Zitat von KDF10
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Die Frage, weshalb die Briten ihr Empire schliesslich verloren haben, hat ja eigentlich in diesem Forum nichts zu suchen. Aber wenn sie schon angeschnitten wird, möchte ich, mit Verlaub, auch meinen Senf dazugeben.
Der Aufstieg der USA zur Grossmacht erklärt ja nicht per se das Zerfallen des britischen Empire. Die Voraussetzung für den Zerfall wurde vielmehr erst einmal durch das geschaffen, was man "imperial overstretch" nennt. Die Briten konnten die vielen Territorien, die sie im Lauf des 19. Jahrhunderts unter ihre direkte Kontrolle gebracht hatten, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts personell, materiell und finanziell nur mit zunehmender Mühe halten, zumal die unterworfenen Völker - religiös und kulturell oft signifikant von der Kolonialmacht entfernt - als Folge des auch bei ihnen wachsenden "nationalen" (inklusive religiösem und kulturellem) Selbstbewusstseins die Herrschaft der Briten immer weniger zu ertragen bereit waren. Was die Spanier im grossen und ganzen schon hinter sich hatten, das stand den Briten erst noch bevor... (Nebenbemerkung: immerhin hatten die Spanier den Grossteil ihres Kolonialreichs - also ausser Kuba und den Philippinen, die ihnen am längsten geblieben waren - gut 300 Jahre halten können, etwa vom Beginn des 16. bis zum Beginn des 19. Jhdts.; die Briten konnten ihr Empire nur etwas mehr als halb so lang halten, etwa von 1760 bis 1920 +/-...1:0 für Spanien ).
Den Todesstoss hat dem British Empire meiner Meinung nach konkret der 1. Weltkrieg versetzt, weil die Briten nämlich dadurch gezwungen wurden, den grössten Teil ihrer begrenzten Landstreitkräfte ebenso wie einen beachtlichen Teil ihrer grossen Flotte für den Kampf gegen die Mittelmächte einzusetzen sowie in einem seit den napoleonischen Kriegen wohl nie da gewesenen Ausmass finanzielle und materielle Mittel für einen Krieg aufzuwenden, den sie eigentlich nicht gewollt hatten und der für sie völlig ungelegen kam. Truppen, Geld und Material hätten sie wegen des zunehmenden Aufbegehrens der von ihnen kontrollierten Völker dringendst benötigt und all dies war nun nicht mehr im erforderlichen Mass verfügbar (jetzt ging's ihnen so ähnlich wie damals in Louisiana und Florida den Spaniern...)
Bekanntlich haben Engländer und Franzosen in besonderem Mass auf einen harten Versailler Vertrag gepocht. Was die Franzosen anbelangt, so glaube ich, dass - obwohl auch ihre Stellung als Kolonialmacht durch die personellen, finanziellen und materiellen Zwänge des 1. Weltkriegs geschwächt wurde - der Hauptgrund für ihre harte Position gegenüber dem Deutschen Reich in erster Linie in der Tatsache zu suchen ist, dass in diesem Krieg der für die französische Wirtschaft/Industrie besonders bedeutsame Norden und Nordosten des Heimatlandes so massiv geschädigt worden ist wie wohl kein anderer Landstrich sonst und Deutschland diesen Schaden auf Teufel komm raus berappen sollte. Die Briten ihrerseits haben m.E. das Deutsche Reich hauptverantwortlich gemacht für den Verlust der Kontrolle über ihr Empire, das Ausbleiben jeglichen Profits sowie die Notwendigkeit, sich sogar verschulden zu müssen. Für sie war das wohl der Hauptgrund, weshalb Deutschland bluten sollte. Zusätzlich machten ja die Amerikaner als Hauptgläubiger Frankreichs und Englands Druck und drängten auf eine rasche Begleichung der Kriegsschulden, so dass die Verknüpfung der Frage der Kriegsschulden mit der der Reparationszahlungen nicht zu vermeiden war und das Maximum aus dem Deutschen Reich herausgepresst werden sollte. Ich denke, sowohl Frankreich als auch Briten waren sich im Grunde bewusst, dass der Versailler Vertrag dem Deutschen Reich eine unvernünftig hohe Last aufbürdete, in der damaligen Situation aber haben einerseits Wut und Rachsucht, andererseits die Entschlossenheit, dem Deutschen Reich jede Möglichkeit zu nehmen, jemals wieder die Interessen Frankreichs und Englands im erlebten Masse zu schädigen, die Oberhand gewonnen. Geführt hat das Ganze dann ja bekanntlich zum Gegenteil, aber aus der Situation heraus erscheint mir die Haltung der Franzosen und Briten verständlich, zumindest jedenfalls erklärbar.
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