Als badischer Militärmusiker in Napoleons Kriegen

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  • Tom
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 03.10.2006
    • 1072

    Als badischer Militärmusiker in Napoleons Kriegen

    Habe gestern ein Buch erhalten, dass sicher für alle, die auf den Gebieten Baden / napol. Memoirenliteratur / Militärmusik arbeiten, interessant sein dürfte:

    M. Geering (Hrsg.): Als badischer Militärmusiker in Napoleons Kriegen: Balthasar Eccardts Erinnerungen an die Feldzüge nach Österreich, Preußen und Russland (1805-1814). In Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württ., Reihe A: Quellen, Bd. 57, Stuttgart: Kohlhammer, 2013, 234 S.
    ISBN-13: 978-3170230316; 22,- EUR (im Buchhandel und bei Amazon erhältlich)

    Beim flüchtigen abendlichen Durchblättern des Buches hatte ich den Eindruck, dass es sich um eine wiss. solide Bearbeitung handelt. Herausgegeben werden 2 Quellen, einmal die bereits 1816 gedruckten "Bemerkungen" Eccardts über seine Dienstzeit (vgl. http://books.google.de/books?id=-APqZwEACAAJ ) und die später nochmals handschriftlich niedergelegten (ausführlicheren) Erinnerungen. Die Erinnerungen streifen auch die Zeit Eccardts als Musiker im 27. russ. Jäger-Rgt. (nach seiner Gefangennahme in Russland).

    Gruß, Tom
  • Tom
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 03.10.2006
    • 1072

    #3
    Thanks!

    Steve,

    Thank you very much for this additional information!

    Best regards, Tom

    Kommentar

    • Tellensohn
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 16.02.2011
      • 1253

      #4
      Russische Militärmusikkapelle

      Ich habe das Buch eben erhalten und erst mal den Teil, in dem er seine Zeit bei den Russen schildert, überflogen. Wirklich sehr interessant.

      Man sieht, dass auch nicht zur Garde gehörende Regimenter recht grosse Musikkorps unterhalten konnten. Nach Eccardt hatte das 27. Jägerregiment schon 1812 an die 40 Musiker, die er explizit als "Hautboisten" bezeichnet (S.186, II 137). Die Zahl 40 wird für das Jahr 1813 bestätigt (S.210, II 232).

      Grossenteils scheint es sich aber nicht um das, was man gemeinhin unter Berufsmusikern versteht, gehandelt zu haben (S.189, II 149: ...(denn sie waren beinah Alle der nöthigen Professionen als Schneider, Schuhmacher p.p. kundig)...". Von der Quantität her also eine beachtliche Kapelle, von der Qualität her dagegen eher bescheiden. Wenn der Regimentsoberst (ein Deutscher) bemerkt, dass das musikalische Können seiner Russen dem der Deutschen allgemein unterlegen sei (S.191f., II 159), dann ist das aber eher auf mangelnde Ausbildung der Musiker als auf fehlende Instrumente oder Begabung zurückzuführen. War der Kapellmeister gut und durchsetzungsfähig, liess sich offenbar auch die Qualität der Kapelle rasch verbessern (S.195, II 170; die Qualität der Gardemusiken, Kapellmeister Anton Dörfeldt, ein Böhme, dürfte exzellent gewesen sein). Dass Deutsche oder Deutschstämmige (im weiteren Sinn) damals allgemein und daher wohl mit Grund als besonders begabte Musiker betrachtet wurden und dementsprechend auch auf allen Seiten als professionelle Instrumentalisten und insbesonders als Kapellmeister besonders geschätzt waren, ist übrigens Fakt. Erinnert sei nur an die Gebrüder Gebauer in Frankreich. Oder an die aufeinander folgenden Kapellmeister und Musiker der englischen Coldstream Guards seit 1785 bis in die nachnapoleonische Zeit hinein (erstere alle, letztere vielfach, besonders anfänglich, Deutsche, speziell Hannoveraner).

      Wie es scheint, war die Regimentsmusik des 27. Jägerregiments im Prinzip aus zwei Teilen zusammengesetzt. Einerseits aus einer eigentlichen "türkischen Musik", andererseits aus dem für die Russen typischen Hornorchester (vielleicht eine Spezialität nur der Jäger-Regimenter?), das aus zahlreichen geraden Hörnern bestand, auf denen in einer bestimmten Abfolge jeweils nur ein einziger (Halb)Ton geblasen werden musste. Scheinbar ideal für musikalisch völlig ungebildete "Musiker", weil dem Einzelnen ausser etwas Konzentration auf seinen Einsatz wohl kaum etwas abverlangt wurde. Eccardt beschreibt das Funktionieren eines solchen Hornorchesters ausführlich (S.193f., II 163-166). Allgemein s. auch hier:



      Als eigentliche Feldmusik war das Hornorchester aber weder gedacht noch tauglich, wie u.a. auch aus Eccardts Ausführungen deutlich wird (S..193, II 164: "...Sie [die Hörner] werden aber zu anderen Instrumenten einer vollen Feld-Mussick nur in Acorten zum Abcompanima [in Akkorden zum Akkompanieren, vgl. ebd., Anm.57] gesetzt..."; S.194, II 167: "...Alle andern Instrumenten aber hat man ebenfalls und die erwähnten Horn werden bei der sogenannten türkischen oder militair-Feldmussick meistens nur zum Abcopaniren verwendent.")

      Stellt sich die Frage, wie viele Musiker der eigentlichen türkischen Musik und wie viele dem Hornorchester angehörten. Vielleicht ist da die im Wiki-Artikel zu findende Abbildung eines russischen Hornorchesters vom Beginn des 19. Jahrhunderts aufschlussreich, die m.E. das Hornorchester eines Jägerregiments aus der Zeit der napoleonischen Kriege darstellen könnte (?):



      Ich zähle 24 (oder 25) Federstütze bei der Truppe, plus den Kapellmeister = 25 (oder 26) Mann.* Nimmt man an, dass das Hornorchester des 27. Jägerregiments ebenso stark war, verblieben 15 (oder 14) Mann, die zusammen die eigentliche türkische oder Militärkapelle gebildet hätten. Das scheint mir absolut plausibel und keinesfalls zu hoch gegriffen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass selbst während einer Kampagne nicht auf das Mitschleppen eines aus militärischer Sicht eigentlich doch eher überflüssigen Hornorchesters verzichtet wurde.

      Interessant auch einige Nebenbemerkungen Eccardts, z.B. die, dass er eine kleine F-Klarinette mit sich führte (S.205, II 213). Mit einem solchen Instrument sollen Kapellmeister auch in der französischen Armee oft ausgestattet gewesen sein. Es galt als das melodietragende Instrument der Kapelle: "...[la] clarinette en fa,...a tout le chant de soutenir." ( A. Jullien (éd), Soldats suisses au service étranger. Mémoires du Petit-Louis J.-L. Sabon..., Genève, 1910, S.59). Oder auch, dass man nach der Kapitulation Dresdens (November 1813) eine französische grosse Trommel in Beschlag nahm, weil die eigene in sehr schlechtem Zustand gewesen sei (S.209, II 228f.). Es war also auch bei Instrumenten durchaus so, dass man sich mit Beutestücken (sonst vielleicht auch mit Instrumenten aus den Beständen Verbündeter?) behalf.

      NB:
      Vielleicht stammten z.B. auch die von ihrem Aussehen her doch eher ungewöhnlichen Schellenbäume der Kapelle der Grenadiere der Alten Garde, die auf dem Bild zu sehen sind, das Napoleons "Namenstag"-Parade in Dresden am 10.August 1813 in Dresden darstellt (scheint leider nicht mehr online verfügbar zu sein?), aus Fremdbeständen, was gut mit dem Verlust der eigenen Instrumente während des Russlandfeldzugs erklärt werden könnte .

      Und im Zusammenhang mit diesem Bild noch eine weitere Randbemerkung: Könnte die eigenartige Uniform der Musiker - weisse statt rote Rabatten, Epauletten über "Schwalbennestern" statt "trèfles d'épaule" - auf einen notstandsmässigen Rückgriff auf alte Uniformen hindeuten? Evtl. auf ausgemusterte Uniformen der Tambouren der Grenadiere der Alten Garde (bis 1808 mit Epauletten über Schwalbennestern, danach Epauletten ohne Schwalbennester)? Das ist aber natürlich reine Spekulation. Die Alternative wäre, dass der Maler sich Schellenbäume und Uniformen aus den Fingern gesogen hat, was ich allerdings auch nicht so recht zu glauben vermag. Schwer zu sagen.

      *Nachtrag:
      S.100, Kommentar der Hg.: "Erfunden wurden diese 'russischen Hörner', die jeweils nur einen Ton hergaben, um die Mitte des 18. Jahrhunderts von Jan Anton Mareš (1719-1794), einem böhmischen Hornisten, der im Dienste der von Fürst Naryškin geleiteten zaristischen Hofkapelle in St. Petersburg stand. Er übernahm Naryškins Jagdhornkapelle, die in vier gleichen Gruppen gegliedert war, gemäss den nur auf den D-Dur-Dreiklang gestimmten Instrumenten. Mareš erhöhte die Zahl der Hörner von 16 auf 24 und führte die chromatische Stimmung in zwei Oktaven ein." Auf dem Bild dürften also tatsächlich 24 Hornisten abgebildet sein, was dem ursprünglichen Arrangement von Mareš entspräche (25 Mann passt nicht). Interessant auch der Umstand, dass, was um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch der Stärke der Hörner der Hofkapelle entsprach, jetzt die Stärke der Hörner eines gewöhnlichen Jägerregiments sein konnte (die Anzahl der Hörner der Hofkapelle scheint nun weit über den ursprünglichen 24 gelegen zu haben). Nur nebenbei sei noch angemerkt, dass - wie für jedermann ersichtlich - die "russischen Hörner" nichts mit den Signalhörnern der Truppe zu tun haben und von diesen stets zu unterscheiden sind.
      Zuletzt geändert von Tellensohn; 28.11.2013, 09:00.

      Kommentar

      • KDF10
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 19.12.2010
        • 1278

        #5
        Zitat von Tom Beitrag anzeigen
        Habe gestern ein Buch erhalten, dass sicher für alle, die auf den Gebieten Baden / napol. Memoirenliteratur / Militärmusik arbeiten, interessant sein dürfte:

        M. Geering (Hrsg.): Als badischer Militärmusiker in Napoleons Kriegen: Balthasar Eccardts Erinnerungen an die Feldzüge nach Österreich, Preußen und Russland (1805-1814). In Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württ., Reihe A: Quellen, Bd. 57, Stuttgart: Kohlhammer, 2013, 234 S.
        ISBN-13: 978-3170230316; 22,- EUR (im Buchhandel und bei Amazon erhältlich)

        Beim flüchtigen abendlichen Durchblättern des Buches hatte ich den Eindruck, dass es sich um eine wiss. solide Bearbeitung handelt. Herausgegeben werden 2 Quellen, einmal die bereits 1816 gedruckten "Bemerkungen" Eccardts über seine Dienstzeit (vgl. http://books.google.de/books?id=-APqZwEACAAJ ) und die später nochmals handschriftlich niedergelegten (ausführlicheren) Erinnerungen. Die Erinnerungen streifen auch die Zeit Eccardts als Musiker im 27. russ. Jäger-Rgt. (nach seiner Gefangennahme in Russland).

        Gruß, Tom
        Mal wieder die alte Leier bei Google. Kaum gibt es eine Neuauflage eines alten Buches ist das Buch von 1816 nicht mehr verfügbar.. Das freut natürlich Amazon.

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        • corporal
          Erfahrener Benutzer
          Tambour-Major
          • 25.04.2007
          • 306

          #6
          Was ich schon lange mal wissen wollte - und weil der Begriff in diesem Thema immerhin vorkommt:
          wie spricht (präziser: sprach - bezogen auf die Zeit vor 200 Jahren) man das Wort Hautboist im deutschen Sprachraum aus?
          So wie geschrieben oder "französisch"?
          In der Hoffnung, ob der naiven Frage nicht ausgelacht zu werden,
          dankt der Corporal für Unterstützung

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          • muheijo
            Erfahrener Benutzer
            Capitaine
            • 01.10.2006
            • 553

            #7
            Zitat von corporal Beitrag anzeigen
            wie spricht (präziser: sprach - bezogen auf die Zeit vor 200 Jahren) man das Wort Hautboist im deutschen Sprachraum aus?
            So wie geschrieben oder "französisch"?
            Wiki sagt dazu:



            Gruss, muheijo

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            • KDF10
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 19.12.2010
              • 1278

              #8
              Zitat von corporal Beitrag anzeigen
              Was ich schon lange mal wissen wollte - und weil der Begriff in diesem Thema immerhin vorkommt:
              wie spricht (präziser: sprach - bezogen auf die Zeit vor 200 Jahren) man das Wort Hautboist im deutschen Sprachraum aus?
              So wie geschrieben oder "französisch"?
              In der Hoffnung, ob der naiven Frage nicht ausgelacht zu werden,
              dankt der Corporal für Unterstützung
              Das ist überhaupt keine naive Frage. Dir ist aus der Mode sicher die französische Bezeichnung Haute Couture bekannt. Das französische Wort Haute wird "ot" ausgesprochen. Das gilt ebenso für die Bezeichnung Haute Cuisine. Man schrieb im Deutschen vor 200 Jahren auch Hautboist, aber ausgesprochen wurde das sehr wahrscheinlich Otboist. Daraus wurde im Deutschen später die Hoboe und dann die Oboe.

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              • Tellensohn
                Erfahrener Benutzer
                Chef de Bataillon
                • 16.02.2011
                • 1253

                #9
                Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                Das ist überhaupt keine naive Frage. Dir ist aus der Mode sicher die französische Bezeichnung Haute Couture bekannt. Das französische Wort Haute wird "ot" ausgesprochen. Das gilt ebenso für die Bezeichnung Haute Cuisine. Man schrieb im Deutschen vor 200 Jahren auch Hautboist, aber ausgesprochen wurde das sehr wahrscheinlich Otboist. Daraus wurde im Deutschen später die Hoboe und dann die Oboe.
                Na, na, den "Sprachwissenschaftler" und "Etymologen" lass mal lieber bleiben. Spekulieren darfst du, aber das ist Verblödung.

                LA couture (f), LA cuisine (f), dazu ein Adjektiv, z.B. "haut", weibliche Form "haute". Nur in der weiblichen Form ist die Aussprache "´ot". in der männlichen Form ist die Aussprache "´o". Nur wenn das nachfolgende Wort mit einem Vokal beginnt, spricht man bei "haut" das "t" wie in der weiblichen Form aus. Also: Keiner, der der französischen Sprache mächtig ist, würde (LE) "Hautbois" jemals "Otboist" aussprechen. :card: (Heute nicht, und vor 200 Jahren auch nicht, nur um das zu präzisieren )
                Zuletzt geändert von Tellensohn; 28.11.2013, 19:27.

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                • HKDW
                  Erfahrener Benutzer
                  Colonel
                  • 02.10.2006
                  • 2969

                  #10
                  Hab mir das Buch zugelegt, es bringt beide Versionen der Memoiren, eine niedergeschrieben 1816 die andere ca 30 Jahre später - wie so oft - sehr interessant und man erfährt wieder viele Details über das damalige Soldatenleben und Leiden.

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