Einsatz von 4-Pfünder-Artillerie in der Schlacht bei Leipzig 1813?

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  • Aide de Camp
    Erfahrener Benutzer
    Sergent
    • 14.12.2020
    • 167

    Einsatz von 4-Pfünder-Artillerie in der Schlacht bei Leipzig 1813?

    Nach meiner Frage zur Yorckschen 3-Pfünder-Fussbatterie bei Wartenburg habe ich ein ähnliches Problem bei der Zuordnung einer Kanonenkugel, die beim Pflügen eines Ackers im März 1931 bei Dösen zwischen Dölitz und Probstheyda gefunden wurde. Die Kugel hat ein Gewicht von 1942 g und einen Durchmesser von 81 mm, ist also eine klassische 4-Pfünder-Kugel.

    Die Frage, die sich mir nun stellt: Wie kommt eine 4-Pfünder-Kanonenkugel in einen Acker des zentralen südlichen Sektors der Völkerschlacht?

    Meines Wissens hat zumindest die Grande Armee bei Leipzig keine 4-Pfünder-Artillerie mehr in ihren Verbänden geführt. Ist nicht der überwiegende Teil der 4-Pfünder als Regimentsartillerie 1812 in Russland verlorengegangen? Ich weiß, dass in Spanien durchaus auf französischer Seite 4-Pfünder eingesetzt wurden, aber für den Herbstfeldzug 1813 in Sachsen lassen sich in den Stärkemeldungen der französischen Armeekorps nur 12- und 6-Pfünder-Batterien nachweisen. Eine französische Kanonenkugel scheint es also nicht zu sein...!?!

    Weiß jemand genaueres über die verwendete Artillerie auf Seiten der Verbündeten? Ich war zwar bisher der Meinung, dass auch dort überwiegend 6- und 12-Pfünder-Geschütze verwendet wurden, bin mir aber nicht sicher, ob die 4-Pfünder völlig ausgeschlossen werden können. In dem Frontabschnitt südlich Probstheyda waren ja sowohl österreichische, preußische und russische Verbände eingesetzt.

    Hat es also in der Schlacht bei Leipzig 1813 im südlichen Schlachfeldbereich Divisionen gegeben, die mit 4-Pfünder-Batterien ausgerüstet waren?

    Kann mir da jemand weiterhelfen?
  • Da Capo
    Erfahrener Benutzer
    Adjudant
    • 23.10.2006
    • 829

    #2
    Versuchen wir es doch einmal:

    Am 16.10. stand das IX.Korps (Augerau) bei Dösen, gegen Dölitz zu das VIII.Korps (Poniatowski) und gegen Wachau zu das II.Korps Victor.
    Ihnen gegenüber stand das II.preuß.Korps (Kleist).
    Das Gefecht hat sich in Richtung der Preußen, also von Dösen weg entwickelt.
    Die Preußen hatten keine 4-Pfünder.

    Am 18.10. standen von Dölitz beginnend wieder 8tes, 9tes und 2tes frz. Korps.
    Ihnen gegenüber standen, Dösen vor der Front, Hessen-Homburg und Colloredo-Mansfeld, also Österreicher in rauen Mengen, aber mit 3-Pfündern als Brigade-Batterien.

    Den Preußen traue ich zwar fast alles zu (so haben sie Anfang 1813 3 alte 8-Pfünder und 1 alteHaubitze aus dem Hauptzeughaus in Dresden mitgehen lassen, die sie dann als halbe Landwehrbatterie mit Vorspann(!)-Pferden mitgeschleppt haben), aber 4-Pfünder haben sie nach meinem Kenntnisstand nicht entwendet.
    Danach müsste Deine Kugel aus den franz. Reihen gekommen sein.

    Ich habe mich in grauer Vorzeit einmal mit den compagnies regimentaire d'artillerie beschäftigt und keine Auflösungsdekret dieser Kompanien Ende 1812/ Anfang 1813 erlangen können, so dass ein Weiterbestand mit Geschützen (wenn auch nur vereinzelt) nicht grundsätzlich auszuschließen ist.
    Als wahrscheinlicheren Verdächtigen hätte ich aber die Polen im Blick. Diese haben in den Jahren 1808 - 1810 größere Geschützlieferungen aus Frankreich erhalten, die die Sachsen in ihrem Hoheitsgebiet zu eskortieren hatten. Da es wohl eher unwahrscheinlich ist, das die Franzosen ihr neu gegossenenes 6pfd.ges Material an die Polen abgegeben habe, so wird dies Gribeauval-Material gewesen sein.

    Jetzt müsste sich im Forum nur noch ein Kenner der polnischen Artillerie dieser Zeit finden, der diese These "peer reviewed".

    Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

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    • Aide de Camp
      Erfahrener Benutzer
      Sergent
      • 14.12.2020
      • 167

      #3
      Bei den Franzosen habe ich in den Stärkemeldungen des Sommers und Frühherbstes 1813 keine 4-Pfünder-Geschütze bei den Armeekorps finden können. Beim IX. Armeekorps unter Augereau (vormals Observationskorps Bayern) finden sich nur 6-Pfünder und die schweren 12-Pfünder der Korpsreserve.

      Hier ein Auszug der Stärkemeldung von Augereaus Stabschef von Mitte Juli 1813, als das Korps noch in Süddeutschland stand...

      Artillerie Observationskorps Bayern Jul 1813.jpg
      Angehängte Dateien

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      • Aide de Camp
        Erfahrener Benutzer
        Sergent
        • 14.12.2020
        • 167

        #4
        Ähnlich sieht es beim II: Armeekorps unter Victor aus. Unten eine etwas aktuellere Stärkemeldung vom 1. Oktober 1813. Das Korps steht bei Kleinschirma, westlich von Freiberg.

        Auch hier nur die üblichen 6- und 12-Pfünder mit den dazugehörigen Haubitzen...

        Artillerie II. AK 1 Okt 1813.jpg

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        • Aide de Camp
          Erfahrener Benutzer
          Sergent
          • 14.12.2020
          • 167

          #5
          Ausgerechnet von den Polen im VIII. Armeekorps unter Poniatowski fehlen mir solche Stärkemeldungen...

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          • Tom
            Erfahrener Benutzer
            Chef de Bataillon
            • 03.10.2006
            • 1073

            #6
            Es gibt mehrere Veröffentlichungen mit Stärkemeldungen zu den Polen 1813, z.B. hier: https://books.google.de/books?id=3bZbAAAAcAAJ&pg=PA10
            Das Kaliber der wahrscheinlich 6 1/2 Batterien wird leider nirgendwo genau spezifiziert (ich habe noch Hoen, Kerchnawe, Chelminski und Gembarzewski durchgesehen), es scheinen jedoch keine schweren (12 Pfd.) Batterien dabei gewesen zu sein.
            Viele Grüße, Tom

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            • HKDW
              Erfahrener Benutzer
              Colonel
              • 02.10.2006
              • 2971

              #7
              Danke Aide de Camp, sehr interessant und natürlich eine Spitzenquelle, interessant, keine 8 Pfünder - scheint bei den Kanonen das neue Material der Reform von Marmont zu sein, also keine klassische Gribeauval Verteilung mehr, auch nicht bei der artillerie legere, ich nehme an das ist auch die artillerie à cheval, gibt es dazu auch Aufstellungen von den Kavallerie Corps - welche Kanonen da geführt wurden?

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              • Da Capo
                Erfahrener Benutzer
                Adjudant
                • 23.10.2006
                • 829

                #8
                Die durchgängige Bewaffnung mit 6-Pündern überrascht mich auch, glaubte ich doch immer, dass ein großer Teil der AN XI Geschütze in Russland gelassen wurde (und noch heute dort zu bestaunen ist, wenn man hinkommt).

                Bei den 12-Pfündern ist es nicht möglich, zwischen Gribeauval und AN XI zu unterscheiden, da nur das Kaliber angegeben wird.
                Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

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                • Tom
                  Erfahrener Benutzer
                  Chef de Bataillon
                  • 03.10.2006
                  • 1073

                  #9
                  Zumindest die Polen haben einen Großteil ihrer Artillerie aus Russland zurückgebracht. Das Problem (der anderen Kontingente) waren die Bespannungen und hier die nicht geschärften Eisen der Zugpferde. Die Polen hatten natürlich mit dem nördlichen Klima Erfahrung und rechtzeitig die Eisen (auch der Kavallerie) geschärft...

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                  • HKDW
                    Erfahrener Benutzer
                    Colonel
                    • 02.10.2006
                    • 2971

                    #10
                    Angeblich - Spekulation - war ja gerade die Artillerie à cheval auf dem 8 pfdr aus, aber da kocht ja immer die Gerüchteküche, deshalb wäre schon interessant was die reitende Artillerie der Kavallerie Corps hatte.

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                    • HKDW
                      Erfahrener Benutzer
                      Colonel
                      • 02.10.2006
                      • 2971

                      #11
                      Ich dachte da gab es sogar spezielle Winterhufeisen und nicht nur ein schärfen der Hufeisen, ja das Problem taucht immer wieder in den Memoiren auf.

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                      • Aide de Camp
                        Erfahrener Benutzer
                        Sergent
                        • 14.12.2020
                        • 167

                        #12
                        Hans-Karl, die Batterien der Artillerie à cheval waren auch alle mit den 6-Pfündern ausgerüstet. Das gilt auch für das I., II., III, und V. Kavalleriekorps. Unten der Auszug für das I. Kavalleriekorps unter Divisionsgeneral Latour-Maubourg voll ausgerüstet mit Stand vom September 1813. Die Stärkemeldungen entstammen den "Situation des Troupes", die die Grundlage für die regelmäßigen Meldungen der jeweiligen Truppenteile an den État major général bildeten. Die Stärkemeldung des I.Kavalleriekorps ist von Latour-Maubourgs Stabschef Adjudant commandant Mathieu abgezeichnet. Das Dokument stammt aus dem Ordner GR 2 C 543 des SHD in Vincennes. Ich hatte im Oktober die Gelegenheit dort ein paar Tage zu recherchieren.

                        Artillerie 1. Kav-Korps Sep 1813.jpg

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                        • Aide de Camp
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                          Sergent
                          • 14.12.2020
                          • 167

                          #13
                          Hier noch ein Ausschnitt aus der Meldung vom 1. November 1813. Die großen Abgänge an Geschützen und Fahrzeugen sind gut dokumentiert...

                          Artillerie 1. Kav-Korps Nov 1813.jpg

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                          • Aide de Camp
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                            Sergent
                            • 14.12.2020
                            • 167

                            #14
                            Unsicherheiten bei der Geschützausrüstung bestehen für mich noch bei den polnischen Truppen, sowohl was die Artillerie der Infanterie-Divisionen im VIII. Armeekorps angeht als auch die der berittenen Batterien bei den Kavallerie-Divisionen im IV. Kavallerie-Korps.

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                            • Aide de Camp
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                              Sergent
                              • 14.12.2020
                              • 167

                              #15
                              Ich habe jetzt nochmal etwas genauer im Werk von Morawski und Nieuwazny zur Artillerie des Herzogtums Warschau nachgeschaut. Wie Tom schon schrieb, waren die polnischen Artillerie-Verluste 1812 im Vergleich zu den anderen Truppenkontingenten der Grande Armee relativ gering. Die Polen waren ja gänzlich auf ausländisches Material angewiesen, da sich auf dem Territorium des Herzogtums Warschau keine eigene Kanonengießerei befand.1807 wurde die Armee des Herzogtums Warschau durch die Franzosen mit insgesamt 204 Kanonen ausgerüstet - fast vollständig preußisches Material, das im Feldzug 1806/7 Kriegsbeute der Franzosen wurde. Später musste ein beträchtlicher Teil der preußischen Geschütze aufgebohrt werden, damit aus den preußischen 6-Pfündern französische Vollkugeln verschossen werden konnten. 1809 kamen ca. 60 österreichische Beutegeschütze dazu. Wieder überwiegend 6-Pfünder. An Feldkanonen verfügte die Artillerie des Herzogtums Warschau 1810 über 29 12-Pfünder, 79 6-Pfünder und 29 3-Pfünder aus Bronzeguss und einige weitere aus Eisenguss.

                              Anscheinend keine 4-Pfünder!

                              Als Napoleon ab 1810 bei der Infanterie die Regimentsartillerie wieder einführte, rüsteten die Polen ihre Infanterieregimenter mit insgesamt 34 preußischen 3-Pfündern aus, die samt Munitionswagen aus dem Depot in Mainz geholt wurden.

                              Es sieht so aus, als hätten die polnischen Einheiten keine 4-Pfünder 1813 in Sachsen verwendet.

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