Ausstellung "Europa in Wien - Der Wiener Kongress 1815/15", Wien, Unteres Belvedere

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    • 03.10.2006
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    Ausstellung "Europa in Wien - Der Wiener Kongress 1815/15", Wien, Unteres Belvedere

    Liebe Leser,
    Am 9. Mai besuchte ich 4 Stunden lang die Ausstellung „Europa in Wien – Der Wiener Kongress 1814/15“ im unteren Belvedere, voll hoch gespannter Erwartungen. Den Wienern hätte ich es nämlich nicht verziehen, wenn dazu keine Ausstellung gemacht worden wäre. Bei unserer einheimischen Museumslandschaft passiert so ein Lapsus hin und wieder.

    Info https://www.belvedere.at/de/ausstell...n-wien-e181869


    Es war tatsächlich ein déja vue mit vielen Werken, die ich bisher nur als Abbildungen kannte, und noch nie zuvor in dieser Konzentration versammelt gesehen hatte. Die vielen mir unbekannten kolorierten Drucke waren wirklich eine Augenweide. Wie im Katalog zu nachzulesen, haben die Kuratoren aus allen Winkeln Europas und den ehem. Kronländern interessante Exponate ausgeliehen.
    Doch trotz aller Preziosen bleibt ein schaler Geschmack zurück. Der Titel der Ausstellung wird nämlich nicht dem Anspruch gerecht, wie wir weiter unten sehen werden.

    Zum didaktischen: Ich schätze es – trotz allem Vorwissen - sehr, wenn ich eine Ausstellung ohne Katalog und nervigen Audioguide genießen kann. Die Beschilderungen fand ich doch sehr kursorisch, also ungenügend. Mir gab das aber Gelegenheit, einen begleitenden Freund mit Anekdoten und Hintergrundwissen zu füttern.

    Den Ausstellungsmachern fehlte es leider an einer klare Einführung in das Thema und an einer strukturierten Führungslinie. Wie man das mit einem erheblich kleineren Budget schafft, war nebendran im Wienmuseum (stadthistor. Museum) in der Galizienaustellung zu sehen. Kurze Texttafeln strukturierten die Führungslinie und gaben leicht faßliche Informationen. Dort konnte ich sagen, Chapeau, gut präsentiert, hier aber leider nicht. Zum Beispiel fehlte eine übersichtliche Karte Europas vor und nach dem Wiener Kongress, die keine zeitgenössische kunsthistorische Preziose sein muß, sondern klar und einfach die Verhältnisse zeigen sollte. Am Ende der Ausstellung eine historische Karte zu zeigen, reicht leider nicht. Die Vorgeschichte wurde ziemlich kommentarlos vorausgesetzt und die Rolle der Hauptakteure nur durch Gemälde angedeutet. Als Illustration möge Davids Bild von Napoleon beim Ritt über den Gr. St. Bernhard dienen, konterkariert mit einem späteren Steindruck ihn auf einen Esel zeigend. Wirklich eine Augenweide, aber wie wurde ein Zusammenhang hergestellt?

    Weiter wäre das Wimmelbild von Isabey als Aufhänger für die Vorstellung der Hauptakteure geeignet gewesen und hier wäre ausnahmsweise Multimedia am Platz gewesen, deren Freund ich eigentlich nicht bin. Die Aufgabe wäre gewesen, die Bedeutung der realen Objekte in einen historischen Zusammenhang zu stellen. Der Zusammenhang mit späteren Friedenskonferenzen fand ich doch sehr bemüht dargestellt. Das ist alles in allem nicht sonderlich geglückt und eine verpasste Chance.

    Auch hätten mich etwas mehr bodenständige Themen wie der Alltag in Wien zur Zeit des Kongresses interessiert, aber das hätte wohl den Rahmen gesprengt. Immerhin wird man im Katalog mit interessanten Aufsätzen, wie z.B. zur Presse und Berichterstattung, fündig.

    Wer Zusammenhänge verstehen will, der nimmt das neue Buch von Zamoyski „Napoleons Sturz und der Wiener Kongress 1815“ zur Hand. Es ist wieder einmal ein Angelsachse, der Geschichte präzise und unterhaltend an den Mann bringt. Eine Ausstellung kann das nicht leisten, aber den Anstoß geben, das Thema zu vertiefen.

    Die Bedeutung des Wiener Kongresses definiert sich nämlich nicht aus ihrem kunsthistorischen Impakt, sondern aus seiner politischen Bedeutung, was nur völlig ungenügend herausgearbeitet wird.

    Mir ist also die Ausstellung zu einseitig auf die Kunsthistorie ausgerichtet, wie auch der Katalog belegt. Die Ausstellung würde also passenderweise heißen:
    „Der Wiener Kongress 1815 aus der nachgeordneten Sicht von Kunsthistorikern.“
    Zuletzt geändert von Blesson; 25.05.2015, 12:16.
    Do, ut des

    http://www.ingenieurgeograph.de
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