Legitimitätsanspruch Kaisertum Napoleons

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  • Irene Hartlmayr
    Erfahrener Benutzer
    Capitaine
    • 22.02.2013
    • 596

    Legitimitätsanspruch Kaisertum Napoleons

    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    Geschickt, der Talleyrand. Das mit dem Legitimitätsprinzip ist natürlich das pefekte K.O.-Argument. Sonderlich fest hielt Alexander ja wohl nicht an seiner Haltung.
    Was ist schon Legitimität?Ein Scheinargument,das benutzt wurde um sich von
    den aus der Fr.Revolution hervorgegangenen Tatsachen (die man nicht konfrontieren wollte)abzugrenzen,indem man sich selber als was "Besseres"
    betrachtete.
    Alexander hat nie "besonders fest" an seinen Haltungen geklebt,sondern sich
    überwiegend als Chamäleon erwiesen (weswegen ich ihn in anderen Beiträgen
    als unehrlich bezeichnet habe! Er wurde auch als solches von den Anderen be-
    trachtet,egal ob es sich um Napoleon,Metternich oder sonstwen handelte.Da-
    rauf habe ich auch hingewiesen,was aber bei Einigen Empörung hervorgerufen hat(obwohl es aus allen einschlägigen Darstellungen klar hervorgeht).

    IRENE.
  • Gunter
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 01.10.2006
    • 1377

    #2
    Zitat von Irene Hartlmayr Beitrag anzeigen
    Was ist schon Legitimität?Ein Scheinargument,das benutzt wurde um sich von
    den aus der Fr.Revolution hervorgegangenen Tatsachen (die man nicht konfrontieren wollte)abzugrenzen,indem man sich selber als was "Besseres"
    betrachtete.
    Ihre Legitimität war das einzige, was die anderen Monarchen prinzipiell von Napoleon unterschied. In jeder anderen Beziehung waren sie keinen Deut besser oder schlechter. Sie wussten ganz genau welch zartes Pflänzchen ihr Anspruch auf die Macht war. Durch den Nationalismus war etwas in Europa in Bewegung geraten, das vor den Thronen keinen Halt macht. Gerade vor diesem Hintergrund ist es doch bemerkenswert, wie sie mit einem der Ihren umsprangen. Hier relativierte sich ihr Unterschied zu Napoleon und sie sägten somit praktisch an den eigenen Ansprüchen. Schon aus diesem Grund durfte Sachsen nicht einfach von der Landkarte verschwinden. Sonst wären sie genau wie Napoleon gewesen, der nach Gutdünken Monarchen ab- und einsetzte.

    Grüße

    Gunter

    Kommentar

    • Tellensohn
      Erfahrener Benutzer
      Chef de Bataillon
      • 16.02.2011
      • 1253

      #3
      Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
      Gerade vor diesem Hintergrund ist es doch bemerkenswert, wie sie mit einem der Ihren umsprangen. Hier relativierte sich ihr Unterschied zu Napoleon und sie sägten somit praktisch an den eigenen Ansprüchen. Schon aus diesem Grund durfte Sachsen nicht einfach von der Landkarte verschwinden. Sonst wären sie genau wie Napoleon gewesen, der nach Gutdünken Monarchen ab- und einsetzte.

      Nach Gutdünken haben doch alle gehandelt. War Napoleon nicht spätestens durch seine Heirat mit der Kaisertochter Marie-Louise de facto auch in den Kreis der legitimierten Herrscher aufgenommen worden? Irgendwann hat ja bei jedem dieser sogenannten "legitimen" Herrscherhäuser die die eigene "Legitimität" proklamierende Propaganda ihren Anfang genommen, denn letztlich wird "Legitimität" nebst Gewalt nur durch Propaganda gestützt. Bei jedem Herrscherhaus. Kaum eines ist durch etwas anderes als Mord und Totschlag, Krieg und, ja, ein bisschen Heiratspolitik an die Macht gelangt (und hat sich dort halten können). Bei den Bonapartes war das eben etwas später der Fall als bei anderen, und es hat halt nicht geklappt. Vor den Bonapartes hat es andere gegeben, die dasselbe versucht haben und gescheitert sind. Und es hat auch die absolut als "legitim" zu geltenden Herrscher gegeben, die durch Usurpatoren erfolgreich gestürzt wurden und anschliessend mit allen propagandistischen Mitteln erfolgreich als "illegitim" verleumdet wurden (Bsp.: Richard III. von England bzw. der Sturz des Hauses Plantagenet durch die Tudors). Die "Legitimität" der "Neuen" wurde praktisch immer anerkannt, wenn sie in ihren Bestrebungen erfolgreich waren. Ohne Russlandfeldzug hätten es vielleicht sogar die Bonapartes geschafft. Es gibt keine Legitimität ausser der mit Gewalt behaupteten. Das galt und gilt nicht nur für Napoleon. Im übrigen ist auch Napoleon, ohne es zu müssen, sehr gnädig mit gewissen Nationen umgegangen. Das Königreich Preussen hätte er nach 1806 vom Tisch wischen können, und hat es nicht getan. Und manche deutsche Fürsten hat er zu Höherem erhoben. Kann mich nicht erinnern, dass nach Napoleons Fall einer auf die "nach dessen Gutdünken" verliehenen Ehren verzichtet hätte.

      Ach ja, der "König" von Sachsen war ja auch einer von denen. Vorher war er bekanntlich bloss Kurfürst. Welche "Legitimität" wurde denn da von den "legitimen" Herrschern Europas gewahrt? Richtig: die von Napoleon "nach dessen Gutdünken" verliehene...
      Zuletzt geändert von Tellensohn; 13.06.2013, 08:56.

      Kommentar

      • Charlotte Corday
        Erfahrener Benutzer
        Sergent
        • 22.11.2011
        • 110

        #4
        Hallo,

        da kann ich Tellensohn nur beipflichten.

        Ein weiteres Beispiel zu seinen Ausführungen wäre Wilhelm der Eroberer, der sich 1066 den englischen Thron erkämpfte. Seine Ansprüche und seine Legitimität wurde propagandistisch im Teppich von Bayeux festgehalten - aber Ansprüche hatten auch König Harald bzw. der Angelsachse Harald Godwinson - vermutlich nicht weniger "legitim" als Wilhelm (von Edgar gar nicht zu sprechen).

        lg, Charlotte

        Kommentar

        • Irene Hartlmayr
          Erfahrener Benutzer
          Capitaine
          • 22.02.2013
          • 596

          #5
          "Legitim"?

          Hallo allseits!

          Kann Tellensohn und Charlotte nur zustimmen !!!!!!!!
          Was Tellensohn festgehalten hat,nämlich dass "Legitimität" durch das ALTER
          und die DAUER einer Herrschaft (und durch sonst NICHTS) gegeben ist,wollte ich Gestern noch dazuschreiben,habe es aber nicht getan.
          Warum sind also Manche irritiert von der napoleonischen Propaganda und tun
          so als wäre Napoleon da ein negativer Sonderfall (Presser).Napoleon war in
          keinerlei Hinsicht "unmoralischer" als seine Herrscher"Kollegen"(die ihn sowieso
          nur solange "anerkannt" haben als sie die Hosen voll hatten vor ihm).
          Man lese die selbstgerechten,empörten Briefe vieler Mitglieder der alten Aristo-
          kratie zum Thema Napoleon;z.b. Königin Luise.


          :attention: rost: :duell:

          Viele Grüsse,IRENE.

          Kommentar

          • excideuil
            Erfahrener Benutzer
            Sergent-Major
            • 24.09.2009
            • 207

            #6
            Zitat von Irene Hartlmayr Beitrag anzeigen
            Was ist schon Legitimität?Ein Scheinargument,das benutzt wurde um sich von
            den aus der Fr.Revolution hervorgegangenen Tatsachen (die man nicht konfrontieren wollte)abzugrenzen,indem man sich selber als was "Besseres"
            betrachtete.
            Na, ja, so einfach ist das nicht. Legitimität ist kein Scheinargument sondern gesellschaftlich notwendig; nicht umsonst kommt legitim von anerkannt, akzeptiert und rechtmäßig.
            Unterschiedlich ist nur die inhaltliche Auffassung:
            Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
            Ihre Legitimität war das einzige, was die anderen Monarchen prinzipiell von Napoleon unterschied.
            Eben. Die Monarchen Europas bezogen ihre Legitimität aus tradiertem salisischen Anspruch, während Napoleon diese vom franz. Volk erhielt (Senatsbeschluss zur Errichtung der Monarchie). Daran änderte auch nichts, dass er später die Formel "von Gottes Gnaden" einfügte.
            Das bedeutet, dass die Herrschaft Napoleons als Kaiser der Franzosen zu jeder Zeit seiner Herrschaft legitim war. Damit ist diese Aussage:
            Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
            Es gibt keine Legitimität ausser der mit Gewalt behaupteten.
            falsch. Nicht nur deshalb. Auch heute erfreut sich jede Bundesregierung ihrer Legitimität, weil am Wahltag der Bürger einer bestimmten Partei seine Stimme gegeben hat und dies ganz ohne Gewalt.

            Ohne Frage ist der Begriff der Legitimität - besser das was die Akteure darunter verstehen - gelegentlich ein wirksames diplomatisch-politisches Mittel. Sachsen ist ein gutes Beispiel. Im Zuge von Kalisch verlangten Rußland und Preußen von den deutschen Staaten, sich ihnen anzuschließen, andernfalls drohe der Verlust der Krone. Machtpolitik. Friedrich August hat den Spagat versucht, blöd nur, dass Sachsen franz. besetzt blieb, die Alliierten sich zurückzogen und N. drohte, Sachsen als Feindesland zu betrachten. Ende vom Lied, Sachsen erst russisch, dann von Preußen besetzt, das im Sinne der o.g. Forderung Anspruch auf ganz Sachsen erhob. Der König wurde als Verräter betrachtet auch im Sinne der tradierten Möglichkeit, einen Monarchen wegen Mißbrauch der Macht absetzen zu können.

            Dann der Wiener Kongress. Der franz. Gesandte hatte nichts als seine Instruktionen im Gepäck. Der Frieden mit Frankreich war geschlossen, Frankreich von den eigentlichen Verhandlungen ausgeschlossen. Dennoch gelang Talleyrand sein (franz.) Verständnis von Legitimität durchzusetzen, verkürzt dargestellt: Legitim ist, was (allgemein) akzeptiert ist (richtete sich gegen Murat), eine neue (andere) Herrschaft ist nur möglich, wenn der ursprünglich legitime Herrscher verzichtet. Und das musste Friedrich August dann zum Teil, wenn er nicht alles verlieren wollte.

            Grüße
            excideuil

            Kommentar

            • Tellensohn
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 16.02.2011
              • 1253

              #7
              Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
              Die Monarchen Europas bezogen ihre Legitimität aus tradiertem salisischen Anspruch, während Napoleon diese vom franz. Volk erhielt (Senatsbeschluss zur Errichtung der Monarchie). Daran änderte auch nichts, dass er später die Formel "von Gottes Gnaden" einfügte.
              Das bedeutet, dass die Herrschaft Napoleons als Kaiser der Franzosen zu jeder Zeit seiner Herrschaft legitim war...Auch heute erfreut sich jede Bundesregierung ihrer Legitimität, weil am Wahltag der Bürger einer bestimmten Partei seine Stimme gegeben hat und dies ganz ohne Gewalt.
              "Salischer Anspruch", "Gottesgnadentum". Was ist denn daran "legitim"? Wie du sagst, ein tradierter, aber deshalb noch lange nicht ein legitimer Anspruch. Das behaupteten nur jene, denen es nützte. Mittelalterliche Vorstellungen dominierten nach der Aufklärung und der Französischen Revolution eben nicht mehr und waren -zurecht - anfechtbar, ja unhaltbar geworden. Auch über die Grenzen Frankreichs hinaus. Ideen sind grenzenlos.

              Napoleon erhielt die Zustimmung seines "Volkes" zur Errichtung einer Monarchie auch ohne Berufung aufs "Gottesgnadentum" nicht auf lupenreine Art. Das "Volk" bestand damals aus begüterten Männern (Zensuswahlrecht). Die Mehrheit der männlichen und die Totalität der weiblichen Bevölkerung hatte gar nichts zu sagen. Das allgemeine Wahlrecht für Männer hatte es unter Robespierre kurzzeitig gegeben, und die Vorstellung, dass Frauen auch wählen dürfen sollten, wurde damals immerhin schon propagiert. Auch wenn man annimmt, dass Napoleon nicht all zuviel am Ausgang des Plebiszits betreffend sein Kaisertum herumgebastelt hat, ist die "Legitimität" des Abstimmungsresultats daher auch schon nach damaligem Verständnis mehr als fragwürdig. Nach heutigem Verständnis auf jeden Fall. Ein Vergleich mit der heutigen Bundestagswahl u.ä hinkt also schon mal von da her gewaltig.

              Dass "Legitimität" letztlich nur durch Gewalt (und Propaganda) behauptet wird, ist nicht falsch, sondern Fakt. Auch im demokratischen Staat nach unserem heutigen Verständnis setzt der Staat seine "Legitimität" auf diese Weise durch. Auch wenn seine vom Volk (von allen interessierten und willigen Männern und Frauen) gewählten Repräsentanten dadurch in der Funktion als Volksvertreter legitimiert werden, heisst das noch lange nicht, dass auch ihr ganzes Tun, das sich auch ganz und gar gegen die Interessen und den Willen derjenigen, die sie gewählt haben, richten kann und auch vielfach richtet, von denen, die sie gewählt haben legitimiert worden ist. Selbst auf grossen Widerstand einer Mehrheit der Wähler stossende Entscheide können dann aber unter Berufung auf den Status eines gewählten Volksvertreters (nennen wir das mal "Verfassungspropaganda"), wenn nötig mit Gewalt, durchgesetzt werden, wobei hier dann im besonderen Masse eine andere Ebene der "demokratischen" Gesellschaft zum Zuge kommt, nämlich jene des mit dem Vollzug beauftragten, aber nicht gewählten und damit auch zu keinem Zeitpunkt im demokratischen Sinne legitimierten Beamtenapparates. Das ist dann eben Staatsgewalt: vom Volk gewählte Vertreter des Staates können Entscheidungen, zu denen sie ebendieses Volk nicht ermächtigt hat, unter Zuhilfenahme eines nichtgewählten Machtinstruments mit Gewalt durchsetzen. In der Schweiz gibt es immerhin das Mittel der Volksinitiative, um in Sachfragen gegen Entscheide auch der "demokratisch legitimierten" Volksvertreter anzukämpfen. Besonders wirksam ist dieses Mittel aber nicht, denn selbst wenn sich eine Mehrheit des Volkes auf diesem Wege gegen Entscheide seiner gewählten Repräsentanten durchsetzen kann und diese also nach der demokratischen Verfassung keine "legitime" Handhabe haben, mit offener Gewalt ihre Entscheide durchzusetzen, bleibt ihnen immer noch eine Vielfalt von Möglichkeiten, durch Verzögerungstaktik und Scheinargumente, unter Einsatz des gesamten, sich letztlich überwiegend in Händen des Staates (und der diesen beherrschenden wirtschaftlichen Eliten) befindlichen medialen Propagandaapparates den Willen des Volkes zu verwässern oder gar ins Gegenteil zu verkehren. Passiert in der Schweiz oft genung, ich denke nicht daran, hier ins Detail zu gehen.

              Es geht mir hier aber auch nicht um einen Angriff auf den Staat, schon gar nicht auf den demokratischen Staat, denn irgendwie muss sich die Gesellschaft ja organisieren, um funktionieren zu können, und da ist ein Staat mit demokratischer Verfassung immer noch das Erstrebenswerteste. Es geht mir nur darum, darauf hinzuweisen, dass selbst ein solcher Staat seine "Legitimität" letztlich mit Gewalt und Propaganda durchsetzt, manchmal mehr, manchmal weniger spürbar.

              Kommentar

              • Gunter
                Erfahrener Benutzer
                Chef de Bataillon
                • 01.10.2006
                • 1377

                #8
                Eine bewaffnete Neutralität Sachsens konnte man durch seinen Status als Rheinbundmitglied schon als Verrat betrachten.

                @Tellensohn,
                ich denke nicht, dass Napoleons 2. Heirat ihm mehr Legitimität verschaffte. Jeder wusste, dass Marie-Louise eine Art Kriegsbeute von 1809 war. Für wie wenig legitim Napoleon galt, zeigte die Ablehnung seiner russischen Heiratspläne.

                @excideuil,

                wir wollen hier Legitimität (= anerkannte Herrschaft) nicht mit Herrschaft als solcher verwechseln. Napoleon konnte seinen Anspruch nur solange behaupten, wie er militärisch überlegen war. Seine Rechtsansprüche zählten garnichts und wenn er noch so hohe Zustimmung vom französischen Volk gehabt hätte, was er auch nicht hatte, da die Abstimmungen darüber zumindest in Teilen getürkt waren. Die Bundesregierung hat damit garnichts zu tun, denn sie betreibt weder Wahlbertrug noch ein dikatorisches Regime.

                Bleiben wir mal in der Geschichte. Tatsache ist doch, dass praktisch sämtliche "legitimen" Herrscherhäuser ihren Staus nicht dem Recht, sondern Gewalt, Raub, Mord, Veruntreuung, Unterdrückung und Verrat verdanken. Es ist doch äußerst interessant, wie aus gewählten Stammesfürsten Erbmonarchen wurden und wie der Adel sich immer mehr Lehen in seinen Allodialbesitz einverleibte. Auch heute noch kennen wir den Unterschied zwischen Eigentum und Besitz, eine Grenze die so verwischt wurde. Nur weil selbst zuerkannte Rechte mit Waffengewalt behaupt werden, sind sie noch lange nicht legitim. Sie sind es im Grunde auch nicht durch die zwangsweise herbeigeführte Praxis des Gewohnheitsrechts. Legal mag das irgendwann geworden sein, ob das aber legitim war, wage ich zu bezweifeln, denn Legimität liegt meist doch nur im Auge des Betrachters.
                Napoleons Handeln war letztlich doch nur ein Spiegel ihrer eigenen Entwicklung im Schnelldurchlauf.

                Grüße

                Gunter

                Kommentar

                • Harper
                  Erfahrener Benutzer
                  Sergent-Major
                  • 12.07.2012
                  • 180

                  #9
                  "Napoleon erhielt die Zustimmung seines "Volkes" zur Errichtung einer Monarchie auch ohne Berufung aufs "Gottesgnadentum" nicht auf lupenreine Art."


                  Nicht auf lupenreine Art, dafür aber verfassungsgemäß und damit "legitim".


                  "Dass "Legitimität" letztlich nur durch Gewalt (und Propaganda) behauptet wird, ist nicht falsch, sondern Fakt. Auch im demokratischen Staat nach unserem heutigen Verständnis setzt der Staat seine "Legitimität" auf diese Weise durch."


                  Nicht der Staat erhält seine Legitimität durch demokratische Prozesse sondern allenfalls die jeweilige Regierung. Die Durchsetzung ist keine Frage der Legitimität sondern exekutiven Handelns.


                  "Auch wenn seine vom Volk (von allen interessierten und willigen Männern und Frauen) gewählten Repräsentanten dadurch in der Funktion als Volksvertreter legitimiert werden, heisst das noch lange nicht, dass auch ihr ganzes Tun, das sich auch ganz und gar gegen die Interessen und den Willen derjenigen, die sie gewählt haben, richten kann und auch vielfach richtet, von denen, die sie gewählt haben legitimiert worden ist."


                  Daruf kommt es auch nicht an, da die Frage des Handelns bzw. der Umsetzung diejenige der Legalität ist und nicht der Legitimität.


                  "Selbst auf grossen Widerstand einer Mehrheit der Wähler stossende Entscheide können dann aber unter Berufung auf den Status eines gewählten Volksvertreters (nennen wir das mal "Verfassungspropaganda"), wenn nötig mit Gewalt, durchgesetzt werden, wobei hier dann im besonderen Masse eine andere Ebene der "demokratischen" Gesellschaft zum Zuge kommt, nämlich jene des mit dem Vollzug beauftragten, aber nicht gewählten und damit auch zu keinem Zeitpunkt im demokratischen Sinne legitimierten Beamtenapparates. Das ist dann eben Staatsgewalt: vom Volk gewählte Vertreter des Staates können Entscheidungen, zu denen sie ebendieses Volk nicht ermächtigt hat, unter Zuhilfenahme eines nichtgewählten Machtinstruments mit Gewalt durchsetzen."


                  Dafür gibt es in der Bundesrepublik das Prinzip der Gewaltenteilung, welches vor der illegalen Umsetzung schützen soll und auch in der Möglichkeit der nachträglichen Feststellung der Rechts - oder Verfassungswidrigkeit seinen Niederschlag findet.


                  "In der Schweiz gibt es immerhin das Mittel der Volksinitiative, um in Sachfragen gegen Entscheide auch der "demokratisch legitimierten" Volksvertreter anzukämpfen."


                  In der Bundesrepublik auf Länderebene auch.

                  Kommentar

                  • Tellensohn
                    Erfahrener Benutzer
                    Chef de Bataillon
                    • 16.02.2011
                    • 1253

                    #10
                    @ Harper

                    Bist du Jurist? Deine "Argumentation" ist doch die reine, in diesen Kreisen übliche Haarspalterei. Ich orientierte mich an der gesellschaftlichen Realität, nicht an der (Verfassungs)Theorie.

                    Was interessiert es, ob "der Staat" oder "die Regierung" Legitimität durch demokratische Prozesse erhält? Die Regierung leitet den Staat und nutzt dessen Instrumente. Also ist sie "der Staat".

                    Was interessiert es, ob die Frage des Handelns bzw. der Umsetzung diejenige der Legalität ist und nicht der Legitimität? Dass und wie gehandelt wird, interessiert, sonst nichts. Es geht ums Konkrete.

                    Das Prinzip der Gewaltenteilung ist doch ein Hirngespinst. Richterliche Unabhängigkeit ist eine Fiktion (ausser vielleicht in Deutschland?). In der Schweiz bspw. gibt es keine Verfassungsgerichtsbarkeit, die das Recht hätte, Rechts - oder Verfassungswidrigkeit festzustellen, noch nicht einmal nachträglich (die Richter des Bundesgerichts werden zudem nach Parteizugehörigkeit bestimmt). In den USA werden Verfassungsrichter nach Parteizugehörigkeit und ideologischer Ausrichtung vom Präsidenten vorgeschlagen (auch wenn sie dann noch vom Senat bestätigt werden müssen und theoretisch vom Repräsentantenhaus abgesetzt werden könnten), um eigene politische Vorstellungen durchzusetzen (da Verfassungsrichter auf Lebenszeit gewählt werden, haben natürlich nicht alle Präsidenten diesen Vorteil), usw., usw.

                    Wie auch immer, ich habe keine Lust, mich weiter auf eine Diskussion einzulassen, in der meines Erachtens um Worthülsen statt um Inhalte gestritten wird.

                    Es ging m.E. um den Begriff der "Legitimität" und dessen Dehnbarkeit. Dazu scheint mir das Nötige gesagt worden zu sein.

                    Kommentar

                    • Harper
                      Erfahrener Benutzer
                      Sergent-Major
                      • 12.07.2012
                      • 180

                      #11
                      @Tellensohn

                      Mir ging es einzig um den Inhalt. Ausgangspunkt ist hier doch die Frage der "Legitimität", ihres Ursprungs und ihre Folgen im Verhältnis zu anderen Staaten.

                      Soweit Du Dich jedoch mit der Behauptung der Legitimität durch Gewalt im Zusammenhang mit Regierungshandeln, insbesondere gegenüber dem eigenen Volk, befasst, sind dies Fragen der Legalität, die mit Legitimität zunächst nichts zu tun haben. Es sind keine Worthülsen sondern zwei völlig unterschiedliche Dinge.

                      Und schließlich - mehrere Verfassungsgerichtsentscheidungen der jüngeren Vergangenheit, die mit dem Makel der Verfassungswidrigkeit des Regierungshandels in der Bundesrepublik bzw. mit dem Wegfall entsprechender Gesetzesvorschriften endeten, haben noch einmal nachdrücklich unter Beweis gestellt, dass es in Deutschland eine sehr ausgeprägte richterliche Unabhängigkeit gibt ( so wie sie das Grundgesetz statuiert ).

                      Ansonsten können wir gerne wieder zum Thema "Legitimität" zurückkehren ..

                      Kommentar

                      • Tellensohn
                        Erfahrener Benutzer
                        Chef de Bataillon
                        • 16.02.2011
                        • 1253

                        #12
                        @ Harper

                        rost:


                        Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                        ich denke nicht, dass Napoleons 2. Heirat ihm mehr Legitimität verschaffte. Jeder wusste, dass Marie-Louise eine Art Kriegsbeute von 1809 war. Für wie wenig legitim Napoleon galt, zeigte die Ablehnung seiner russischen Heiratspläne.
                        Lass es mich so sagen: Hätte Napoleon auf sein selbstmörderisches Russlandabenteuer verzichtet und hätte er auch irgendwie sein Spanienproblem einigermassen zufriedenstellend in den Griff bekommen, kurz, hätte er sich nicht selber der Mittel beraubt, die einer Dynastie Bonaparte vielleicht ein längeres Leben hätten bescheren können, dann hätten vielleicht auch Russland und Österreich deren "Legitimität" anerkannt. Zuerst vielleicht nur zähneknirschend, dann aber routinemässig. In diesem Fall wäre wohl die Heirat Napoleons mit Marie Louise (in Fortsetzung der Verbindung zwischen Ludwig XVI und Marie Antoinette) nachträglich als die Geburtsstunde eines grossartigen neuen europäischen Herrscherhauses bejubelt worden, das dann vielleicht hundert Jährchen hätte an der Macht bleiben dürfen, bis es zusammen mit den anderen zum Segnen des Zeitlichen verdammt worden wäre. Alles nur Kaffeesatzlesen

                        Kommentar

                        • Gunter
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 01.10.2006
                          • 1377

                          #13
                          Zitat von Harper Beitrag anzeigen
                          Nicht auf lupenreine Art, dafür aber verfassungsgemäß und damit "legitim".
                          Was es verfassungsgemäß, dass bei der Wahl betrogen wurde? Die ganze Sache war doch eine einzige pseudodemokratische Schiebung.

                          Grüße

                          Gunter

                          Kommentar

                          • excideuil
                            Erfahrener Benutzer
                            Sergent-Major
                            • 24.09.2009
                            • 207

                            #14
                            Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
                            "Salischer Anspruch", "Gottesgnadentum". Was ist denn daran "legitim"? Wie du sagst, ein tradierter, aber deshalb noch lange nicht ein legitimer Anspruch.
                            Napoleon erhielt die Zustimmung seines "Volkes" zur Errichtung einer Monarchie auch ohne Berufung aufs "Gottesgnadentum" nicht auf lupenreine Art. Das "Volk" bestand damals aus begüterten Männern (Zensuswahlrecht). Die Mehrheit der männlichen und die Totalität der weiblichen Bevölkerung hatte gar nichts zu sagen.
                            Die Legitimität der Bourbonen wird darin deutlich, dass z.B. auf Ludwig IV. Ludwig XV. folgte und dies als gesellschaftliche Norm akzeptiert und damit rechtmäßig war.

                            Es macht keinen Sinn, Napoleons Legitimität nach heutigen Maßstäben zu betrachten. Ohne Frage wurde er - trotz aller Fälscherein - von der Mehrheit derer, die wählen durften - gewählt und gilt damit als akzeptiert, rechtmäßig, eben legitim. Dies zeigte sich 1814, als der Senat ihn aus Gründen des Machtmissbrauches für abgesetzt erklärte, im Grunde aber seine Legitimität nicht in Frage stelle.

                            Ich sehe allerdings ein Legitimitätsproblem Napoleons:
                            Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
                            Napoleon konnte seinen Anspruch nur solange behaupten, wie er militärisch überlegen war. Seine Rechtsansprüche zählten garnichts und wenn er noch so hohe Zustimmung vom französischen Volk gehabt hätte, was er auch nicht hatte, da die Abstimmungen darüber zumindest in Teilen getürkt waren.
                            Betrachten wir seine Wähler, dann wird deutlich das dies das Bürgertum war, welches sich die Durchsetzung ihrer Interessen sowohl nach innen als auch außen versprach. Dies wird z.B. daran deutlich, dass die Idee der Kontinentalsperre inclus. solcher Details wie die dazu notwendige Besetzung eines schmalen Küstenstreifens (z.B. Hamburg) in der Theorie bereits während der Revolution bestand.
                            Das bedeutet, dass Napoleon solange legitim war, solange er diesen Ansprüchen gerecht wurde.

                            Außenpolitisch hingegen ist seine Legitimität unbestritten, gleichgültig ob einzelne Aristokraten dies nicht akzeptierten. Und daran ändert auch nichts, dass zum Beispiel Metternich in seinen nachgelassenen Papieren versuchte, ihm die Legitimität nachträglich abzusprechen.

                            Was das russische Heiratsprojekt angeht, spielten machtpolitische Interessen und persönliche Vorbehalte eher eine Rolle.

                            Grüße
                            excideuil

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                            • Charlotte Corday
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                              Sergent
                              • 22.11.2011
                              • 110

                              #15
                              Hallo,

                              bezüglich Legitimität und Kontinuität interessant ist, dass Napoleons Bruder Joseph auf dem spanischen Thron in Proklamationen an die Spanier auf die spanischen, von Napoleon abgesetzten Bourbonen ganz klar als seine "Vorfahren" Bezug nahm.
                              Natürlich versuchten er und sein Bruder, den Dynastiewechsel in Spanien einen Schein von Rechtmäßigkeit/Legitimität zu verleihen: Die Bourbonen haben offiziell abgedankt und Karl IV. trat Napoleon die Krone ab, dazu noch die Junta von Bayonne ...

                              Klar, dass "Legitimität" auch gewaltsamer oder unrechtmäßiger Akte durch die Jahre etabliert werden konnte - sonst hätten sich nicht die heutigen Demokratien entwickeln können, die ja auch weithin als legitim anerkannt wurden (obwohl vorher ein Monarch regierte ...). rost:

                              lg, Charlotte

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