Legitimitätsanspruch Kaisertum Napoleons

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Tellensohn
    antwortet
    Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
    Ich will damit sagen, dass die Entwicklung ohne Radikalisierung auch anders hätte verlaufen können, denn viele Franzosen, auch Teile der Revolutionäre konnten sich ein Frankreich ohne König nicht vorstellen.
    Die Radikalisierung hatte der König selber verschuldet, indem er Hochverrat beging.

    Einen Kommentar schreiben:


  • excideuil
    antwortet
    Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
    Du meinst sicher "auf Ludwig XIV Ludwig XV. folgte"? Tja, aber dass auf Ludwig XVI. Ludwig XVII. folgen sollte, war eben keine akzeptierte gesellschaftliche Norm mehr und diese Form der "erblichen Legitimität" nicht mehr rechtmässig.

    Das sind eben nicht erst die heutigen Massstäbe. Weshalb wohl verfolgte Napoleon nebst Royalisten auch Republikaner aufs Hartnäckigste...?
    Ja, sicher war der Sonnenkönig gemeint, Tippfehler halt. Dass Ludwig XVII. nicht den Thron bestieg, hatte allerdings verschiedene Ursachen. Zunächst darf festgestellt werden, dass sich die Revolution zunächst nicht gegen die Person des Königs richtete, er im Gegenteil als jetzt konstitioneller Monarch Staatsoberhaupt blieb. Erst mit der Anklage wegen Hochverrates und der Verurteilung zum Tode und der Ausrufung der Republik wurde die Thronfolge obsolet, mal davon abgesehen, dass Ludwig XVII. im Gefängnis starb.
    Ich will damit sagen, dass die Entwicklung ohne Radikalisierung auch anders hätte verlaufen können, denn viele Franzosen, auch Teile der Revolutionäre konnten sich ein Frankreich ohne König nicht vorstellen.

    Was hat bitte Napoleons Verfolgung von Teilen der Royalisten oder der Republikaner mit seiner Legitimität zu tun?
    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    Das ist eine sehr spezielle Lesart. Vor seinen militärischen Niederlagen hat er also keinen Machtmissbrauch begangen? Da hatte der Senat natürlich noch nicht den Mumm dazu was zu sagen, denn als das Empire noch stabil war diente er nur als Abnickbude. 1814 sahen die Herren dann wohl ihre Felle wegschwimmen und biederten sich bei den Alliierten an. Übrigens hat Napoleon selbst abgedankt, dazu brauchte er keinen Marionettensenat. Der von dir genannte Vorgang ist nur eine Nebensächlichkeit. Entscheidend und relevant waren andere Dinge wie der Rückhalt in der Armee und die Machtposition der fremden Mächte.

    Das Bürgertum hat Napoleon stets hofiert und mit etlichen Privilegien versehen, selbst mit der Möglichkeit zum Freikauf vom Militärdienst, bzw. guten Karrierechancen. Diese Krämerseelen kippten zum Dank natürlich sofort um, sobald die Sache sie selbst ernsthaft etwas kostete.
    Das ist keine sehr spezielle Lesart. Die Legitimität Napoleons war unbestritten, und der Senat im Grunde nicht befugt, seine Absetzung zu verfügen. Daher die Begründung mit dem Argument des Machtmissbrauches, mit dem ein absoluter Monarch - althergebracht - seiner Rechte verlustig gehen konnte. Die Herrschaft Napoleons endete (formal) tatsächlich erst mit seiner Abdankung einige Tage später. Diese erfolgte allerdings auch unter dem Eindruck der durch den Senat geschaffenen Tatsachen.
    Deine Senats- und Bürgertumschelte spar ich mir.

    Grüße
    excideuil

    Einen Kommentar schreiben:


  • Tellensohn
    antwortet
    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    @Harper,
    das Problem lag wohl darin, dass teilweise nicht abgegebene Stimmen als "Ja" weitergemeldet worden sind. Leider habe ich die entsprechenden Angaben nicht mehr finden können aber die Sache war mehr als nur ein Vorwurf, sondern eindeutig Schiebung. Zwar wäre die Wahl rein rechnerisch vermutlich auch so nicht anders ausgegangen, dennoch ist eine manipulierte Wahl ungültig. Wahrscheinlich wollten sich ein paar Präfekten oben einschleimen und gaben manipulierte Zahlen weiter. Das zeigt nicht nur ihren "demokratischen" Geist, sondern auch dass die ganze Wahl doch eher als Formsache betrachtet wurde.

    Grüße

    Gunter
    Das ist im Grossen und Ganzen richtig.

    Ich zitiere nach Frédéric Bluche in Dictionnaire Napoléon, ed. Jean Tulard, Paris 1999, Vol. 2, I-Z, S.514, s.v. PLÉBISCITE:

    "En l'an XII,..., lorsque le peuple français est invité à se prononcer non pas sur l'établissement de l'Empire - la question est déjà réglée par sénatus-consulte -, mais sur la seule hérédité impériale dans la famille de Napoléon Bonaparte, il faut à nouveau frauder pour dissimuler les réticences de la population et atteindre, malgré l'accroissement de l'électorat dû aux annexions, un total légèrement inférieur à celui de l'an X [damals ging es um das Konsulat auf Lebenszeit für Bonaparte: 3 653 600 oui gegen 8 272 non (ebd.)] - 3 572 329 oui au lieu de 3 653 600 - , compensé il est vrai par le faible nombre des non: 2569. Les résultats de certains départements - entre autres la Seine, la Seine-et-Oise, le Cher, les Deux-Sèvres, les Landes, les Hautes-Alpes, les deux départements corses - sont à l'évidence arrondis à la hausse (sans doute sur l'initiative de maires, de sous-préfets et de préfets zélés). Il en est de même pour certains territoires de la rive gauche du Rhin récemment annexés, comme le département belge de la Dyle (où la participation dépasse 100%). Dans le Piémont - Sesia, Doire, Pô -, les populations s'abstiennent massivement; il faut alors, selon l'expression embarrassée et pudique du général Menou, « faire recommencer tout le travail » (résultat de l'opération: 45 000 votes au lieu de 16 000). L'armée, quant à elle, est encore provisoirement imprégnée de republicanisme. Elle vote très peu: peut-être seulement 120 302 oui pour l'armée de terre et 16 224 pour la marine. On arrondit, comme en l'an VIII*: respectivement 400 000 et 50 000 oui (et aucun vote négatif...)."

    *Seit dem Plebiszit des Jahres VIII, bei dem es um die neue Konsulatsverfassung gegangen war, wurde davon ausgegangen, dass bei 5 Millionen Wahlberechtigten für die Annahme des Plebiszits ein Ja-Stimmen-Anteil von mindestens 3 Millionen+ benötigt wurde, das heisst mehr als eine Zweidrittelmehrheit bzw. 60%. Falls nötig war dieser Ja-Stimmen-Anteil mit betrügerischen Mitteln zu erreichen, was im Jahr VIII massiv der Fall war. (ebd.)
    Zuletzt geändert von Tellensohn; 14.06.2013, 16:24.

    Einen Kommentar schreiben:


  • Gunter
    antwortet
    @Harper,
    das Problem lag wohl darin, dass teilweise nicht abgegebene Stimmen als "Ja" weitergemeldet worden sind. Leider habe ich die entsprechenden Angaben nicht mehr finden können aber die Sache war mehr als nur ein Vorwurf, sondern eindeutig Schiebung. Zwar wäre die Wahl rein rechnerisch vermutlich auch so nicht anders ausgegangen, dennoch ist eine manipulierte Wahl ungültig. Wahrscheinlich wollten sich ein paar Präfekten oben einschleimen und gaben manipulierte Zahlen weiter. Das zeigt nicht nur ihren "demokratischen" Geist, sondern auch dass die ganze Wahl doch eher als Formsache betrachtet wurde.

    Grüße

    Gunter

    Einen Kommentar schreiben:


  • Harper
    antwortet
    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    Was es verfassungsgemäß, dass bei der Wahl betrogen wurde? Die ganze Sache war doch eine einzige pseudodemokratische Schiebung.

    Grüße

    Gunter

    Gunter, mir war bislang nur bekannt, dass es Manipulationsvorwürfe, nicht jedoch die Feststellung tatsächlicher Manipulationen gab.
    Und wenn, wäre die Wahl aus heutiger Sicht insoweit zwar anfechtbar, nicht jedoch ohne weiteres nichtig. Jedenfalls entsprach sie in ihrer Ausgestaltung der Verfassung. Und das Ergebnis war eindeutig, zumal die Nein - Stimmen ausgewiesen wurden. Aber auch wenn das Verhältnis nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach, so lässt sich doch aufgrund der vielen zeitgenössischen Berichte feststellen, dass die ganz überwiegende Mehrheit der - wahlberechtigten - Franzosen mit dem Kaisertum einverstanden war bzw. dafür votiert hat.
    In diesem Sinne war er legitimiert.

    Einen Kommentar schreiben:


  • Gunter
    antwortet
    Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
    Dies zeigte sich 1814, als der Senat ihn aus Gründen des Machtmissbrauches für abgesetzt erklärte, im Grunde aber seine Legitimität nicht in Frage stelle.
    Das ist eine sehr spezielle Lesart. Vor seinen militärischen Niederlagen hat er also keinen Machtmissbrauch begangen? Da hatte der Senat natürlich noch nicht den Mumm dazu was zu sagen, denn als das Empire noch stabil war diente er nur als Abnickbude. 1814 sahen die Herren dann wohl ihre Felle wegschwimmen und biederten sich bei den Alliierten an. Übrigens hat Napoleon selbst abgedankt, dazu brauchte er keinen Marionettensenat. Der von dir genannte Vorgang ist nur eine Nebensächlichkeit. Entscheidend und relevant waren andere Dinge wie der Rückhalt in der Armee und die Machtposition der fremden Mächte.

    Das Bürgertum hat Napoleon stets hofiert und mit etlichen Privilegien versehen, selbst mit der Möglichkeit zum Freikauf vom Militärdienst, bzw. guten Karrierechancen. Diese Krämerseelen kippten zum Dank natürlich sofort um, sobald die Sache sie selbst ernsthaft etwas kostete.

    Grüße

    Gunter
    Zuletzt geändert von Gunter; 14.06.2013, 13:44.

    Einen Kommentar schreiben:


  • Tellensohn
    antwortet
    Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
    Die Legitimität der Bourbonen wird darin deutlich, dass z.B. auf Ludwig IV. Ludwig XV. folgte und dies als gesellschaftliche Norm akzeptiert und damit rechtmäßig war.
    Du meinst sicher "auf Ludwig XIV Ludwig XV. folgte"? Tja, aber dass auf Ludwig XVI. Ludwig XVII. folgen sollte, war eben keine akzeptierte gesellschaftliche Norm mehr und diese Form der "erblichen Legitimität" nicht mehr rechtmässig.

    Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
    Es macht keinen Sinn, Napoleons Legitimität nach heutigen Maßstäben zu betrachten. Ohne Frage wurde er - trotz aller Fälscherein - von der Mehrheit derer, die wählen durften - gewählt und gilt damit als akzeptiert, rechtmäßig, eben legitim. Dies zeigte sich 1814, als der Senat ihn aus Gründen des Machtmissbrauches für abgesetzt erklärte, im Grunde aber seine Legitimität nicht in Frage stelle.
    Das sind eben nicht erst die heutigen Massstäbe. Weshalb wohl verfolgte Napoleon nebst Royalisten auch Republikaner aufs Hartnäckigste...?

    Einen Kommentar schreiben:


  • Charlotte Corday
    antwortet
    Hallo,

    bezüglich Legitimität und Kontinuität interessant ist, dass Napoleons Bruder Joseph auf dem spanischen Thron in Proklamationen an die Spanier auf die spanischen, von Napoleon abgesetzten Bourbonen ganz klar als seine "Vorfahren" Bezug nahm.
    Natürlich versuchten er und sein Bruder, den Dynastiewechsel in Spanien einen Schein von Rechtmäßigkeit/Legitimität zu verleihen: Die Bourbonen haben offiziell abgedankt und Karl IV. trat Napoleon die Krone ab, dazu noch die Junta von Bayonne ...

    Klar, dass "Legitimität" auch gewaltsamer oder unrechtmäßiger Akte durch die Jahre etabliert werden konnte - sonst hätten sich nicht die heutigen Demokratien entwickeln können, die ja auch weithin als legitim anerkannt wurden (obwohl vorher ein Monarch regierte ...). rost:

    lg, Charlotte

    Einen Kommentar schreiben:


  • excideuil
    antwortet
    Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
    "Salischer Anspruch", "Gottesgnadentum". Was ist denn daran "legitim"? Wie du sagst, ein tradierter, aber deshalb noch lange nicht ein legitimer Anspruch.
    Napoleon erhielt die Zustimmung seines "Volkes" zur Errichtung einer Monarchie auch ohne Berufung aufs "Gottesgnadentum" nicht auf lupenreine Art. Das "Volk" bestand damals aus begüterten Männern (Zensuswahlrecht). Die Mehrheit der männlichen und die Totalität der weiblichen Bevölkerung hatte gar nichts zu sagen.
    Die Legitimität der Bourbonen wird darin deutlich, dass z.B. auf Ludwig IV. Ludwig XV. folgte und dies als gesellschaftliche Norm akzeptiert und damit rechtmäßig war.

    Es macht keinen Sinn, Napoleons Legitimität nach heutigen Maßstäben zu betrachten. Ohne Frage wurde er - trotz aller Fälscherein - von der Mehrheit derer, die wählen durften - gewählt und gilt damit als akzeptiert, rechtmäßig, eben legitim. Dies zeigte sich 1814, als der Senat ihn aus Gründen des Machtmissbrauches für abgesetzt erklärte, im Grunde aber seine Legitimität nicht in Frage stelle.

    Ich sehe allerdings ein Legitimitätsproblem Napoleons:
    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    Napoleon konnte seinen Anspruch nur solange behaupten, wie er militärisch überlegen war. Seine Rechtsansprüche zählten garnichts und wenn er noch so hohe Zustimmung vom französischen Volk gehabt hätte, was er auch nicht hatte, da die Abstimmungen darüber zumindest in Teilen getürkt waren.
    Betrachten wir seine Wähler, dann wird deutlich das dies das Bürgertum war, welches sich die Durchsetzung ihrer Interessen sowohl nach innen als auch außen versprach. Dies wird z.B. daran deutlich, dass die Idee der Kontinentalsperre inclus. solcher Details wie die dazu notwendige Besetzung eines schmalen Küstenstreifens (z.B. Hamburg) in der Theorie bereits während der Revolution bestand.
    Das bedeutet, dass Napoleon solange legitim war, solange er diesen Ansprüchen gerecht wurde.

    Außenpolitisch hingegen ist seine Legitimität unbestritten, gleichgültig ob einzelne Aristokraten dies nicht akzeptierten. Und daran ändert auch nichts, dass zum Beispiel Metternich in seinen nachgelassenen Papieren versuchte, ihm die Legitimität nachträglich abzusprechen.

    Was das russische Heiratsprojekt angeht, spielten machtpolitische Interessen und persönliche Vorbehalte eher eine Rolle.

    Grüße
    excideuil

    Einen Kommentar schreiben:


  • Gunter
    antwortet
    Zitat von Harper Beitrag anzeigen
    Nicht auf lupenreine Art, dafür aber verfassungsgemäß und damit "legitim".
    Was es verfassungsgemäß, dass bei der Wahl betrogen wurde? Die ganze Sache war doch eine einzige pseudodemokratische Schiebung.

    Grüße

    Gunter

    Einen Kommentar schreiben:


  • Tellensohn
    antwortet
    @ Harper

    rost:


    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    ich denke nicht, dass Napoleons 2. Heirat ihm mehr Legitimität verschaffte. Jeder wusste, dass Marie-Louise eine Art Kriegsbeute von 1809 war. Für wie wenig legitim Napoleon galt, zeigte die Ablehnung seiner russischen Heiratspläne.
    Lass es mich so sagen: Hätte Napoleon auf sein selbstmörderisches Russlandabenteuer verzichtet und hätte er auch irgendwie sein Spanienproblem einigermassen zufriedenstellend in den Griff bekommen, kurz, hätte er sich nicht selber der Mittel beraubt, die einer Dynastie Bonaparte vielleicht ein längeres Leben hätten bescheren können, dann hätten vielleicht auch Russland und Österreich deren "Legitimität" anerkannt. Zuerst vielleicht nur zähneknirschend, dann aber routinemässig. In diesem Fall wäre wohl die Heirat Napoleons mit Marie Louise (in Fortsetzung der Verbindung zwischen Ludwig XVI und Marie Antoinette) nachträglich als die Geburtsstunde eines grossartigen neuen europäischen Herrscherhauses bejubelt worden, das dann vielleicht hundert Jährchen hätte an der Macht bleiben dürfen, bis es zusammen mit den anderen zum Segnen des Zeitlichen verdammt worden wäre. Alles nur Kaffeesatzlesen

    Einen Kommentar schreiben:


  • Harper
    antwortet
    @Tellensohn

    Mir ging es einzig um den Inhalt. Ausgangspunkt ist hier doch die Frage der "Legitimität", ihres Ursprungs und ihre Folgen im Verhältnis zu anderen Staaten.

    Soweit Du Dich jedoch mit der Behauptung der Legitimität durch Gewalt im Zusammenhang mit Regierungshandeln, insbesondere gegenüber dem eigenen Volk, befasst, sind dies Fragen der Legalität, die mit Legitimität zunächst nichts zu tun haben. Es sind keine Worthülsen sondern zwei völlig unterschiedliche Dinge.

    Und schließlich - mehrere Verfassungsgerichtsentscheidungen der jüngeren Vergangenheit, die mit dem Makel der Verfassungswidrigkeit des Regierungshandels in der Bundesrepublik bzw. mit dem Wegfall entsprechender Gesetzesvorschriften endeten, haben noch einmal nachdrücklich unter Beweis gestellt, dass es in Deutschland eine sehr ausgeprägte richterliche Unabhängigkeit gibt ( so wie sie das Grundgesetz statuiert ).

    Ansonsten können wir gerne wieder zum Thema "Legitimität" zurückkehren ..

    Einen Kommentar schreiben:


  • Tellensohn
    antwortet
    @ Harper

    Bist du Jurist? Deine "Argumentation" ist doch die reine, in diesen Kreisen übliche Haarspalterei. Ich orientierte mich an der gesellschaftlichen Realität, nicht an der (Verfassungs)Theorie.

    Was interessiert es, ob "der Staat" oder "die Regierung" Legitimität durch demokratische Prozesse erhält? Die Regierung leitet den Staat und nutzt dessen Instrumente. Also ist sie "der Staat".

    Was interessiert es, ob die Frage des Handelns bzw. der Umsetzung diejenige der Legalität ist und nicht der Legitimität? Dass und wie gehandelt wird, interessiert, sonst nichts. Es geht ums Konkrete.

    Das Prinzip der Gewaltenteilung ist doch ein Hirngespinst. Richterliche Unabhängigkeit ist eine Fiktion (ausser vielleicht in Deutschland?). In der Schweiz bspw. gibt es keine Verfassungsgerichtsbarkeit, die das Recht hätte, Rechts - oder Verfassungswidrigkeit festzustellen, noch nicht einmal nachträglich (die Richter des Bundesgerichts werden zudem nach Parteizugehörigkeit bestimmt). In den USA werden Verfassungsrichter nach Parteizugehörigkeit und ideologischer Ausrichtung vom Präsidenten vorgeschlagen (auch wenn sie dann noch vom Senat bestätigt werden müssen und theoretisch vom Repräsentantenhaus abgesetzt werden könnten), um eigene politische Vorstellungen durchzusetzen (da Verfassungsrichter auf Lebenszeit gewählt werden, haben natürlich nicht alle Präsidenten diesen Vorteil), usw., usw.

    Wie auch immer, ich habe keine Lust, mich weiter auf eine Diskussion einzulassen, in der meines Erachtens um Worthülsen statt um Inhalte gestritten wird.

    Es ging m.E. um den Begriff der "Legitimität" und dessen Dehnbarkeit. Dazu scheint mir das Nötige gesagt worden zu sein.

    Einen Kommentar schreiben:


  • Harper
    antwortet
    "Napoleon erhielt die Zustimmung seines "Volkes" zur Errichtung einer Monarchie auch ohne Berufung aufs "Gottesgnadentum" nicht auf lupenreine Art."


    Nicht auf lupenreine Art, dafür aber verfassungsgemäß und damit "legitim".


    "Dass "Legitimität" letztlich nur durch Gewalt (und Propaganda) behauptet wird, ist nicht falsch, sondern Fakt. Auch im demokratischen Staat nach unserem heutigen Verständnis setzt der Staat seine "Legitimität" auf diese Weise durch."


    Nicht der Staat erhält seine Legitimität durch demokratische Prozesse sondern allenfalls die jeweilige Regierung. Die Durchsetzung ist keine Frage der Legitimität sondern exekutiven Handelns.


    "Auch wenn seine vom Volk (von allen interessierten und willigen Männern und Frauen) gewählten Repräsentanten dadurch in der Funktion als Volksvertreter legitimiert werden, heisst das noch lange nicht, dass auch ihr ganzes Tun, das sich auch ganz und gar gegen die Interessen und den Willen derjenigen, die sie gewählt haben, richten kann und auch vielfach richtet, von denen, die sie gewählt haben legitimiert worden ist."


    Daruf kommt es auch nicht an, da die Frage des Handelns bzw. der Umsetzung diejenige der Legalität ist und nicht der Legitimität.


    "Selbst auf grossen Widerstand einer Mehrheit der Wähler stossende Entscheide können dann aber unter Berufung auf den Status eines gewählten Volksvertreters (nennen wir das mal "Verfassungspropaganda"), wenn nötig mit Gewalt, durchgesetzt werden, wobei hier dann im besonderen Masse eine andere Ebene der "demokratischen" Gesellschaft zum Zuge kommt, nämlich jene des mit dem Vollzug beauftragten, aber nicht gewählten und damit auch zu keinem Zeitpunkt im demokratischen Sinne legitimierten Beamtenapparates. Das ist dann eben Staatsgewalt: vom Volk gewählte Vertreter des Staates können Entscheidungen, zu denen sie ebendieses Volk nicht ermächtigt hat, unter Zuhilfenahme eines nichtgewählten Machtinstruments mit Gewalt durchsetzen."


    Dafür gibt es in der Bundesrepublik das Prinzip der Gewaltenteilung, welches vor der illegalen Umsetzung schützen soll und auch in der Möglichkeit der nachträglichen Feststellung der Rechts - oder Verfassungswidrigkeit seinen Niederschlag findet.


    "In der Schweiz gibt es immerhin das Mittel der Volksinitiative, um in Sachfragen gegen Entscheide auch der "demokratisch legitimierten" Volksvertreter anzukämpfen."


    In der Bundesrepublik auf Länderebene auch.

    Einen Kommentar schreiben:


  • Gunter
    antwortet
    Eine bewaffnete Neutralität Sachsens konnte man durch seinen Status als Rheinbundmitglied schon als Verrat betrachten.

    @Tellensohn,
    ich denke nicht, dass Napoleons 2. Heirat ihm mehr Legitimität verschaffte. Jeder wusste, dass Marie-Louise eine Art Kriegsbeute von 1809 war. Für wie wenig legitim Napoleon galt, zeigte die Ablehnung seiner russischen Heiratspläne.

    @excideuil,

    wir wollen hier Legitimität (= anerkannte Herrschaft) nicht mit Herrschaft als solcher verwechseln. Napoleon konnte seinen Anspruch nur solange behaupten, wie er militärisch überlegen war. Seine Rechtsansprüche zählten garnichts und wenn er noch so hohe Zustimmung vom französischen Volk gehabt hätte, was er auch nicht hatte, da die Abstimmungen darüber zumindest in Teilen getürkt waren. Die Bundesregierung hat damit garnichts zu tun, denn sie betreibt weder Wahlbertrug noch ein dikatorisches Regime.

    Bleiben wir mal in der Geschichte. Tatsache ist doch, dass praktisch sämtliche "legitimen" Herrscherhäuser ihren Staus nicht dem Recht, sondern Gewalt, Raub, Mord, Veruntreuung, Unterdrückung und Verrat verdanken. Es ist doch äußerst interessant, wie aus gewählten Stammesfürsten Erbmonarchen wurden und wie der Adel sich immer mehr Lehen in seinen Allodialbesitz einverleibte. Auch heute noch kennen wir den Unterschied zwischen Eigentum und Besitz, eine Grenze die so verwischt wurde. Nur weil selbst zuerkannte Rechte mit Waffengewalt behaupt werden, sind sie noch lange nicht legitim. Sie sind es im Grunde auch nicht durch die zwangsweise herbeigeführte Praxis des Gewohnheitsrechts. Legal mag das irgendwann geworden sein, ob das aber legitim war, wage ich zu bezweifeln, denn Legimität liegt meist doch nur im Auge des Betrachters.
    Napoleons Handeln war letztlich doch nur ein Spiegel ihrer eigenen Entwicklung im Schnelldurchlauf.

    Grüße

    Gunter

    Einen Kommentar schreiben:

Lädt...
X