Ein Cheftrompeter der Dragoner oder Kürassiere?

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  • Tellensohn
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 16.02.2011
    • 1253

    Ein Cheftrompeter der Dragoner oder Kürassiere?

    Vor kurzem habe ich bei Bantiks ein recht interessantes Porträt entdeckt, das offenbar einen Cheftrompeter zeigt. Laut Beschreibung des Antiquars handelt es sich um das "Portrait d'un trompette de dragons sous le 1er Empire". In der Tat lässt der weisse Rosshaarschweif des Helms darauf schliessen, dass es sich um einen Trompeter handelt:



    Zunächst zur Zeitstellung: "1er Empire". Das kann sein, m.E. kommen aber, wenn schon, nur die ersten Jahre in Betracht, so ca. 1804-1806. Die enganliegende, nach hinten gekämmte Frisur deutet darauf hin, dass sie in einem Zopf endete, was hier natürlich nicht zu erkennen ist. Der Helm zeigt alle Merkmale eines Dragonerhelms, wie er unter dem Konsulat (allenfalls spätere Republik) üblich war: Puschel direkt aus dem Rossschweif nach oben gezogen; "falsche Kinnriemen", die scheinbar auf den Turban aufgenäht waren. Vergleichbar sind die Helme von drei von Lejeune ca. 1802-3 gemalten Dragoner-Brigadiers. Die zweireihige Weste bzw. das zweireihige Gilet ist ebenfalls besonders typisch für die spätere Republik und die Zeit des Konsulats. Unterm Strich würde ich sagen, das Porträt datiert aus der Zeit des Konsulats.

    Aber kommt nur die Zugehörigkeit zu einem Dragonerregiment in Frage? Die Uniform scheint die eines Dragonerregiments mit scharlachroten Abzeichen zu sein (1. oder 4. Dragoner?; die Anordnung der Rocktaschen wäre entscheidend). Sie erscheint blau. Falls es sich tatsächlich um eine Dragoneruniform handelt, ist dies wohl der verflüchtigten Gelbkomponente geschuldet.

    Könnte es sich aber nicht auch um einen Angehörigen der Kürassiere im alten Rock der Linienkavallerie handeln (1. oder 4 Regiment, je nach Anordnung der Rocktaschen)?

    Interessant: die Patten der Ärmelaufschläge zeigen eindeutig nur zwei Knöpfe, ein dritter hätte bei der gezeigten Verteilung der Knöpfe auf der Patte keinen Platz gehabt. Weiland zeigt einen Dragoner des 1. Regiments mit vier Knöpfen. Abweichungen von den üblichen drei Knöpfen scheinen also gar nicht so selten gewesen zu sein.

    Kopfzerbrechen bereitet die Farbe der Knöpfe. Sie erscheint gelblich, was auf Messing hindeuten würde. Kavallerie-/Kürassier- wie auch Dragonerregimenter hatten aber alle weisse Knöpfe. Vielleicht wurden die Knöpfe absichtlich gelblich dargestellt (Patina? Vielleicht vergilbte Knöpfe aus Zinn?), oder es liegt eine Farbverunreinigung oder Farbveränderung infolge Alterung des Porträts vor? Letzteres scheint mir allerdings wegen dem ziemlich reinen Weiss des Helmschweifs eher unwahrscheinlich zu sein. Dass Darstellungen der weissen Knöpfe und Tressen der Dragoner durchaus einen Gelbstich aufweisen können, zeigt jedenfalls diese Darstellung Lejeunes:




    Der Helm des Trompeters zeigt auch den Gelbton eines Dragonerhelms aus Messing. Kürassiere hatten Eisenhelme. Kann die Patina von Eisenhelmen gelblich erscheinen? Laut Wikpedia (http://fr.wikipedia.org/wiki/Uniform...mier_Empire%29) allerdings sollen die ersten Helme der Kürassiere ohnehin Dragonerhelme gewesen sein:

    "Les premiers casques sont ceux des régiments de dragons de 1800. Le bandeau de cuir est recouvert de fourrure d'oursin noir, la bombe est en acier et le cimier en laiton, la visière est en cuir noirci. Au lieu d'une jugulaire, une mentonnière de cuir est fixée dans la coiffe du casque. Le chef de brigade Pierre Margaron commandant du 1er régiment, dans un rapport du 9 décembre 1801 adressé au ministre de la Guerre, critique ces casques, leur reprochant leurs petites tailles et le brillant de l'acier : « cette coiffure ne parait pas correspondre à la taille des chevaux ni des hommes et à leur armure, elle n'est point assez énergique et il y a beaucoup trop de brillant »."

    Da heisst es zur Helmglocke dann allerdings doch wieder, sie sei "en acier" gewesen, was nicht dem Material der Dragonerhelme entspricht.


    Ebenfalls interessant: die Uniform ist die der Truppe. Wie etliche Jahre später bei Bommer gezeigt. Der zeigt zwar keine Trompeter, sondern Musiker, diese dürften aber dieselbe Uniform wie die Trompeter getragen haben, zumal es scheinbar üblich war, dass ein Teil der Musiker bei Gelegenheit oder Bedarf aus dem Trompeterkorps zweckentfremdet wurde. Denken wir daran, dass Trompeter, anders als die Tambouren der Infanterie, auch an anderen Instrumenten ausgebildete Musiker waren, z. B. an der Klarinette, wie etwa der Trompeter Chevillet vom 8. Jägerregiment zu Pferd. Die üblichen Epauletten wurden dann vielleicht einfach gegen Tréfoils ausgetauscht. Chevillet erwähnt auch, dass weitere Musiker aus der Truppe gezogen wurden. Nimmt man an, dass diese ihre normale Uniform weitertrugen, hätte bei der Uniform der Musiker weitgehend Einheitlichkeit geherrscht. Mehrausgaben für Extra-Uniformen wären vom Tisch gewesen.

    Der im Porträt gezeigte Helm mit seinem blau-rot-weissen Federschmuck scheint mir derjenige des grande tenue zu sein. Deshalb würde ich die Vermutung wagen, dass die gezeigte Uniform nicht nur eine Ausgeh- oder Alltagsuniform war, sondern auch die grosse Uniform des Regiments. Auch Bommers Dragonermusiker mit ihren Hüten und Federstutzen scheinen keineswegs eine Interims- oder Alltagsuniform zu tragen, sondern la grande tenue.

    Der Mythos von den gewechselten Farben der Trompeter und Musiker bei der Kavallerie ist daher m.E ebensowenig aufrechtzuerhalten wie bei den Infanteriemusikern. Ich kann mich auch nicht an eine entsprechende Verordnung erinnern (bitte um Mitteilung, falls ich was übersehen habe). Der Wille und Geschmack des Obristen scheint ausschlaggebend gewesen zu sein. Es gab offenbar gewechselte Farben ebenso wie beliebige Farben oder der Truppe entsprechende, lediglich mit Gold- oder orangegelben Tressen von denen der Truppe zu unterscheidende, manchmal auch einfach nur durch Kleeblattepauletten (bei "Janitscharen" oft noch nicht einmal dadurch, vgl. Bommer) gekennzeichnete Musiker- und Spielleute-Uniformen.


    Der Rang des Dargestellten ist unzweifelhaft der eines Cheftrompeters, allenfalls auch der eines Chefmusikers, das zeigen die Gradabzeichen am Unterärmel. Es kann sich um die Abzeichen eines trompette-maître/brigadier trompette handeln, so wie ihn das Reglement vorsah, oder um die eines trompette major (im Range eines Maréchal des logis chef). Vielleicht handelt es sich auch um einen maître de musique (evtl. zugleich trompette major?)? Da die Epauletten oder Tréfoils abgenommen sind, lässt sich das nicht mit Sicherheit sagen.

    Trompette major und maître de musique waren offiziell bei der regulären Kavallerie nicht existent (andere Verhältnisse herrschten bei der Garde), aber diverse Zeitzeugnisse beweisen, dass es sie ebenso gab wie die offiziell in der regulären Kavallerie nicht vorhandenen Musikkorps:

    Maître de musique:
    Die Memoiren des Trompeters Chevillet bspw. erwähnen für das Jahr 1809 neben dem brigadier trompette Florentin auch den maître de musique Felstiker (letzterer ein Gagist; der exakte Grad wird nicht genannt, soweit ich mich erinnere. Müsste ich nochmal checken).

    Trompette major:
    In einem Brief teilt ein Eskadronschefs des 27. Jägerregiments zu Pferd (offenbar der officier de musique des Regiments) dem Major des Regiments mit, dass er einen trompette major engagiert habe (es handelte sich also offenbar um einen Gagisten), der verlange, die Abzeichen eines Maréchal des Logis führen zu dürfen, um sich den Respekt der Truppe zu sichern, und der ausserdem zum regulären Sold des brigadier trompette noch einen Zusatzsold erhalte. Hier wurde also scheinbar die reguläre Stelle des brigadier trompette mit einem Gagisten besetzt, der den Titel eines trompette major im Rang eines maréchal des logis erhielt. Er sei für das Regiment von unschätzbarem Wert, hält der Eskadronschef fest. Vielleicht deshalb, weil er auch noch als maître de musique fungierte?
    Zuletzt geändert von Tellensohn; 07.05.2015, 18:11.
  • HKDW
    Erfahrener Benutzer
    Colonel
    • 02.10.2006
    • 2962

    #2
    Für mich erscheint der Rock grün.

    Gelbe Knöpfe für Dragoner gab es im Ancien Regime, wie auch die generellen Revolutionsknöpfe 1792 - 93

    In der Regel wurden solche Knöpfe nicht weggeworfen, war ja viel zu teuer - sondern aufgebraucht.

    Auch bei der leichten Infanterie gab es in der Anfangszeit - teilweise gelbe Knöpfe

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    • Tellensohn
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 16.02.2011
      • 1253

      #3
      Danke für die Einschätzung, insbesondere den Hinweis die Knöpfe betreffend. Die Rockfarbe erscheint mir zwar nach wie vor eher blau, gerade wenn ich sie mit dem Blau des Federschmucks (kann ja nur ein Blau sein) vergleiche, und mir das dagegen doch sehr deutliche Grün der Rockfarbe des Dragoners von Lejeune ansehe, ich kann und will aber der Auffassung, dass es sich doch um einen Dragoner-Trompeter handelt nicht widersprechen. Wie gesagt, ich sehe zwar ein Blau, kann aber ein Grün (dessen Gelbkomponente sich m.E. verflüchtigt hat) ohne weiteres akzeptieren. Zumal die Farbe so dunkel rüberkommt, dass es schon möglich ist, dass ich mich irre. Ein sehr dunkles Grün und ein sehr dunkles Blau lassen sich nicht so leicht auseinanderhalten. Was hältst Du vom Säbel? Ich kenne mich hier zuwenig aus. Scheint nicht der Standardsäbel der Dragoner (oder Kürassiere) der napoleonischen Zeit zu sein, oder doch?
      Zuletzt geändert von Tellensohn; 07.05.2015, 22:59.

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      • Gunter
        Erfahrener Benutzer
        Chef de Bataillon
        • 01.10.2006
        • 1377

        #4
        Zu den anderen Sachen kann ich nichts beitragen, aber der Rock ist wohl dunkelgrün und der Säbel scheint ein Chasseursäbel aus der Zeit um 1801 zu sein.

        Grüße

        Gunter

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        • Tellensohn
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 16.02.2011
          • 1253

          #5
          Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
          und der Säbel scheint ein Chasseursäbel aus der Zeit um 1801 zu sein.
          Der Handschutz ähnelt in der Tat dem des Chasseursäbels Modell 1801 - oder dem des Modells 1790. Tatsächlich zeigen die Dragoner Lejeunes Chasseursäbel vom Modell 1790 (laut Pétard, Tradition Magazine N°73). Allerdings sind die Bügel dort nicht glatt wie hier. Könnte also eine Sonderanfertigung basierend auf den Modellen 1790 oder 1801 sein?

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