Übergang der Sachsen am 18.10.1813

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    Benutzer
    Fourrier
    • 06.10.2010
    • 93

    Übergang der Sachsen am 18.10.1813

    Die eingangs formulierte These, ob der in der Literatur des 19. und auch noch des frühen 20. Jahrhunderts gebrauchte Begriff des "Volkskrieges" gerechtfertigt ist, wird nach Lektüre des Buches eindeutig verneint. Ich möchte aus dem kurzen, aber prägnanten Abschlusskapitel zitieren, in dem die Autorin die "Bezeichnung des 'Volkskrieges' ... als Etikettenschwindel bezeichnet. Den Volskriegen fehlte vor allem eines: das Volk. Es gab keinen 'allgemeinen Ausbruch nationaler Leidenschaften der Massen'".
    Das Buch stellt aus meiner Sicht eine wichtige Ergänzung zu den meist miltärgeschichtlichen Werken über die Kriege von 1808/1809 bis 1813 dar. Sicher wird es bei einigen Lesern auch die Neugier auf die, über den Tellerrand der Kriegsgeschichte hinausgehenden Bereiche, fördern - wie es beim Rezensenten erfolgte.
    Das Ergebnis dieser Arbeit deckt sich interessanterweise mit dem Ergebnis des Dissertationsprojektes des Münchners Roman Töppel, welches in dem Buch "Die Sachsen und Napoleon - ein Stimmungsbild 1806 - 1813" (Böhlau - Verlag) erforscht und ausgearbeitet wurde.
    Nach der Schilderung der verschiedenen Stimmungsbilder gegenüber allen durchziehenden Truppen und der Herausarbeitung der Gründe für Stimmungsumschwünge, kommt Töppel ebenfalls zu dem Fazit:

    "Dennoch war die Verbundenheit der Sachsen mit der angestammten Dynastie weitaus stärker als deutsch - nationale Gefühle. Letztere hatten nur bei einigen wenigen Priorität. Infolgedessen nahmen auch nur Einzelne aktiven Anteil am Kampf gegen die Franzosen. Die Masse der Bevölkerung war nicht bereit, gegen den Willen des Königs zu handeln."
  • HKDW
    Erfahrener Benutzer
    Colonel
    • 02.10.2006
    • 2962

    #2
    Ich frag mich ob die Leute die das über die Sachsen schreiben überhaupt Memoiren und nicht nur die von Königen gelesen haben?

    Warum gingen dann in Leipzig die meisten sächsischen Truppen zu den Alliierten über? Sicherlich nicht aus kadavergehorsam zum König.

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    • Mephisto
      Erfahrener Benutzer
      Capitaine
      • 01.10.2006
      • 625

      #3
      Vorerst nur soviel:

      Wenn ich die Memoiren August Kummer lese, dann war es eine Entscheidung von Generalmajor von Ryssel
      die Truppen in einer Bewegung den Gegnern zuzuführen.
      Von Abstimmung steht da nix. Hat aber auch keiner gesagt: "Ich bleib' jetzt hier!" ;-)
      Der König hatte zuvor gebeten, "ihn nicht zu verlassen".
      Man tat es trotzdem.
      Ob den Truppen ihr Weg gewiss war - vielleicht weisst Du es?
      Zuletzt geändert von Mephisto; 04.04.2013, 22:00.
      Gruß
      Mephisto

      "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
      nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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      • excideuil
        Erfahrener Benutzer
        Sergent-Major
        • 24.09.2009
        • 207

        #4
        Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
        Ob es aber in Leipzig wirklich "das Volk" war, das den König nötigte oder aber ein Coup der Offiziere,
        der die unwissenden sächs. Truppen "mal eben rübergeführt hat", lese ich gerade nach.
        Zitat von HKDW Beitrag anzeigen
        Ich frag mich ob die Leute die das über die Sachsen schreiben überhaupt Memoiren und nicht nur die von Königen gelesen haben?

        Warum gingen dann in Leipzig die meisten sächsischen Truppen zu den Alliierten über? Sicherlich nicht aus kadavergehorsam zum König.
        Bei Leipzig war es sicher nicht das Volk. Sicherlich dürften aber die kommendierenden Offiziere Kenntnis vom Vertrag des Königs mit Österreich im Vorfeld gehabt haben, bevor der König auf Druck Napoleons wieder zurückruderte ... ?

        Grüße
        excideuil

        Kommentar

        • Mephisto
          Erfahrener Benutzer
          Capitaine
          • 01.10.2006
          • 625

          #5
          ...und schon wieder einer:

          Friedrich August Wilhelm Böhme, Oberkanonier Fussbatterie Dittrich
          "...[nach einem augenscheinlichen Streit zwischen franz. und sächsischen Offizieren]...
          Als sie auseinander gegangen waren, wurde uns von unsern zunächst stehenden Offizieren Folgendes zu wissen gethan.
          Es würde heute noch eine heisse halbe Stunde kommen, die aber glücklich überstanden werden würde, wenn wir nur den Muth nicht sinken ließen.
          Sie kam.
          Das feindliche Feuer hatte gegen uns ganz aufgehört. Wir erhielten Befehl das Geschütz aufzuprotzen, machten damit >rechts umkehrt< und avancierten so,
          was wir nur laufen konnten, auf den Feind los.
          Als wir so athemlos, was die Pferde nur noch leisten konnten, einige tausend Schritte zurückgelegt hatten, kamen mehrere Regimenter Kosaken auf uns zu gesprengt, die, als sie sich näherten, ein Freudengeschrei ausstießen, zwischen uns durchsprengten, um uns, die wir, wie wir nun sahen, zu dem Feinde übergingen, den Rücken zu decken, da die Franzosen, die unser Vorhaben nun erraten haben mochten, ein mörderisches Feuer hinter uns drein gemacht haben sollen."
          zitiert nach G. Graf, Die Leipziger Völkerschlacht in zeitgenössischen Berichten
          Zuletzt geändert von Mephisto; 04.04.2013, 22:35.
          Gruß
          Mephisto

          "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
          nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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          • Da Capo
            Erfahrener Benutzer
            Adjudant
            • 23.10.2006
            • 827

            #6
            Also ich muss mich einfach melden. Da ich das Buch nicht gelesen habe, kann ich auch keinen Bezug auf dieses nehmen. Aber da ich mich nun schon einige Zeit mit der sächsischen Armee beschäftige, ist festzuhalten, dass sich der Übergang am 18.10. wohl nie ganz aufklären läßt.

            Natürlich weiß jeder, dass der König die Anhänglichkeit an seine Person und Pflichterfüllung eingefordert hat, was ihm als obersten Dienstherrn wohl auch zusteht. Was bisher unbekannt ist, ist die auslösende Frage Zeschaus. Wenn ich aber nicht weiß, was gefragt wurde, fällt das Einsortieren der Antwort schwer.

            Darüber hinaus sollte bei der Beurteilung nicht vergessen werden, dass wir es hier nicht mit einem Männerhilfsverein zum Batiken von Latzhosen sondern mit der sächsischen Armee zu tun haben. Die Soldaten waren der festen Überzeugung, dass die Offiziere es schon richtig machen werden und die Offiziere nahmen ihre Verantwortung für ihre Soldaten, ihre Ehre und ihre Treue zum König verdammt ernst. Da geht man nicht mal eben über, sondern da muss sich ganz viel angestaut haben! Wegen den Preußen und deutsch-national war es aber definitiv nicht. Denn was die Preußen mit dem Land machen, hatte man aus dem 7jährigen noch in Erinnerung, da konnte man genauso gut die Franzosen behalten. Nur stand die Option „Franzosen behalten“ am 18. 10. nicht mehr.
            Und noch eine Anmerkung. Kenntnis von Verträgen zwischen dem österreichischen und sächsischen Hof haben, Herrgott, wer außer den Staatsministern und dem Geheimen Kabinett soll den das gewesen sein. Der Truppenoffizier bestimmt nicht.
            Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

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            • Mephisto
              Erfahrener Benutzer
              Capitaine
              • 01.10.2006
              • 625

              #7
              Hallo Da Capo,

              Schön, dass wir Dich kitzeln konnten.

              Den ersten Teil Deines Posts unterschreibe ich Dir.
              Das war eine militärische Einheit. Da läuft man nicht mal eben über.

              Das, von dem Du sagst, es hätte sich aufgestaut, hat sich aber nmE wohl vornehmlich bei den Offizieren aufgestaut.
              Und dann auch nur bei einigen.
              Zeschau soll ja Gegenbefehl gegeben haben. Vielleicht hast Du ein paar mehr Details?

              Insofern haben einige Offiziere (von Ryssel) einige Soldaten vereinnahmt.

              Nach dem obigen Augenzeugenbericht war der eigentliche Akt (das Überlaufen) den Solddaten selbst zum Zeitpunkt nicht bewusst.
              Sie dachten, es geht zum Angriff.
              Insofern kann man im Zusammenhang mit dem Thema Volkskrieg hier auch nicht von einem Ausdruck gemeinsamen Willens reden.

              Hast Du weitere Berichte?
              Zuletzt geändert von Mephisto; 05.04.2013, 00:03.
              Gruß
              Mephisto

              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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              • Gunter
                Erfahrener Benutzer
                Chef de Bataillon
                • 01.10.2006
                • 1377

                #8
                Es ist wohl anzunehmen, dass sich die sächsischen Offiziere in ihrer Ehre gekränkt fühlten, so wie die französische Seite sie und ihr Land behandelte. Mit Zuneigung zur "deutschen Sache" oder gar Preußen hatte das wohl nichts zu tun. Preußen galt bei vielen Sachsen lange Zeit als "der Feind". Mit dem Überlaufen der Sachsen rächte sich einmal mehr Napoleons schlechte Behandlung seiner Verbündeten. Man fragt sich, warum ihm vor allem die Polen solange die Treue hielten, wo er sie ständig nur bevormundete, ihre politischen Wünsche nicht erfüllte und sie auch noch schmähte.
                Die Kehrseite dieser unklugen hegemonialen Raubbaupolitik zeigte sich ab 1813, als die ehemaligen Verbündeten plötzlich viel mehr Truppen gegen Frankreich stellen konnten, als sie es jemals während ihrer Mitgliedschaft im Rheinbund taten.

                Grüße

                Gunter

                Kommentar

                • Tom
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 03.10.2006
                  • 1068

                  #9
                  Stimmungslage der sächsischen Soldaten / &quot;verbrannte Erde&quot; rechtselbisch

                  Wir sind zwar etwas vom Ausgangspunkt der Diskussion entfernt, trotzdem spannendes Thema (Übergang der Sachsen). Ich verweise hier auch auf eine Diskussion, die vor einiger Zeit im engl. Forum dazu gelaufen ist: http://www.napoleon-series.org/cgi-b...read;id=131181

                  Zu den Motiven der einfachen sächsischen Soldaten (ich müsste die Details raussuchen, glaube, u.a. Frenzel schreibt dazu etwas): Wenig bekannt ist, dass Napoleon beim Rückzug seiner Truppen (v.a. Bober-Armee) Ende September / Anfang Oktober 1813 auf das linke Elbufer eine Taktik der "verbrannten Erde" befohlen hatte. Die sächsischen rechtselbischen Dörfer wurden ausgeplündert und aller Lebensmittel beraubt, die Viehherden auf das linke Elbufer getrieben. Das bekamen natürlich auch die einfachen sächischen Soldaten mit, die ja in vielen Fällen aus den geplünderten Gegenden stammten und sich fragten (zumal nach den Erlebnissen in Russland 1812), für wen und wofür sie eigentlich noch kämpften.

                  Resultat war die bekannte Szene am 9. Oktober 1813 - Revue des VII. Armee-Korps Reynier / darunter die sächs. Division - vor Napoleon (bei Düben), bei der die sächs. Offiziere und Unteroffiziere nach der Ansprache Napolens ganz überwiegend das "Vive l’Empereur!" verweigerten. Roman Töppel bestreitet dies zwar (jedenfalls mir ggü. gesprächsweise), ich halte aber die Augenzeugenberichte (Cerrini, Larisch usw.) für glaubwürdig.

                  Beste Grüße, Tom
                  Zuletzt geändert von Tom; 05.04.2013, 09:36.

                  Kommentar

                  • Da Capo
                    Erfahrener Benutzer
                    Adjudant
                    • 23.10.2006
                    • 827

                    #10
                    @Mephisto
                    Ja, ich habe weitere Berichte. Da ich aber am 16.10. zum Symposium in Leipzig genau zu diesem Thema vortragen möchte, trete ich hier ein bischen auf die Bremse. Sonst ist doch der Spaß weg.

                    Es gab zwischen den Offizieren „Verhandlungen“ bzgl. des Übergangs, d.h. ein größerer Teil der Truppenoffiziere dürfte von dem Ansinnen Kenntnis gehabt haben. Den Soldaten wird etwas in der Richtung „bald passiert etwas“ gesagt worden sein, mehr wohl nicht. Denn neben dem Übergang stand ja auch die (räumlich) gegenteilige Option, nämlich zum König nach Leipzig zu marschieren, also die Schlachtlinie in die andere Richtung zu verlassen (was versucht wurde, aber nicht klappte).

                    Den höheren Offizieren war bewußt, dass sie einen Verrat begehen wollten (verlassen einer anbefohlenen Stellung in Indisziplin gegen die Befehle des obersten Vorgesetzten während einer Schlacht – das reicht 3x fürs Kriegsgericht!). Da hatten alle noch den Übergang des Bataillons König vom 23.09. im Hinterkopf. Der Einzug sämtlichen Vermögens, das Austrommeln und Anschlagen am Galgen aller Offiziersnamen, die dabei mitgemacht haben, sind kein Pappenstiel.

                    Der treibende Keil ist wohl Ryssel gewesen, aber der Rest hat mitgemacht. Raabe (den Artilleriechef) haben sie halb belogen, halb genötigt. Er hat nach Kenntnis der Teilnahme einer reitenden Batterie an den weiteren Kämpfen gegen die Franzosen, diese Teilnahme heftigst kritisiert.

                    Zeschau hat ja aktiv eingegriffen und die Truppen, die er kriegen konnte wieder zurückgeführt. Die während des Übergangs gefangenen Bataillone Friedrich und Anton weigerten sich standhaft, als Überläufer bezeichnet zu werden. Sie erklärten sich kriegsgefangen.

                    Es also mehr als unübersichtlich.
                    Aber komm nach Leipzig am 16.10. und hör Dir meinen und die anderen interessanten Vorträge an. Du wirst es definitiv nicht bereuen.

                    @ Tom
                    Die Revue vom 09.10. fand bei Kültzschau (heute Eilenburg-Ost) in der Muldeaue statt. Und natürlich haben die meisten geschwiegen, aber nicht alle. Ich möchte den sehen, der vom Kaiser eine Ehrenlegion angeheftet bekommt und hinterher nicht wenigstens „Vier Lampenröhr“ ruft. Auch soll sich die Generalität wohl stark bemüht haben, die Leute zum Rufen zu bringen
                    Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

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                    • joerg.scheibe
                      Erfahrener Benutzer
                      Capitaine
                      • 02.10.2006
                      • 592

                      #11
                      Ansprache Napoleons an die Truppe hier

                      (s.202 f)

                      Nachricht vom Übergange S.219

                      Jörg
                      The light at the end of the tunnel
                      is from an oncoming train.

                      Kommentar

                      • Mephisto
                        Erfahrener Benutzer
                        Capitaine
                        • 01.10.2006
                        • 625

                        #12
                        Zitat von Da Capo Beitrag anzeigen
                        Aber komm nach Leipzig am 16.10. und hör Dir meinen und die anderen interessanten Vorträge an. Du wirst es definitiv nicht bereuen.
                        Ich weiß, ich weiß - und würde der Einladung gerne Folge leisten.
                        Jetzt umso mehr. Danke.
                        Muss aber mal sehen, wie ich das Reenactment am 20ten und die Vorträge am 16ten zeitlich unter einen Hut bringen kann...
                        Gruß
                        Mephisto

                        "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                        nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                        • Tom
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 03.10.2006
                          • 1068

                          #13
                          Buch von der F.-Ebert-Stiftung

                          Danke noch für den Link zum Buch / Aufsatz der F.-Ebert-Stiftung! Ich konnte das Meiste darin unterschreiben...

                          Gruß, Tom

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                          • Sans-Gêne
                            Benutzer
                            Fourrier
                            • 06.10.2010
                            • 93

                            #14
                            Resultat war die bekannte Szene am 9. Oktober 1813 - Revue des VII. Armee-Korps Reynier / darunter die sächs. Division - vor Napoleon (bei Düben), bei der die sächs. Offiziere und Unteroffiziere nach der Ansprache Napolens ganz überwiegend das "Vive l’Empereur!" verweigerten. Roman Töppel bestreitet dies zwar (jedenfalls mir ggü. gesprächsweise), ich halte aber die Augenzeugenberichte (Cerrini, Larisch usw.) für glaubwürdig.
                            Töppel hat hier zu den Quellen dieser Schilderung geschrieben, dass diese Aussage (wie oben) sich jedoch nur in der später ergänzten und veröffentlichten Versione des Tagebuchaufzeichnungen von Larisch befinden und nicht im Original.
                            In den Erinnerungen des Sousleutnant Vollborn vom Infanterieregiment "Prinz Clemenz" heißt es sogar: "Nach Beendigung dieser Anrede erscholl ein weithin tönendes "Vive lEmpereur" wobei die gezogenen Säbel - denn so standen wir vor dem Kaiser - geschwungen wurden".
                            Von einer Verweigerung des Grußes ist auch in den Aufzeichnungen der Artillerie - Offiziere Gottlieb Probsthayn und August Kummer keine Bemerkung über den vermeintlichen Eklat.

                            Töppel kommt daher nachvollziehbar zu dem Schluss:
                            "Offensichtlich handelt es sich bei der angeblichen Verweigerung des Grußes um eine nachträgliche Konstruktion der Memoiren - und Geschichtsschreiber. Denn ganz gleich wie schlecht die Moral und wie groß die antifranzösische Stimmung unter den sächsischen Soldaten auch gewesen sein mag - ein offener Eklat, wie er in vielen sächsischen Darstellungen beschrieben wird, ist kaum vorstellbar. Carl Bleibtreu hat zu recht darauf verwiesen, dass Napoleon in einem solchen Fall die sächsischen Truppen wohl nicht mehr in die vorderste Linie gestellt hätte, wie er es einige Tage später tat."
                            Mir erscheint diese Bewertung sehr einleuchtend.

                            Diese nachträglichen Hinzufügungen (von Ereignissen oder deren Verleugnung) lassen sich, wie ich es andernorts schon einmal ausführte, auch in einigen Ortschroniken der späteren preußischen Provinz Sachsen finden, wie zum Beispiel in denen von Freyburg / Unstrut und Querfurt.
                            Zuletzt geändert von Sans-Gêne; 06.04.2013, 16:33.

                            Kommentar

                            • Tom
                              Erfahrener Benutzer
                              Chef de Bataillon
                              • 03.10.2006
                              • 1068

                              #15
                              Zur Revue bei Kültzschau

                              Ich würde gern noch, soweit aus der Literatur herausziehbar, einige Textstellen anführen. Nach wie vor bezweifle ich R. Töppels These, nicht um die Sachsen oder eine mir liebgewordene Legende zu retten, sondern weil ich die von der Mehrzahl wiedergegebenen Ereignisse (weitgehendes Verweigern des ‚Vive l’Empereur!‘)für viel plausibler halte als das entgegengesetzte Verhalten (s.u.). Natürlich kann jeder Augenzeuge nur über das berichten, was in seiner Nähe geschah - zwei Bataillone weiter mag gerufen oder gejubelt (und auch darüber später glaubwürdig berichtet) worden sein, ohne dass ein Offizier oder Soldat einer anderen Einheit dies vielleicht mitbekommen hat, d.h. subjektiv sagt wahrscheinlich jeder die Wahrheit.

                              Zur Einordnung der Stimmung vor der Revue muss man sich m.E. aber auch die objektive Lage der Sachsen vor Augen führen: Nach den schweren Niederlagen bei Großbeeren und Dennewitz (für letztere bekamen die Sachsen von frz. Seite offiziell die Schuld in die Schuhe geschoben) war die Moral wahrscheinlich ziemlich gedrückt. Die planmäßige Verwüstung des rechtselbischen Sachsen (hatte ich schon angesprochen), aber auch das Toben des Krieges im linkselbischen Teil hatten vermutlich nicht verfehlt, auf die Stimmung der sächsischen Soldaten einzuwirken. Ein Bataillon (vom IR König?) unter Maj. v. Bünau war bereits zu den Verbündeten übergegangen. Hinzu kamen die großen physischen Beschwerden des Herbstfeldzuges: starke Märsche, schwierige Verpflegungslage, teilweise schlechtes Wetter.

                              Nun zu den Textstellen:

                              1) Sachsen haben "ein weithin tönendes ‚Vive l‘Empereur!‘ gerufen": Nach Sans-Gêne: Vollborn, Probsthayn, Kummer – nicht veröffentlicht bzw. mir nicht bekannt, hier bitte ich um Ergänzung der Texte.

                              2) „Neutral“ – keine Aussage hierzu:

                              Friedrich v. Dressler, S. 47: (erwähnt nur beiläufig die Revue).

                              Kummer, S. 26: (gibt nur in Kurzform die Rede Napoleons, ohne die Reaktion der Sachsen darauf zu erwähnen).

                              3) Sachsen haben das ‚Vive l‘Empereur!‘ (überwiegend) verweigert:

                              Buhle, S. 102f: (paraphrasiert Cerrini).

                              Cerrini, S. 307: „Es kostete den Offizieren unsägliche Mühe, die aufgeregten Geister zu besänftigen und diesen Haß [auf die Franzosen - TH] zu bändigen: er blieb unvertilgbar. In solcher Gährung und von dem Glauben durchdrungen, daß sich die Lage der Dinge nun bald ändern müsse, fand uns Napoleon. Als er, bei seiner Ankunft, längs der Front hinabritt und ihm die, nebenstehenden Franzosen ein lautes ‚Vive l’Empereur!‘ zuriefen, blieben nur die sächsischen Kolonnen stumm. Der Kaiser sprach hierauf mit den Offizieren und Unteroffizieren des siebenten Armeekorps, und die französischen Offiziere begleiteten abermals den Schluß der Rede mit einem lauten ‚Vive l’Empereur!‘ doch die Sachsen entfernten sich schweigend und kehrten, von des Kaisers zornigen Blicken begleitet, zu ihren Kolonnen zurück.“

                              Frenzel, S. 170 (gibt eine ganz kurze Zusammenfassung des Inhalts von N. Rede und fährt dann fort): „Als die französischen Offiziere den Schluß dieser Rede mit einem abermaligen ‚Viwe Lampereur!‘ begleiteten, entfernten sich die sächsischen ernst und still. Grimmige Blicke des Herrschers folgten ihnen bis zu unseren Reihen. Unsere Offiziere theilten uns mit, was der Kaiser ausgesprochen hatte (aber mit dem Beteuten, uns ruhig zu verhalten), es möchte da aufkommen, was da wolle. Auf diesem Platz habe ich Napoleon das letzte Mal gesehen. Wir waren sehr nahe. Gleich nach dieser merkwürdigen Musterung gaben die Sachsen so ziemlich deutlich ihren Unwillen zu erkennen.‘

                              Larisch, S. 119f (gibt erst die Rede Napoleons wieder und fährt dann fort): „Diese Rede, bei ihrer etwas seltsamen Uebersetzung, vor allem aber infolge der sehr gedrückten politischen Stimmung zündete nicht mehr, wie ehedem; wohl riefen die Franzosen noch ihr lautes ‚Vive l’Empereur!‘ allein die Sachsen stimmten zum ersten Male nicht mit ein, sie kehrten vielmehr, wodurch Napoleon anscheinend unangenehm berührt wurde, nur schweigend in ihre Reihen zurück.“ [nach R. Töppel lediglich Zusatz des Herausgebers A. v. Larisch, 1888?]

                              Odeleben, S. 322ff (gibt erst die Rede Napoleons wieder und fährt dann fort): „Diese Rede brachte keine Wirkung hervor. (...) Die sächsischen Truppen waren bei der wohl erkannten bedrängten Lage ihres Corps und ihres leidenden Vaterlandes jetzt am allerwenigsten geneigt, mit Eifer für des Kaisers Absichten zu fechten; der größte Unwille hatte sich schon ausgesprochen, und ward täglich durch die Vorrechte genährt, welche sich die Franzosen auf jedem Marsche, in jedem Quartiere anmaßten. Bis hieher hatte sie [die Sachsen - TH] die strenge Kriegszucht noch zusammengehalten, aber jene das Selbstgefühl empörenden Ursachen erzeugten, nebst dem anlockenden Berufe, Deutschland vom französischen Joche befreien zu helfen, neun Tage später den Entschluß, während der Leipziger Schlacht die französischen Reihen zu verlassen - und zu den verbündeten Mächten überzugehen.“

                              Die bibliografischen Angaben bitte ich bei Interesse unter www.napoleonzeit.de -> "Memoiren & Biografien" -> Sachsen nachzuschlagen.

                              Gruß, Tom
                              (Hoffe, ich habe mich bei den Zitaten nicht allzu oft vertippt, bitte ggf. um Hinweise.)

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