Zitat von excideuil
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Napoleon erhielt die Zustimmung seines "Volkes" zur Errichtung einer Monarchie auch ohne Berufung aufs "Gottesgnadentum" nicht auf lupenreine Art. Das "Volk" bestand damals aus begüterten Männern (Zensuswahlrecht). Die Mehrheit der männlichen und die Totalität der weiblichen Bevölkerung hatte gar nichts zu sagen. Das allgemeine Wahlrecht für Männer hatte es unter Robespierre kurzzeitig gegeben, und die Vorstellung, dass Frauen auch wählen dürfen sollten, wurde damals immerhin schon propagiert. Auch wenn man annimmt, dass Napoleon nicht all zuviel am Ausgang des Plebiszits betreffend sein Kaisertum herumgebastelt hat, ist die "Legitimität" des Abstimmungsresultats daher auch schon nach damaligem Verständnis mehr als fragwürdig. Nach heutigem Verständnis auf jeden Fall. Ein Vergleich mit der heutigen Bundestagswahl u.ä hinkt also schon mal von da her gewaltig.
Dass "Legitimität" letztlich nur durch Gewalt (und Propaganda) behauptet wird, ist nicht falsch, sondern Fakt. Auch im demokratischen Staat nach unserem heutigen Verständnis setzt der Staat seine "Legitimität" auf diese Weise durch. Auch wenn seine vom Volk (von allen interessierten und willigen Männern und Frauen) gewählten Repräsentanten dadurch in der Funktion als Volksvertreter legitimiert werden, heisst das noch lange nicht, dass auch ihr ganzes Tun, das sich auch ganz und gar gegen die Interessen und den Willen derjenigen, die sie gewählt haben, richten kann und auch vielfach richtet, von denen, die sie gewählt haben legitimiert worden ist. Selbst auf grossen Widerstand einer Mehrheit der Wähler stossende Entscheide können dann aber unter Berufung auf den Status eines gewählten Volksvertreters (nennen wir das mal "Verfassungspropaganda"), wenn nötig mit Gewalt, durchgesetzt werden, wobei hier dann im besonderen Masse eine andere Ebene der "demokratischen" Gesellschaft zum Zuge kommt, nämlich jene des mit dem Vollzug beauftragten, aber nicht gewählten und damit auch zu keinem Zeitpunkt im demokratischen Sinne legitimierten Beamtenapparates. Das ist dann eben Staatsgewalt: vom Volk gewählte Vertreter des Staates können Entscheidungen, zu denen sie ebendieses Volk nicht ermächtigt hat, unter Zuhilfenahme eines nichtgewählten Machtinstruments mit Gewalt durchsetzen. In der Schweiz gibt es immerhin das Mittel der Volksinitiative, um in Sachfragen gegen Entscheide auch der "demokratisch legitimierten" Volksvertreter anzukämpfen. Besonders wirksam ist dieses Mittel aber nicht, denn selbst wenn sich eine Mehrheit des Volkes auf diesem Wege gegen Entscheide seiner gewählten Repräsentanten durchsetzen kann und diese also nach der demokratischen Verfassung keine "legitime" Handhabe haben, mit offener Gewalt ihre Entscheide durchzusetzen, bleibt ihnen immer noch eine Vielfalt von Möglichkeiten, durch Verzögerungstaktik und Scheinargumente, unter Einsatz des gesamten, sich letztlich überwiegend in Händen des Staates (und der diesen beherrschenden wirtschaftlichen Eliten) befindlichen medialen Propagandaapparates den Willen des Volkes zu verwässern oder gar ins Gegenteil zu verkehren. Passiert in der Schweiz oft genung, ich denke nicht daran, hier ins Detail zu gehen.
Es geht mir hier aber auch nicht um einen Angriff auf den Staat, schon gar nicht auf den demokratischen Staat, denn irgendwie muss sich die Gesellschaft ja organisieren, um funktionieren zu können, und da ist ein Staat mit demokratischer Verfassung immer noch das Erstrebenswerteste. Es geht mir nur darum, darauf hinzuweisen, dass selbst ein solcher Staat seine "Legitimität" letztlich mit Gewalt und Propaganda durchsetzt, manchmal mehr, manchmal weniger spürbar.
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