Zitat von Irene Hartlmayr
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"30. März [1812] Herr von Talleyrand fragte mich: "Was denken Sie? Welche Meinung wird die Nachwelt von mir haben?" - "Dass Sie ein Mann sein wollen, um den die Meinungen sich streiten." - "Ja, ja, so ist's, so ist's ganz genau! Ich will, dass man sich jahrhundertelang darüber streitet, was ich gewesen bin, was ich gedacht und gewollt habe." [1]
stammt aus den Memoiren der Gräfin von Kielmannsegge, einer sächs. Aristokratin und Bewunderin Napoleons. Sie soll - ich sage bewußt soll - für Napoleon spioniert haben.
Zusammen mit der Herzogin von Kurland war sie nach Paris übergesiedelt und auch ständig in Talleyrands Salons zu finden. Der Fürst empfand sie als intrigant und regte Vorsicht an. Es ist also möglich, dass er sie wie mit dieser Episode, die am Abend nach der Bekanntgabe der Scheidung Napoleons von Josephine stattfand:
"Herr von Talleyrand nahm die Herzogin von Kurland und mich in den seinigen [Wagen]. Kaum saßen wir darin, so fing er an, sich zu schütteln, ein wahrhaftes Gebrüll auszustoßen, und rief: "Das ist ja furchtbar! Ein Mann, der seine Frau wegjagt! Ich werde diese Tat rächen."
"auf die Rolle" nahm.
Richtig ist natürlich, dass sich Generationen von Historikern und Biografen mit dem Zitat abgemüht haben.
Keine Frage, Talleyrand war immer ein (knallharter) auf das Gleichgewicht der Mächte gerichteter Großmachtpolitiker in bester Tradition von z.B. Vergennes.
Dies zeigt sich auch gegenüber Österreich:
Zitat von HKDW
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Österreich als Bündnispartner wäre ideal gewesen, genau das zu verhindern.
Darauf zielte auch sein Strassburger Programm von 1805 und noch nach Austerlitz warb er beim Kaiser für ein solches Bündnis. Es folgte Pressburg.
Noch 1806 versuchte Talleyrand ein neues Gleichgewicht zu schaffen - Stichworte Kaisertum Preußen, Friedensverträge mit GB, Rußland ...
Und immer, sowohl 1805 als auch 1806 versuchte er der geograf. Ausdehnung Frankreichs Einhalt zu gebieten.
Es folgten Jena und Auerstedt, später Tilsit. Damit waren die Aussichten auf ein Gleichgewicht = 0. Die Folge: Rücktritt.
1814 versuchte er zu retten, was zu retten war und sorgte auf dem Wiener Kongress dafür, dass Frankreich wieder Anerkennung als Großmacht fand.
Ab 1830 jetzt als Botschafter in London zur Beilegung der belg. Krise.
Richtig ist natürlich, dass die Regimes wechselten und Talleyrand seine Schwüre kaum noch zählen konnte. Es bleibt, dass Talleyrand immer für eine starke Großmacht Frankreich (zu Lande und zu Wasser!) und für ein europäisches Gleichgewicht der Großmächte stand.
Grüße
excideuil
[1] Aretz, Gertrude: „Memoiren der Gräfin Kielmannsegge über Napoleon I.“, Paul Aretz Verlag, Dresden, 1927, Seite 115
[2] Aretz, a.a.O. Seite 44
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