französisches Schwert "22"

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  • Sans-Souci
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    Major
    • 01.10.2006
    • 1841

    französisches Schwert "22"

    Bei Antique Swords EU wird ein Schwert angeboten, der Griff mit Fasces und der Nummer "22". Es war angeblich generationenlang im Besitz einer adligen Familie in England, daher die Vermutung der Händlers, daß es bei der Kapitulation von San Sebastiàn in britische Hände fiel und dem 22e régiment d'infanterie de ligne gehörte.

    Kann jemand das Modell näher bestimmen ? Klingenlänge 50, 165 cm (19 3/4 inch).

    Die Fasces weisen ja eher auf die Republik oder das Konsulat. Möglicherweise stammt die Klinge von einem Artillerieschwert, und der Griff ist der eines Sappeurs ?

    http://www.antique-swords.eu/O04-Napoleonic-22-Line-Infantry-Regiment-Drummers.html

  • admin
    Administrator
    Colonel
    • 30.09.2006
    • 2687

    #2
    Das sieht tatsächlich nach einem Mix aus - wenn ich im Ariès die Kurzschwerter ("glaives") studiere, komme ich auf drei Typen mit "Tierköpfen"

    1. Kurzschwerter für Sapeure der Infanterie => Hahn
    2. Kurzschwerter für Artillerie bis 1790 => Adler
    3. Kurzschwerter für Marineartillerie bis 1790 => Löwe


    Ich würde also von einem Kurzschwert ausgehen, das ursprünglich für die Marineartillerie vorgesehen war - wenn wir hier von einer reglementgemäßen Anfertigung ausgehen. Vielleicht ist es aber auch eine Sonderanfertigung auf Bestimmung des Regimentskommandeurs für seine Tambours?

    Wenn es interessiert, kopiere ich die entsprechenden Tafeln und setze sie hier rein.

    Schöne Grüße
    Markus Stein

    Edit: noch eine weitere Truppe mit Löwenkopf waren die "Soldats charpentier" und Sappeure der Schweizer Regimenter bis 1791 (allerdings war dort der Griff geschwungen und nicht wie im angebotenen Modell gerade)
    "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

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    • Tellensohn
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 16.02.2011
      • 1253

      #3
      Zitat von Sans-Souci Beitrag anzeigen
      Bei Antique Swords EU wird ein Schwert angeboten, der Griff mit Fasces und der Nummer "22". Es war angeblich generationenlang im Besitz einer adligen Familie in England, daher die Vermutung der Händlers, daß es bei der Kapitulation von San Sebastiàn in britische Hände fiel und dem 22e régiment d'infanterie de ligne gehörte.

      Kann jemand das Modell näher bestimmen ? Klingenlänge 50, 165 cm (19 3/4 inch).

      Die Fasces weisen ja eher auf die Republik oder das Konsulat. Möglicherweise stammt die Klinge von einem Artillerieschwert, und der Griff ist der eines Sappeurs ?

      http://www.antique-swords.eu/O04-Napoleonic-22-Line-Infantry-Regiment-Drummers.html

      Ok, vielleicht bin ich ja heute einfach in Meckerlaune und es kann gut sein, dass ich total daneben liege, aber dieses Schwert (glaive) sieht mir so was von unecht aus...Der Löwenkopf scheint mir grob modelliert und überdimensioniert zu sein, besonders aber irritiert mich die Form des Griffmittelteils. Oben breit, sich in gerader Linie nach unten stark verjüngend. Diese Form von Griffmittelteil scheint mir prinzipiell unhandlich, misstrauischer macht mich aber der Umstand, dass ich eine Form wie die hier noch überhaupt nie gesehen habe. Normalerweise verjüngt sich der Griffmittelteil nach oben. Die Form der Klinge und ihre Kanneluren entsprechen auch nicht gerade dem, was ich sonst so bei Klingen für solche Schwerter gesehen habe. Die Klingen bleiben entweder von oben bis unten nahezu gleich breit oder verbreitern sich, wenn schon, im unteren Teil leicht, bevor sie in die Spitze auslaufen. Wenn Kanneluren vorhanden sind, sind sie langrechteckig, allenfalls mit leicht gerundeten Ecken...

      Der Kommentar zu diesem angeblich aussergewöhnlich raren Stück ("very, very rare" - wer möchte da widersprechen?...), scheint mir auch nicht vertrauenswürdig. Im Titel vom 22e de ligne erbeutet, Im Text ist dann aber vom 22e Léger die Rede. Und was heisst hier "Viennese". Gut, das 22e de ligne war 1796 u.a. aus dem 2. Bat. des 22. Linieninfanterie-Regiments (ci-devant Viennois) amalgamiert worden. Aber was soll "22nd Battle Regiment"(wohl abgeleitet von 22e demi-brigade de bataille) im Jahr 1813 noch bedeuten? Und gegen welche Gegner dieses Schwert schon alles im Einsatz gewesen sein soll... Und woher wissen die, dass das ein Exemplar von "probably" nur vier Exemplaren mit Regimentszuordnung ist? Kennen die alle anderen? Woher denn? Und wo sind denn die anderen? "With unquestionable providence" - ach ja? Ist ja egal. Aufgrund der Beschreibung allein würde ich das Ding jedenfalls nicht kaufen, besonders nicht, wenn ich mir den überschwenglichen Enthusiasmus ansehe, mit dem es an den Mann gebracht werden soll. Lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

      Im Anhang mal zwei Bilder von glaives der Marineartillerie und der Artillerie, allerdings noch aus der Zeit des Ancien Régime.

      Zuletzt geändert von Tellensohn; 31.12.2015, 22:52.

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      • Sans-Souci
        Erfahrener Benutzer
        Major
        • 01.10.2006
        • 1841

        #4
        Daß der Verkäufer sehr wenig Ahnung von Waffentypen oder Formationsgeschichte hat, steht leider außer Frage. Tambourschwert und San Sebastiàn sind reine Mutmaßungen (ich habe nachgefragt, der Verkäufer ist sehr kooperativ).

        Der vergleichsweise riesige Löwenkopf wirkt auch auf mich sehr disproportionierend, doch über Geschmack läßt sich ja streiten. Derjenige, der den Griff angefertigt hat, muß ihn schön gefunden haben ...

        Ich habe ein Schwert mit einem ähnlichen Griff gefunden, der sich auch zur Klinge hin verjüngt, ein "altes" Schwert der Marine-Infanterie (nicht näher datiert):



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        • schluppkothen
          Benutzer
          Caporal
          • 19.10.2006
          • 75

          #5
          Beim Bottet (Monographie de L´Arme Blanche des Armées Francaises) kommt so ein Typus nicht vor. Die Klinge könnte schon eine (stark) heruntergeschliffene Artillerie-Klinge sein

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          • Tellensohn
            Erfahrener Benutzer
            Chef de Bataillon
            • 16.02.2011
            • 1253

            #6
            Zitat von Sans-Souci Beitrag anzeigen
            Ich habe ein Schwert mit einem ähnlichen Griff gefunden, der sich auch zur Klinge hin verjüngt, ein "altes" Schwert der Marine-Infanterie (nicht näher datiert):




            Meines Erachtens wird diese Waffe fälschlicherweise als "glaive" bezeichnet. Das ist kein "Schwert"/"glaive", sondern ein (Offiziers-)Dolch. Richtigerweise müsste es "poignard" oder "dague" heissen. Und für diese Waffe ist die gezeigte Griffform durchaus typisch - aber eben nicht für ein "glaive". Hier ein Link zu einer ähnlichen Waffe, richtig als "dague" bezeichnet:



            Im Anhang ein glaive mit sich nach unten leicht verjüngendem Griffmittelteil, ausgegeben an die 1794 geschaffene École de Mars. Sichtlich einem römischen gladius nachempfunden (so wie man gladii von Skulpturen her kannte, denn vom wirklichen Aussehen römischer gladii hatte man damals mangels archäologischer Funde eigentlich noch keine Ahnung). Die Verjüngung ist aber wesentlich dezenter und das Teil harmoniert besser mit der Parierstange als bei diesem "22"er Stück. Die Form der Klinge ist sowieso ganz anders.

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            • Tellensohn
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 16.02.2011
              • 1253

              #7
              Hier zum Beispiel, in diesem von einem seriösen Auktionshaus publizierten Katalog, findet man auf S.114-119 diverse Marineoffiziersdolche:

              Zuletzt geändert von Tellensohn; 01.01.2016, 14:22.

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              • Sans-Souci
                Erfahrener Benutzer
                Major
                • 01.10.2006
                • 1841

                #8
                Unten eine Nahaufnahme vom Griff.

                Auffallend die Fasces ohne phrygische Mütze - kann das auf die Frühzeit der Republik hindeuten, vor 1792 ? Oder die zweite oder dritte Republik ?

                Die Verzierungen - Blasinstrumente - könnte das die Seitenwaffe eines Musikers sein, oder eines Tambour-Majors ?

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                • Tellensohn
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 16.02.2011
                  • 1253

                  #9
                  Zitat von Sans-Souci Beitrag anzeigen
                  Unten eine Nahaufnahme vom Griff.

                  Auffallend die Fasces ohne phrygische Mütze - kann das auf die Frühzeit der Republik hindeuten, vor 1792 ? Oder die zweite oder dritte Republik ?

                  Die Verzierungen - Blasinstrumente - könnte das die Seitenwaffe eines Musikers sein, oder eines Tambour-Majors ?

                  Was stellst Du Dir denn unter "Frühzeit der Republik, vor 1792" vor? Ich nehme an, Du meinst vor der Tuileriengeschichte? Da haben wir aber keine Republik, sondern die "Constitution", also die konstitutionelle Monarchie. Und danach haben wir voll Republik, Liktorenbündel immer mit phrygischer Mütze. Würde das Schwert aus der Zeit vor dem Tuileriensturm stammen, müsste die "22" das Schwert als Waffe ausweisen, die einem Angehörigen des Viennois-Regiments der (jetzt konstitutionellen) Monarchie gehört hätte. Mir ist nicht bekannt, dass in der königlichen Armee jener Zeit Liktorenbündel verwendet wurden - auch nicht solche ohne phrygische Mütze. Die zur Zeit der Konstitution in der Armee gebräuchliche Ikonographie lässt sich m.E. gut an den Fahnen ablesen: Lilien ja, Liktorenbündel nein. Würde das Schwert aus der Zeit stammen, würde ich ergo Lilien erwarten.

                  2. oder 3. Republik klingt besser, aber mit den Waffen dieser Perioden kenn ich mich nicht aus. Stilistisch passt diese Waffe - so sie denn authentisch ist und nicht einfach eine Bastelei eines windigen Geschäftemachers - m.E. einfach nicht ins späte 18. oder frühe 19. Jahrhundert. Auch die Machart erscheint mir für die Zeit zu billig. Ist dieser Griff eigentlich aus einem Stück gegossen? Sieht fast so aus (allenfalls separate Parierstange und dann verschweisst?). Jedenfalls könnte meiner Meinung nach jeder so einen Griff basteln und dann einfach abgiessen...

                  Seitenwaffe eines Musikers oder Tambour-Majors? - vielleicht, wobei die Darstellung allein von Blasinstrumenten (nur Kurztrompeten, wenn ich das richtig sehe) ins fortgeschrittene 19. Jhdt. recht gut passen würde, besser jedenfalls als in die Zeit um 1800. Hinzukommt, dass mir bisher auch noch keine Tambour-Majore oder Musiker (ich rede jetzt nur von Hautboisten / Gagisten) des späten 18. und frühen 19. Jhdts. begegnet sind, die mit etwas anderem als Degen oder Säbeln bewaffnet gewesen wären.

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                  • Sans-Souci
                    Erfahrener Benutzer
                    Major
                    • 01.10.2006
                    • 1841

                    #10
                    Grins, stimmt, ich hätte "Frühzeit der Revolution" schreiben sollen. Aber mit den Lilien hast Du mich überzeugt.

                    Sieht man sich die Knöpfe von Generälen und États-Majors im Fallou an (ganz am Anfang), so tauchen Fasces ohne Freiheitsmütze um 1796 auf, und werden dann 1804 durch die kaiserliche Symbolik ersetzt:



                    Die von Fallou gezeigten Knöpfe der Garde du Directoire und der Garde des Consuls hatten auch keine Mützen mehr über den Liktorenbündeln.



                    Faisceaux auf den Knöpfen gibt es erst seit dem Dekret des Nationalkonvents vom 4. Oktober 1792, und dann immer mit Mütze:

                    Der Nationalkonvent bestimmt, daß die Knöpfe aller Truppenteile der Republik künftig als Inschrift diese Worte République française [französische Republik] haben werden. In der Mitte wird ein Rutenbündel [faisceau] sein, das von einer Freiheitsmütze [bonnet de la liberté] bekrönt wird.
                    Per Analogie könnte man dann den hier in Frage stehenden Griff also auf um oder nach 1796 - oder in spätere Republiken - datieren. In Frage kämen dann die 22e demi-brigade de ligne und die 22e demi-brigade légère, da Kavallerie-Einheiten wohl ausscheiden und es keine zweiundzwanzig Artillerie-Regimenter gab.

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                    • HKDW
                      Erfahrener Benutzer
                      Colonel
                      • 02.10.2006
                      • 2962

                      #11
                      Die Gravuren und Reliefs sind extrem verschmiert und unsauber, kann ich mir schwer als Original vorstellen

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                      • Sans-Souci
                        Erfahrener Benutzer
                        Major
                        • 01.10.2006
                        • 1841

                        #12
                        Zitat von HKDW Beitrag anzeigen
                        Die Gravuren und Reliefs sind extrem verschmiert und unsauber, kann ich mir schwer als Original vorstellen
                        Aber wer würde solch einen Phantasie-Griff für teures Geld gießen oder gießen lassen ?

                        Die Reliefs auf der Parierstange sind wesentlich deutlicher ausgeprägt als die auf dem Heft. Ich würde das als Zeichen für Abnutzung durch häufigen Gebrauch (herausziehen, halten, einstecken) deuten. Aber das könnte natürlich auch durch spielende Kinder geschehen sein ;-)

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                        • Tellensohn
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 16.02.2011
                          • 1253

                          #13
                          Zitat von Sans-Souci Beitrag anzeigen
                          Die Reliefs auf der Parierstange sind wesentlich deutlicher ausgeprägt als die auf dem Heft.

                          Kann ich nicht finden. Für mich sind die Reliefs durchwegs eher flach, die Konturen unscharf.

                          (Danke übrigens, dass Du mir den fachmännischen Begriff für den Mittelteil des Griffs wieder in Erinnerung gerufen hast. Wollte mir partout nicht mehr einfallen... )


                          Zitat von Sans-Souci Beitrag anzeigen
                          Aber wer würde solch einen Phantasie-Griff für teures Geld gießen oder gießen lassen ?
                          Na wer wohl?...

                          "...Look, don't quibble, you are never going to be able to buy another at any price! We must be crazy for selling it as low as £1500..."

                          Zwischen den Zeilen lese ich:

                          "He, du gutbetuchter, ignoranter Sammlertrottel. Nicht nachdenken, nicht hinterfragen, nicht nachhaken, nicht überprüfen. Einfach nur kaufen. Füll mir meine Taschen..."



                          Ich muss sagen, so eine Aufforderung wie die oben zitierte, habe ich noch von keinem seriösen Auktionshaus gehört. Ich weiss nicht, wer dieses Schwert fabriziert hat, aber dieser Satz, zusammen mit der ganzen um das Stück herum zurechtgezimmerten Story...Das hat schon ein Geschmäckle...
                          Zuletzt geändert von Tellensohn; 02.01.2016, 13:42.

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                          • Tellensohn
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                            Chef de Bataillon
                            • 16.02.2011
                            • 1253

                            #14
                            Hhmmm...:

                            In good condition, a British war trophy of Napoleon's 22e Regiment d'Infanterie Ligne, from the Siege of San Sebastián 7 July to 8 September 1813. A


                            Ganz unten auf der Seite:

                            Copyright © Antique Swords EU (formerly SwordSales EU) - All rights reserved


                            Hab mal ein bisschen rumgegoogelt. SwordSales EU - Nicht jeder ist begeistert:






                            Meine Meinung:

                            CREEPY


                            @Sans-Souci

                            Und was meinst Du?

                            Kommentar

                            • Sans-Souci
                              Erfahrener Benutzer
                              Major
                              • 01.10.2006
                              • 1841

                              #15
                              Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
                              @Sans-Souci

                              Und was meinst Du?
                              Ich meine, daß egal wer es veröffentlicht hat, man nichts im Internet unhinterfragt schlucken sollte. Was der Verkäufer als Person für ein Mensch ist, ist mir gleichgültig, auch wenn ich nach dem Lesen der Kommentare über ihn, wollte ich eine Waffe bei ihm kaufen, diese aus Vorsicht nur persönlich abholen würde, ohne Vorkasse. Daß der Verkäufer kein Experte für Blankwaffen ist, steht außer Frage, aber vielleicht sind die Kommentare über ihn ja unter falschem Namen von seiner verlassenen Ex verfaßt ?

                              Natürlich erhöhen die mit inzwischen toten Links belegten Anschuldigungen gegen den Verkäufer seine Glaubwürdigkeit nicht, aber sie machen das Schwert an sich auch nicht automatisch zu einem Fake. Ich weiß nicht was dieses Schwert ist, und hoffe, daß noch Vergleichsstücke auftauchen, die helfen, sich eine klarere Meinung zu bilden.

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