Napoleon, ein Aggressor?

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  • Gunter
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 01.10.2006
    • 1377

    Preußen ist da ein Sonderfall, da ging es um die beleidigte Ehre, von der Großmacht zur unbedeutenden Mittelmacht abgestürzt und beinahe von der Landkarte verschwunden zu sein. Beliebt sind Besatzer nirgendwo.

    Was man bei der allgemeinen Diskussion nicht vergessen sollte, Napoleons Möglichkeiten waren räumlich mehr oder weniger auf den europäischen Kontinent eingeschränkt. Den wirklichen Griff zur Weltmacht vollzog stattdessen Großbritannien, dem die Kriege gegen Frankreich und seine Verbündeten sehr gelegen kamen, um sich deren Flotten zu entledigen und ihre Kolonien unter den Nagel zu reißen. Insofern war Napoleon indirekt ein weiterer Steigbügelhalten beim Ausbau der britischen Weltmacht.

    Grüße

    Gunter

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    • Tellensohn
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 16.02.2011
      • 1253

      Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
      Insofern war Napoleon indirekt ein weiterer Steigbügelhalten beim Ausbau der britischen Weltmacht.
      Und wieder ist der übliche Schuldige benannt. Erzfeind Nr.1 hat Erzfeind Nr.2 den Weg zur Weltherrschaft geebnet (...und Preussen/Deutschland musste draussen bleiben. So gemein).

      Diese nun schon von diverser Seite geäusserte Ansicht finde ich einfach nur lächerlich. Auf diesem Argumentationsniveau könnte man genau so gut die kontinentaleuropäischen Gegner Napoleons als Steigbügelhalter beim Ausbau des britischen Empires bezeichnen, mit dem Argument, sie hätten sich andauernd von den Briten kaufen lassen und durch ihre Kriege gegen Napoleon diesen an der geplanten Invasion Englands gehindert. Aber natürlich wissen wir, dass es da auch andere Faktoren gab, wie z.B. das Nichterscheinen von Villeneuves Flotte zur Absicherung der Flottille von Boulogne. Ob das auch passiert wäre, wenn ein Admiral vom Schlage Suffrens das französische Geschwader kommandiert hätte? Oder Admiral Bruix nicht vorzeitig verstorben wäre?

      Ursachen und Wirkungen sind in der Regel nicht von Anfang an erkennbar, vorhersehbar oder intendiert. Das Zusammenspiel vieler Faktoren ist dafür verantwortlich, wie sich die Dinge schliesslich entwickeln und kaum etwas musste sich zwangsläufig in einer bestimmten Richtung entwickeln, sondern hätte auch ganz anders kommen können.

      Die Nachgeborenen wollen stets, was den Zeitgenossen unmöglich ist, nämlich alles besser wissen.
      Zuletzt geändert von Tellensohn; 24.03.2012, 10:52.

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      • muheijo
        Erfahrener Benutzer
        Capitaine
        • 01.10.2006
        • 553

        Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
        Und wieder ist der übliche Schuldige benannt. Erzfeind Nr.1 hat Erzfeind Nr.2 den Weg zur Weltherrschaft geebnet (...und Preussen/Deutschland musste draussen bleiben. So gemein).
        Von Schuld wuerde ich nicht sprechen, aber wenn man sich das Ergebnis vom Wiener Kongress anschaut ist es ja nunmal so:
        England ist Weltmacht No.1, kaschiert durch die Balance auf dem europ. Festland.

        Gruss, muheijo

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        • Tellensohn
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 16.02.2011
          • 1253

          @ muheijo

          Ja, und? Ist dafür Napoleon allein verantwortlich?

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          • derHerzog
            Neuer Benutzer
            Soldat
            • 01.02.2012
            • 26

            Befreiungskrieg oder Restaurationskrieg?

            Ich fang mal von diesem interessanten Punkt der Diskussion an, den Sans-Gene eingeführt hat und bringe mal ein paar Fakten zu den hier geäusserten Behauptungen. Der Krieg gegen Napoleon wurde von deutschlandweit von verschiedenen Bevölkerungsschichten getragen mit unterschiedlichen Zielvorstellungen. Sicherlich gab es vor allem in den Städten Kreise im Bürgertum, die sich von der nationalen Idee begeistern liessen und eine Befreiung des deutschen Gebietes von Napoleon und den Franzosen anstrebten. Unter diesen Befürwortern gab es sicherlich nicht nur extrem-nationalistische und antisemitische Köpfe, sondern wohl auch liberalere und tolerantere Protagonisten.
            Schliesslich haben auch Juden am Krieg teilgenommen. Nicht nur solche, die durch die neu eingeführte Wehrpflicht gezwungen waren, sondern auch welche, die sich für die Sache begeistert haben.

            Drei Hamelner Juden hatten am Befreiungskrieg gegen Napoleon teilgenommen. Begeistert waren sie für die deutsche Sache in den Krieg gezogen, wollten beweisen, dass sie als Juden für die deutsche Nation kämpfen wollen, dass jüdische Emanzipation und deutsche Nation miteinander zu vereinbaren waren. Zwei von ihnen wurden sogar befördert und kehrten als Unteroffizier und Leutnant nach Hameln zurück.
            Danach die große Enttäuschung. Das Königreich Hannover schaffte die Gleichstellung der Juden, die in der napoleonischen Zeit verwirklicht worden war, komplett ab.
            Dann gab es noch die nach wie vor herrschende Sicht in Deutschland, das war die der regierenden Monarchen und Adeligen. Diese wollten vor allem, Restauration, Wiederherstellung, verbanden das aber mit oder versteckten das hinter der nationalen Sache.
            Das waren nicht nur die Hohenzollern in Preussen, sondern auch die Wittelsbacher z.B. in München.

            Ludwig machte aus seiner Abneigung gegen Napoleon und Frankreich kein Hehl, und demonstrierte bewusst und in aller Öffentlichkeit seine deutsch-nationale Einstellung, die er selbst als „Teutschtum" bezeichnete. So war es nur folgerichtig, wenn Ludwig den Bündniswechsel Bayerns im Jahr 1813 befürwortete
            Hier ist von dem späteren König Ludwig I. die Rede, der 1848 die Krone niederlegen musste, nicht vom Erbauer der bayerischen Schlösser, das war Ludwig II.
            Was den verbleibenden Rest der Bevölkerung angeht, der überwiegend auf dem Land lebte (damals wohl noch 75-80%) der Leute, hab ich ein Buch der Historikerin Ute Planert gefunden, das sich damit beschäftigte: Der Mythos vom Befreiungskrieg. Frankreichs Kriege und der deutsche Süden: Alltag - Wahrnehmung - Deutung 1792-1841
            Rezensionen unter :




            Probelesen möglich unter :

            Ergebnisse:
            In den weniger gebildeten Schichten seien vornationale Weltbilder und Loyalitäten entscheidend gewesen. Somit ließen sich angeblich moderne Denkweisen bereits vor und angeblich veraltete Weltbilder auch noch nach der angeblichen Epochengrenze finden.
            Die eigentliche Wirkung erziele Planerts Studie aber in der Nachzeichnung der furchtbaren Kriegserfahrungen der einfachen Menschen und in der plastischen Darstellung der Gewalt, die das gesamte Land "bis ins letzte Dorf" überrollte.
            Als die Französische Revolution Europas Throne ins Wanken und Napoleon an die Macht brachte, bedeutete das für die Zeitgenossen im deutschen Süden und Südwesten vor allem eins: den permanenten Kriegszustand. Truppen aus aller Herren Länder machten Baden, Württemberg und Bayern zum Kriegsschauplatz. Einquartierungen und Durchmärsche, Plünderungen und Requisitionen, Seuchen und wirtschaftliche Not brachten die Einwohner an die Grenzen ihrer Leistungs- und Leidenskraft. Wie die Menschen vor 200 Jahren den Kriegsalltag zu meistern suchten, beschreibt Ute Planert.
            Dazu kommt auch die Wehrpflicht. Und es wird dargestellt, dass sich ein Grossteil der betroffenen Bevölkerung der Wehrpflicht zu entziehen versuchte, egal auf welcher Seite ("Teutscher" oder Französischer) gekämpft werden sollte

            Um was es sich bei den Kriegen tatsächlich handelt, hängt von der betroffenen Gruppe ab:
            Es war
            • ein Restaurationskrieg für die Herrscher
            • ein Befreiungskrieg für einen Teil des Bürgertums
            • für den Rest des Volkes war es ein Sch(nurz)egal-Krieg, Hauptsache, es ist bald vorbei, am liebsten wären sie vom Krieg befreit worden.
            Die Wehrpflicht war die greifbarste Folge der „Egalität"
            Napoleon war auch, was sein Feinde sagten: ein Menschenfresser
            Aber war wirklich Napoleon der "Menschenfresser"?
            Zuletzt geändert von derHerzog; 25.03.2012, 09:15.

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            • muheijo
              Erfahrener Benutzer
              Capitaine
              • 01.10.2006
              • 553

              Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
              Ja, und? Ist dafür Napoleon allein verantwortlich?
              Ganz im Gegenteil. Er hat ja getan was er konnte, um es zu verhindern.
              Im Ergebnis hat's nur leider nichts genutzt.

              Ich frage mich manchmal, ob es den Diplomaten der Zeit ueberhaupt bewusst war - welch ein Imperium (das British Empire) man da unterstuetzt und zugelassen hat.
              Man kønnte fast meinen, da jeder nur um die eigene Kirchturmspitze herum geschaut hat, keiner hat's gemerkt...Auch ein Talleyrand und ein Metternich nicht.

              Gruss, muheijo

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              • Tellensohn
                Erfahrener Benutzer
                Chef de Bataillon
                • 16.02.2011
                • 1253

                @ muheijo

                Et voilà!

                rost:

                T.

                PS: Ich denke allerdings, die Briten selber haben damals auch nicht wirklich gewusst, welche Stellung sie im Laufe des 19. Jahrhundert noch erringen würden. Viele K(r)ämpfe hatten sie schon hinter sich, und manche standen ihnen noch bevor. Rome wasn't built in a day. Es hätte so manches auch ganz anders kommen können. Und im 20. Jahrhundert ist es dann ja auch ganz anders gekommen...
                Zuletzt geändert von Tellensohn; 24.03.2012, 16:47.

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                • derHerzog
                  Neuer Benutzer
                  Soldat
                  • 01.02.2012
                  • 26

                  Zur Frage: Aggressor?

                  Um eine Beurteilung darüber zustande zu bekommen, verwende ich die Kriterien des Angriffskrieges (vergleiche meinen Beitrag vom 19.2: )

                  Wenig hilfreich finde ich Aussagen wie, dass damals alle Aggressoren waren und der Angriffskrieg eigentlich als akzeptiert galt. Was nicht richtig ist. Das sieht man schon daran, dass selbst Friedrich der Grosse für seine Eroberungsangriff auf Schlesien eine dynastische Rechtfertigung an den Haaren herbeizuziehen versuchte. Die reine Eroberungsabsicht wäre auch nicht akzeptiert worden.

                  Um eine Beurteilung durchzuführen, haben wir den Unterschied zwischen Militärbefehlshaber und Staatsmann getroffen und damit zwischen taktischen Offensive und der strategischen Entscheidung, Krieg zu führen.
                  Zu Beginn seiner Karriere führte Napoleon durchaus taktische Offensiven durch, aber diese sind nicht relevant, weil den Krieg andere begonnen haben (Italienfeldzug, Ägypten)
                  Die politisch-strategische Entscheidung zum Angriffskrieg kann nur ein Staatsmann treffen.
                  Damit sind ohnehin erst die Kriege ab 1799, seiner Zeit als erster Konsul, relevant.

                  Die von Sans-Gene verlangte Einzelfallprüfung hab ich im Ansatz bereits gemacht.
                  vgl. meinen Beitrag vom 18.02: http://www.napoleon-online.com/forum...8&postcount=38


                  Ab jetzt möchte ich das Frage der Aggression unterteilen:

                  -in den andauernden Hauptkonflikt Napoleon - England im Hintergrund-die einzelnen Konflikte auf dem Kontinent

                  Ich möchte hier nochmal insbesondere den 3. Koalitionskrieg ins Auge fassen:

                  Der 3. Koalitionskrieg begann mit der Kriegserklärung Englands an Napoleon im Mai 1803
                  Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
                  Es ist letzlich völlig egal, wer wem den Krieg erklärt hat, Bonaparte hat es nicht vermocht/gewollt?, den Kontinentalmächten Vertrauen einzuflößen, dass sie an seiner Seite gegen die Engländer standen. Punkt!
                  Sehe ich nicht so. Eine Kriegserklärung ist kein Spass, sondern der Ausdruck der Aggressionsbereitschaft. So wie ich mitgelesen habe, ist der Kriegserklärung auch das Aufbringen französischer Schiffe vorangegangen.

                  Zum Ausbruch der Kriegshandlungen mit der 3. Koalition und dem dabei entscheidenden Bündnis von Napoleon mit Bayern habe ich folgende Quelle gefunden:



                  Wir sehen
                  • einen Bündnisvertrag zwischen Bayern und Frankreich
                  • eine Aggression Österreichs gegen einen der Vertragspartner
                  Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Napoleon zunächst ja eine Invasion Englands auf die Kriegserklärung vorhatte und andererseits ja auch die Russen im Anmarsch waren, ging die Kriegsinitiative auf dem Kontinent klar von der Koalition aus.- Eine Einstellung, die viele hier im Forum teilen.


                  Das Ergebnis auf dem Kontinent nach dem 3. Koalitionskrieg :
                  • Frankreich beherrscht die natürliche Grenze des Rheines
                  • Frankreich kontrolliert mit dem Rheinbund die Gebiete vor dem Rhein
                  • die Großmächte Österreich und Russland wurden bei Austerlitz niedergeworfen.
                  Zur Ergänzung noch kurz die Aussagen zu den weiteren Koalitionskriegen auf dem Kontinent:
                  (vgl. Beitrag vom 18.02: http://www.napoleon-online.com/forum...8&postcount=38)
                  -4. Koalitionskrieg, ging von Preussen aus
                  -5. Koalitionskrieg, ging von Österreich aus.
                  Dem wurde bislang auch nicht gross widersprochen.

                  Wenden wir uns wieder dem Grosskonflikt gegen England zu:
                  Dieser Konflikt war nach Trafalgar 1805 von einer militärischen Patt-Situation gekennzeichnet:
                  Die Engländer beherrschten die See und den Kanal, hatten aber selber keine Truppen, um Frankreich anzugreifen.
                  Napoleon hatte ausreichend Truppen zur Verfügung, konnte aber mangels Marine weder übersetzen und schon gar nicht die englische Seeherrschaft gefährden.
                  Frankreich war erst recht genötigt, den Konflikt auf wirtschaftliche Mittel zu verlegen, darum die Kontinentalsperre.

                  War der Konflikt mit England nach 1805 unvermeidbar und warum?
                  War England nach 1805 noch eine Gefahr oder Bedrohung für Frankreich?

                  Direkt wohl nicht durch militärische Patt-Situation: Kein Angriff auf Frankreich mangels Truppen möglich
                  Indirekt durch mit England verbündete Mächte: Frankreich war nach 1805 militärstrategisch sicher :
                  Die Beherrschung des Rheines, und die Kontrolle des rechten Rheinufers durch die Rheinbundstaaten: In Europa ist Frankreich unangreifbar.
                  Die Siege gegen Preussen und Österreich 1806 und 1809 bestätigen diese Einschätzung.

                  Warum wurde nach 1805 kein Friede mit England geschlossen?
                  Die den Preussen gegenüber ungeschickte Aktion mit Hannover zeigt einen gewissen Friedenswillen von Napoleon.

                  Gunter hat mögliche Motive der Engländer geschildert:
                  Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                  Den wirklichen Griff zur Weltmacht vollzog stattdessen Großbritannien, dem die Kriege gegen Frankreich und seine Verbündeten sehr gelegen kamen,
                  -um sich deren Flotten zu entledigen (Trafalgar) und
                  -ihre Kolonien unter den Nagel zu reißen.
                  England war in einer komfortablen Situation: Abgesehen von den wirtschaftlchen Schwierigkeiten wegen der Kontinentalsperre, war es militärisch unangreifbar wegen der Herrschaft über den Kanal, während sie Zugriff auf die franz. Kolonien hatten.
                  Fragt sich nur, welche Kolonien die Engländer tatsächlich an sich genommen haben. Hier sollten die Unterstützer der These noch etwas nachliefern.

                  Aber das ist letzlich egal: die militärischen Aktionen auf der iberischen Halbinsel und gegen Russland machen Napoleon letztendlich doch zum Aggressor nach dem von mir zur Beantwortung der Frage vorgegebenen Angriffskrieg-Konzept.

                  Entscheidend ist, dass er nach 1808 offene Aggression betrieb (Angriffskriege führte) während er 1805 zumindest noch um die Einhaltung von Formalitäten bemühte, wie der Bogenhausener Vertrag zeigt.
                  Bemühung um eine vertragliche Grundlage:

                  Grundsätzlich wollte wohl N. kein Aggressor sein, wollte keinen Krieg als Angreifer führen.
                  Die militärischen Aktionen auf der spanischen Halbinsel und gegen Russland waren wohl Zeichen der Überforderung und Verzweiflung. V.a. weil es nicht gelang die Kontinentalsperre gegen England konsequent genug zu verwirklichen mussten die entsprechenden Länder mit Gewalt dazu gezwungen werden (Portugal und Russland).

                  Die Frage ist, ob er mit mehr staatsmännischem Geschick auf dem Kontinent eine Koalition gegen England zustande gebracht hätte
                  Zuletzt geändert von derHerzog; 25.03.2012, 08:59. Grund: Styling :), Grammatik

                  Kommentar

                  • Mephisto
                    Erfahrener Benutzer
                    Capitaine
                    • 01.10.2006
                    • 625

                    @HKDW
                    Ich bin mir nicht sicher, ob wir den selben Thread verfolgen.
                    Ich kann keine Diskussion entdecken, so wie Du sie beschreibst.
                    Bei mir steht es 3 :0 in der Pflicht (1805,1806 und 1809). Was die Kür anbelangt schweige ich….;-)

                    Nevertheless bin ich ganz Deiner Meinung!
                    Die Geschreibsel einiger weniger Dichter haben ganz sicher nicht den „Aufstand aller Deutschen gegen den Aggressor“ verursacht.
                    Das ist genau der Punkt!
                    Sie sind vielmehr im (nationalistischen) Nachhinein als Belege für den „deutschen Volkszorn“ herangezogen worden;
                    einen Volkszorn, der wie ich meine, eben nicht breitflächig war. Siehe Zitat Goethe
                    1805 kann gar keine Rede davon gewesen sein.
                    100 Jahre Krieg zwischen Habsburg und Wittelsbach sind durch die sogenannten „Befreiungskriege“ vergessen gemacht???
                    Ich glaube nicht.
                    Oder wer will mich glauben machen, dass 1805 ein landläufiger Bayer (und etliche Anrainer) so gedacht haben soll/en???
                    S. Fiedler bezieht sich in seinem Buch über das Kriegswesen der damaligen Zeit auf ein Werk von Uebe, 1939.
                    Darin wird der Einzug der Franzosen in München und die Vertreibung der Österreicher als Befreiung beschrieben.
                    Ebenso schildert es Heimers in seinem Buch „Die Trikolore über München“.

                    Wir sollten unbedingt die Zeitabläufe im Auge behalten.
                    So haben sich die Bayern 1805 über die Österreicher böse ausgeweint. 1809 war wohl nicht viel anders.
                    Aber 1813 sah die Sache sicher ganz anders aus.

                    Fakt bleibt, dass in 1805 Napoleon nicht als Aggressor rüberkommt - ausser gegenüber den Engländern.
                    Es sei denn, man lässt sich im Nachhinein von den teutschen Dichtern das Auge vernebeln...

                    @Gunter, Herzog, Muheijo, Tellensohn
                    In Eure Ausführungen zu England mag ich gerne einstimmen.
                    Englisches Geld hat jeden einzelnen Koalitions-Krieg bestimmt; sei es gegen das revolutionäre, sei es gegen das konsulatorische, sei es gegen das kaiserliche Frankreich.
                    Einige der Lastenträger waren sich dessen durchaus bewusst. So äußerte sich noch 1812 während der Verfolgung der Grand Armee Kutusov gegenüber dem Englischen Gesandten Wilson
                    „Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob die totale Vernichtung des Kaisers Napoleon und seiner Armee für die Welt so wünschenswert ist. Seine Nachfolge würde nicht an Russland fallen oder an irgendeine andere kontinentale Macht; sondern an die, welche bereits die Meere beherrscht (England) und deren Vorherrschaft damit unerträglich würde.“
                    Frei übersetzt nach Mikaberidze „The Battle of the Berezina“

                    @Excideuil
                    1803 – Lager von Boulogne - Vertrauen verspielt? Welches Vertrauen?
                    Wie sollte eine revolutionäre, wie sollte eine kaiserliche Regierung jemals vor den Intrigen der Engländer sicher sein, wenn man sie nicht selbst, also den Kern, bekämpft!?!
                    Immerhin dauerte es 2 Jahre bis man eine neue Koalition zusammengezimmert hatte. Alles aber nur eine Frage der Zeit und des Geldes. Vertrauen? Auf und durch wen? Der russische Zar spielte sich 1805 als Schützer von wen oder was auf, als er seine Truppen mobilisierte???
                    Nein, Excideuil, Schluss sollte sein mit den Stellvertreterkriegen! Die Wurzel packen, England als „Europäische Spinne“ auszuschalten galt es.
                    Zuletzt geändert von Mephisto; 25.03.2012, 01:25.
                    Gruß
                    Mephisto

                    "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                    nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

                    Kommentar

                    • HKDW
                      Erfahrener Benutzer
                      Colonel
                      • 02.10.2006
                      • 2971

                      @Mephisto

                      Ich hatte immer gedacht wir reden hier über 1805 - hier meiner Meinung eher ein 1 : 1 als ein 1 : 0 - die klaren Verhältnisse wir zumindest 1806 sind für mich nicht so klar.

                      Zu der anti - napoleonischen Stimmung, ich hatte ja schon geschrieben, dass die nicht in jeden Staat gleich war und sich auch entwickelte.

                      Staaten die tief gedemütigt waren, wie eben Preußen, oder die ihre Soldaten in Spanien verheitzt sahen, oder die dauernd Kontributionen ertragen zu hatten, werden Napoleon anders gesehen haben als z.b. eben die Bayern. Aber auch hier war das Entsetzen nach Rußland 1812 groß.
                      Ausgeweint haben sich die Bayern über die Österreicher wohl eher nicht, sondern umgekehrt gerade 1809 sollen die Bayern in Österreich schlimmer gehaust haben als die Franzosen (oder sagen wir in Tirol das damals bayerisch war.)

                      Bei Goethe bin ich immer sehr vorsichtig er war in Eigenpropaganda mindestens so gut wie Napoleon und vieler seiner Aussagen wurden nicht gleich veröffentlicht sondern Jahrzehnte später als man die politische Wirkung oder die Wichtigkeit einer Person besser einschätzen konnte.

                      Wo hab ich gleich das Buch über die Unterredung Goethe - Napoleon ...

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                      • derHerzog
                        Neuer Benutzer
                        Soldat
                        • 01.02.2012
                        • 26

                        Neubewertung der Expansionspolitik Napoleons?

                        Von den meisten Forenteilnehmern wird die von mir expansiv bezeichnete Politik der Ausweitung des Macht und Einflussbereiches auch als "aggressiv" bezeichnet.
                        Das Thema wurde in einem früheren Stadium des Threads bereits von KDF10 angesprochen:
                        Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                        Diese Definition ist mir zu einfach. Was ist denn mit einem Angriff, bei dem sich der Gegner nicht wehrt und es somit gar nicht zu einem Krieg kommt? Ist das dann keine Aggression? Z. B. die Besetzung des Vatikanstaates? Die Verschleppung des Papstes?
                        Darauf habe ich geantwortet:
                        Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
                        die Antwort auf deine Frage steckt doch schon in der Frage: Es kommt hierbei eben nicht zu einem Krieg. Die kampflose Einnahme ist der Extremfall einer gerade noch friedlichen Expansion.
                        Du sprichst von einem "Angriff", bei dem der Gegner sich nicht wehrt.
                        Um die Grenze jetzt mal ganz scharf zu ziehen:
                        Setzt der Angreifer dabei Waffen ein, um mögliche Verteidigungsstellungen oder Einrichtungen zu zerstören, ist es Aggression, weil offenbar mit Gegenwehr gerechnet wird.
                        Fällt kein Schuss, ist es noch friedliche Expansion, auch wenn das beschönigend klingt. Aber es kommt dabei eben nicht zum Krieg.
                        In der Tat spreche ich mich dafür aus, die Expansionspolitik Napoleons neu zu bewerten.

                        Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass die französische Revolution in eine Zeit des Wandels, in dem sich die Kräfte-Verhältnisse in Europa ohnehin zu verschieben begannen, fiel.
                        Jenseits des Rheines enstand der preussisch-österreicheichische Konflikt, welcher über mehr als ein Jahrzehnt Europa bestimmte. (Schlesische Kriege, 7jähriger Krieg)
                        Kennzeichnend war das Hervortreten neuer Mächte, während die kaiserliche Macht in Deutschland praktisch an Bedeutung verlor. Wo war der Deutsche Kaiser zu Beginn des 1. Schlesischen Krieges? Gewählt und geflohen! Ohne Macht und Möglichkeit, die entstehenden Konflikte einzudämmen.

                        Der Erfolg der Revolutionstruppen Frankreichs legte die Schwächen und Instabilitäten auf deutschem Gebiet offen. Hier zeichnete sich ein beginnendes Machtvakuum ab! Wer es auffüllt, war vor der Wende zum 19. Jh offen.
                        In dieser Situation war Frankreich gut beraten, die momentane Überlegenheit auszunutzen und zunächst mal den Rhein zu sichern.
                        Der Rhein wird als natürliche Grenze Frankreichs empfunden, weil hier die Natur ein Hinderniss für mögliche Eroberer gesetzt hat. Unter den bisherigen Umständen bot ja die linksrheinische Gegend ein wunderbares Aufmarschgebiet für mögliche zukünftige Angreifer und Eroberer.

                        Warum sollte Napoleon keine Kontrolle über die unsicheren Gebiete anstreben?
                        Solange kein Blut vergossen wird, kann man unter diesen Umständen das Vorgehen eines dominanten Herrschers für angemessen halten.
                        Nicht nur im Sinne Frankreichs, sondern auch im Sinne Europas.

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                        • HKDW
                          Erfahrener Benutzer
                          Colonel
                          • 02.10.2006
                          • 2971

                          Nicht nur im Sinne Frankreichs, sondern auch im Sinne Europas.
                          Was hat denn beides miteinander zu tun?
                          Die Expansionspolitik Napoleons geht nur im Sinne Frankreichs - ist ja völlig normal und dazu - im Sinne seines Familienclans um Pöstchen zu schachern.

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                          • derHerzog
                            Neuer Benutzer
                            Soldat
                            • 01.02.2012
                            • 26

                            Nicht nur im Sinne Frankreichs, sondern auch im Sinne Europas.
                            Das ist eine Hypothese von mir.
                            Sie geht davon aus, dass nach dem Frieden von Luneville rechtsrheinisch ohnehin ein labiles HRDN übergeblieben ist, mit einem in seiner Autorität geschwächten Kaiser.
                            Konflikte zwischen den scheinbaren Gewinnern und den frustrierten Verlierern des vorangegangenen Friedensschlusses waren nicht auszuschliessen. Dass andere Mächte sich einmischen oder hineingezogen werden, wohl wahrscheinlich.
                            Zudem war das geschwächte Reich auch verlockende Beute für die angrenzenden Grossmächte wie Russland oder England?

                            Ein starkes, einflussreiches und dominierendes Frankreich kann für Stabilität Ruhe und Frieden sorgen eben für
                            -sich selber
                            -Deutschland
                            -Europa

                            Man kann darin sicher selbstsüchtige Postengschieberei sehen, aber auch die Übernahme gesamteuropäischer Verantwortung.
                            Zuletzt geändert von derHerzog; 26.03.2012, 08:17.

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                            • Gunter
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                              Chef de Bataillon
                              • 01.10.2006
                              • 1377

                              Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
                              Auf diesem Argumentationsniveau könnte man genau so gut die kontinentaleuropäischen Gegner Napoleons als Steigbügelhalter beim Ausbau des britischen Empires bezeichnen, mit dem Argument, sie hätten sich andauernd von den Briten kaufen lassen und durch ihre Kriege gegen Napoleon diesen an der geplanten Invasion Englands gehindert.
                              Das war ja auch so. Ohne sich von den Briten "Kaufen" zu lassen hätte sich bei der Kriegsführung einiger Staaten nicht viel gedreht. Es ist nur so, dass die meisten anderen Staaten im Vergleich zu den Briten machtmäßig doch eher marginal waren. Du tust ja fast so, als wären sich die Briten ihrer eigenen Stellung nicht bewusst gewesen. Tatsächlich beherrschten sie damals nahezu sämtliche Meere, nach dem Ausschalten der französischen, holländischen und spanischen Flotten als ernstzunehmenden Gegnern erst recht. Das galt schließlich nicht nur für diese, sondern auch kleinere Seemächte wie Dänemark wurden rücksichtslos plattgemacht, um selbst die maximale Kontrolle über die Ostsee zu haben. Die Briten waren sich sehr wohl bewusst, dass sie zur See die Nr. 1 waren und damit praktisch den Welthandel beherrschten, deshalb führten sie sich auch entsprechend auf und provozierten z.B. die USA mit ihrer vergleichsweise winzigen Kriegsmarine bis zu deren Kriegserklärung.
                              Wer hier ein Aggressor war, ist doch offensichtlich. Napoleon hatte damit grundsätzlich nur recht wenig zu tun, denn die langfristige britische Politik zeigte genau dasselbe Verhalten des Kaufens per Subsidien und des rücksichtslosen Ausschaltens der weltpolitischen Konkurrenz. Napoleon und sein Regime können da nur als Episode gelten.
                              Nun haben es schon viele gesagt, dass Großbritannien ein wesentlicher Aggressor dieser Zeit war, nur lässt sich dessen Verhalten nur schlecht wegdiskutieren. Europa litt unter mehreren Aggressoren. In Mittel- und Südeuropaeuropa wird das am deutlichsten, da mischten sich ständig äußere Mächte ein. Von den Auswirkungen her war da einer wie der andere.

                              Grüße

                              Gunter

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                              • Gunter
                                Erfahrener Benutzer
                                Chef de Bataillon
                                • 01.10.2006
                                • 1377

                                Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
                                Ein starkes, einflussreiches und dominierendes Frankreich kann für Stabilität Ruhe und Frieden sorgen eben für
                                -sich selber
                                -Deutschland
                                -Europa
                                Das ist aber doch eigentlich garnicht der wesentliche Punkt. Das französische System unter Napoleon legitimierte sich über militärische Erfolge und militärische Kontrolle des eigenen Territoriums. Das ist ja auch logisch, denn Gottesgnadentum oder erbliche Rechte usw. schieden aus, bzw. sie wurden nicht akzeptiert oder hatten keine Möglichkeit sich zu festigen. Damit geriet das Regime unter permanenten Zugzwang, was letztlich zu seinem Untergang führte und Napoleon 1814 alle Friedensangebote ablehnen ließ. Ein Kaiser-Diktator, der nicht als großer Sieger agierte, war nichts wert. Das wusste er selbst genau. Der Grundstein für diese fatale Entwicklung wurde aber schon recht früh gelegt, denn das begann spätestens während des Konsulats. Wahrscheinlich war das Experiment des französischen Kaiserreichs von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil nicht ernsthaft versucht wurde eine Konsolidierungsphase herbeizuführen. Das ging natürlich nicht, denn bei einem Kaisertum mit universellem Machtanspruch schloß sich ein Stillhalten einfach aus. Deshab auch der Krieg in Spanien.

                                Grüße

                                Gunter

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