Einschätzung Napoleons im Vergleich zu anderen Herrschern

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  • Mephisto
    Erfahrener Benutzer
    Capitaine
    • 01.10.2006
    • 625

    #16
    Wufi,

    Ich denke, Dein Einwand greift nicht wirklich.
    Du scheinst nämlich Verfassung mit den Gewalten durcheinander zu werfen.

    Der Staat (Leviathan) nach Hobbes kann ein Kollektiv oder aber auch ein Einzelner sein,
    der sich durch einen imaginären Gesellschaftsvertrag verpflichtet,
    die Bürger vor anderen und sich selbst zu schützen.

    Um dahin zu kommen, bedarf es der Übergabe der kollektiven Macht durch die Individuen
    an ihn. Hier bedarf es keiner Form.
    (Für mich war dies die Wahl N zum Konsul/Breite Zustimmung des Volkes 1799/1800))

    Dadurch besitzt er unbeschränkte Gewalt (und kann sie rein theoretisch niemals falsch nutzen).
    Hobbes sagt explizit:
    " Das Staatsoberhaupt (allg. der Staat) ist dem Volk durch Vertrag zu nichts verbunden und kann dem Bürger
    kein Unrecht tun, möge es über ihn verfügen, was es wolle:"
    (Kant ist selbiger Meinung - nennt obigen Satz aber "erschrecklich"...)
    Keine Magna Carta, keine Verfassung - nix.
    Du suchtest den Superlativ zum Absolutismus: Et voila!

    Die Verfassung der Republik, wurde vom Leviathan N gebrochen, wann er es für richtig hielt.
    Hobbes hat sie in der Theorie vernachlässigt und N hat sie in der Praxis ignoriert.
    Es gab kein effektives Kontrollorgan. Der Senat wurde beurlaubt, wenn er aufmuckte.
    Das ist der Punkt.
    Die Gewalten waren natürlich unter seiner Kontrolle: Judikative, Exekutive, Legislative
    und wurden von ihm nach seinem Willen benutzt.
    Er tat dies, weil er glaubte / glauben konnte, damit auch im Einklang mit dem Volkswillen zu sein.
    Die Ausübung seiner Funktion als Leviathan setze ich für Napoleon für die Zeit von 1800 - 1808 an.
    Bis dahin konnte er auf den Rückhalt des Volkes rechnen und hatte zugleich
    auch noch nichts unternommen, was dessen Interessen zuwiderlief.
    Aber auch darüber läßt sich sicherlich trefflich streiten...

    Das ich Dir keinen Leviathan nenne kann, der nicht (durch seine Machtfülle bedingt)
    zum Diktator geworden wäre und damit den jeweiligen "Gesellschaftsvertrag" (Schutz der Interessen
    der Bürger) gebrochen hat, gebe ich Dir zu.
    Hobbes verließ sich da auf eine Art göttlicher Macht, die nach meiner Statistik ...
    Zuletzt geändert von Mephisto; 15.06.2007, 02:02.
    Gruß
    Mephisto

    "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
    nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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    • Mephisto
      Erfahrener Benutzer
      Capitaine
      • 01.10.2006
      • 625

      #17
      Er hat die Finanzkrise nicht verursacht.
      Madame,

      Das ist richtig.
      Er hat sie vergrößert, durch Kriegführung in Amerika.
      Die Alternative war sicher nicht die Verteilung des Geldes an die Armen.
      Solche Kurzsichtigkeit würde ich weder ihm noch Necker zugetraut haben.

      Deine Überleitung zu HarzIV halt ich für gewagt.
      Gruß
      Mephisto

      "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
      nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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      • wufi
        Erfahrener Benutzer
        Tambour-Major
        • 03.10.2006
        • 311

        #18
        @mephisto :duell:

        Was die Reelle Praxis anbelangt, gebe ich dir Recht.

        Beim theoretischem Teil hingegen:

        Die implizite Zustimmung bei Napoleon ab dem Zeitpunkt gegeben, als den Putschisten 1799 kein Widerstand entgegengesetzt wurde. Die Volkwahl Napoleons würde ja dem alleinigen Machtanspruch entgegenwirken (da ist übrigens eine Inkonsistenz bei Hobbes auszumachen: Der werdende Leviathan braucht die Masse der Menschen um zum Leviathan zu werden = Legitimation, aber der Leviathan ist dadurch nicht mehr allmächtig, also darf er keine Legitimation durch die Menschen haben)

        Frankreich hatte eine Verfassung, also gab es allgemeingültige normative Regeln, denen man sich unterordnen musste. Somit gab es eine Einschränkung der Allmacht des Leviathans!

        PS: der Leviathan kann den Gesellschaftsvertrag nicht brechen, da dieser nur aus einem Punkt besteht, und auch sonst dem Volk nicht versprochen werden darf (da sonst der Leviathan eingeschränkt wäre: Alle unterwerfen sich auf Gedeih und Verderb dem Leviathan (siehe obige Inkonsistenz).

        PS: Gott war bei Hobbes diesbezüglich aus dem Spiel (weshalb er bei den Monarchisten, obwohl er selber einer war, nicht so gern gesehen war)

        -> Ich weis, is alles totale Haarspalterei rost:
        Je l'ay emprins

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        • admin
          Administrator
          Colonel
          • 30.09.2006
          • 2687

          #19
          Hey, das ist ja eine klasse philosophische Diskussion hier ... nur weiter so, Ihr Hüter der scharfen Zunge ... ich habe mir erlaubt, den Ursprungsthread zu teilen und die letzten Posts mit der vergleichenden Einschätzung Napoleons als gesonderten Threat abzuspeichern.

          Ein sich gut unterhaltet fühlender
          Markus Stein
          "Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir diese große Narrenbühne betreten" (King Lear) ... jedem also sein ganz persönliches (Hof-) Narrenleben

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          • Mephisto
            Erfahrener Benutzer
            Capitaine
            • 01.10.2006
            • 625

            #20
            Hallo, Wufi,

            Ich jedenfalls halte es nicht für Haarspalterei.
            Das N (oder ein anderer) zu 100% in die Schublade von Hobbes passen sollte, ist nicht anzunehmen.
            Ein bisschen Abstraktion gehört sicherlich dazu und die traue ich uns zu.

            Legitimation = Leviathan ist dadurch nicht mehr allmächtig
            Allmacht und die Notwendigkeit einer Legitimation (zu Anfang) sehe ich keineswegs als Widerspruch.
            Leviathan ist kein Gott, somit muß er auch nicht von Anbeginn aller Zeit (vor einer Entstehung/Ernennung) an
            allmächtig gewesen sein wie dieser.
            Er wird es erst durch die Legitimation. Vor dieser ist er es eben nicht.

            Also, als er [N] zum Leviathan wurde, war er natürlich nicht zugleich bereits einer.
            Er war ein „werdender“.
            Soll heißen, erst durch das Volk ist er einer geworden und somit hat auch erst damit (ergo: danach)

            einen alleinigen Machtanspruch erworben.
            Die Legitimation ist erfolgt.
            Nach Hobbes ist der Leviathan damit unantastbar.
            Es wird nicht mehr hinterfragt, ob der Leviathan auch nach 10 Jahren noch den ursprünglichen Ansprüchen genügt.
            Reklamation also ausgeschlossen.

            Verfassung = Einschränkung der Allmacht des Leviathans!
            Richtig, aber in der Praxis sehen wir, daß diese ausgehebelt, geändert wurde.
            Zuletzt ist es die eines Kaiserreichs. Nein, auch wenn die Theorie eine solche Verfassung nicht beinhaltet,
            ist der Pukt zu vernachlässigen.
            Schließlich ist sie vor dem Werden des Leviathans entstanden.

            Mit seiner Entstehung war sie überflüssig geworden, er konnte sie ignorieren und tat es auch
            – weil er allmächtig war.

            der Leviathan kann den Gesellschaftsvertrag nicht brechen
            Das ist in der Tat der Punkt, der mich an die Religiosität Hobbes erinnert.
            Dieser war sicherlich nicht ein Christ seiner Zeit, soll heißen: unorthodox.
            Nichtsdestotrotz muß er an ein Wesen geglaubt haben, das seinen Leviathan kontrollierte.
            Wie sonst sollte sicher gestellt werden, dass der L ehrlich bleibt,
            die Menschen weiterhin vor sich selbst und vor anderen schützt!?
            Da ist die Krux.
            Das Ergebnis ist die Entwicklung zum Diktator.
            Gruß
            Mephisto

            "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
            nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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            • wufi
              Erfahrener Benutzer
              Tambour-Major
              • 03.10.2006
              • 311

              #21
              :duell:

              Zum Thema der Legitimation:


              Das ist wirklich der Schwachpunkt von Hobbes:
              Der Leviathan zeichnet sich dadurch aus, dass er unabhängig von allem ist und allmächtig. Nach Hobbes schafft es der zum Leviathan der alle anderen unterwerfen kann.
              ABER: Nach Hobbes müssen die Menschen im implizit zustimmen. Somit stellt sich folgendes Problem: Was hält die Menschen davon ab jederzeit einen neuen Leviathan anzuerkennen?
              Besonders klar ist die Inkonsistenz in Hobbes’ Souveränitätsbegründung von der
              amerikanischen Philosophin Jean Hampton analysiert worden:
              1. Um den Frieden sichern zu können, bedarf es eines absoluten Souveräns, der
              die höchste Entscheidungsgewalt hinsichtlich aller Fragen im Staat innehat –
              natürlich auch hinsichtlich der Frage der Dauer seiner Herrschaft.
              2. Rationale Individuen werden eine Person oder eine Gruppe mit den
              Kompetenzen eines absoluten Souveräns ausstatten, wenn sie überzeugt sind,
              dass dies ihrem wohlverstandenen Interesse dient.
              3. Aus (2) wird nun aber ersichtlich, dass der (vermeintlich) absolute Souverän nicht
              für seine Untertanen entscheiden kann, ob sie ihm gehorchen – das entscheiden
              sie als rationale Individuen ja immer noch selbst (siehe „wenn“-Vorbehalt in 2). 1


              Zur Verfassung:

              Der Punkt ist (für die Theorie) äusserst wichtig!
              So etwas darf es nach Hobbes nicht geben.
              Ausserdem dein Argument „Schließlich ist sie vor dem Werden des Leviathans entstanden.“ Verschlimmert die Situation noch, denn sobald ein neuer Leviathan entsteht, hören alle alten Gesetzte etc. auf zu existieren, da der Leviathan ja mit dem Staat gleichzusetzen ist und somit erst mit ihm eine Staatsordnung inkl. Gesetzte kommt.

              Zur Kontrolle des Leviathan:

              Niemand kontrollierte den Leviathan. Politik hatte den absoluten Vorrang vor der Religion. Religion konnte wenn überhaupt nur als Instrument der Politik dienen.
              Hobbes garantierte nie, dass der Leviathan gerecht sein würde, nach seiner Logik war er nur das kleinere Übel im Vergleich zu der Unsicherheit und die Opfer, die die Menschen erwarten konnten, wenn es Konkurrenz gäben würde. Nach Hobbes war es somit Logisch, dass man sich dem Mächtigsten unterordnen würde um seine Haut zu retten und dessen Gesetze befolgen würde (ob gerecht oder nicht spielte keine Rolle, da es Ungerecht gar nicht gab, da Gesetze ja erst mit dem Staat des Leviathan entstanden und dieser wiederum mit Gesetzen definierte was gerecht war)


              1 Jean Hampton (1986): Hobbes and the Social Contract Tradition, Cambridge: Cambridge
              University Press, 204-206

              -----

              Abgesehen davon muss man sagen, dass Napoleon sicherlich dem am nächsten kam, was Hobbes als Leviathan bezeichnete: Der Stärkste setzte sich durch, einzig und allein mit der Legitimation, dass er der Mächtigste war. Und er sich von nichts abhängig fühlte (ausser vielleicht von ein paar Normativen Sätzen der Revolution), bzw. war.
              Zuletzt geändert von wufi; 15.06.2007, 16:07.
              Je l'ay emprins

              Kommentar

              • Mephisto
                Erfahrener Benutzer
                Capitaine
                • 01.10.2006
                • 625

                #22
                Hallo, Wufi,

                Natürlich ist Hobbes nicht ohne Widersprüche.
                Du erläuterst sie sehr anschaulich.

                Deinen interessanten Ausführungen habe ich wenig entgegen zu setzen.

                Jean Hampton (1986)
                Auch ich habe mich wieder belesen müssen.
                Bei mir war es der Hirschberger.
                Sehr erbaulicher Austausch dieses - wie hattest Du es noch genannt - Klug-dingsen.
                ob gerecht oder nicht spielte keine Rolle, da es Ungerecht gar nicht gab
                Wie gesagt, ich unterstelle Hobbes hier den Glauben an ein höheres Wesen.
                Kann es aber nicht belegen.
                Kant hat den Satz von Hobbes als „erschrecklich“ bezeichnet –
                war in seinen eigenen Schriften über die Staatssouveränität jedoch nicht weit davon entfernt.
                Er ergänzte ihn dadurch, der nichtwiderspenstige Untertan solle wenigstens“annehmen können,
                sein Oberherr wolle ihm nichts Unreches tun“. Also so tun „als ob“.
                Dürftig und wie Du schon sagtest: ein großes Manko des Theorems.

                Abgesehen davon muss man sagen, dass Napoleon sicherlich dem am nächsten kam,
                was Hobbes als Leviathan bezeichnete
                War das nicht mein Ansatz!?!
                Dein Einlenken ist nicht nur sehr sportlich zu nennen, es ist auch taktisch klug.
                Denn dies wären meine nächsten Fragen gewesen:
                - Wer hätte Deiner Meinung nach eher als Leviathan bezeichnet werden sollen/können?
                - Welches andere staatpolitische Theorem wäre eher auf Napoleon anwendbar?
                Je mehr ich darüber nachdenke - insbesonder nach Dursicht Deiner Kritikpunkte -
                umso weniger Namen fallen mir ein, auf die die Blaupause eines Leviathan passen könnte.
                Dir vielleicht?
                Zuletzt geändert von Mephisto; 15.06.2007, 20:58.
                Gruß
                Mephisto

                "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

                Kommentar

                • wufi
                  Erfahrener Benutzer
                  Tambour-Major
                  • 03.10.2006
                  • 311

                  #23
                  Für diese Zeit fällt mir eigentlich keiner ein.
                  England stand in Lockes Tradition, die anderen Staaten folgten Montesquieu (Legislative vom Monarch getrennt), oder versteiften sich hinter dem angestaubten Filmer (Österreich!!!)

                  Als gutes Beispiel fallen mir ehrlich gesagt im ersten Moment nur die Diadochen ein (falsches Jahrtausend, ehe).
                  Je l'ay emprins

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