Napoleon, ein Aggressor?

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  • Nikolaj
    Erfahrener Benutzer
    Sergent
    • 27.12.2009
    • 122

    Servus allseits,

    [quote=Mephisto;17104]

    Ich möchte mich auf ein sehr interessantes Posting von Klaus (Nikolaj) beziehen.
    Ich finde es bemerkenswert, wenn er bemerkt, dass die Auffassung von Napoleon in
    seinem Lande (Österreich) eine andere, wohlmöglich weniger feindliche sei als in Deutschland.
    Ist das so?!?
    Ist sie nicht vielmehr genauso gespalten wie in diesem Thread?

    Gespalten - mit Blickwinkel auf den Sonderfall Tirol - da stimme ich zu. Tatsächlich war Tirol der einzige Teil des heutigen Österreich, der eine längere Besatzung hatte. Spannend in dem Zusammenhang auch, dass, was N. in den Rheinbundstaaten anfangs noch durchaus Sympathien brachte, nämlich die liberalen gesellschaftspolitischen Ansätze, ihn in Tirol durchaus zur Unperson machten - vor allem aus religiösen Gründen. In Rechnung stellen wird man auch die spezielle, sehr autarke tiroler Mentalität, die auch die Habsburger nur darum akzeptierten, weil sie auch Grafen von Tirol waren ;-)

    Für die östlicheren Bundesländer behalte ich meine Einschätzung bei. Hier gab es keine längeren Besatzungen. Eine kursorische Durchsicht der Archive zweier grosser Tageszeitungen (jeweils ein Jahrgang) hat auch das Ergebnis gebracht, dass Napoleon hier fallweise als Metapher bzw. als Träger kleiner journalistischer Polemiken herhalten muss (etwa in Zusammenhang mit Berlusconi oder Sarkozy, als Metapher für Grössenwahn oder in Anspielung auf körperliche Eigenschaften). Eine echte Auseinandersetzung mit seiner Person fand ich (bislang) nicht.

    Echte Unterschiede im Sinne der Aussage von Mephisto finden wir aber, wenn wir uns die Napoleonrezeption in den ehemaligen österreichischen Kronländern ansehen. Polen etwa, oder auch Kroatien, in denen Napoleon im durchaus positiven Sinn Teil des nationalen Mythos geworden ist.

    Der daraus abgeleitenden mephistopheletischen These stimme ich daher durchaus zu. Allerdings - wie Marie - auch mit der Einschränkung, dass sozikulturelle Prägungen keine Ausrede sind

    Ciao, Klaus
    Zuletzt geändert von Nikolaj; 25.02.2012, 12:16.

    Kommentar

    • derHerzog
      Neuer Benutzer
      Soldat
      • 01.02.2012
      • 26

      @Tellensohn:
      Gerade dein Beitrag gibt mir recht.
      Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
      Das Nationalbewusstsein der Deutschen ist geprägt von den Hinterlassenschaften der Nationalsozialisten...Das ist wohl der Massstab, auf das irgendwie alles bezogen wird.
      Was ich damit sagen wollte, dass sich bei den Deutschen im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der Historie alles um die Zeit des Nationalsozialismus bezieht und als Beitrag dazu bewertet werden.
      Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
      ... Die Wurzeln des Nationalbewusstseins eines nicht zu unterschätzenden Teils der Deutschen von heute (nämlich der nationalen Rechten ) liegen erkennbar im äusserst bedenklichen Weltbild einiger Vertreter der "geistigen Elite" im Deutschland der napoleonischen Zeit. Deren rassistisch-nationalistisch gefärbtes Gedankengut,...haben Nationalisten und Rassisten späterer Zeiten auf alles Nichtdeutsche übertragen und auch ohne TV bis in die heutige Zeit transportiert und am Leben erhalten. Die...protonazistischen „Vordenker" aus napoleonischer Zeit ... bis heute in der deutschnationalen Szene hochgeehrt. Dass manche dieser Herren auch bekennende Antisemiten waren, hat sie in einschlägigen Kreisen späterer Zeiten noch zusätzlich geadelt. ... Kein Napoleon, keine französische Besetzung kann diese abscheuliche Denkungsart rechtfertigen.
      Deine Ausführungen messen wohl zweifellos den Beitrag des Nationalismus im 19.Jh zum Nationalsozialismus.

      Die Entstehung des Nationalismus

      Allgemeines und Grundsätzliches
      Nationalismus ist keine deutsche Eigenheit. Nationalismus ging auch von Frankreich aus. Der Nationalismus war ein Konzept, um die Feudalgesellschaft zu überwinden.
      Der Kerngedanke des Feudalismus ist eine Tauschbeziehung, in der der Fürst seinen Untertanen Schutz, Sicherheit und Recht gibt und dafür von ihnen unterhalten wird. Durch die Vererbbarkeit der Adelstitel vergass die Aristokratie die mit ihren Ämtern verbundenen Aufgaben und scheiterte daran. Letztendlich wurde sie entbehrlich. Die verwaisten Landeskinder brauchten daraufhin ein neues identitätsstiftendes Konzept. Der Gedanke der Nation tat sich hervor.

      Kaisertum
      Was war der Sinn des deutschen Königstums, das ja seinen Ursprung im Mittelalter hatte?
      Eine Bevölkerung, deren Horizont sich allenfalls auf die Entfernung einer Tagesreise, was wohl so ungefähr ein paar Dutzend Kilometer waren, braucht kein einheitliches Rechtssystem und keinen einheitlichen Rechts- und Wirtschaftsraum über die Fläche Deutschlands hinweg.


      Antwort: Der König resp. Kaiser hatte die Aufgaben,
      • Schutz gegen Bedrohung von aussen durch die Heerfolge zu organisieren (Legitimation von unten- den Kurfürsten)
      • Bewahrer des Glaubens zu sein (Legitimation von oben-den Papst)
      Das Versagen der Habsburger im Kaisertum
      Durch die Reformation fiel die Legitimation von oben weg.
      Die Legitimation von unten begann durch die Ergebnisse der ersten beiden Koalitionskriege zu bröckeln. Unter der Führung von Habsburg gingen die linksrheinischen Gebiete vor allem auch der Kurfürsten verloren.

      Meiner Meinung nach versetzte nicht Napoleon dem Kaiserwürde des HRRDN den Todesstoss, sondern die Habsburger versemmelten das ganze selber:
      Dazu aus den Ausführungen von HKDW:

      Zitat von HKDW Beitrag anzeigen
      Österreich ...musste am 26. Dezember 1802 eine Konvention abschließen, die ...der deutschen Kaiserwürde den Todesstoß gab.

      Auch beantwortete Bonaparte die Kriegserklärung Englands mit dem Ende Mai erfolgten Einmarsch in Hannover, das besetzt wurde.

      Als England sich an den Kaiser wandte – damit er als Oberhaupt des deutschen Reiches intervenierte – lehnte dieser ab.

      Wien sah auch Hannover lieber in französischen Händen als in preußischen.

      Österreich reagierte daraufhin recht unentschlossen – man wollte sich nicht zu sehr in die Arme Russlands werfen. Ebenso ablehnend standen die Österreicher den Preußen gegenüber, man wollte Preußen (den alten Feind, HKDW) – möglichst schaden und war auch auf Ländergewinn aus – Bayern bis zum Inn, wenn möglich bis zur Isar, ...
      Bonaparte nahm den Plan wegen Bayern so ernst, dass er 1804 mit Krieg drohte – Österreich musste daraufhin zurückrudern.

      Die Verletzung des Reiches mit der Entführung des Prinzen von Enghien brauchte den russischen Kaiser extrem auf – während Österreich nur auf eine nichtssagende Entschuldigungsformel pochte.

      Am 18. Mais 1804 nahm Bonaparte die vom Senat angebotene Kaiserwürde an. Preußen und andere Staaten erkannten die Kaiserwürde sofort an, Russland nicht und Österreich schwankte wieder hin und her. Man fürchtete um das Ansehen der römisch – deutschen Kaiserwürde.

      Der russische Kaiser ging seine eigenen Wege – am 21. Juli 1804 wurden in Paris (ohne die Österreicher zu informieren) ein Ultimatum überreicht, das die Entschädigung Piemonts und den Rückzug Frankreichs aus Hannover forderte.

      Österreich nun pendelte mal wieder gegen Napoleon ein ...

      Im Falle des Sieges sollte Österreich Salzburg und Bayern bis zum Inn ... erhalten.
      Die Kernfrage ist, inwieweit das Verhalten der Habsburger noch eines Kaisers und seiner Schutzaufgaben für das HRRDN würdig war:
      Das Tolerieren der Verletzung der Souveränität von Gebieten innerhalb des HRRDN wie bei der Entführung des Herzogs von Enghien sowie die Sache mit Hannover offenbaren die Schwäche des Habsburgischen Kaisertums deutlich.
      Völlig unwürdig der Kaiserkrone wurde es durch das Streben nach eigenem Gebietsgewinn auf Kosten Bayerns und durch den Angriff auf das Gebiet des Bayerischen Kurfürsten.
      Die Drohung 1804 machte Napoleon als Schutzmacht für die Bayern glaubwürdiger. Habsburg selber war nurmehr Bedrohung für Bayern.
      Von daher mag der Wechsel auf die Seite Napoleons durch die Bayern verständlich sein.
      Die Habsburger haben durch ihr Handeln im Vorfeld des 3.Koalitionskrieges zwei Kurfürsten und damit das Reich verraten.
      Dadurch wurde die Deutsche Kaiserkrone wohl obsolet.

      Das konnte auch die Preussen nicht überzeugen.
      Zitat von Lavalette Beitrag anzeigen
      Und Preußen hatte bis zum Schluß des HRRDN eine Kurfürstenwürde inne. Was immer die auch noch wert war.
      Eben! Kleine Anmerkung noch: Durch die Zustimmung zur Kaiserkrönung Napoleons haben sie sozusagen ihr Votum für den neuen Kaiser Napoleon gegeben. (=Misstrauensvotum an Habsburg)

      Hätte sich Habsburg nicht dem Egoismus hingegeben und Größe mit den Bayern bewiesen, indem sie den Wittelsbachern die strittigen Gebiete überlies, wäre das für die Einheit des Reiches besser gewesen. Man hätte Frankreich auch direkt angreifen können, anstatt den Konflikt auf dem Gebiet des HRRDN auszutragen. Ich denke, die Kampfhandlungen in Ulm und um Ulm herum haben die Beliebtheit der Habsburger im Reich erst recht beendet. Damit wurden sie innenpolitisch im Reich endgültig zur Nullnummer.

      Ich komme zum Schluss, dass das totale Versagen der Habsburger in der Rolle des Kaisers der beste Grund für den Rheinbund war und die Rolle der Schutzmacht zurecht an das napoleonische Frankreich überging.

      Aber vergegenwärtigen wir uns, dass diese Überlegungen bisher nur auf der Ebene der Herrschaftsgeschlechter, des Adels stattfanden.

      Das Versagen des Deutschen Adels
      Was die Beziehung des Volkes zu den Herrscherhäusern angeht, mag das ständige jahrhundertelange Geschacher um Land und Leute die Liebe des Volkes zu "ihren" Fürsten erkalten lassen haben.
      Tolles Beispiel hat Nikolaj geliefert:
      Zitat von Nikolaj Beitrag anzeigen
      In Rechnung stellen wird man auch die tiroler Mentalität, die auch die Habsburger nur darum akzeptierten, weil sie auch Grafen von Tirol waren ;-)
      Man konnte sich eben wenig mit neuen Machthabern identifizieren.
      Einen Höhepunkt erreichte dieses Geschacher letztendlich zum Reichsdeputationshauptschluss 1803. Diese totale Neuordnung Deutschlands löste wohl die Identifikation mit dem herrschenden Adel bei vielen Leuten in Deutschland auf. Dazu kamen die Umbrüche im geltenden Recht. Die Abschaffung der Zünfte z.B. und die Einführung neuer Gesetze verunsicherten sicher weite Kreise der Gesellschaft.
      Damit hat der Adel auch gegenüber dem Volk als Garant für Schutz und Sicherheit versagt.
      Was das Französische angeht, war das nicht nur die Sprache der Franzosen, sondern auch die des nunmehr dem Volke zunehmend entfremdeten Adels in Deutschland.
      Damit ist die Deutsche Sprache und wohl auch das Deutschtum insgesamt ein Zeichen der Emanzipation und Autonomie gegenüber den bisher Herrschenden, was den Nationalismus in Deutschland auch befördert haben wird.

      Die Initiative der Hohenzollern und ihr Scheitern
      Zitat von Sans-Gêne Beitrag anzeigen
      Also musste durch Preußen eine Legende um die „Toitschen" gestrickt werden, die es zu befreien galt. ... Man konnte den Angriffs - und Okkupationskrieg zu ... einer allgemeinen deutschen Angelegenheit umdichten und kaschieren.
      Aus obigen Überlegungen heraus sehe ich das nicht ausschliesslich so.
      Preussen hat lediglich die Strömungen der Zeit aufgenommen und die Schutzfunktion des Kaisertums nach überbrachtem Muster erneuert. Die Hohenzollern haben die Führungsrolle vor allem im Militärischem übernommen und das Reich durch Kriege gegen die umliegenden Staaten - Dänemark, Österreich und schliesslich Frankreich neu etabliert.
      Überflüssigerweise, möchte ich sagen, denn das Aufkommen der Eisenbahn erweiterte die wirtschaftlichen Möglichkeiten und damit den Bedarf nach einheitlichem Recht und Wirtschaftsräumen. Aber da sie eben Adelige waren, verharrten sie in ihrer Denke,die traditionell vom Kriegführen bestimmt war. Das war ja ursprünglich die Aufgabe des Adels. Sie scheiterten schliesslich an ihrem Militarismus.
       

       
      Zuletzt geändert von derHerzog; 25.02.2012, 14:13.

      Kommentar

      • Sans-Gêne
        Benutzer
        Fourrier
        • 06.10.2010
        • 93

        Preussen hat lediglich die Strömungen der Zeit aufgenommen und die Schutzfunktion des Kaisertums nach überbrachtem Muster erneuert.
        Daran gemessen, hat Preußen in seiner Schutzfunktion jedoch versagt, wenn es sich an Sachsen territorial bereicherte und den übrigen Teil Sachsen wenigsten temporär russischer Verwaltung und damit der Fremdherrschaft unterstellte. Hinsichtlich der offerierten Absicht der "Befreiung aller Toitschen" war der Wiener Kongress somit sogar ein preußische Offenbarungseid!
        Sachsen und andere Staaten bedurften dieser preußisch - deutschen "Schutzfunktion und Führung" zudem gar nicht, da sie von den Auswirkungen der Kontinentalsperre durch die traditionelle Ausrichtung von Handel - und Gewerbe über Österreich und Bayern in den süd - und südosteuropäischen Raum weniger bis gar nicht betroffen waren. Lediglich der Handel mit Russland brach ab 1810 weg. Was jedoch der Schmuggel und der österreichische Markt erfolgreich kompensierte.
        Auch darum war der Zulauf und die Unterstützung für paramilitärische Studentenbünde und Freikorps in Sachsen eher gering und wurde erst später nationalistisch überhöht und als "Mehrheitsmeinung" propagandistisch dargestellt.
        Preußen mag eine "Strömung der Zeit" in Preußen aufgenommen haben. Diese ist jedoch nicht ohne preußisches Zutun entstanden und schon gar nicht außerhalb Preußens von gleichem Widerhall gewesen. Auch wenn sich mit dem Verleger Palm, Theodor Körner und dem verwirrten Studenten Stabs, immer wieder Einzelbeispiele von Zeitgenossen außerhalb Preußens finden, die aus ihrer Zeit in Wort und Tat herausragten. Ein Ausdruck einer allgemeinen Volksmeinung waren sie nicht und schon gar nicht Ausdruck eines Volksaufstandes. Das war höchstens der Aufstand in Tirol. Und der beschränkte sich auf Tirol, weil die Tiroler als solche dachten und nicht etwa als Deutsche.

        Ein jedoch gutes Beispiel wie "glorreich" Preußen mit gestohlenen sächsischen Domänen wirtschaftlich scheiterte, ist das Ende des Gutes Wendelstein bei Querfurt, dessen Niedergang nach der preußischen Übernahme, zum Aussterben einer ganzen Pferde - Zuchtrasse führte.
        Sowas verbrämte man dann mit "Geschichtlein-fein" über den Lehrer Mund, der schon 1812 (!!!) die "schwarzen preußischen Husaren" in seinem Haus versteckt haben soll (die ihm sogleich von Lützow und Körner erzählten) und sich Ihnen dann anschloss, wie in die Ortschronik von Querfurt später völlig wirklichkeitsfern "hineinkorrigiert" wurde........ein Schelm......!
        Und sowas plappert die "Generation PISA" bis heute bereitwillig nach.
        Es wird Zeit, die Restaurationskriege 1813 mal von ihren Befreiungskriegslegenden zu befreien .
        Dann würde man vielleicht auch ein wirklichkeitsnäheres Bild darüber gewinnen, ob, für wen und in welchem Maße Napoleon ein Aggressor war.

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        • Tellensohn
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 16.02.2011
          • 1253

          Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
          @Tellensohn:
          Gerade dein Beitrag gibt mir recht.
          Nein, wieso?

          Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
          Deine Ausführungen messen wohl zweifellos den Beitrag des Nationalismus im 19.Jh zum Nationalsozialismus.

          Mit meinen Ausführungen will ich darauf hinweisen, dass übles nationalistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut in den "Eliten" Deutschlands schon lange VOR den Nazis etabliert war und eben NICHT erst der Nazis bedurfte, um breite Anerkennung zu finden. Folgerichtig existiert es gerade deshalb auch ohne die NSDAP bis heute weiter. Die abscheuliche Denkungsart, die ich meine, ist nicht erst die der Nazis. Es ist die der genannten Hetzer und Geiferer der napoleonischen Zeit und eben deshalb ist es sehr wohl der Ungeist jener sogenannten "Befreiungskriege" der - ganz ohne Nazis - bis heute das "Nationalbewusstsein" rechter Kreise prägt. Und zwar eben gerade auch solcher, die sich bei jeder Gelegenheit fleissig von den Nazis distanzieren. Man kultiviert die Legende von den "Befreiungskriegen", gedenkt andächtig geistiger "Grössen" wie Kleist oder Arndt, und verschweigt, dass schon diese wie die Nazis gedacht haben. Die Botschaft an die breite Öffentlichkeit von heute: "Wir verehren ja 'nur' die Befreiungskrieger von 1813. Das waren ja keine Nazis. Und wir sind doch auch keine...". Da den meisten heutigen Deutschen der "Michael Kohlhaas" oder "Der zerbrochene Krug" um einiges geläufiger sind als "Germania an ihre Kinder", denken sie sich bei Kleist wohl kaum etwas Böses. Und von Körner haben sie vielleicht mal gehört, dass er ein toller Haudegen war, der es dem bösen Napoleon aber gezeigt hat...
          Zuletzt geändert von Tellensohn; 05.03.2012, 12:41.

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          • Sans-Gêne
            Benutzer
            Fourrier
            • 06.10.2010
            • 93

            @Tellensohns Ausführungen kann man nur zustimmen. Ausdruck des zwangsläufig dem nationalistischen Wirken von Arndt, Jahn, Körner und Fichte nachfolgenden Fremdenhass, waren die Hepp-Hepp-Unruhen im Jahr 1819.
            Die Legenden von Schill und Lützow haben auch nur dann ihre verblenderische Wirkung, wenn man sie wie die deutschen Nationalisten, aus dem historischen Kontext herausgelöst erzählt. Setzt man sie jedoch in diesen Kontext wieder hinein, rutscht die schönfärberische Fassade zusammen und das ganze militärische Unvermögen wird offensichtlich.

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            • Mephisto
              Erfahrener Benutzer
              Capitaine
              • 01.10.2006
              • 625

              Hetzer und Geiferer der napoleonischen Zeit
              Gerade weil sie zufällig mit Goethe die Zeitgeschichte geteilt haben, in seinem Schatten nationale Größe erheischt haben,
              trenne man immer noch und gerade deshalb die Spreu vom Weizen.


              Es wird Zeit, die Restaurationskriege 1813 mal von ihren Befreiungskriegslegenden zu befreien.
              Auf den Punkt gebracht - Bravo!!!
              Hoffentlich textet Dir jetzt nicht der Bundespräsident die Mailbox voll...
              Zuletzt geändert von Mephisto; 05.03.2012, 20:15.
              Gruß
              Mephisto

              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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              • Bataaf
                Erfahrener Benutzer
                Sous-Lieutenant
                • 06.03.2007
                • 365

                Mir gefällt diese Diskussion, und was dabei heraus kommt. Nur scheint mir das auf beiden Seiten sich kleine Diktatoren aufhalten, die die Meinung der Oppositionellen für unzulässig halten. Davon halte ich nicht viel. Die letzte Zeit beschäftige ich mich mit die Parteigänger der Französische Revolution auf Napoleonwiki, und da sieht man wohin zufiel Intoleranz geleitet hat. Dafür soll man sich hüten. Zwei Meinungen wird es immer geben. Besser wäre es etwas Besseres aufzubieten, statt immer das Schlechtere zu betonen.

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                • Sans-Gêne
                  Benutzer
                  Fourrier
                  • 06.10.2010
                  • 93

                  Hoffentlich textet Dir jetzt nicht der Bundespräsident die Mailbox voll...
                  Zu spät! Das Band ist schon seit letztem Jahr von der "Friedensnobelpreis -für-Talleyrand-Fraktion" zugewulfft.

                  Kommentar

                  • josef1811
                    Benutzer
                    Fourrier
                    • 05.08.2008
                    • 77

                    Auch mir gefällt diese Diskussion sehr gut, besonders die produktiven Beträge von Mephisto, Nikolaj, Tellensohn, Sans- Gene.....schade dass Sie sich auf manche nicht zielführende Diskussionen hinreissen ließen.
                    Ich persönlich halte mich lieber im Hintergrund und lese stattdessen aufmerksam die meist sachlichen Beträge hier. Obwohl ich mich schon seit längeren mit diesen Geschichtsabschnitt beschäftige, reicht doch mein Wissensstand noch lange nicht um hier wo anscheinend die oberste Liga zu Hause ist, einen Beitrag zu leisten.
                    Eines jedoch muss ich loswerden, auch ich halte Napoleon nicht für den Agressor wie so viele. Kann es vielleicht sein, dass Napoleon in die Agressorrolle gestossen wird, weil er so manche oder besser viele Schlachten einfach genial (Agressiv) geführt und auch gewonnen hat?

                    Kommentar

                    • KDF10
                      Erfahrener Benutzer
                      Chef de Bataillon
                      • 19.12.2010
                      • 1278

                      Zitat von josef1811 Beitrag anzeigen
                      Kann es vielleicht sein, dass Napoleon in die Agressorrolle gestossen wird, weil er so manche oder besser viele Schlachten einfach genial (Agressiv) geführt und auch gewonnen hat?
                      Möglich, aber zum Agressor wurde er erst viel später gemacht. Das hat auch politische Gründe, zum Beispiel das Verhältnis Deutschland/Frankreich zum Ende des 19. bzw. zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach heutigem Verständnis war auch Cäsar ein Agressor, oder zum Beispiel Alexander der Große. Historisch sind das große Feldherren, das Wort Agressor wird da nicht verwendet. Niemand bezeichnet Katharina die Große als Agressorin, oder Alexander I., die ja nun beide durch Kriege das russische Imperium vergrößert haben. Was würde in anderen Foren (etwa Geschichtsforum) abgehen, wenn ich die Frage stellen würde, war Friedrich der Große ein Agressor? Immerhin hat er das österreichische Schlesien überfallen. Hier wird einfach mit zweierlei Maß gemessen. Wir feiern den "Alten Fritz" und die Napoleon-Fans halt ihren Napoleon. Suum quique, würde der "Alte Fritz" sagen.
                      Zuletzt geändert von KDF10; 08.03.2012, 16:43.

                      Kommentar

                      • Charlotte Corday
                        Erfahrener Benutzer
                        Sergent
                        • 22.11.2011
                        • 110

                        Auf den Standpunkt kommt es an

                        Die Beurteilung einer historischen Persönlichkeit wie Napoleon hing anscheinend schon bei den Zeitgenossen davon ab, auf welcher "Seite" sie standen: Für einen Großteil der Franzosen bzw. Verbündeten Napoleons war seine Expansionspolitik positiv, teils sogar eine konsequente Fortführung der Politik eines Ludwigs XIV. Aggressor? Eher jemand, der seine Chancen nutzte, der Kriegsglück hatte und die Hegemonialstellung ausbauen konnte - wie z.B. Englang als Seemacht ein "weltweites" Empire anstrebte.
                        Wer auf der Gegenseite stand, hatte allen Grund, über die "Aggression" Napoleons zu klagen.

                        Dass es 1813ff. zu einer Umwertung kam, ist auch klar.

                        Mit Friedrich den Großen brachtest du, Dieter, ein gutes Beispiel: Aus preußischer Sicht toll, als Österreicher eindeutig ein Aggressor, welcher der lieben Landesmutti ganz gemein ein Land raubte. ;-)))

                        Mit Wertungen wie "Aggressor" ist es immer so eine Sache, weil sie moralische Urteile beinhaltet und ich nicht sicher bin, ob uns 200 Jahre danach eine solche Be-Urteilung zusteht. Nüchtern betrachtet hat Napoleon ganz gewisse eine aggressive Außenpolitik betrieben - aber das haben davor, zeitgleich und danach auch andere Staatsmänner - mit unterschiedlichem Erfolg.

                        Kommentar

                        • muheijo
                          Erfahrener Benutzer
                          Capitaine
                          • 01.10.2006
                          • 553

                          Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                          ..., wenn ich die Frage stellen würde, war Friedrich der Große ein Agressor? Immerhin hat er das österreichische Schlesien überfallen. Hier wird einfach mit zweierlei Maß gemessen. Wir feiern den "Alten Fritz" und die Napoleon-Fans halt ihren Napoleon. Suum quique, würde der "Alte Fritz" sagen.
                          Von 2erlei Mass kann ich nichts erkennen. Sowohl Friedrich der Grosse als auch Napoleon werden durchaus differenziert betrachtet, und zwar nicht nur getrennt nach Lagern.

                          Was man Napoleon im Rueckblick durchaus vorwerfen kann, ist eine Masslosigkeit oder besser Instinktlosigkeit, indem er seine Friedensdiktate nach rein militærischen, nicht aber nach diplomatischen Gesichtspunkten verordnete.
                          Er holte nach fast jedem Friedensschluss das Maximale heraus, und machte es damit aber dem geschlagenen Gegner eigentlich unmøglich, einen Friedensschluss auf Dauer zu akzeptieren. Østerreich und Preussen mussten ja fast auf Revanche sinnen, insofern fanden die englischen Subsidien dankbare Abnehmer.

                          Interessanterweise haben aber die einzigen Frieden, die man Verstændigungsfrieden nennen kann, und zwar Amiens und Tilsit, auch keinen Bestand gehabt. Die Gruende fuer den Bruch der beiden Frieden sind nicht allein beim Kaiser zu suchen.

                          Fazit:
                          Ich sehe einen ganzen Haufen diplomatischer Fehler, (das war einfach nicht sein Ding, das ist nicht zu bestreiten), aber keine Aggression.

                          Gruss, muheijo

                          Kommentar

                          • Marie
                            Erfahrener Benutzer
                            Sergent-Major
                            • 27.04.2011
                            • 196

                            Zitat von muheijo Beitrag anzeigen
                            Fazit:
                            Ich sehe einen ganzen Haufen diplomatischer Fehler, (das war einfach nicht sein Ding, das ist nicht zu bestreiten), aber keine Aggression.
                            Zu dem Schluss kamen mein Mann und ich nach einer längeren Diskussion über das Thema auch.

                            In der zeitgenössischen ('deutschen') Bewertung Napoleons darf man auch den Umbruch nicht vergessen, der nach der Kaiserkrönung stattfand. Diese wurde von vielen 'Deutschen' als Verrat an der Revolution und ihren Ideen angesehen. Sehr beeindruckt hat mich da der große wegradierte Fleck auf Betthovens 'Eroica'. Und er ist bei Weitem nicht der Einzige, der schwer enttäuscht war.
                            Ich bin der festen Überzeugung, dass einiges anders bewertet worden wäre, wenn er diesen Schritt nicht gegangen wäre (und alles, was dran hängt, wie neuer Adel, Hofhaltung usw.) Immer vorausgesetzt, die Geschichte hätte denselben Verlauf genommen ohne die Kaiserkrönung, (was wohl zu bezweifeln ist)
                            Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

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                            • KDF10
                              Erfahrener Benutzer
                              Chef de Bataillon
                              • 19.12.2010
                              • 1278

                              Zitat von muheijo Beitrag anzeigen
                              Von 2erlei Mass kann ich nichts erkennen. Sowohl Friedrich der Grosse als auch Napoleon werden durchaus differenziert betrachtet, und zwar nicht nur getrennt nach Lagern. Gruss, muheijo
                              Sehe ich anders. Friedrich der Große wird glorifiziert, ebenso Napoleon. Um es mal einfach zu formulieren, Napoleon hat sich seine Verdienste selbst erarbeitet. Friedrich der Große nicht. Er profitierte von seinem Kriegsglück und von den militärischen Fähigkeiten seines Bruders Heinrich. Mit zweierlei Maß meine ich, Friedrich der Große war historisch kein Agressor, Napoleon schon. Wenn Napoleon einen Krieg mit Österreich führt, ist er ein Agressor, und wenn der "Alte Fritz" das gleiche tut ist er keiner?

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                              • Tellensohn
                                Erfahrener Benutzer
                                Chef de Bataillon
                                • 16.02.2011
                                • 1253

                                Zitat von Marie Beitrag anzeigen
                                Sehr beeindruckt hat mich da der große wegradierte Fleck auf Betthovens 'Eroica'. Und er ist bei Weitem nicht der Einzige, der schwer enttäuscht war.
                                "Ist der auch nicht anders, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher, wie alle Anderen stellen, ein Tyrann werden!"

                                ...soll er gesagt haben...

                                Und weil Beethoven ein so eingefleischter Tyrannenhasser war, hat er sich gleich nach seiner riesengrossen Enttäuschung über den auch nur ganz gewöhnlichen angehenden Tyrannen Napoleon napoleonfeindlichen Tyrannen angedient (die waren wenigstens welche von Gottes und nicht von eigenen Gnaden ...)...

                                Wie sagte doch Goethe:

                                "Einen Tyrannen zu hassen vermögen auch knechtische Seelen. Nur wer die Tyrannei hasset, ist edel und groß."




                                http://de.wikipedia.org/wiki/3._Sinfonie_(Beethoven):

                                "Aus Enttäuschung über Napoleon, als dieser sich 1804 selbst zum Kaiser krönte, und weil seine Umzugspläne scheiterten, nahm er die Widmung an Napoleon...zurück,..."


                                http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_van_Beethoven:

                                "So hatte Beethoven die 3. Sinfonie Eroica ursprünglich mit dem Zusatz „intitulata Bonaparte“ oder „geschrieben auf Bonaparte“ versehen wollen. Eine Anekdote berichtet, Beethoven habe den Titelzusatz wütend entfernt, nachdem Napoléon sich im Dezember 1804 hatte zum Kaiser krönen lassen.[24] Wahrscheinlich hängt die Änderung des ursprünglichen Titels eher mit einer geplanten, aber letztlich nicht durchgeführten Reise nach Paris[25] zusammen."

                                [24] Franz Gerhard Wegeler / Ferdinand Ries, Biographische Notizen über Ludwig van Beethoven. Koblenz 1838, S. 78.
                                [25] Ludwig van Beethoven, Briefwechsel, Band 1, Nr. 152.

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