Napoleon, ein Aggressor?

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  • HKDW
    Erfahrener Benutzer
    Colonel
    • 02.10.2006
    • 2971

    Der Friede von Amiens hatte viele Streifragen zwischen Frankreich und England offen gelassen.

    Statt eines Aufblühen des englischen Handels – erschwerte Bonaparte die englischen Einfuhren in Frankreich, Holland und Italien.
    England dagegen weigerte sich Malta zu räumen.
    Dafür annektierte Bonaparte das Piemont und Elba.

    Am 8. März 1803 verlangte das englische Parlament Mittel zur Verteidigung gegen die drohende Landung wegen angeblicher Rüstungen Frankreichs in französischen und holländischen Häfen.
    Als ein englisches Ultimatum nicht angenommen wurde, verließ der englische Gesandt am 12. Mai Paris.

    Bonaparte begann sofort mit großen Vorbereitungen zur Landung in England – die anfangs im Herbst 1803 geplant war. Eine Armee von 150 000 Mann wurde in sechs Lagern konzentriert.
    Holland musste seine Flotte in Frankreichs Diensten stellen – auch Spanien und Portugal wurden gezwungen Bonaparte Heerfolge zu leisten.

    Auch beantwortete Bonaparte die Kriegserklärung Englands mit dem Ende Mai erfolgten Einmarsch in Hannover, das besetzt wurde.

    Als England sich an den Kaiser wandte – damit er als Oberhaupt des deutschen Reiches intervenierte – lehnte dieser ab.
    Wien sah auch Hannover lieber in französischen Händen als in preußischen.

    Überdies rückten französische Truppen in Neapel ein und besetzten alle Häfen.

    Ich seh weder bei Napoleon - noch bei England - einen ernsten Versuch die kommende Konfrontation diplomatisch unkriegerisch zu lösen.

    Was besseres als Wikipedia muss es ja geben - über die Lager an der Kanalküste - und deren Absichten wie

    1793 - 1805
    Projects et Tentatives
    De
    Debarquement aux Iles Britaniques
    von Eduard Desbriere, Paris 1900 - 1902, Band 1 - Band IVb

    Besonders von Interesse der Band 3 - wo Desbriere sehr schön das Hochschaukeln darlegt, wobei die Engländer wahrlich keine Kinder des Friedens sind - der erste Konsul läßt sich aber auch nicht lumpen.
    Aber das ist meine Interpretation, es wäre schön wenn noch ein paar andere Interessanten diesen Band lesen würde und ihr Sicht der Dinge mitteilen würden

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    • Mephisto
      Erfahrener Benutzer
      Capitaine
      • 01.10.2006
      • 625

      Richtig ist vielmehr, dass am 16. Mai 1803 trotz des Friedens von Amiens und ohne vorherige Kriegserklärung, durch die britische Regierung 100 französische Schiffe und Boote beschlagnahmt wurden. Die englische Kriegserklärung folgte erst zwei Tage später. Nämlich am 18. Mai 1803.
      Hallo Sans-Gene,
      Tatsächlich soll es sich "nur" um zwei Schiffe gehandelt haben, die vor der Kriegserklärung
      an der Bretonischen Küste aufgebracht worden sind.
      Ropes bestreitet den 16.Mai und gibt den 18. statt dessen als den Tag der Aufbringung an.
      Wenn man den 18ten zugrunde legt, dann geschah das 3 Tage nach dem Embargo auf alle Englischen Schiffe in franz. Häfen
      und 7 Tage nach dem Emgargo auf alle Englischen Schiffe in den toskannischen Häfen (Corresp. Vol. VIII No. 6743).

      Napoleon liess im Gegenzug zur Aufbringung der beiden Schiffe alle Engländer zwischen 18 und 60 Jahre im eigenen Lande als Kriegsgefangene festsetzen. Ein bis dahin beispielloses Vorgehen.
      Gruß
      Mephisto

      "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
      nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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      • Lavalette
        Benutzer
        Caporal
        • 02.01.2007
        • 67

        Der englisch-französische Gegensatz ist doch in diesen Jahren das entscheidenden Moment. Nicht nur militärisch, sondern vor allem wirtschaftlich. Seit der Französischen Revolution war dem englischen Bürgertum im französischen Bürgertum ein gleichartiger, wenn auch nicht ebenbürtiger Gegner erwachsen. Soweit kann man es in mehreren Büchern lesen (Tulard, Furet&Richet, Madeline etc.). Die französische Industrie konnte zwar nicht die englische während der der Kontinentalsperre in Europa ersetzen (weshalb die die franz. "Verbündeten" ziemlich unzufrieden waren - Rußland 1812 beispielsweise), aber das französische Bürgertum berherrschte die Pariser Politik und suchte sich eben einen Repräsentanten an der Spitze des Staates - Napoleon. Insofern konnte er auch m.E. nicht viel anders handeln, denn dieser Klasse fühlte er sich verpflichtet. 1810 mit der zweiten Heirat und dem Wandel am Hof und in der Politik entfremdete er sich dem Bürgertum und seinen Zielen. Selbst 1815 versuchte er diese Leute für sich zu gewinnen. Wenn der wirtschaftliche Gegensatz zwischen England und Frankreich nicht so gravierend gewesen wäre, hätte Napoleon eine friedlichere Politik betreiben können. Doch wäre er dann Kaiser geworden?
        "Die Nachwelt wird auf Grund von Thatsachen richten: Verläumdung hat mit der Zeit all ihr Gift verspritzt; ich werde jeden Tag an Ruhm gewinnen."
        Napoleon zu O'Meara am 9. Dezember 1817

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        • Sans-Gêne
          Benutzer
          Fourrier
          • 06.10.2010
          • 93

          @Mephisto
          Dass Napoleon in der Konsequenz der aggressiven Politik Englands, auch während des Friedens von Amiens, diesen Frieden um jeden Preis zu halten beabsichtigte, hat auch niemand behauptet.
          Was ich mit meinem Beitrag lediglich vom Kopf auf die Füße stellen wollte ist diese Aussage:

          Aber - durch das Zusammenziehen einer Invasionsarmee am Ärmelkanal bedrohte er sehr stark die Sicherheit Englands.
          welche den Anschein erweckt als habe es erst das Camp de Boulogne gegeben und dann erst habe England mit unfriedlichen Mitteln gegen Frankreich reagiert und sich Verbündete gesucht. Dies ist jedoch nicht richtig.

          Ich bin bisher davon ausgegangen, dass es hier darum ging zu erforschen, ob Napoleon ein Aggressor war. Daher halte ich es für hilfreich zu schauen, was zur Kriegserklärung führte und durch wen diese erfolgte. Ob Napoleon danach Hannover besetzte oder England Malta nicht mehr heraus gab, dürfte daher wohl nicht mehr relevant sein, oder?

          Tatsächlich soll es sich "nur" um zwei Schiffe gehandelt haben, die vor der Kriegserklärung
          an der Bretonischen Küste aufgebracht worden sind.
          Kann sein. Aber selbst über die Zahl der Soldaten im Camp de Boulogne gibt es unterschiedlich Angaben. Der von mir zitierte Wiki - Link spricht von 60 000 Soldaten in zwei Lagern, weil er sich wohl auf Boulogne selbst beschränkt. Andere sprechen von 150 000 oder 200 000 Soldaten in sechs Lagern, in Bezug auf des Camp de Boulogne. Was jedoch sicher auf die Zahl der Soldaten an der gesamten französischen Kanalküste bis 1805 zutrifft. Und warum soll ich schreiben was nicht bei Wiki zu lesen ist, wenn ich diese Seite schon mal aus anderem Grund (nämlich der chronologischen Korrektur) auf die Schnelle zitiere?

          Und auch diese Schilderung ist mindestens ungenau:

          Statt eines Aufblühen des englischen Handels – erschwerte Bonaparte die englischen Einfuhren in Frankreich, Holland und Italien.
          Denn:

          Der Frieden von Amiens mit England hatte allerdings einen Zustand geschaffen, der es gestattete, die Waffen für eine Frist beiseite zu legen, aber er hatte keine dauernde Ruhe verbürgt.
          Wir kennen die Stimmen, die sich gegen ihn im britischen Parlament erhoben und nachdrücklich betonten, dass man Napoleon Italien und damit die Herrschaft über den Kontinent eingeräumt habe
          Während das englische Volk erschöpft von dem langen und kostspieligen Krieg, den Präliminarfrieden von 1801 mit Jubel begrüßt hatte, begegneten die geschäftlichen Kreise dem definitiven Abschluss im März 1802 bereits mit weit weniger Enthusiasmus.
          Aus guten Gründen. Denn die Hoffnung der Engländer die Kampfesruhe für ihren Handel ausnützen zu können, erwies sich schon nach wenigen Monaten als Täuschung.
          Napoleon war zwar anfangs auf die gewünschten Verhandlungen eingegangen, sie scheiterten aber gleich an seiner ersten Forderung: der Ausfuhr französischer Waren nach England im gleichen Wert, des britischen Imports nach Frankreich(1).
          (1)
          S. Driault, La politique extérieur du Premier Consul, 1800-1803, p 302 über die Sendung Coqueberts nach London mit dem Auftrag, dort zu erklären :
          Die französische Regierung würde den Import aller englischen Waren in Frankreich zulassen, doch nur unter der Bedingung, der sofortigen Ausfuhr französischer Waren des gleichen Wertes“.
          Die Mission Coqueberts würde eine eingehendere Schilderung verdienen, da die Weigerung des englischen Ministers Hawksbury und dessen Verlangen nach einer wenigstens zeitweiligen Rückkehr zum Handelsvertrag von 1786 , der Frankreich ungünstig gewesen war, die Schwierigkeiten einleiteten die dann zum Bruche führten. *
          Also ging es der französischen Seite darum, einen für Frankreich nachteiligen Handelsvertrag mit England zu verhindern, der den Vorschlägen der Engländer zugrunde lag.
          Wie man auch außerhalb von Wiki und Edouard Desbrière nachlesen kann, lag die Schuld für den nicht zustande gekommenen Handelsvertrag mit England durchaus nicht nur auf Seiten Frankreichs.
          Denn:

          Schon nach dem Abschluss der Präliminarien hatte ein erfahrener Staatsmann, Eduard Cook, ein Sendschreiben an Castlereagh veröffentlicht, in dem es hieß:
          „Wir gestatten dem durch Belgien vergrößerten Frankreich, ein handelspolitisches System mit Holland, Spanien, der Schweiz und Italien zu begründen, wir geben ihn seinen Verkehr mit den Antillen zurück und damit verschwinden siebzig Millionen Pfund.
          Wir hatten mit allen diesen Ländern Handelsverträge; wir haben nur noch einen mit Neapel. Den Kommerz der uns entgeht, wird Frankreich monopolisieren; es wird unsere Industrie ruinieren.
          Der Krieg dagegen würde unser Handelsmonopol, unsere Oberhoheit in den Kolonien und unsere Produktion weite Absatzgebiete erhalten.
          Zitiert bei Sorel, VI, 168. In einem Brief aus dem Jahre 1806 heißt es über die Kriegsursache: „Der Kaiser glaubt nicht, dass irgend ein Artikel des Vertrages von Amiens den neuen Krieg verursacht hat. Er ist vielmehr überzeugt, dass die wahre Ursache in seiner Weigerung lag, einen der Industrie seines Landes nachteiligen Handelsvertrag zu schließen.
          Zitiert v. Heymann, Napoleon und die großen Mächte, 1806. (1910) S 32. *
          @HKDW gebe ich jedoch ohne Abstriche darin recht, wenn er sagt:

          Wurde Napoleon in einen Krieg gegen Österreich getrieben - bzw. - mußte er reagieren - ja. .........

          Ich seh weder bei Napoleon - noch bei England - einen ernsten Versuch die kommende Konfrontation diplomatisch unkriegerisch zu lösen.
          Napoleon war sich schließlich klar darüber, dass beide Seiten wussten wohin die Reise geht, wenn man hinsichtlich der Handelsverträge nicht zu einer Einigung kam.
          Die Kriegserklärung kam jedoch 1803 aus England. Und der Angriff auf das verbündete Kurfürstentum Bayern, bekanntermaßen durch das mit England verbündete Österreich. Insofern ist Frankreich keineswegs hinsichtlich des dritten Koalitionskrieges eine Aggressor.

          Napoleon liess im Gegenzug zur Aufbringung der beiden Schiffe alle Engländer zwischen 18 und 60 Jahre im eigenen Lande als Kriegsgefangene festsetzen. Ein bis dahin beispielloses Vorgehen.
          Napoleon ließ 2000 Engländer die sich in Paris aufhielten, in Verdun unterbringen. Liest man deren Berichte über den Aufenthalt dort, möchte man das Bundesjustizministerium wegen der Einführung der elektronischen Fußfessel bei der UN wegen Menscherechtsverletzungen anklagen.
          Bei einem Besuch Napoleons in Verdun huldigten sie dem Kaiser und er war "ohne Bedeckung unter uns". Zudem begab er sich bei der Flussüberfahrt über die Meuse, in die "Gewalt" von 50 englischen "internierten" Seeleuten.
          Der Wein der Gegend soll nach deren Aussagen schon zu dieser Zeit sehr gut gewesen sein.

          (* "NAPOLEON I." eine Biographie von August Fournier, 4 Auflage 1922, Hölder-Pichler-Tempsky A.G. Wien / G. Freytag GmbH / Leipzig)
          Zuletzt geändert von Sans-Gêne; 13.03.2012, 12:31.

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          • Mephisto
            Erfahrener Benutzer
            Capitaine
            • 01.10.2006
            • 625

            Moinsen Sans-Gene,

            Da sind wir beide wieder ganz dicht beieinander.

            Nur Wiki meide ich nach Möglichkeit.
            Wer da was schreibt mit möglicherweise von Gutenbergschem Fingerspitzengefühl für Quellenangaben, ist mir immer sehr suspekt.
            Wenn Du dann beispielsweise den Fournier bringst, dann hingegen geht mir das Herz wieder auf.

            Leider steht in dem auch nichts zu den 2 (oder 100 Schiffen).
            Würde das aber gerne verifizieren. Ropes als Engländer ist vielleicht nicht 100% vertrauenswürdig.
            Genauso sein Zweifel am Tag der Aufbringung.
            Diese nämlich ist ein klarer kriegerischer Akt - im Gegensatz zu den Embargos.

            Was die "Kriegsgefangenen" angeht mag deren Haft ja durchaus angenehm gewesen sein.
            Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass N hier Tausende Zivilisten (10k nach Ropes) im eigenen Lande in Geiselhaft genommen hat.
            Ich finde das bemerkenswert.
            Habe noch nicht von vergleichbarer Aktion gehört. Vielleicht übertreibe ich aber die Bedeutung!?!
            Zuletzt geändert von Mephisto; 13.03.2012, 22:40.
            Gruß
            Mephisto

            "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
            nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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            • HKDW
              Erfahrener Benutzer
              Colonel
              • 02.10.2006
              • 2971

              Ich denke nicht dass du an der Bedeutung übertreibst - sie passt ins Gesamtbild der Einstellung beider Parteien.

              Kommentar

              • HKDW
                Erfahrener Benutzer
                Colonel
                • 02.10.2006
                • 2971

                Leider werden ja hier oft die guten französischen Quellen ignoriert - wie eben der oben erwähnte Desbriere, im Band 3, Seite 59

                D'ailleurs, la marine anglaise ne perdra pas de temps pour affirmer son rôle offensif.
                Dès le 18 mai 1803, le jour même de la déclaration de guerre, le frégate Doris, de 36 canons, enlève sou Ouessant, la lougre Affronteur, de 14 canons.Le lendemain deux navires merchands sont capturés dans le baie d'Audierne.

                Desbriere beruft sich auf W. James.

                Ein wirklich hochinteressantes Werk das die verschiedensten Streitfragen sehr gut aufrollt.
                Wer was genaueres über die Lager an der Kanalküste erfahren will, wird es hier im Übermaße finden.

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                • Sans-Gêne
                  Benutzer
                  Fourrier
                  • 06.10.2010
                  • 93

                  Salut messieurs,

                  ja leider ist bei dem guten Fournier nichts im Detail über den Ablauf des Bruches des Friedens von Amiens zu lesen und auch der sonst so detailfreudige Kircheisen gibt nur die bekannten Verläufe preis.
                  Ropes ist halt ein Engländer!
                  Ich schau heute dazu noch einmal bei John Holland Rose rein. Er geht ja wenigstens auch mit einigen seiner Landsleute unter den Historikern kritisch um.
                  Wiki reicht ja gerade noch, um die richtigen Rahmendaten zu recherchieren, wenn der Bauch mal wieder sagt: "Mooooooment mal!"

                  Über Desbrière vermag ich nicht zu urteilen Möchte aber mal folgende Überlegung anstellen:
                  Napoleon setzte in Verdun ca. 2000 Engländer fest, in der Absicht diese gegen französische Kriegsgefangene einzutauschen die auf englischen Hulks (das Wissen über die tierischen Zustände dort setze ich mal voraus) gefangen gehalten wurden.

                  "Während der ganzen Dauer des Krieges hat Napoleon immer wieder die Auswechslung der Gefangenen beantragt" *
                  Da die Zahl der festgehaltenen Engländer jedoch nicht ausreichte, um alle französischen Kriegsgefangenen 1:1 zurück zu handeln, schloss Napoleon in den Verhandlungen darüber, die Hannoversche Armee ein, welche gefangen genommen und auf Ehrenwort entlassen wurde. Zudem schlug Napoleon vor, die gefangenen Spanier und Portugiesen einzubeziehen, welche in englischen Kriegsdiensten gefangen wurden.*

                  Da zwei französische Kriegsschiffe wohl kaum auf 2000 Mann Besatzung kommen und die Zahl der festgehaltenen Engländer für einen Austausch zu wenige waren, dürften es sicher etwas mehr französische Schiffe gewesen sein, welche durch die Engländer beschlagnahmt wurden, als auch von Desbrière preisgegeben wird.

                  Zudem schlug Napoleon vor, um nicht in der Weise übers Ohr gehauen zu werden, dass man zuerste die bereits auf Ehrenwort entlassenen Hannoverschen Soldaten gegen die Engländer eintauschte und dann nach deren vollständiger Herausgabe den Austausch der französischen Kriegsgefangenen plötzlich abbrach, dass immer eine Zahl von 3000 Gefangenen gegeneinander ausgetauscht werden sollten, (1000 Engländer und 2000 Hannoveraner).
                  Also muss die Zahl der gefangenen Franzosen bereits 1803 die 3000'er Marke weit überschritten haben, wenn sich Austausch - Tranchen zu jeweils 3000 Mann zusammenstellen ließen.
                  Der Austausch der englischen Gefangenen (und auch der französischen Gefangenen auf den Hulks) scheiterte bekanntermaßen an der Haltung der Engländer, die im Gefangenenaustausch eine Übervorteilung der französischen Seite sahen, so dass die englischen Bürger erst 1814 von den Bürgern von Verdun mit einer Träne im Knopfloch (ob des nun ausfallenden Kommerzes mit diesen) in die Heimat entlassen werden konnten.

                  Ich finde deshalb, dass @HKDW vollkommen recht hat mit seiner Antwort:

                  Ich denke nicht dass du an der Bedeutung übertreibst - sie passt ins Gesamtbild der Einstellung beider Parteien.
                  Klar war die Gefangennahme von Zivilisten, also Nichtkombattanten, eine seit den innereuropäischen Glaubenskriegen nicht gekannte Verfahrensweise. Diese ist selbstverständlich bemerkenswert in ihrer Zeit.
                  Aber im Vergleich der "Gefangenenunterbringung", ein Begriff der sich auf die englischen Zivilisten kaum anwenden lässt und für die französischen Kriegsgefangenen wohl ein hohnsprechender Euphemismus war, schneidet die französische Administration deutlich besser ab.
                  Zumal in einigen Einzelfällen Napoleon selbst auf verschiedene Weise noch vor 1814, festgehaltenen Engländern die Ausreise gestattete.
                  Offenbar war man sich auf französischer Seite durchaus darüber im Klaren, dass die festgehaltenen Engländer Zivilisten waren und in der Verhältnismäßigkeit der Mittel durchaus ein hohes Maß an Zurückhaltung in den weiteren Einschränkungen dieser Menschen an den Tag gelegt werden musste.

                  * Quelle: "NAPOLEON Memoiren seines Lebens" Band 7, Friedrich-Wencker-Wildberg in Verbindung mit Friedrich M. Kircheisen, Gutenberg-Verlag Christensen & Co. Wien Hamburg Zürich,
                  Zuletzt geändert von Sans-Gêne; 14.03.2012, 17:56.

                  Kommentar

                  • Lavalette
                    Benutzer
                    Caporal
                    • 02.01.2007
                    • 67

                    Zum wirtschaftlichen Gegensatz zwischen Frankreich und England vor dem Bruch des Friedens von Amiens:

                    "In seiner Weigerung, mit England einen Handelsvertrag nach Art desjenigen von 1786 abzuschließen, erblickte Napoleon die Grundursache des Wiederausbruchs der Feindseligkeiten...
                    In der Tat war die Aufrechterhaltung der französischen Schutzzollpolitik für die Engländer ein Stein des Anstoßes. Nach wie vor blieb der französische Markt, noch dazu erheblich erweitert , den englischen Waren verschlossen. Das neue Frankreich konnte unter den günstigsten Aussichten Industrie und Schiffahrt in die Höhe bringen und sich zum ebenbürtigen Wettbewerber machen. Im Londoner Geschäftsviertel erhob sich laute Entrüstung, man sah sich übervorteilt, ja verraten."

                    Aus "Englands Vorherrschaft aus der Zeit der Kontinentalsperre" von v. Peez und P. Dehn (das Buch ist noch bestellbar).
                    Dort ist auch von einem Brief von Oktober 1801 die Rede, geschrieben von Eduard Looke, ehem. Staatssekretär im Kriegsministerium an Lord Castlereagh, in dem vor dem wirtschaftlichen Einfluß Frankreichs auf dem Festland gewarnt wird und der mit dem Satz endet:" Drei weitere Kriegsjahre würden uns weniger drückend sein als dieser Friede".
                    "Die Nachwelt wird auf Grund von Thatsachen richten: Verläumdung hat mit der Zeit all ihr Gift verspritzt; ich werde jeden Tag an Ruhm gewinnen."
                    Napoleon zu O'Meara am 9. Dezember 1817

                    Kommentar

                    • excideuil
                      Erfahrener Benutzer
                      Sergent-Major
                      • 24.09.2009
                      • 207

                      Zitat von muheijo Beitrag anzeigen
                      Was man Napoleon im Rueckblick durchaus vorwerfen kann, ist eine Masslosigkeit oder besser Instinktlosigkeit, indem er seine Friedensdiktate nach rein militærischen, nicht aber nach diplomatischen Gesichtspunkten verordnete.
                      Er holte nach fast jedem Friedensschluss das Maximale heraus, und machte es damit aber dem geschlagenen Gegner eigentlich unmøglich, einen Friedensschluss auf Dauer zu akzeptieren. Østerreich und Preussen mussten ja fast auf Revanche sinnen, insofern fanden die englischen Subsidien dankbare Abnehmer.

                      Interessanterweise haben aber die einzigen Frieden, die man Verstændigungsfrieden nennen kann, und zwar Amiens und Tilsit, auch keinen Bestand gehabt. Die Gruende fuer den Bruch der beiden Frieden sind nicht allein beim Kaiser zu suchen.
                      Zitat von Sans-Gêne Beitrag anzeigen
                      Gerade weil Napoleon kein Diplomat war, war er ja auf solche Spitzbuben wie Talleyrand angewiesen, welche ihn stets dann verließen oder falschen Rat erteilten (Enghien), wenn er den Rat besonnener Diplomaten am dringendsten nötig hatte.
                      Betrachtet man die Friedensschlüsse von Lunéville und Amiens, dann hatte Frankreich eine Ausdehnung erreicht wie nie zuvor. Und diese Ausdehnung war durch völkerrechtliche Verträge verbürgt und anerkannt. Punkt, weil ganz wichtig!
                      Interessanterweise hatte Bonaparte den Vertrag von Amiens nicht von Talleyrand verhandeln lassen sondern von Joseph! Punkt, weil auch wichtig!
                      Angesichts der neuen, viel größeren Ausdehnung ist es nicht glaubhaft zu vermitteln, dass Frankreich zusammengebrochen wäre, wenn der Vertrag von Amiens die z.B. Handelsinteressen der Engländer besser berücksichtigt hätte.
                      So aber barg der Vertrag Interessenskonflikte, und Napoleon unternahm nichts, um dies friedlich zu lösen. Im Gegenteil. Es ist letzlich völlig egal, wer wem den Krieg erklärt hat, Bonaparte hat es nicht vermocht/gewollt?, den Kontinentalmächten Vertrauen einzuflößen, dass sie an seiner Seite gegen die Engländer standen. Punkt!

                      Bis 1806 stand Talleyrand auf der Seite des Kaisers, nicht immer der gleichen Meinung. Vor Austerlitz predigte er ihm, Österreich zu erhalten ... weil Österreich ein unabdingbares Glied im Gleichgewicht darstellte. 1806 versuchte er, ein Gleichgewicht auf dem Kontinent herzustellen: Frankreich, einen von Frankreich unabhängigen Rheinbund, einen Nordbund, Österreich und Rußland. Er verhandelte mit England, Rußland über Friedensverträge, mit Preußen über den Nordbund ... aber ein Gleichgewicht und Napoleon? Passt denn das?

                      Und dann kam das sicher nicht unbegründete Gerücht, dass Preußen Hannover verlieren sollte.
                      Mit dem Krieg von Jena und Auerstädt war ein Gleichgewicht auf dem Kontinent erledigt! Die französische Hegemonie Tatsache und Tilsit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es kurz oder lang zu einem Kräftemessen der einzig verbliebenen Mächte kommen würde.

                      Der mäßigende Gleichgewichtspolitiker Talleyrand trat 1807 zurück, weil er wußte, dass die Nummer nicht gut gehen würde, und der Krieger gegen England zog mit einem Taschenspielertrick in Spanien ein, begann damit, seine Kräfte zu überspannen ... der Rest ist bekannt.

                      Betrachten wir die Diplomatie Frankreichs unter dem Konsulat/Kaiserreich, dann gibt es zwei Linien: 1. den auf ein europäisches Gleichgewicht ausgerichteten Talleyrand und 2. Napoleon, der Krieg mit allen Mitteln gegen England führte.
                      Mit der Demission Talleyrands wurde auch Berthier von seinem Ministeramt "entbunden", später Fouché. Alle wurden durch Ja-Sager: Champagny, später Maret, Clarke und Savary ersetzt. Daran erkennt man schon, wie Napoleon Ratschlägen gegenüberstand.

                      Ach, ja, ehe ich es vergesse. Bonaparte wird ja oft als Schöpfer von neuen Strukturen etc. bewundert. Von Wirtschaft verstand er wohl nicht viel: So untaugliche und destruktive Mittel wie der Kontinentalsperre - die er selbst brach - nun, ja, billigend in Kauf nehmen, dass Schmuggler etc. sich eine goldene Nase verdienen, ehrliche Industrie, Handwerk und Handel dagegen am Hungertuch nagt. Das ist wahrhaft europäisch gedacht!

                      Zitat von Sans-Gêne Beitrag anzeigen
                      Es wird Zeit, die Restaurationskriege 1813 mal von ihren Befreiungskriegslegenden zu befreien .
                      Dann würde man vielleicht auch ein wirklichkeitsnäheres Bild darüber gewinnen, ob, für wen und in welchem Maße Napoleon ein Aggressor war.
                      Restaurationskriege? Du machst mich kopfschüttelnd. Dir ist wohl jedes Mittel recht?
                      Dir ist nicht bekannt, wie Davout in Hamburg gehaust hat? Oder nehmen wir Erfurt: 2 Millionen Taler hat Napoleon aus der Stadt und dem Umland herausgepresst. Bezahlt von Anleihen, die die Stadt erst 1878! endgültig tilgen konnte.
                      Es gab genug Gründe, Europa von der Last Napoleons zu befreien.

                      Im Grunde kann Frankreich froh sein, dass "absolute" Monarchen mit ihren Ministern, die den Grundsätzen des europäischen Gleichgewichts und der Fürstensolidarität verhaftet waren, diplomatisch gegen das Land standen. Nicht auszudenken, wie der Pariser Frieden ausgesehen hätte, hätten die Fürsten ähnlich, wie Bonaparte mit Preußen verfuhr gehandelt!

                      Grüße
                      excideuil

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                      • muheijo
                        Erfahrener Benutzer
                        Capitaine
                        • 01.10.2006
                        • 553

                        Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
                        Nicht auszudenken, wie der Pariser Frieden ausgesehen hätte, hätten die Fürsten ähnlich, wie Bonaparte mit Preußen verfuhr gehandelt!
                        Du meinst, dass sie Napoleon den Thron belassen hætten, statt ihn durch einen ungeliebten Kønig zu ersetzen?

                        Gruss, muheijo

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                        • Lavalette
                          Benutzer
                          Caporal
                          • 02.01.2007
                          • 67

                          Aber Frankreich war nicht allein Schuld, daß man sich nicht auf einen Handelsvertrag einigen konnte. "England verweigerte jedes Zugeständnis zugunsten von Wein und Seide, den beiden französischen Hauptausfuhrerzeugnissen...
                          "Handel und Fabriken der Republik," besorgte Lord Granville am 28. Januar 1800 im Oberhaus, "werden sich im Frieden beträchtlich aufrichten, während Englands Lage dieselbe bleibt."
                          Wieder "Englands Vorherrschaft aus der Zeit der Kontinentalsperre" v. Peez und P. Dehn. Nun habe ich beinahe das halbe Kapitel zitiert, ich hoffe der Herr Wenzlik nimmt es nicht übel.
                          Gibt es eigentlich eine Quelle zu den Erfurter Schulden? Steht da noch mehr? Interessant wie lange sich so etwas hinziehen kann.
                          "Die Nachwelt wird auf Grund von Thatsachen richten: Verläumdung hat mit der Zeit all ihr Gift verspritzt; ich werde jeden Tag an Ruhm gewinnen."
                          Napoleon zu O'Meara am 9. Dezember 1817

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                          • HKDW
                            Erfahrener Benutzer
                            Colonel
                            • 02.10.2006
                            • 2971

                            Da meint er wohl was ganz anderes - siehe 1870 / 71.

                            Aber bleiben wir doch mal beim Thema, die Aufrechungen - da nahm einer Zivilisten als Kriegsgefangen - aber wie haben dann die anderen wiederum Kriegsgefangene verotten lassen - halte ich eher für kontraproduktiv - dann komm ich wieder mit dem Massakrieren und Erschießen von Kriegsgefangenen auf Befehl usw. - Dreck hatten wohl viele am Stecken Napoleon stand da keinem hinten nach.

                            Was schreibt J. Presser?

                            "In der Zolltarifpolitik Bonapartes sehen wir die Verstrickung persönlicher und zeitbedingter Tendenzen. Nachdem er sich durch Gesetz vom 19. Mai 1802 sich ein Befugnis erteilen hatte lassen, die Zolltarife zu ändern, erhöhte er durch das Dekret vom 22. Juli die Einfuhrzölle auf Kolonialwaren und am 15. Dezember die auf Baumwollstoffe. Im Jahre 1803 setzte er diese Erhöhung fort, während die Engländer eine liberalere Handelspolitik erwartet hatten."
                            Presser, S. 361

                            "Beide Regierungen richteten sich mit "Kundmachungen" an ihre Völker, um sie auf neue Opfer vorzubereiten..."
                            Presser, S. 361

                            "Sie zogen dabei immer dieselben Register: Auf der Gegenseite Wortbruch, Unzuverlässigkeit, Eigennutz; auf der eigenen Friedenswille, heilige Berufung, Bereitschaft. Möglicherweise hätte Bonaparte, der am lautesten schrie, einen Halbton tiefer gesungen, wenn er geahnt hätte, daß nicht so sehr England wie er selbst im kommenden Konflikt isoliert dastehen würde. Weder Rußland noch Preußen oder Österreich standen hinter ihm.
                            Damit war die Perspektive immer drohender geworden. Am 13. März verspürte Bonaparte das Bedürfnis nach einer deutlicheren Manifestation. Auf dem Sonntagsempfang bei Joséphine fuhr er den englischen Gesandten Withworth vor dem gesamten diplomatischen Korps heftig an. Dieser beantwortete ohne äußerlich erkennbare Erregung und in phlegmatischen Ton die Ausfälle des Ersten Konsuls. Es entstand eine große Szene nach klassischen Modell, und alle Anwesenden schauterte es, als der aufgeregte Diktator unter dem Ausruf "Malta oder den Krieg!" zur Tür hinausstürzte.

                            Presser, S. 361 / 362

                            Presser, Jacques : Napoleon - Das Leben und die Legende, Zürich 1979

                            Um etwaige Mißverständdnisse im Vorfeld auszuräumen, Presser war kein Liebhaber der Gedichte von Arndt, Kleist, Lützow oder sonstwem, noch gar ein Bourusse - sondern er war ein holländischer Jude.
                            Zuletzt geändert von HKDW; 14.03.2012, 22:10.

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                            • Mephisto
                              Erfahrener Benutzer
                              Capitaine
                              • 01.10.2006
                              • 625

                              "Dir ist nicht bekannt, wie Davout in Hamburg gehaust hat?"

                              Klingt ja schlimm, Excidieul! Gehaust hat er!
                              Was genau wirfst Du ihm denn da vor? Würde mich interessieren.
                              Der Griff in die Schatzkammer....persönliche Bereicherung und so...ich kann es kaum erwarten...

                              Inwiefern wiederspricht Dein Vorwurf gegen Davout - den wir gerne noch diskutieren - und die "Reparationszahlungen" aus Erfurt - dem Terminus "Restaurationskriege"?
                              War die "Behausung" Hamburgs selbstgewählt und etwa gar der Auslöser für das friedliebende Deutschland aufzustehen, sich zu vereinen und dann zu empören?

                              @HKDW,
                              Deine Quelle ist klasse - wie gewohnt. Ich freue mich über solche Beiträge. Danke.
                              Wenn ich Dir bisher nicht widersprochen habe, dann werde ich bisher wohl Deiner Meinung gewesen sein...
                              Presser ist ein Guter - keine Frage - aber auch recht einseitig...

                              @Sans-Gene,
                              Asche auf mein Haupt. Ich habe nicht Ropes sondern Rose zitiert.
                              Mea Culpa.

                              @Muheijo,
                              Du überrascht! So schnippisch bist Du selten...;-)
                              Zuletzt geändert von Mephisto; 14.03.2012, 23:13.
                              Gruß
                              Mephisto

                              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                              • HKDW
                                Erfahrener Benutzer
                                Colonel
                                • 02.10.2006
                                • 2971

                                @Mephisto
                                Die einzig richtig gute Quelle soweit - ist eben Desbriere, hier findet sich auch der wörtliche Erlaß zu der Verhaftung der Engländer.
                                So gerne ich auch Presser lese - ich stimme nicht immer seiner Meinung zu und manches ist schlichtweg auch falsch, aber nobody is perfect.

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