Taktik von Kavallerieattacken

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  • CarpeDiem
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    Soldat
    • 22.03.2007
    • 14

    #31
    Bin eigentlich etwas erstaunt, dass in einem solchen Forum mit derart kompetenten Verfassern über das "Material" der Kavallerie nur sehr vage Vorstellungen zu herrschen scheinen.

    Vorwegschicken muss man, dass sehr früh in Preussen eine organisierte Kavalleriepferdezucht in Ostpreussen organisiert wurde, die in der Gründung des Haupt- und Stammgestütes Trakehnen seinen Glanzpunkt hatte. Aufgabe des Gestüts war es die Anforderungen der Militärs an die Kavalleriepferde über die Bereitstellung von Zuchthengsten in die Landespferdezucht zu transportieren, damit die benötigten Tiere jederzeit in ausreichender Menge zur Verfügung standen.

    Ein grundsätzlich anderes Kapitel ist die Ausbildung dieser Kavalleriepferde. Die benötigten Tiere wurden im Lande angekauft und zwar von ein Kommission die auf Tierschauen in ganz Preussen die 3 jährigen Pferde begutachtete und ankaufte. Anschliessend wurde diese Pferde in die Heeresgestüte verbracht, die es im ganzen Land gab und dort noch ein Jahr weiter aufgezogen, gleichzeitig aber auch eine sog. "Grundausbildung" erhielten d.h. sie wurden angeritten.

    Die weitere Ausbildung der Pferde richtete sich danach ob sie bei der sogenannten "regulären" Kavallerie, d.h. Kürassiere, Dragoner zur Verwendung vorgesehen waren, oder aber bei den "irregulären" d.h. Husaren und andere leichte Regimenter.

    Die Vervollkommnung der regulären Kavalleriepferde ist wohl in Preussen bei der sog. Mauerattacke erreicht, bei der die Pferde so dicht geschlossen in Linie galoppieren dass kein Papier dazwischen passt. Wer je mit Pferden gearbeitet hat, weiss, dass dies aussert schwierig ist. Diese Form der Attacke wurde auch nur von einigen Regimentern beherrscht.

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    • admin
      Administrator
      Colonel
      • 30.09.2006
      • 2687

      #32
      Hallo Du "Genießer",

      ja in der Tat, wirklichen Kavalleriesachverstand haben hier sicher nur wenige - denn wer kennt sich schon wirklich mit Pferden aus, um die elementaren (taktischen) Belange nachvollziehen zu können.

      Daher danke für diese sehr interessanten Hinweise ... kannst Du vielleicht noch weitere Beispiele für diese aufwändige Zucht/Ausbildung liefern und zum Schluß sei die Frage gestellt: wie war es denn mit dem Pferdenachschub bei einem größeren Aderlass bestellt? Ich denke doch, dass solcherart ausgebildete Pferde nur in längeren Friedenszeiten bereit gestellt werden konnten.

      Dies führt mich zur These, dass mit Fortdauer der Feldzüge schlechter ausgebildete Pferde vorhanden waren und damit auch "schlechter ausführbare" taktische Kavalleriemanöver (insbesondere geschlossene Attacken) möglich wurden.

      Kannst du Beispiele für solch eine im Sinne einer richtigen Taktik vollführten "Mauerattacke" nennen? Das würde mich sehr interessieren - vorstellen kann ich mir das schon, dass diese Angriffsart sehr hohe Anforderungen an Pferd und Reiter stellte.

      Schöne Grüße
      Markus Stein
      "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

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      • Cuirassier
        Erfahrener Benutzer
        Tambour-Major
        • 20.10.2006
        • 275

        #33
        im alten preussen wurde knie an knie geritten, später nur steigbügel an steigbügel, und das ist schon nicht einfach!allerdings lassen sich wendungen
        leichter ausführen, je enger man reitet....die attacke in linie hat bei uns den nachteil....es gibt kein halten mehr*)))))))) ! das muss noch geübt werden....



        zur zeit der napoleonischen kriegen hat man je nach gattung verschieden pferde bevorzugt, husaren die die leichteren campagnepferde aus ostpreussen und anderen polnischen gebieten, kürassiere schon eher schweres blut, altfriesisch oldenburger oder das schwere holsteiner pferde und hannoveraner natürlich. ( die sahen damals aber noch anders aus). das ist aber um 1813 gar nicht mehr möglich gewesen, europa war schlichtweg leergefegt, es dürfte also sehr buntscheckig zugegangen sein...
        Ein Soldat kann seinen Kopf verlieren, aber niemals einen Knopf!

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        • Sans-Souci
          Erfahrener Benutzer
          Major
          • 01.10.2006
          • 1841

          #34
          Daß später nur noch Steigbügel an Steigbügel geritten wurde, liegt wahrscheinlich daran, daß 1808 die hohen Stulpenstiefel der schweren Kavallerie abgeschafft wurden, so daß die Knie der Reiter nicht mehr ausreichend gegen Quetschungen beim engen Reiten geschützt waren.

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          • Cuirassier
            Erfahrener Benutzer
            Tambour-Major
            • 20.10.2006
            • 275

            #35
            stimmt genau! es gab immer quetschungen...., daher die festen stiefel. die schweren reiter haben auch weniger gestossen denn eingehauen..., der stoss ist zwar meist tödlicher, aber unpraktisch auszuführen...es gibt berichte, das der degenkorb beim niederreiten auch eingesetzt wurde, einfach draufhauen....niederhauen, einhauen...muss einfach fürchterlich sein...
            ( s. bild....da reicht ein leichter schlag, die melone ist glatt durch)

            um 1808 war der kochgeschirr z. t. noch am linken pistolenhalfter befestigt..im lederfutteral, es sollte darauf geachtet werden, daß der nebenreiter nicht gestört wurde. ( man hatte das wohl schnell abgschafft, weil unpraktisch). das geht schnell , wenn man zu dich nebeneinander reitet, das man sich gegenseitig verhakt und die knöpfe abreisst.. ( passiert uns öfters..))))

            aber jany weisst in seinem buch...-der kavalleriedienst vor 1806- schon auf die unzureichende ausbildung der reiter hin, vor allem auf die mangelnde reiterliche ausbildung. das war zu seydlitz zeiten noch ganz anders....
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            • Cuirassier
              Erfahrener Benutzer
              Tambour-Major
              • 20.10.2006
              • 275

              #36
              ps...die einzige mauerattacke die ich kenne ist von 1784?!..wo 23 preuss. schwadronen in linie( ca. 150 reiter je schwadr. ) 200 mtr. vorm feind in gallopp, stärker,... und dann in die karriere übergingen und wirklich in den ebenen gelände diese unglaublich attacke perfekt ausführten, den gegner komplett auseinander sprengten und dann niederhauten. wichtig war das sofortige sammeln....!!

              ist mir in napol. zeit nicht mehr geläufig?!.....
              Ein Soldat kann seinen Kopf verlieren, aber niemals einen Knopf!

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              • Sans-Souci
                Erfahrener Benutzer
                Major
                • 01.10.2006
                • 1841

                #37
                1784 ?

                Hast Du mehr Details und ne Quelle ?

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                • HKDW
                  Erfahrener Benutzer
                  Colonel
                  • 02.10.2006
                  • 2962

                  #38
                  Das mit den Stulpenstiefeln bei den Preußen ist doch ein Märchen, gerade der Schaft war hier doch aus weichen Leder im 7JK - was soll da schützen, die wirklich schweren Kavalleriestiefel, die ich so kenne, Bad Wildungen - scheinen älter zu sein.
                  Die lange Pferdeausbildung wird ja auch gut im Sächsischen Reglement von 1810 erläutert, aber anscheindend waren die Pferde - wenn sie gut ausgebildet haben in der Friedenszeit fett und träge (siehe Jany) oder eben ausgehungert und nicht ausgebildet.
                  Kavallerieattacken en muraille, dürften wie kontrolliertes Salvenschießen - wohl ganz selten vorgekommen sein.

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                  • Sans-Souci
                    Erfahrener Benutzer
                    Major
                    • 01.10.2006
                    • 1841

                    #39
                    Oberst Friedrich August Ludwig von der Marwitz, der 1790 seine militärische Laufbahn als Junker im Regiment Gens d'armes begonnen hatte, schrieb im August 1815:

                    Dazu [um bei der Attacke fest zusammenzuschließen] ist auch nothwendig, daß die steifen Stiefeln wieder eingeführt werden, weil mit den jetzt eingeführten schuhähnlichen Stiefelchen kein Mensch den Druck in einer geschlossenen Attake auszuhalten vermag.
                    Zuletzt geändert von Sans-Souci; 28.03.2007, 09:25.

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                    • Cuirassier
                      Erfahrener Benutzer
                      Tambour-Major
                      • 20.10.2006
                      • 275

                      #40
                      meine die gesteiften stiefel werden auch im streit beschrieben, die attacke müsste im -guddat- stehen..?!

                      Unter Friedrich dem Großen wurde für den Angriff der Reiterei das Feuern ganz verboten. Nur wenn man den Feind mit dem Degen in der Hand schon ganz geworfen hatte, durfte man ihm eine Salve nachschießen, um die Flucht zu beschleunigen. Sonst war Schießen nur beim Plänkeln oder Patrouillieren erlaubt.

                      Bei der Attacke sollte eine kurze Distanz im Schritt, das längste Stück im Trab, die letzten 200 Schritt im Galopp und kurz vor dem Gegner in Karriere übergegangen und eingebrochen werden. Die Offiziere ritten vor der Front und fielen erst kurz vor dem Einbruch auf das Kommando »Marsch! Marsch!« in die Linie des ersten Gliedes zurück. Das Ziel war eine geschlossene Front, bei der die Reiter Knie an Knie ritten. Wichtig waren Geschwindigkeit und Geschlossenheit, da man den Gegner durch den Stoß der in vollem Lauf ansprengenden Pferde in Unordnung zu bringen und, wenn dieses geschehen war, die getrennten Feinde mit dem Pallasch niederzumachen suchte.


                      Mauerattacke

                      Daher forderte man sofort nach der Attacke Sammeln, um augenblicklich einsatzbereit zu sein: Das Sammeln geschah bei den Preußen nach 1745 grundsätzlich nach vorn, dem Gegner zu. Zunächst standen die einzelnen Schwadronen mit Zwischenräumen, die der Formationsbreite entsprachen. Unter Friedrich dem Großen wurden 10 bis 25 Schritt üblich, denn bei unbekanntem Gelände sollte ein Ausweichen vor Hindernissen möglich bleiben. In bekanntem, ebenem Gelände wurden von preußischer Kavallerie Attacken vorgeführt, bei denen die Schwadronen ohne Zwischenräume sogenannte »Mauerattacken« ritten, eine Übung, die fremden Zuschauern und Fachleuten unglaublich erschien. So wird von einer solchen vorzüglichen Attacke von 23 Schwadronen in Linie vom Jahre 1784 berichtet. Was man vorher als unvereinbar gehalten hatte, Ordnung und Geschwindigkeit gleichzeitig, war hier zum Staunen der Zeitgenossen erreicht worden. Deshalb galt diese Kavallerie als beste ihrer Zeit und angestrebtes Vorbild, dem man nachzueifern suchte.
                      Ein Soldat kann seinen Kopf verlieren, aber niemals einen Knopf!

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                      • Sans-Souci
                        Erfahrener Benutzer
                        Major
                        • 01.10.2006
                        • 1841

                        #41
                        OK, das glaube ich, 1784 eine Mauer-Attacke ohne Gegner.

                        Marwitz berichtet, daß in alten Zeiten teils sogar Knie hinter Knie geritten wurde, weil die Attacke von vorne beurteilt wurde und es darauf ankam, einen möglichst eng geschlossenen Anblick zu bieten - wie eine Mauer eben.

                        Als man - leider sag er nicht, wann genau - dazu überging, Attacken von der Seite zu beurteilen, war es natürlich für den guten Anblick wichtig, daß niemand vorpreschte und die Richtung perfekt eingehalten wurde. Auch deshalb der größere Abstand zwischen den Reitern, Knie an Knie und später Steigbügel an Steigbügel, um dem beim Anreiten im engen Anschließen unvermeidlichen Druck zu entgehen, durch den ansonsten mancher nach vorne oder hinten geschoben wurde.

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                        • Da Capo
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                          Adjudant
                          • 23.10.2006
                          • 827

                          #42
                          Als Verfechter der Keilattacke – zumindest für 13 – kann ich HKW nur zustimmen.
                          Da es Leute mit geballtem Sachverstand in Sachen Ausbildung und Dressur preußischer Kavalleriepferde gibt, sollte sich doch feststellen lassen, wie die preußische Armee z.B. im Jahre 13 mit Pferden versorgt wurde.
                          Speziell bei der Landwehr-Kavallerie müsste eine ganze Reihe roher Pferde in „Reih und Glied“ gekommen sein, mit all den daraus entstehenden Nachteilen (Durchdrehen aufgrund des ungewohnten Lärms, Durchgehen bei der Attacke und was es da noch so gibt). Ich bin von Haus aus Infanterist, könnte mir aber denken, dass unter solchen Umständen der höchste Sinn des Reiters nicht im Aufsuchen und Besiegen des Feindes sondern im schlichten „nicht-vom-Pferd-fallen“ bestand.

                          Noch eine Anmerkung zum Thema Sporen. Es gibt den Augenzeugenbericht eines preußischen Kavallerieoffiziers, der sich bei der Auerstädt über einen mitten auf dem Feld herumhampelnden und nicht zur Truppe einrückenden Soldaten seiner Escadron erregt. Nach dem Hinreiten muß er feststellen, dass der Mann trotz aller möglichen Versuche (wozu auch der Einsatz der Sporen gehörte) das Pferd nicht mehr von der Stelle zu bewegen war. Und das bei Friedensmaterial.

                          Auerstädt zeigt auch deutlich, wie weit Ausbildung im Frieden gehen kann. Die preußische Kavallerie übte den Angriff auf geschlossene Infanteriemassen derart, dass – nach Formieren, Anreiten etc. p.p. – die Kavallerie kurz vor dem eigentlichen Einhauen vor der Infanterie abdrehte (es erfolgte also kein Öffnen der Glieder und Durchreiten, wie zu späteren Zeiten).
                          Genau dieses Verhalten legte die preußische Kavallerie bei Auerstädt an den Tag. Frz. Offiziere berichten mehrfach von Attacken, die kurz vor dem Einhauen wie auf ein Zauberwort hin abdrehten und wieder verschwanden.

                          Noch was zu fetten, trägen Pferden. Für 1813 wird berichtet, dass die österreichischen Kürassiere gerne mit dicken Pferden paradierten. Dies veranlasste Nostitz mehrfach dazu, beim Oberkommando um Schonung für seine Kürassierdivision zu bitten, weil den Gäulen einfach die Puste ausging. Sehr gut beschrieben ist dies auch in Freytag-Loringhoven Auslassung zu Marschleistungen, wo wiederholt beschrieben wird, wie die Infanterie der in der Kolonne vor ihr befindlichen Kavallerie in die Hacken tritt, weil für die Infanterie letztere einfach zu langsam marschiert.
                          Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

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                          • Gunter
                            Erfahrener Benutzer
                            Chef de Bataillon
                            • 01.10.2006
                            • 1377

                            #43
                            Ich für meinen Teil denke, dass es sich bei entprechendem Beschuss bei so einer geschlossenen Attacke sehr schnell "ausgemauert" hat.

                            @Da capo,
                            das mit dem schulmäßigen Abdrehen erwähnt auch Bismarck. Er verwirft das Üben von Attacken gegen Infanterie im Frieden, weil die Kavallerie dadurch ihr Vertrauen in sich verlor und die Infanterie gleichzeitig die Gefahr durch die Reiter missachtete. Das führt dann gleich zu der generellen Frage, ob das Ausweichen vor dem Gegner im Gefecht eher dem Fluchtinstinkt der Pferde oder einer falschen Friedensausbildung zuzuschreiben ist.

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                            • Mephisto
                              Erfahrener Benutzer
                              Capitaine
                              • 01.10.2006
                              • 625

                              #44
                              Hallo, DaCapo,

                              Das glaube ich wohl, ….aber suchen wir hier denn nach der Ausnahme von der Regel?
                              Der Vorfall war nur deshalb erwähnenswert, weil er eben eine Ausnahme darstellte.
                              Natürlich sind Sporen kein Allheilmittel, aber allein ihr Fehlen benachteiligt den Re-Enactor bereits
                              immens im Vergleich zum historischen Vorfahren (…genau wie die heutige „tierfreundliche“ Reitschule,
                              das mangelnde Training der Reiter, etc….), und darauf hatte ich mich bezogen.
                              Gruß
                              Mephisto

                              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

                              Kommentar

                              • Cuirassier
                                Erfahrener Benutzer
                                Tambour-Major
                                • 20.10.2006
                                • 275

                                #45
                                einspruch. wir reiten alle! ( 8 reiter) mit der exakten sporengrössen von damals, 8 oder 12 zackiges rad am graden sporn ( schwanenhalssporen hatten nur die garde-regt.)...man(n) muss damit umgehen können....***

                                und natürlich mit 4 zügliger kandare einhändig....muss man halt oft üben, bei einem neuen pferd fängt man wieder von vorne an....

                                schaue heut abend ins archiv, hab da noch spannende orig. berichte aus der zeit....
                                Ein Soldat kann seinen Kopf verlieren, aber niemals einen Knopf!

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