Vom Mousquetier zum Schlachter - Kolberg und Wollin im Frühjahr 1813

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  • Moritz
    Neuer Benutzer
    Cantinière
    • 18.04.2020
    • 7

    Vom Mousquetier zum Schlachter - Kolberg und Wollin im Frühjahr 1813

    Moin zusammen,

    mal wieder eine Frage, die aus der Ahnenforschung entstanden ist. Ich weiß, dass es sich dabei nicht immer um die spannendsten Themen für dieses Forum handelt, aber vielleicht kann ja trotzdem jemand helfen oder findet den Eizelfall interessant

    Ich habe schon vor geraumer Zeit mehr oder weniger durch Zufall herausgefunden, dass einer meiner Vorfahren 1813 im Kolberger Garnisonskirchenbuch geführt wird (die Freude war natürlich groß und es gab schon Überlegungen, ob ich mir fürs Reenactment nicht auch eine Colberger Uniform zulegen sollte ). Zu dieser Freude kam recht schnell auch etwas Verwirrung. Der entsprechende Eintrag entstammt dem Februar 1813 und nennt den betreffenden Ahnen als Vater eines Kindes (Name und Geburtsdatum des Kindes und Name der Frau passen auch zu meinen sonstigen Informationen). Darüber hinaus wird er als Mousquetier ausgewiesen. Leider fehlt die Zugehörigkeit zu einer Einheit. Dieses Fehlen gibt es auch bei anderen Einträgen auf der Doppelseite des Kirchenbuches, während bei wiederum anderen etwa "Mousquetier vom Colbergischen Infant. Regiment" zu lesen ist. Ich schließe daraus, dass er nicht im Colbergischen IR gedient hat. Ist denn bekannt, welche anderen Einheiten im Winter 1812/1813 in Kolberg stationiert waren?

    Außerdem hatte der gute Mann da nach meinen Informationen bereits das Alter von 39 Jahren erreicht. Für einen Dienst in der Linie doch eigentlich unüblich oder? Und die Landwehr wurde ja erst einen Monat später formiert. Zwei Monate später, Ende April 1813, wird er dann in einer Liste im Amts-Blatt der Königlichen Regierung von Pommern über 192 Spender für das Pommersche Cavallerie-Regiment aus dem Städtchen Wollin auf gleichnamiger Insel geführt, wonach er - mittlerweile Schlachter - 8 Groschen (na immerhin...) gespendet hat. Da stellt sich mir die Frage, warum er nun, wo es doch "ernst wurde" allem Anschein nach aus dem Militärdienst entlassen wurde? Vielleicht ist dies ja mit seinem fortgeschrittenen Alter erklärbar, aber warum dann nciht gleich die Übernahme in die Landwehr? Theoretisch könnte es sich auch um zwei verschiedene Personen handeln, aber das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich, da die Tätigkeit als Schalchter für ihn belegt ist und er meines Wissens nach der erste Einwohner seiner Familie und seines Namens in Wollin war.
    Vielleicht kann sich ja ein mit den preußischen Verhältnissen im Frühjahr 1813 Vertrauter einen Reim auf diese spärlichen, aber für mich trotzdem verwirrenden Informationen machen.


    Besten Dank und ebensolche Grüße
  • Sans-Souci
    Erfahrener Benutzer
    Major
    • 01.10.2006
    • 1910

    #2
    Am 1. Januar 1813 befanden sich in Kolberg an Infanterie:

    1. Bataillon des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments
    Garnison-Kompagnie des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments
    2. Bataillon des Kolbergschen Infanterie-Regiments
    Füsilier-Bataillon des Kolbergschen Infanterie-Regiments
    Garnison-Kompagnie des Kolbergschen Infanterie-Regiments
    1. und 2. Pommersche Brigade-Garnison-Kompagnie

    Bis Mitte März 1813 waren die Garnison-Kompagnien auf Bataillons-Stärke gebracht worden und außerdem dort noch gebildet worden:

    2. Reserve-Bataillon des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments (frühere Bezeichnungen: zunächst Miliz-Bataillon No.1, dann Pommersches Reserve-Bataillon No. 1)
    1. bis 3. Reserve-Bataillon des Kolbergschen Infanterie-Regiments (frühere Bezeichnungen: zunächst Miliz-Bataillons No. 4, 5, 7, dann Pommersche Reserve-Bataillons No.4, 5, 7)

    Am 27. Februar 1813 oder kurz danach rückten die erstgenannten sieben Bataillons nach Stargard, wo sie am 2. März eintrafen.

    Daß bei Deinem Vorfahren kein Regiment genannt ist, ist wahrscheinlich nur Nachlässigkeit, weil "Mousquetier" allein ja nicht eindeutig ist.

    Ich glaube, kann es aber im Moment nicht belegen, daß die Dienstpflicht mit 40 Jahren endete. Vielleicht erreichte Dein Vorfahr ja zwischen Februar und April 1813 dieses Alter. Oder er war, wie von Dir vermutet, nicht mehr diensttauglich, also ganz-oder halbinvalide, und wurde deshalb aus dem Dienst entlassen.

    Daß er dann nicht in die Landwehr aufgenommen wurde, kann also daran liegen, daß er nicht mehr felddiensttauglich war. Oder er hatte Glück beim Losen. Das Kontingent an Mannschaften, das jeder Ort zur Landwehr stellen mußte, wurde zunächst durch Freiwillige bestritten, und was dann noch an Leuten fehlte, wurde unter allen ausgelost, die diensttauglich waren.

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    • Sans-Souci
      Erfahrener Benutzer
      Major
      • 01.10.2006
      • 1910

      #3
      Das Kanton-Reglement vom 12. Februar 1792 war trotz mancher Änderungen im Jahre 1813 noch gültig.



      In §. 90 wird eine zwanzigjährige Dienstzeit für die Kantonisten festgesetzt, "wenn er [der Kantonist] nachweisen kann, wie er, nach Vollendung derselben, ohne den öffentlichen Invaliden-Versorgungsanstalten zur Last zu fallen, und, ohne etwas mehr, als das freie Bürger- und Meisterrecht zu verlangen, sich zu ernähren im Stande ist."

      Das erreichte Lebensalter spielte aso keine Rolle.

      Im §. 91: "Bei dieser zwanzigjährigen Dienstzeit wird ein Kriegesjahr für zwei Friedensjahre gerechnet."

      Wenn Dein Vorfahr also mit 21 Jahren eingetreten war und die Kriegsjahre 1806 und 1807 als Soldat mitgemacht hatte, konnte er mit 39 Jahren seinen Abschied fordern. Da er kurz darauf Schlachter war, konnte er sich ja selbst ernähren und fiel dem Staat nicht zur Last.

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      • Sans-Souci
        Erfahrener Benutzer
        Major
        • 01.10.2006
        • 1910

        #4
        Nach §. 5 der Verordnung über die Organisation der Landwehr vom 17. März 1813:



        waren nur wehrbare Männer vom 17. bis zum 40. Jahre einschließlich landwehrpflichtig. Dein Vorfahr hätte also noch ein Jahr lang dienen müssen. Er war also entweder unabkömmlich (§. 6), nicht mehr kriegsdienstfähig, oder hatte beim Losen (Erste Beilage der Verordnung) Glück. Glück, weil er ja nicht weiter dienen wollte - sonst hätte er sich als Freiwilliger gemeldet.

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        • Moritz
          Neuer Benutzer
          Cantinière
          • 18.04.2020
          • 7

          #5
          Herzlichen Dank für diese ausführlichen und hilfreichen Antworten von dir! Die zwanzigjährige Dienstzeit war mir gar nicht bewusst - so kann man sich das schon besser erklären. In dem Zusammenhang natürlich auch interessant, dass der Vorfahr eventuell den 1806er Feldzug mitgemacht hat. Schade, dass da weitere Recherchen eigentlich aussichtslos sind. Besten Dank nochmal

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          • Sans-Souci
            Erfahrener Benutzer
            Major
            • 01.10.2006
            • 1910

            #6
            Ich hab mal kurz in der Ordensliste von 1817 nachgesehen, die hat am Ende ein Namensregister und es werden die Träger des Militair-Ehrenzeichens (bis 1807 ausgegeben) aufgelistet. Ein Soldat namens Quase ist nicht dabei. Weitere Quellen, um Informationen über einzelne einfache Soldaten zu finden, fallen mir auch nicht ein.

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