Bestrafungen von Soldaten

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  • Tellensohn
    antwortet
    Zitat von Tom Beitrag anzeigen
    Die Frage der körperlichen Züchtigungen bei den Franzosen ist wirklich spannend. Bisher ging ja das vereinfachte Erklärungsmuster zu 1806 so: Auf der einen Seite die mehr oder weniger freien citoyens, die man auch im zerstreuten Gefecht einsetzen konnte, ohne dass sie davon liefen - auf der anderen Seite der zum Dienst gepresste Preuße oder angeworbene Ausländer, der vor dem Stock des Uffz. / Offz. mehr Angst als vorm Feind haben sollte und nur in der Lineartaktik zu gebrauchen war. Natürlich wissen wir inzwischen, dass das Bild nicht schwarz-weiß war, sondern viele Graustufen hatte...

    Zu 1813: Zugegeben, die Situation war inzwischen für die Franzosen viel schwieriger (Große Armee von 1812 untergegangen, riesige Rekrutenmassen neu ausgehoben mit dünnen cadres von alten Soldaten / Uffz. / Offz.). Mich hat überrascht, dass doch mehrfach in zeitg. deutschen und französischen Berichten (z.B. Vionnet, grade wieder aufgelegt) die körperlichen Züchtigungen bei den Franzosen offenbar eine häufige Rolle spielten. Wir hatten dazu vor etwa einem halben Jahr im engl. Forum eine intensive Diskussion.

    Mein Fazit: Nicht nur bei den Russen, Österreichern und Preußen (II. Klasse des Soldatenstandes), sondern auch bei den Franzosen regierte 1813 eigentlich der Stock.

    Gruß, Tom
    Das sehe ich nicht ganz so. Ich denke nicht, dass man die Verhältnisse in den verschiedenen Armeen miteinander vergleichen kann. Bei den Russen, Österreichern und Preussen wird die Prügelstrafe vom Offizier/Adligen (oder auf dessen Geheiss) am einfachen Soldaten/Untertan/Leibeigenen vollzogen. Da spielt immer reine Klassenjustiz mit und daran hat sich die ganzen Kriege über wenig bis gar nichts geändert. In der französischen Armee sind es prinzipiell die Kameraden, die einen der ihren wegen Fehlverhaltens züchtigen. Alle Beteiligten sind Bürger und Soldaten, stehen also, was ihre gesellschaftliche Stellung angeht, im Prinzip auf derselben Ebene. Anders als in den Feudalgesellschaften des Feindes. Das ist die vorherrschende Ideologie seit der Revolution und auch das Empire kann und will sie nicht grundsätzlich ausmerzen. Das wäre kontraproduktiv gewesen. Das Prinzip der Gleichheit ist als solches psychologisch bedeutsam und wirkt sich auf die Moral und das Selbstwertgefühl des einzelnen Soldaten positiv aus. Innerhalb der Kompanie kommt dieses Gleichheitsgefühl u.a. ja auch dadurch zum Ausdruck, dass es die Regel war, auch die Kompanieoffiziere, bis hinauf zum Capitaine, zu duzen. Wie sagte doch Napoleon selber irgendwo und immer mal wieder: An der "Liberté" darf und soll man gelegentlich herumschrauben, aber an der "Egalité" wird nicht gerüttelt (oder so ähnlich ). Da gibt es meiner Meinung nach schon Unterschiede zu den Armeen des monarchistischen Europa, auch in der Spätzeit des Empire, die man nicht einfach vom Tisch wischen darf. Wie gesagt, ich rede vom "ideologischen Überbau", der m.E. immer bis zu einem gewissen Grad wirksam bleibt, auch wenn die realen Verhältnisse die postulierten Ideen zur Farce werden lassen (Leben wir heute in einer demokratischen Gesellschaft? Nun ja, ich will es zumindest glauben. Es geht mir dann besser...)
    Zuletzt geändert von Tellensohn; 15.12.2012, 10:56.

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  • Tom
    antwortet
    1813 - der Stock regiert allerorten

    Die Frage der körperlichen Züchtigungen bei den Franzosen ist wirklich spannend. Bisher ging ja das vereinfachte Erklärungsmuster zu 1806 so: Auf der einen Seite die mehr oder weniger freien citoyens, die man auch im zerstreuten Gefecht einsetzen konnte, ohne dass sie davon liefen - auf der anderen Seite der zum Dienst gepresste Preuße oder angeworbene Ausländer, der vor dem Stock des Uffz. / Offz. mehr Angst als vorm Feind haben sollte und nur in der Lineartaktik zu gebrauchen war. Natürlich wissen wir inzwischen, dass das Bild nicht schwarz-weiß war, sondern viele Graustufen hatte...

    Zu 1813: Zugegeben, die Situation war inzwischen für die Franzosen viel schwieriger (Große Armee von 1812 untergegangen, riesige Rekrutenmassen neu ausgehoben mit dünnen cadres von alten Soldaten / Uffz. / Offz.). Mich hat überrascht, dass doch mehrfach in zeitg. deutschen und französischen Berichten (z.B. Vionnet, grade wieder aufgelegt) die körperlichen Züchtigungen bei den Franzosen offenbar eine häufige Rolle spielten. Wir hatten dazu vor etwa einem halben Jahr im engl. Forum eine intensive Diskussion.

    Mein Fazit: Nicht nur bei den Russen, Österreichern und Preußen (II. Klasse des Soldatenstandes), sondern auch bei den Franzosen regierte 1813 eigentlich der Stock.

    Gruß, Tom

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  • Tellensohn
    antwortet
    Das Wort "Flogging" ist sicher keine optimale Übersetzung. Wie HKDW gesagt hat, ist "la savate" eine Bestrafung, die gewöhnlich innerhalb der Stubengemeinschaft von den Kameraden vollzogen wurde, unter Aufsicht eines Unteroffiziers.

    "Dans les chambrées, la punition de la savate est très usitée: le soldat puni baisse son pantalon et ses camarades lui frappent le postérieur à grands coups de talon de soulier. C'est un sous-officier qui préside la "cérémonie" et décide du nombre de coups à appliquer. Ce supplice empêche le soldat qui l'a subi de marcher normalement pendant plusieurs jours!" (Alain Pigeard, in: Tradition Magazine N°36, janvier 1990, S.37)

    Kann sein, dass man im vorliegenden Fall die beiden bestraften Kanoniere nicht des vorsätzlichen Fernbleibens von der Truppe beschuldigen wollte oder konnte, aber ihr Vergehen ausgerechnet während einer Schlacht schwerer wog als unter anderen Umständen. Vielleicht hat man deshalb "la savate" ausserhalb der Unterkunft verordnet. Einerseits, um die Schwere des Fehlverhaltens unter den gegebenen Umständen zu unterstreichen, andererseits vielleicht auch, um mögliche Nachahmer abzuschrecken.

    Es gibt übrigens ein schönes zeitgenössisches Bild zur "savate", angefertigt von einem Leutnant der Chasseurs à cheval der Kaisergarde (op.cit., S.38)

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  • HKDW
    antwortet
    also den Bericht von Davout kann ich einfach nicht finden - Savate - eigentlich nicht auspeitschen, sondern das Schlagen mit einem Schuh auf auf Hinterteil des Soldaten - trotzdem finde ich das extrem ungewöhnlich, dass sowas vor allen Augen geschah, üblicherweise war das eine interne Bestrafung.

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  • Mephisto
    antwortet
    Hallo HKDW,

    Der Bericht erstreckt sich auf 4 Seiten.
    Der letzte Teil bezieht sich auf die hervorragende Leistung der Artillerie unter General Hanicque.
    Er ehrt das Andenken der tapferen Kanoniere
    Der Bericht endet wie folgt:
    "This general was extremely well assisted by Colonel Geoffrey, by Colonel Charbonnel, and by the spirit of the gunners
    under their orders, of whom we will give an example: some gunners had been killed with their batteries,
    and their comrades asked and obtained permission to give them military honors.
    Two gunners, who had only arrived after the battle, and who could not give legitimate reasons
    for their absences, were sentenced to "la savate" (flogging) over the graves of the braves ones killed in action;
    this was carried out in the presence of part of the army."

    PS
    Der Bericht von Baille folgt direkt danach.
    Der Befehl an Gudin ist vom 10.Februar geschrieben im Lager von Sausgarten. (Müsste auch bei Dir drei Reports danach kommen.)
    Zuletzt geändert von Mephisto; 14.12.2012, 21:38.

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  • HKDW
    antwortet
    hab ich nicht, sondern Operations du 3e corps, also das Original - allerdings nur von Google, eine Seite nicht leserlich - scheint die von Davout zu sein, kannst du das mal zitieren - vom 8. Februar finde ich nur den Bericht von Oberst Baille, 51. Linienregiment

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  • Mephisto
    antwortet
    Journal des III Corps, Übersetzung Scott Bowden (den hast Du ja auch)
    Bericht Davout 8.Februar 1807 - S156
    Zuletzt geändert von Mephisto; 14.12.2012, 20:45.

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  • HKDW
    antwortet
    wo steht das denn im Journal des 3. Corps, ausgepeitscht - bei den Franzosen?

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  • Mephisto
    hat ein Thema erstellt Bestrafungen von Soldaten.

    Bestrafungen von Soldaten

    Wenn ich Memoiren lese - finde ich eben oft, dass es nicht die Furcht vor dem Vorgesetzten war - die die Offiziere und Soldaten in Reih und Glied hielt, sondern die Furcht die Beherrschung zu verlieren und eben zu fliehen, das scheint die Soldaten damals ungeheuer beschäftigt zu haben, fast provokant - der Tod eher weniger.
    Das Gefühl habe ich auch. Stellt sich die Frage: Warum?
    Mir scheint es, wir lösen in unserer Fragestellung viel zu oft den Menschen aus der Gesellschaft heraus.
    Der Soldat war aber eben nicht allein. Er war Mitglied einer Gruppe, und er handelte innerhalb dieser Gruppe.
    Sein Verhalten ergab sich daher nmE sehr stark aus dem Korpsgeist (Gruppenzwang?!?).

    Davout schreibt im Journal des III Korps nach der Schlacht von Eylau, dass zwei Kanoniere, die keine ausreichenden Gründe vorbringen konnten, warum sie an der Schlacht nicht teilgenommen hatten, über den Gräbern der Gefallenen ausgepeitscht wurden - vor versammelter Mannschaft . Welchen Eindruck muss dies auf die Verbliebenen gemacht haben...
    In einem Befehl an General Gudin gibt er die Anweisung, den Kommandeuren zu empfehlen, ihren Soldaten beizubringen, dass diejenigen, die ein "gutes Beispiel" geboten hatten (die Mehrheit), die "Drückeberger" ausstossen sollten.
    Hieraus sollte doch wohl ein Ehrgefühl innerhalb der Gruppe erwachsen und genährt werden.
    Zuletzt geändert von Mephisto; 14.12.2012, 20:40.
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