Napoleon, ein Aggressor?

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  • Gunter
    antwortet
    Dass die übrigen Marinen so chancenlos waren, war bis 1805 noch nicht endgültig entschieden. Die Amerikaner waren mit ihren wenigen aber guten Einheiten ziemlich erfolgreich gegen die Briten. Die Royal Navy war nämlich nicht in allen Bereichen am besten aufgestellt.
    Napoleon hat durchaus die britische Weltmacht begünstigt, wenn auch nur indirekt, schließlich zog er die anderen Seemächte in den Untergang mit hinein.
    Der Kampf um die Macht in Europa und letztlich über weite Teile der Welt fand aber nicht zwischen Frankreich und Großbritannien statt, denn das war nur ein vorrübergehender Konflikt. Man muss diese ganze Sache nicht immer nur aus einem eurozentrischen oder sogar in einer auf die mitteleuropäischen Kleinstaaten reduzierten Sichtweise betrachten.
    Warum Napoleon hier explizit genannt wird? Hm, der Name des Forums dürfte den Weg weisen...

    Grüße

    Gunter

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  • Tellensohn
    antwortet
    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    Insofern war Napoleon indirekt ein weiterer Steigbügelhalten beim Ausbau der britischen Weltmacht.
    Ich bezog mich auf diese Aussage. Du sagst nicht, er sei der einzige Steigbügelhalter gewesen, aber du erwähnst ihn allein explizit. Darum geht's. Durch Nichterwähnung der anderen, wird alles Augenmerk auf den einen gelenkt.

    Es ist ein Allgemeinplatz, dass der Aufstieg der Kolonialmacht Grossbritannien schon viel früher begann, und das hat wie gesagt nicht nur damit zu tun, dass es von lauter Steigbügelhaltern umgeben war. Da wie schon im 18. Jahrhundert Frankreichs Marine auch unter Napoleon keine Chance gegen die englische Seemacht hatte (sowenig wie die Marine irgendeiner anderen Nation) und er damit de facto auch nicht Englands Vorherrschaft zur See und die davon abhängige Kontrolle über die Kolonien (welcher Nation auch immer) zu brechen imstande war, konnte doch eigentlich weder er noch irgendein anderer die Briten am Ausbau ihrer weltumspannenden Herrschaft hindern. Sie hätten auf jeden Fall so weitermachen können, jedenfalls solange, bis irgendeiner erfolgreich eine Invasion Englands durchgeführt hätte. Die hätte nach Lage der Dinge damals nur Napoleon durchführen können, und den hat England mit Hilfe der kontinentaleuropäischen Monarchien stoppen können. Warum dann den Namen des angeblichen Steigbügelhalters Napoleon ganz gross an die Wand schreiben, und nicht die der anderen, die tatsächlich welche waren?
    Zuletzt geändert von Tellensohn; 26.03.2012, 12:03.

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  • Gunter
    antwortet
    Wo liest du, dass ich Napoleon als einzigen Steigbügelhalter des britischen Empires bezeichnet habe? Dass die anderen Mächte ebenfalls ihren Anteil daran hatten schrieb ich bereits und dass der Aufstieg Großbritanniens zur führenden Kolonialmacht schon lange vorher begann ist ein Allgemeinplatz.

    Insgesamt gewinnt man durchaus den Eindruck, dass die britische Seemacht doch wesentlich bedeutsamer war als Napoleon auf dem Kontinent so anstellte, auch wenn das vielleicht im Verlauf der einzelnen Feldzüge nicht so schien. Das Kontinental-Empire war offensichtlich viel fragiler als die Seemacht.

    Grüße

    Gunter

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  • Tellensohn
    antwortet
    @ Gunter

    Dass die Briten eine aggressive Politik betrieben, ist klar. Dass sie die Seemacht Nr.1 waren, sowieso.

    Als störend empfinde ich, wenn als "Steigbügelhalter" für das Erstarken des britischen Imperiums explizit und als einziger Napoleon genannt und ihm damit zumindest implizit die "Schuld" auch noch für den Aufstieg Englands zur führenden Weltmacht des 19. Jahrhunderts in die Schuhe geschoben wird.

    Dafür waren wie gesagt zahlreiche Faktoren verantwortlich. England hatte seine Position als grösste Seemacht der Welt schon im 18. Jahrhundert gefestigt (wenn nicht gar schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts), und die kontinentaleuropäischen Gegner Napoleons trugen wie erwähnt durch ihr Verhalten genauso viel oder genauso wenig wie Napoleon zum noch weiteren Ausbau des britischen Imperiums bei.

    Und was sich nun einmal auch nicht wegdiskutieren lässt, ist, dass aufgrund ihres ausgesprochen aggressiven, pragmatischen und zielgerichteten "Naturells" (welche Umstände und Faktoren auch immer dieses "Naturell" geformt haben mögen und gleich, ob man es mag oder nicht) den Briten selber das vielleicht grösste "Verdienst" an ihrem eigenen Aufstieg zukommt.

    Es ist auch nicht so, dass ich denke, die Briten wären sich ihrer eigenen Stellung nicht bewusst gewesen. Ich sage nur, dass auch die Briten nicht wirklich wissen konnten, ob die von ihnen angestrebten Ziele tatsächlich auch erreicht werden würden. Aber sie haben zweifellos alles daran gesetzt, sie zu erreichen, und haben sie im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch erreicht. Wie gesagt, wohl nicht immer nur als Folge der Schwäche ihrer Gegner oder sonstiger für die Briten glücklicher Umstände, sondern auch aufgrund ihrer (mir auch nicht unbedingt sympathischen) "konsequenten Art".

    Ironie des Schicksals: Im 20. Jahrhundert haben sie ihr Empire verloren, obschon sie militärisch und wirtschaftlich weiterhin obenauf schwangen. Gerade diese Entwicklung zeigt, dass es eben immer auch unberechenbare oder nicht ohne weiteres erkennbare Faktoren gibt, die selbst ein scheinbar blühendes und auf dem Zenit seiner Macht sich befindliches Imperium zum Einsturz bringen können (eine Erörterung der Faktoren, die dies im Falle des Britischen Empire bewirkt haben, kann aber aus wohl für jedermann ersichtlichen Gründen in diesem Forum nicht stattfinden).
    Zuletzt geändert von Tellensohn; 26.03.2012, 10:12.

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  • Gunter
    antwortet
    Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
    Ein starkes, einflussreiches und dominierendes Frankreich kann für Stabilität Ruhe und Frieden sorgen eben für
    -sich selber
    -Deutschland
    -Europa
    Das ist aber doch eigentlich garnicht der wesentliche Punkt. Das französische System unter Napoleon legitimierte sich über militärische Erfolge und militärische Kontrolle des eigenen Territoriums. Das ist ja auch logisch, denn Gottesgnadentum oder erbliche Rechte usw. schieden aus, bzw. sie wurden nicht akzeptiert oder hatten keine Möglichkeit sich zu festigen. Damit geriet das Regime unter permanenten Zugzwang, was letztlich zu seinem Untergang führte und Napoleon 1814 alle Friedensangebote ablehnen ließ. Ein Kaiser-Diktator, der nicht als großer Sieger agierte, war nichts wert. Das wusste er selbst genau. Der Grundstein für diese fatale Entwicklung wurde aber schon recht früh gelegt, denn das begann spätestens während des Konsulats. Wahrscheinlich war das Experiment des französischen Kaiserreichs von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil nicht ernsthaft versucht wurde eine Konsolidierungsphase herbeizuführen. Das ging natürlich nicht, denn bei einem Kaisertum mit universellem Machtanspruch schloß sich ein Stillhalten einfach aus. Deshab auch der Krieg in Spanien.

    Grüße

    Gunter

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  • Gunter
    antwortet
    Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
    Auf diesem Argumentationsniveau könnte man genau so gut die kontinentaleuropäischen Gegner Napoleons als Steigbügelhalter beim Ausbau des britischen Empires bezeichnen, mit dem Argument, sie hätten sich andauernd von den Briten kaufen lassen und durch ihre Kriege gegen Napoleon diesen an der geplanten Invasion Englands gehindert.
    Das war ja auch so. Ohne sich von den Briten "Kaufen" zu lassen hätte sich bei der Kriegsführung einiger Staaten nicht viel gedreht. Es ist nur so, dass die meisten anderen Staaten im Vergleich zu den Briten machtmäßig doch eher marginal waren. Du tust ja fast so, als wären sich die Briten ihrer eigenen Stellung nicht bewusst gewesen. Tatsächlich beherrschten sie damals nahezu sämtliche Meere, nach dem Ausschalten der französischen, holländischen und spanischen Flotten als ernstzunehmenden Gegnern erst recht. Das galt schließlich nicht nur für diese, sondern auch kleinere Seemächte wie Dänemark wurden rücksichtslos plattgemacht, um selbst die maximale Kontrolle über die Ostsee zu haben. Die Briten waren sich sehr wohl bewusst, dass sie zur See die Nr. 1 waren und damit praktisch den Welthandel beherrschten, deshalb führten sie sich auch entsprechend auf und provozierten z.B. die USA mit ihrer vergleichsweise winzigen Kriegsmarine bis zu deren Kriegserklärung.
    Wer hier ein Aggressor war, ist doch offensichtlich. Napoleon hatte damit grundsätzlich nur recht wenig zu tun, denn die langfristige britische Politik zeigte genau dasselbe Verhalten des Kaufens per Subsidien und des rücksichtslosen Ausschaltens der weltpolitischen Konkurrenz. Napoleon und sein Regime können da nur als Episode gelten.
    Nun haben es schon viele gesagt, dass Großbritannien ein wesentlicher Aggressor dieser Zeit war, nur lässt sich dessen Verhalten nur schlecht wegdiskutieren. Europa litt unter mehreren Aggressoren. In Mittel- und Südeuropaeuropa wird das am deutlichsten, da mischten sich ständig äußere Mächte ein. Von den Auswirkungen her war da einer wie der andere.

    Grüße

    Gunter

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  • derHerzog
    antwortet
    Nicht nur im Sinne Frankreichs, sondern auch im Sinne Europas.
    Das ist eine Hypothese von mir.
    Sie geht davon aus, dass nach dem Frieden von Luneville rechtsrheinisch ohnehin ein labiles HRDN übergeblieben ist, mit einem in seiner Autorität geschwächten Kaiser.
    Konflikte zwischen den scheinbaren Gewinnern und den frustrierten Verlierern des vorangegangenen Friedensschlusses waren nicht auszuschliessen. Dass andere Mächte sich einmischen oder hineingezogen werden, wohl wahrscheinlich.
    Zudem war das geschwächte Reich auch verlockende Beute für die angrenzenden Grossmächte wie Russland oder England?

    Ein starkes, einflussreiches und dominierendes Frankreich kann für Stabilität Ruhe und Frieden sorgen eben für
    -sich selber
    -Deutschland
    -Europa

    Man kann darin sicher selbstsüchtige Postengschieberei sehen, aber auch die Übernahme gesamteuropäischer Verantwortung.
    Zuletzt geändert von derHerzog; 26.03.2012, 08:17.

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  • HKDW
    antwortet
    Nicht nur im Sinne Frankreichs, sondern auch im Sinne Europas.
    Was hat denn beides miteinander zu tun?
    Die Expansionspolitik Napoleons geht nur im Sinne Frankreichs - ist ja völlig normal und dazu - im Sinne seines Familienclans um Pöstchen zu schachern.

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  • derHerzog
    antwortet
    Neubewertung der Expansionspolitik Napoleons?

    Von den meisten Forenteilnehmern wird die von mir expansiv bezeichnete Politik der Ausweitung des Macht und Einflussbereiches auch als "aggressiv" bezeichnet.
    Das Thema wurde in einem früheren Stadium des Threads bereits von KDF10 angesprochen:
    Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
    Diese Definition ist mir zu einfach. Was ist denn mit einem Angriff, bei dem sich der Gegner nicht wehrt und es somit gar nicht zu einem Krieg kommt? Ist das dann keine Aggression? Z. B. die Besetzung des Vatikanstaates? Die Verschleppung des Papstes?
    Darauf habe ich geantwortet:
    Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
    die Antwort auf deine Frage steckt doch schon in der Frage: Es kommt hierbei eben nicht zu einem Krieg. Die kampflose Einnahme ist der Extremfall einer gerade noch friedlichen Expansion.
    Du sprichst von einem "Angriff", bei dem der Gegner sich nicht wehrt.
    Um die Grenze jetzt mal ganz scharf zu ziehen:
    Setzt der Angreifer dabei Waffen ein, um mögliche Verteidigungsstellungen oder Einrichtungen zu zerstören, ist es Aggression, weil offenbar mit Gegenwehr gerechnet wird.
    Fällt kein Schuss, ist es noch friedliche Expansion, auch wenn das beschönigend klingt. Aber es kommt dabei eben nicht zum Krieg.
    In der Tat spreche ich mich dafür aus, die Expansionspolitik Napoleons neu zu bewerten.

    Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass die französische Revolution in eine Zeit des Wandels, in dem sich die Kräfte-Verhältnisse in Europa ohnehin zu verschieben begannen, fiel.
    Jenseits des Rheines enstand der preussisch-österreicheichische Konflikt, welcher über mehr als ein Jahrzehnt Europa bestimmte. (Schlesische Kriege, 7jähriger Krieg)
    Kennzeichnend war das Hervortreten neuer Mächte, während die kaiserliche Macht in Deutschland praktisch an Bedeutung verlor. Wo war der Deutsche Kaiser zu Beginn des 1. Schlesischen Krieges? Gewählt und geflohen! Ohne Macht und Möglichkeit, die entstehenden Konflikte einzudämmen.

    Der Erfolg der Revolutionstruppen Frankreichs legte die Schwächen und Instabilitäten auf deutschem Gebiet offen. Hier zeichnete sich ein beginnendes Machtvakuum ab! Wer es auffüllt, war vor der Wende zum 19. Jh offen.
    In dieser Situation war Frankreich gut beraten, die momentane Überlegenheit auszunutzen und zunächst mal den Rhein zu sichern.
    Der Rhein wird als natürliche Grenze Frankreichs empfunden, weil hier die Natur ein Hinderniss für mögliche Eroberer gesetzt hat. Unter den bisherigen Umständen bot ja die linksrheinische Gegend ein wunderbares Aufmarschgebiet für mögliche zukünftige Angreifer und Eroberer.

    Warum sollte Napoleon keine Kontrolle über die unsicheren Gebiete anstreben?
    Solange kein Blut vergossen wird, kann man unter diesen Umständen das Vorgehen eines dominanten Herrschers für angemessen halten.
    Nicht nur im Sinne Frankreichs, sondern auch im Sinne Europas.

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  • HKDW
    antwortet
    @Mephisto

    Ich hatte immer gedacht wir reden hier über 1805 - hier meiner Meinung eher ein 1 : 1 als ein 1 : 0 - die klaren Verhältnisse wir zumindest 1806 sind für mich nicht so klar.

    Zu der anti - napoleonischen Stimmung, ich hatte ja schon geschrieben, dass die nicht in jeden Staat gleich war und sich auch entwickelte.

    Staaten die tief gedemütigt waren, wie eben Preußen, oder die ihre Soldaten in Spanien verheitzt sahen, oder die dauernd Kontributionen ertragen zu hatten, werden Napoleon anders gesehen haben als z.b. eben die Bayern. Aber auch hier war das Entsetzen nach Rußland 1812 groß.
    Ausgeweint haben sich die Bayern über die Österreicher wohl eher nicht, sondern umgekehrt gerade 1809 sollen die Bayern in Österreich schlimmer gehaust haben als die Franzosen (oder sagen wir in Tirol das damals bayerisch war.)

    Bei Goethe bin ich immer sehr vorsichtig er war in Eigenpropaganda mindestens so gut wie Napoleon und vieler seiner Aussagen wurden nicht gleich veröffentlicht sondern Jahrzehnte später als man die politische Wirkung oder die Wichtigkeit einer Person besser einschätzen konnte.

    Wo hab ich gleich das Buch über die Unterredung Goethe - Napoleon ...

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  • Mephisto
    antwortet
    @HKDW
    Ich bin mir nicht sicher, ob wir den selben Thread verfolgen.
    Ich kann keine Diskussion entdecken, so wie Du sie beschreibst.
    Bei mir steht es 3 :0 in der Pflicht (1805,1806 und 1809). Was die Kür anbelangt schweige ich….;-)

    Nevertheless bin ich ganz Deiner Meinung!
    Die Geschreibsel einiger weniger Dichter haben ganz sicher nicht den „Aufstand aller Deutschen gegen den Aggressor“ verursacht.
    Das ist genau der Punkt!
    Sie sind vielmehr im (nationalistischen) Nachhinein als Belege für den „deutschen Volkszorn“ herangezogen worden;
    einen Volkszorn, der wie ich meine, eben nicht breitflächig war. Siehe Zitat Goethe
    1805 kann gar keine Rede davon gewesen sein.
    100 Jahre Krieg zwischen Habsburg und Wittelsbach sind durch die sogenannten „Befreiungskriege“ vergessen gemacht???
    Ich glaube nicht.
    Oder wer will mich glauben machen, dass 1805 ein landläufiger Bayer (und etliche Anrainer) so gedacht haben soll/en???
    S. Fiedler bezieht sich in seinem Buch über das Kriegswesen der damaligen Zeit auf ein Werk von Uebe, 1939.
    Darin wird der Einzug der Franzosen in München und die Vertreibung der Österreicher als Befreiung beschrieben.
    Ebenso schildert es Heimers in seinem Buch „Die Trikolore über München“.

    Wir sollten unbedingt die Zeitabläufe im Auge behalten.
    So haben sich die Bayern 1805 über die Österreicher böse ausgeweint. 1809 war wohl nicht viel anders.
    Aber 1813 sah die Sache sicher ganz anders aus.

    Fakt bleibt, dass in 1805 Napoleon nicht als Aggressor rüberkommt - ausser gegenüber den Engländern.
    Es sei denn, man lässt sich im Nachhinein von den teutschen Dichtern das Auge vernebeln...

    @Gunter, Herzog, Muheijo, Tellensohn
    In Eure Ausführungen zu England mag ich gerne einstimmen.
    Englisches Geld hat jeden einzelnen Koalitions-Krieg bestimmt; sei es gegen das revolutionäre, sei es gegen das konsulatorische, sei es gegen das kaiserliche Frankreich.
    Einige der Lastenträger waren sich dessen durchaus bewusst. So äußerte sich noch 1812 während der Verfolgung der Grand Armee Kutusov gegenüber dem Englischen Gesandten Wilson
    „Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob die totale Vernichtung des Kaisers Napoleon und seiner Armee für die Welt so wünschenswert ist. Seine Nachfolge würde nicht an Russland fallen oder an irgendeine andere kontinentale Macht; sondern an die, welche bereits die Meere beherrscht (England) und deren Vorherrschaft damit unerträglich würde.“
    Frei übersetzt nach Mikaberidze „The Battle of the Berezina“

    @Excideuil
    1803 – Lager von Boulogne - Vertrauen verspielt? Welches Vertrauen?
    Wie sollte eine revolutionäre, wie sollte eine kaiserliche Regierung jemals vor den Intrigen der Engländer sicher sein, wenn man sie nicht selbst, also den Kern, bekämpft!?!
    Immerhin dauerte es 2 Jahre bis man eine neue Koalition zusammengezimmert hatte. Alles aber nur eine Frage der Zeit und des Geldes. Vertrauen? Auf und durch wen? Der russische Zar spielte sich 1805 als Schützer von wen oder was auf, als er seine Truppen mobilisierte???
    Nein, Excideuil, Schluss sollte sein mit den Stellvertreterkriegen! Die Wurzel packen, England als „Europäische Spinne“ auszuschalten galt es.
    Zuletzt geändert von Mephisto; 25.03.2012, 01:25.

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  • derHerzog
    antwortet
    Zur Frage: Aggressor?

    Um eine Beurteilung darüber zustande zu bekommen, verwende ich die Kriterien des Angriffskrieges (vergleiche meinen Beitrag vom 19.2: )

    Wenig hilfreich finde ich Aussagen wie, dass damals alle Aggressoren waren und der Angriffskrieg eigentlich als akzeptiert galt. Was nicht richtig ist. Das sieht man schon daran, dass selbst Friedrich der Grosse für seine Eroberungsangriff auf Schlesien eine dynastische Rechtfertigung an den Haaren herbeizuziehen versuchte. Die reine Eroberungsabsicht wäre auch nicht akzeptiert worden.

    Um eine Beurteilung durchzuführen, haben wir den Unterschied zwischen Militärbefehlshaber und Staatsmann getroffen und damit zwischen taktischen Offensive und der strategischen Entscheidung, Krieg zu führen.
    Zu Beginn seiner Karriere führte Napoleon durchaus taktische Offensiven durch, aber diese sind nicht relevant, weil den Krieg andere begonnen haben (Italienfeldzug, Ägypten)
    Die politisch-strategische Entscheidung zum Angriffskrieg kann nur ein Staatsmann treffen.
    Damit sind ohnehin erst die Kriege ab 1799, seiner Zeit als erster Konsul, relevant.

    Die von Sans-Gene verlangte Einzelfallprüfung hab ich im Ansatz bereits gemacht.
    vgl. meinen Beitrag vom 18.02: http://www.napoleon-online.com/forum...8&postcount=38


    Ab jetzt möchte ich das Frage der Aggression unterteilen:

    -in den andauernden Hauptkonflikt Napoleon - England im Hintergrund-die einzelnen Konflikte auf dem Kontinent

    Ich möchte hier nochmal insbesondere den 3. Koalitionskrieg ins Auge fassen:

    Der 3. Koalitionskrieg begann mit der Kriegserklärung Englands an Napoleon im Mai 1803
    Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
    Es ist letzlich völlig egal, wer wem den Krieg erklärt hat, Bonaparte hat es nicht vermocht/gewollt?, den Kontinentalmächten Vertrauen einzuflößen, dass sie an seiner Seite gegen die Engländer standen. Punkt!
    Sehe ich nicht so. Eine Kriegserklärung ist kein Spass, sondern der Ausdruck der Aggressionsbereitschaft. So wie ich mitgelesen habe, ist der Kriegserklärung auch das Aufbringen französischer Schiffe vorangegangen.

    Zum Ausbruch der Kriegshandlungen mit der 3. Koalition und dem dabei entscheidenden Bündnis von Napoleon mit Bayern habe ich folgende Quelle gefunden:



    Wir sehen
    • einen Bündnisvertrag zwischen Bayern und Frankreich
    • eine Aggression Österreichs gegen einen der Vertragspartner
    Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Napoleon zunächst ja eine Invasion Englands auf die Kriegserklärung vorhatte und andererseits ja auch die Russen im Anmarsch waren, ging die Kriegsinitiative auf dem Kontinent klar von der Koalition aus.- Eine Einstellung, die viele hier im Forum teilen.


    Das Ergebnis auf dem Kontinent nach dem 3. Koalitionskrieg :
    • Frankreich beherrscht die natürliche Grenze des Rheines
    • Frankreich kontrolliert mit dem Rheinbund die Gebiete vor dem Rhein
    • die Großmächte Österreich und Russland wurden bei Austerlitz niedergeworfen.
    Zur Ergänzung noch kurz die Aussagen zu den weiteren Koalitionskriegen auf dem Kontinent:
    (vgl. Beitrag vom 18.02: http://www.napoleon-online.com/forum...8&postcount=38)
    -4. Koalitionskrieg, ging von Preussen aus
    -5. Koalitionskrieg, ging von Österreich aus.
    Dem wurde bislang auch nicht gross widersprochen.

    Wenden wir uns wieder dem Grosskonflikt gegen England zu:
    Dieser Konflikt war nach Trafalgar 1805 von einer militärischen Patt-Situation gekennzeichnet:
    Die Engländer beherrschten die See und den Kanal, hatten aber selber keine Truppen, um Frankreich anzugreifen.
    Napoleon hatte ausreichend Truppen zur Verfügung, konnte aber mangels Marine weder übersetzen und schon gar nicht die englische Seeherrschaft gefährden.
    Frankreich war erst recht genötigt, den Konflikt auf wirtschaftliche Mittel zu verlegen, darum die Kontinentalsperre.

    War der Konflikt mit England nach 1805 unvermeidbar und warum?
    War England nach 1805 noch eine Gefahr oder Bedrohung für Frankreich?

    Direkt wohl nicht durch militärische Patt-Situation: Kein Angriff auf Frankreich mangels Truppen möglich
    Indirekt durch mit England verbündete Mächte: Frankreich war nach 1805 militärstrategisch sicher :
    Die Beherrschung des Rheines, und die Kontrolle des rechten Rheinufers durch die Rheinbundstaaten: In Europa ist Frankreich unangreifbar.
    Die Siege gegen Preussen und Österreich 1806 und 1809 bestätigen diese Einschätzung.

    Warum wurde nach 1805 kein Friede mit England geschlossen?
    Die den Preussen gegenüber ungeschickte Aktion mit Hannover zeigt einen gewissen Friedenswillen von Napoleon.

    Gunter hat mögliche Motive der Engländer geschildert:
    Zitat von Gunter Beitrag anzeigen
    Den wirklichen Griff zur Weltmacht vollzog stattdessen Großbritannien, dem die Kriege gegen Frankreich und seine Verbündeten sehr gelegen kamen,
    -um sich deren Flotten zu entledigen (Trafalgar) und
    -ihre Kolonien unter den Nagel zu reißen.
    England war in einer komfortablen Situation: Abgesehen von den wirtschaftlchen Schwierigkeiten wegen der Kontinentalsperre, war es militärisch unangreifbar wegen der Herrschaft über den Kanal, während sie Zugriff auf die franz. Kolonien hatten.
    Fragt sich nur, welche Kolonien die Engländer tatsächlich an sich genommen haben. Hier sollten die Unterstützer der These noch etwas nachliefern.

    Aber das ist letzlich egal: die militärischen Aktionen auf der iberischen Halbinsel und gegen Russland machen Napoleon letztendlich doch zum Aggressor nach dem von mir zur Beantwortung der Frage vorgegebenen Angriffskrieg-Konzept.

    Entscheidend ist, dass er nach 1808 offene Aggression betrieb (Angriffskriege führte) während er 1805 zumindest noch um die Einhaltung von Formalitäten bemühte, wie der Bogenhausener Vertrag zeigt.
    Bemühung um eine vertragliche Grundlage:

    Grundsätzlich wollte wohl N. kein Aggressor sein, wollte keinen Krieg als Angreifer führen.
    Die militärischen Aktionen auf der spanischen Halbinsel und gegen Russland waren wohl Zeichen der Überforderung und Verzweiflung. V.a. weil es nicht gelang die Kontinentalsperre gegen England konsequent genug zu verwirklichen mussten die entsprechenden Länder mit Gewalt dazu gezwungen werden (Portugal und Russland).

    Die Frage ist, ob er mit mehr staatsmännischem Geschick auf dem Kontinent eine Koalition gegen England zustande gebracht hätte
    Zuletzt geändert von derHerzog; 25.03.2012, 08:59. Grund: Styling :), Grammatik

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  • Tellensohn
    antwortet
    @ muheijo

    Et voilà!

    rost:

    T.

    PS: Ich denke allerdings, die Briten selber haben damals auch nicht wirklich gewusst, welche Stellung sie im Laufe des 19. Jahrhundert noch erringen würden. Viele K(r)ämpfe hatten sie schon hinter sich, und manche standen ihnen noch bevor. Rome wasn't built in a day. Es hätte so manches auch ganz anders kommen können. Und im 20. Jahrhundert ist es dann ja auch ganz anders gekommen...
    Zuletzt geändert von Tellensohn; 24.03.2012, 16:47.

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  • muheijo
    antwortet
    Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
    Ja, und? Ist dafür Napoleon allein verantwortlich?
    Ganz im Gegenteil. Er hat ja getan was er konnte, um es zu verhindern.
    Im Ergebnis hat's nur leider nichts genutzt.

    Ich frage mich manchmal, ob es den Diplomaten der Zeit ueberhaupt bewusst war - welch ein Imperium (das British Empire) man da unterstuetzt und zugelassen hat.
    Man kønnte fast meinen, da jeder nur um die eigene Kirchturmspitze herum geschaut hat, keiner hat's gemerkt...Auch ein Talleyrand und ein Metternich nicht.

    Gruss, muheijo

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  • derHerzog
    antwortet
    Befreiungskrieg oder Restaurationskrieg?

    Ich fang mal von diesem interessanten Punkt der Diskussion an, den Sans-Gene eingeführt hat und bringe mal ein paar Fakten zu den hier geäusserten Behauptungen. Der Krieg gegen Napoleon wurde von deutschlandweit von verschiedenen Bevölkerungsschichten getragen mit unterschiedlichen Zielvorstellungen. Sicherlich gab es vor allem in den Städten Kreise im Bürgertum, die sich von der nationalen Idee begeistern liessen und eine Befreiung des deutschen Gebietes von Napoleon und den Franzosen anstrebten. Unter diesen Befürwortern gab es sicherlich nicht nur extrem-nationalistische und antisemitische Köpfe, sondern wohl auch liberalere und tolerantere Protagonisten.
    Schliesslich haben auch Juden am Krieg teilgenommen. Nicht nur solche, die durch die neu eingeführte Wehrpflicht gezwungen waren, sondern auch welche, die sich für die Sache begeistert haben.

    Drei Hamelner Juden hatten am Befreiungskrieg gegen Napoleon teilgenommen. Begeistert waren sie für die deutsche Sache in den Krieg gezogen, wollten beweisen, dass sie als Juden für die deutsche Nation kämpfen wollen, dass jüdische Emanzipation und deutsche Nation miteinander zu vereinbaren waren. Zwei von ihnen wurden sogar befördert und kehrten als Unteroffizier und Leutnant nach Hameln zurück.
    Danach die große Enttäuschung. Das Königreich Hannover schaffte die Gleichstellung der Juden, die in der napoleonischen Zeit verwirklicht worden war, komplett ab.
    Dann gab es noch die nach wie vor herrschende Sicht in Deutschland, das war die der regierenden Monarchen und Adeligen. Diese wollten vor allem, Restauration, Wiederherstellung, verbanden das aber mit oder versteckten das hinter der nationalen Sache.
    Das waren nicht nur die Hohenzollern in Preussen, sondern auch die Wittelsbacher z.B. in München.

    Ludwig machte aus seiner Abneigung gegen Napoleon und Frankreich kein Hehl, und demonstrierte bewusst und in aller Öffentlichkeit seine deutsch-nationale Einstellung, die er selbst als „Teutschtum" bezeichnete. So war es nur folgerichtig, wenn Ludwig den Bündniswechsel Bayerns im Jahr 1813 befürwortete
    Hier ist von dem späteren König Ludwig I. die Rede, der 1848 die Krone niederlegen musste, nicht vom Erbauer der bayerischen Schlösser, das war Ludwig II.
    Was den verbleibenden Rest der Bevölkerung angeht, der überwiegend auf dem Land lebte (damals wohl noch 75-80%) der Leute, hab ich ein Buch der Historikerin Ute Planert gefunden, das sich damit beschäftigte: Der Mythos vom Befreiungskrieg. Frankreichs Kriege und der deutsche Süden: Alltag - Wahrnehmung - Deutung 1792-1841
    Rezensionen unter :




    Probelesen möglich unter :

    Ergebnisse:
    In den weniger gebildeten Schichten seien vornationale Weltbilder und Loyalitäten entscheidend gewesen. Somit ließen sich angeblich moderne Denkweisen bereits vor und angeblich veraltete Weltbilder auch noch nach der angeblichen Epochengrenze finden.
    Die eigentliche Wirkung erziele Planerts Studie aber in der Nachzeichnung der furchtbaren Kriegserfahrungen der einfachen Menschen und in der plastischen Darstellung der Gewalt, die das gesamte Land "bis ins letzte Dorf" überrollte.
    Als die Französische Revolution Europas Throne ins Wanken und Napoleon an die Macht brachte, bedeutete das für die Zeitgenossen im deutschen Süden und Südwesten vor allem eins: den permanenten Kriegszustand. Truppen aus aller Herren Länder machten Baden, Württemberg und Bayern zum Kriegsschauplatz. Einquartierungen und Durchmärsche, Plünderungen und Requisitionen, Seuchen und wirtschaftliche Not brachten die Einwohner an die Grenzen ihrer Leistungs- und Leidenskraft. Wie die Menschen vor 200 Jahren den Kriegsalltag zu meistern suchten, beschreibt Ute Planert.
    Dazu kommt auch die Wehrpflicht. Und es wird dargestellt, dass sich ein Grossteil der betroffenen Bevölkerung der Wehrpflicht zu entziehen versuchte, egal auf welcher Seite ("Teutscher" oder Französischer) gekämpft werden sollte

    Um was es sich bei den Kriegen tatsächlich handelt, hängt von der betroffenen Gruppe ab:
    Es war
    • ein Restaurationskrieg für die Herrscher
    • ein Befreiungskrieg für einen Teil des Bürgertums
    • für den Rest des Volkes war es ein Sch(nurz)egal-Krieg, Hauptsache, es ist bald vorbei, am liebsten wären sie vom Krieg befreit worden.
    Die Wehrpflicht war die greifbarste Folge der „Egalität"
    Napoleon war auch, was sein Feinde sagten: ein Menschenfresser
    Aber war wirklich Napoleon der "Menschenfresser"?
    Zuletzt geändert von derHerzog; 25.03.2012, 09:15.

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