war offensichtlich fest davon überzeugt, Dass sich Friedrich August I. in Kürze den Verbündeten anschließen würde.
                      Zu seinem Geburtstagsessen erschien Thielmann nun ohne seine französischen und westfälischen Auszeichnungen, sagte sich in seinen Trinksprüchen von Frankreich los und versuchte, seine Offiziere in seinem Sinne zu beeinflussen. Generalmajor Carl Ludwig Sahrer von Sahr, der Kommandeur einer Infanteriebrigade fiel Thielmann mit der Bemerkung ins Wort, dass einzig der Wille des Königs für das Verhalten des Militärs ausschlaggebend sei. Das Fest endete mit einem Eklat:Ein Teil der Offiziere unterstützte den Standpunkt des Generalmajor Sahrer von Sahr und war nicht bereit, gegen den Willen des Königs für die Verbündeten Partei zu ergreifen. Andere Offiziere, wie der Kommandeur des leichten Infanterieregiments "Sahrer von Sahr", Oberst Karl August von Bose, empfanden die Situation als peinlich und versuchten den Streit zu schlicht, allerdings vergeblich.
                      Bose notierte wenig später in sein Tagebuch: "Ich ging nach beendigtem Dinée nach Hause und jammerte im Stillen über die traurige Lage, in welcher sich meine Waffenbrüder mit mir befinden".


                      Am nächsten Tag übergab Sahrer von Sahr Thielmann ein Rechtfertigungsschreiben, indem er seine Haltung folgendermaßen darstellte: "Nie habe ich für die Franzosen gern aus freiem Willen gefochten, ich wünsche wie jeder Deutsche, dass es nie wieder geschehen möge und dass ich vielmehr mit meines Königs Befehl, die Waffen gegen sie führen könnte. Sollte aber unser König anders befehlen, so werde ich treu den Pflichten gegen meinen Herrn, auch mit Frankreich als für die Sache meines Königs fechten."
                      Diese Erklärung ließ Sahrer von Sahr auch unter seinen Offizieren der Festung Torgau verbreiten.
                      Warum die Soldaten dieser Zeit so dachten, wird aus den einfachen Worten des Premierleutnant Ferdinand Heinrich August von Larisch unter dem Eindruck des Brückentumults vom 10. März 1813 in Dresden deutlich:

                      Denke ein jeder was er wolle; es gehört nur Liebe zur Ordnung und Feindschaft gegen alle Unordnung dazu, um jenes benehmen höchst sträflich zu finden. So lange der König von Sachsen seiner Verbindung getreu bleibt, wie er das laut bekennet, so bleibt nur eine Handlungsweise legitim; nimmt er ein entgegengesetztes Interesse an, so wird es in demselben Augenblick die entgegengesetzte. Bis dahin bleibt aber die Handlung, den Offizier einer alliierten Armee ins Wasser werfen zu wollen, weil er bei einer streng militärischen Maßregel dazu kommandiert ist, seine Schuldigkeit tut, - unerhört und fast ohne Beispiel".
                      Zuletzt geändert von Sans-Gêne; 10.04.2013, 16:41.

                      Kommentar

                      • KDF10
                        Erfahrener Benutzer
                        Chef de Bataillon
                        • 19.12.2010
                        • 1278

                        #41
                        Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                        @Da Capo,

                        das mit Thielmann kann man so sehen. Die Umstände seines Seitenwechsels waren sicher nicht ehrenvoll. Man könnte ihn einen Wendehals nennen. Solche Leute steigen eben überall schnell auf.

                        Grüße

                        Gunter
                        Möglich, dass Thielmann ein Wendehals war. Aber ist das nicht auch eine Frage des Standpunktes? Ich zitiere mal: " Am 24. Februar 1813 wurde er zum Gouverneur der Festung Torgau ernannt, in der allmählich der größte Theil der sächsischen Truppen vereinigt wurde. Er erhielt die Weisung sich neutral zu verhalten. Im Feldzuge gegen Rußland war infolge des schonungslosen französischen Ausbeutesystems sein deutsches Gewissen erwacht. Es vollzog sich ein Bruch mit seiner bisherigen napoleonischen Gesinnung und er nahm nunmehr eine den Verbündeten durchaus freundliche Haltung ein. Sehr bald merkten die französischen Feldherren, daß dem alten Freunde nicht mehr zu trauen sei; die Preußen und Russen dagegen erfüllte das entgegenkommende Wesen des sächsischen Generals mit großen Hoffnungen. Die Aussichten, den wichtigen Elbpaß durch Unterhandlung für die Verbündeten zu gewinnen, lagen sehr günstig und Th. arbeitete eifrig bei seinem König darauf hin, ihn zum Anschluß an die Sache der Verbündeten zu bewegen. Durch die Umgebung des Königs in seinen Hoffnungen auf eine deutsche Politik desselben bestärkt, dachte er den entscheidenden Schritt noch im Einverständniß mit Friedrich August thun zu können. Als dieser sich jedoch unschlüssig zeigte, machte Th., wesentlich auch bestimmt durch eine Conferenz mit Stein und Boyen in Dresden am 25. April, auf einem Feste an seinem Geburtstage in Torgau den Versuch, seine Officiere zu einer Erklärung für die Verbündeten zu veranlassen. Dieser Versuch scheiterte im wesentlichen. Die Schlacht von Großgörschen und der unter dem Eindruck derselben erlassene Befehl des Königs von Sachsen Torgau an die Franzosen zu übergeben, vereitelten alle sonstigen Hoffnungen Torgau mit seinem Elbübergang, seinen erheblichen Waffenvorräthen und 11 000 Mann Besatzung für die deutsche Sache zu gewinnen. Am 10. Mai legte Th. infolge dessen, ohnehin schon vor den Franzosen zu sehr compromittirt, seinen Befehl nieder, verließ mit seinem Generalstabschef, dem berühmten Ingenieur, damaligen Oberstlieutenant Ernst Ludwig Aster, die Festung und begab sich mit diesem in das Lager der Verbündeten." Quelle: http://www.deutsche-biographie.de/sfz10909.html.

                        Es gibt also durchaus unterschiedliche Darstellungen. Ich kann und will mir kein Urteil zu Thielmann erlauben. Die Frage ist, hatte sein Frontwechsel eine Vorbildfunktion für andere sächsische Offiziere, die am 18.10.1813 übergelaufen sind?

                        Kommentar

                        • HKDW
                          Erfahrener Benutzer
                          Colonel
                          • 02.10.2006
                          • 2962

                          #42
                          Die Frage die sich mir langsam stellt, was war die Motivation überzulaufen, mitten auf dem Schlachtfeld.
                          Naiverweise hatte ich bisher immer gedacht - ein guter Grund wäre gewesen dadruch das Königreich Sachsen überhaupt am Leben zu erhalten, jetzt scheint es so als wären es nur karriergeile Offiziere gewesen - die nichts anders im Sinn hatten als befördert zu werden - egal bei welcher Armee.

                          Kommentar

                          • KDF10
                            Erfahrener Benutzer
                            Chef de Bataillon
                            • 19.12.2010
                            • 1278

                            #43
                            Zitat von HKDW Beitrag anzeigen
                            Die Frage die sich mir langsam stellt, was war die Motivation überzulaufen, mitten auf dem Schlachtfeld.
                            Naiverweise hatte ich bisher immer gedacht - ein guter Grund wäre gewesen dadruch das Königreich Sachsen überhaupt am Leben zu erhalten, jetzt scheint es so als wären es nur karriergeile Offiziere gewesen - die nichts anders im Sinn hatten als befördert zu werden - egal bei welcher Armee.
                            Diese naive Denkweise habe ich auch. Clausewitz war natürlich auch nur karrieregeil, als er in die russische Armee eingetreten ist. Bernadotte sowieso, als er nach Schweden ging. Blücher ganz besonders, als Mitglied der schwedischen Armee hat er sich in jungen Jahren ohne Grund auf die Seite der Preußen geschlagen. Ganz zu schweigen von den Verrätern Langeron und Moreau
                            Zuletzt geändert von KDF10; 10.04.2013, 18:40.

                            Kommentar

                            • Tom
                              Erfahrener Benutzer
                              Chef de Bataillon
                              • 03.10.2006
                              • 1068

                              #44
                              Erinnerungen Kummers

                              Nun, zumindest das Kummer-Problem wurde vor 143 Jahren gelöst rost::

                              Kummer, A. Erinnerungen aus dem Leben eines Veteranen der Königlich Sächsischen Armee : Von August Kummer, Oberleutnant von der Armee. Dresden: C. C. Meinhold & Söhne, 1870, 192 S.

                              Der Bericht über die Revue am 09.10.1813 auf S. 25f, aber - wie gesagt - ohne Aussage über die Aufnahme der Rede Napoleons durch die sächs. Offiziere / Unteroffiziere. Vielleicht eine gekürzte Ausgabe?

                              Gruß, Tom

                              Kommentar

                              • Gunter
                                Erfahrener Benutzer
                                Chef de Bataillon
                                • 01.10.2006
                                • 1377

                                #45
                                @KDF,

                                um nur bei Clausewitz zu bleiben, da lag die Sache anders. Seine Engagement in der russischen Armee war vorübergehend und wohl auch so angelegt. Die in preußische Dienste getretenen sächsischen Offiziere hatten dagegen wohl die Sache Sachsens aufgegeben und schon mal beim wahrscheinlichen neuen Dienstherrn angeheuert.

                                Thielmann scheint ja sehr von sich überzeugt gewesen zu sein. Sein Problem: weder wollten ihm die anderen Offiziere folgen, noch war er in einer ähnlich günstigen Lage wie York. Seinen Befehlen zuwidergehandelt hatte er ohnehin, da blieb nur die Flucht nach vorn.

                                Um das Königreich Sachsen am Leben zu erhalten war ein partieller Übergang der Armee ohne Erlaubnis des Königs kein gangbarer Weg.Wie man sowas richtig machte, wurde erst 1866/67 vorgeführt. Vor dem Hintergrund der preußischen Begehrlichkeiten hatte Sachsen nach 1813 eigentlich keine Chance und auch keine eigene Einflussmöglichkeit, so oder so.

                                Grüße

                                Gunter

                                Kommentar

                                Lädt...
                                X
                                😀
                                😂
                                🥰
                                😘
                                🤢
                                😎
                                😞
                                😡
                                👍
                                👎